Beiträge von Germanica Aelia

    Der Drang nach vorne kam ins Stocken und so mussten wir immer wieder stehen bleiben. Ich grinste fröhlich, als Venusia mich als eine herausragende (naja, so in etwa) Tante lobte und wandte mich zu ihr um. Ihr Gesichtsausdruck war allerdings etwas... verkniffen. Die Stirn runzelnd, legte ich den Kopf schief. Hatte ich wieder etwas ausgefressen? Germanen waren da zum Teil ja etwas empfindlich, allerdings hatte ich Venusia, soweit ich mich erinnerte, nie derart auf die Füße getreten, dass sie beleidigt gewesen wäre :D
    Die Erklärung hierfür folgte jedoch auf dem Fuße ( ;) :( Ein nicht gerade leichtgewichtiger Mann war ihr auf die Zehen getreten. Aiaiai. Nichtsdestotrotz musste ich mir bei ihren so wohlgewählten Worten schwer das Lachen verkneifen. Das Briefe schreiben musste wohl doch Wirkung gezeigt haben.


    Höflich entschuldigte sich der Übeltäter und stellte sich sowie seine Begleiterin vor. Eine Iunia. Brrrr. Ich beschloss jedoch, meinen Groll dieser Familie gegenüber hinunterzuschlucken und setzte mein diplomatisches Gesicht auf. Venusia schien verärgert genug für uns beide.
    "Germanica Aelia.", stellte ich mich selbst vor. "Und das hier ist Duccia Venusia."
    Sprachs und deutete auf die arme Germanin.
    Ob wir die Einladung annehmen wollten überließ ich Venusia. Schließlich war es nicht mein Fuß, der geplättet worden war und vielleicht legte sie keinen großen Wert darauf, ihren "Peiniger" heute noch länger zu sehen. Ein kurzer Blick galt dem sonderbar gekleideten Mann, der nach dem Weg fragte. Da Axilla jedoch bereits Auskunft gab, war dies für mich erledigt und mein Fokus galt wieder meiner Freundin.

    Es war bereits später Abend, als ich mit Venusia von den Märkten zurückgekommen war. Schnell hatte ich mich von ihr verabschiedet, um nachzuholen, was ich bislang vergessen hatte.
    Laut dem aktuellen Flurfunk war Corvus in seinem Tablinum, also steuerte ich Selbiges zielstrebig an, hielt mich nicht lange mit Klopfen auf, sondern stieß die Tür auf, trat ein und richtete den vorwurfsvollsten Blick, den ich auf Lager hatte, auf meinen Mann.
    "Du hast wohl gedacht, du kommst damit durch, wie?"
    Dass ich nicht erwähnt hatte, womit entging mir kurzfristig.

    Es war eine Unverfrorenheit. Glaubte Corvus denn wirklich, dass ich jenes Hippopotamus so einfach vergessen würde? Ha! Nicht mit mir! An Zufälle glaubte ich bei meinem Gatten schon lange nicht mehr, der hatte sicher alles bereits von langer Hand geplant, nur um mir das Tier vorzuenthalten.
    "Naja, ich will ihm ja keine Böswilligkeit unterstellen... doch, will ich. Er hat schonmal eines aufgetrieben, da wird ein Zweites doch kein Ding der Unmöglichkeit sein? Der wird sein blaues Wunder erleben, glaub mir."
    Leise weiter vor mich hingrummelnd hatte ich zunächst gar keinen Blick für die Stände und Menschen um uns herum. So gesehen hatte sich das Nichtvorhandensein des Hippopotamus vielleicht bereits für Corvus gelohnt, sparte ihm dies doch massig Geld. Kostete später jedoch ebensoviele Nerven.
    "Das war Absicht. Mit Sicherheit. Wie bei einem kleinen Kind, dem man etwas verspricht, nur um darauf zu bauen, dass das Kind es ohnehin später vergessen wird. Aber nicht mit mir, ha!"


    Indes schoben wir uns weiter durch die Menschen, während sich die Sklavenkolonne ein wenig ausdünnte und hauptsächlich hinter uns herlief.
    "Überblick?", riss mich Venusias Bemerkung aus meinen Grummeleien. "Achso, ja, genau. Und das Angebot kennst du: Es gibt alles. Wirklich alles. Es ist unfassbar. Aber den Knirpsen möchte ich auch noch ein bisschen etwas holen... als quasi-Tante."
    Ich fand mein Grinsen wieder. Schließlich war es auch nicht mein Fuß, der gerade schwer belastet wurde. Zum Glück für den Belaster, vermutlich :D

    Für einen Menschen, der so klein war wie ich, war der Markt vermutlich noch eine Nummer größer als für alle anderen. Und wie ich in Gedanken versunken so über Größe sinnierte, kam mir ein Geistesblitz.
    „Hippopotamus!“, platzte es völlig unvermittelt aus mir heraus. Die verdutzten Gesichter um mich herum bemerkend, lächelte ich ein wenig peinlich berührt. „Äh… entschuldige. Mir ist nur gerade eingefallen, dass ich Corvus vor einiger Zeit auf ein Hippopotamus angesprochen habe… du weißt ja, ich habe dir versprochen dir mal eines zu zeigen. Und bisher hat er scheinbar keines gefunden. Oder es vergessen und sich nicht darum gekümmert. Wenn wir nach Hause kommen muss ich ihn wohl noch einmal anschubbsen.“, erklärte ich, an Venusia gewandt.
    „Was war deine Frage? Achso, äh, der Ablauf. Ja, ich würde sagen wir sehen uns erst hier um und wenn wir dann noch Lust und Energie haben, klappern wir die nahe liegenden Sehenswürdigkeiten ab. Wenn nicht, die laufen ja nicht weg.“
    Schelmisch grinsen zwinkerte ich meiner Begleiterin zu.
    „So… hast du denn Etwas, das du hier kaufen möchtest? Oder sollen wir ohne Ziel herumschlendern?“
    Ich selbst praktizierte meistens Letzteres. Vermutlich kannte ich mich deshalb auf dem Markt bereits so gut aus wie in meinem Kleiderschrank – was im Übrigen ebenfalls eine Kunst für sich war.
    Noch während ich dies fragte setzte ich mich in Bewegung und bedeutete ich ihr, mir zu folgen… ich selbst folgte hierbei den beiden breitgebauten Sklaven, die uns den Weg frei schoben. Eine wahrlich nützliche Einrichtung, bei dem Gedränge, das an diesem Ort herrschte.

    Die Sonne brannte nicht ganz so unbarmherzig wie in der letzten Zeit auf Alexandria. Eine Tatsache, welche Venusia und ich genutzt hatten, um endlich unsere Stadtführung fortzusetzen. Und wo konnte man dies besser tun, als auf den riesigen Märkten der Stadt, die selbst Rom an Vielfalt und Sehenswürdigkeit übertrafen.
    Unzählige Menschen aus allen Ecken der Welt hatten sich hier zusammengerottet, um lauthals ihre Waren anzupreisen oder ebendiese zu kaufen. Ich selbst war bereits einige Male hier gewesen und hatte jedesmal ein kleines Vermögen hier zurückgelassen und ich hegte keinerlei Zweifel, dass es heute ebenso sein würde. Erschwerend kam hinzu, dass ich heute in Begleitung war, die ich mochte und nicht wie üblich in Begleitung, die ich notgedrungen duldete.
    Jeden Händler zu verstehen schien unmöglich, war zum Einen die übliche Sprache hier nicht Latein, sondern Griechisch und zum Anderen zahlreiche ausländische Händler hier, die weder das Eine noch das Andere verstanden. Glücklicherweise fand sich irgendwie immer ein Übersetzer.
    "So, da wären wir.", verkündete ich und wies mit ausladender Geste auf das bunte Treiben. Mitgebracht hatten wir außer uns selbst natürlich eine Schar Sklaven, die später die erstandenen Kostbarkeiten (und den unnützen Ramsch) nach Hause tragen würden.
    "Das ist der Markt des Reiches.", erklärte ich und ging voran. "Dort drüben ist übrigens das Caesareum, aber da kommen wir später noch hin."

    Nun war ich es, die mir das Lachen nicht verkneifen konnte. Zunächst konnte ich ein lautes Herausplatzen verhindern, indem ich mir auf die Lippe biss, doch tat Venusias "Denkerpose" das Ihrige dazu, letztlich doch einen Lachanfall auszulösen.
    "Du hast ausgesehen wie Corvus!", lachte ich und hielt mir den Bauch.
    "Oh ihr Götter... zu putzig."
    Das Kichern wollte sich nicht so recht einstellen, daher wandte ich mich wieder um und ließ mich nach hinten fallen.
    "Oh weh, oh weh... du hättest dich sehen sollen... so.."
    Andeutungsweise versuchte ich ihre Pose nachzuahmen.
    "Ich kriegs nicht hin.", stellte ich schließlich fest und grinste sie fröhlich an.
    "Also sind wir fertig mit Briefe schreiben?"

    "Jajaja, Ausreden, nichts als Ausreden.", brummte ich, verschränkte die Arme und kehrte Venusia nun, so gut es ging, den Rücken zu. Zum einen um die Vorstellung zu perfektionieren, zum anderen um das allzu große Grinsen zu verstecken, das nun erschien.
    Verstohlen linste ich über die Schulter, um zu sehen, dass die Duccia auch ohne Hilfe zu schreiben begann. Pah, na gut, dann brauchte sie mich ja ohnehin nicht. Mit wehenden Haaren warf ich erneut den Kopf herum und seufzte dumpf.
    "Prima. Vermutlich habe ich mit meinem unqualifizierten Einwürfen ohnehin nur deinen Denkprozess durcheinander gebracht. Vermutlich hättest du alleine den Brief seit einer halben Stunde fertig, nicht wahr?"

    Ich verharrte mitten im Kauen in der Bewegung und stierte Venusia an. Verfressen? Ich? Ihich? Ich, die allein aufgrund ihrer Anwesenheit mehrere Pfund abgenommen hatte, weil sie die Köche so in Beschlag genommen hatte während ihrer Schwangerschaft? :D
    Das Werk vollendend schluckte ich die verbliebenen Trauben nach unten und räusperte mich.
    "Also, wenn hier jemand verfressen ist, dann bist du das. Pff."
    Die Arme verschränkend, unterstrich ich jenen Laut des Unmuts damit, dass ich den Kopf reckte und zur Seite drehte. Als Kind mit vielen Geschwistern hatte ich das beleidigt-sein schon im zarten Alter von acht perfektioniert.
    "Und natürlich hätte ich ausschweifende und zugleich nichtssagende Abschlusssätze. Aber ich sag sie dir nicht."
    Mit dem einzigen Ziel, Venusia auf baldige Streitigkeiten ihrer Kinder vorzubereiten, streckte ich ihr die Zunge heraus. :P

    "Pff.", brummte ich, um schließlich demonstrativ einige weitere Trauben zu futtern. "Hamster... Hamster sind putzig, dagegen ist nichts einzuwenden.", stellte ich in all meiner Weisheit fest, vermied es jedoch dennoch, noch einmal meine Backen so aufzuplustern.
    "Mehr schreiben... naja... willst du denn noch mehr schreiben?"
    Ein vielsagendes Grinsen war bereits Andeutung genug.

    Angesichts der Tatsache, dass ich mich selbst nicht sehen konnte, verwirrte mich Venusias Lachanfall nun doch ein wenig. Das Grinsen nahm ab, dafür stiegen meine Augenbrauen in die Höhe.
    „Wafn?“, brummte ich, bemerkte bei dieser Gelegenheit, dass ich den Mund noch voll hatte und beeilte mich hinunterzuschlucken. Da ich mir keiner Schuld bewusst war, nahm ich an, Venusia lachte über etwas, das hinter mir war. Schnell drehte ich mich um, konnte jedoch nichts Außergewöhnliches entdecken. Ratlos zuckte ich mit den Schultern.
    „Was ist was? Also, manchmal bist du schon sehr albern, weißt du.“
    So kehrte das Grinsen zurück, wenngleich ich immer noch nicht wusste, was so lustig war :D

    "Mmmmh...", brummte ich gedehnt und lehnte mich nach vorne, um das bislang geschriebene zu lesen.
    "Schreib lieber 'sehe ich mich derzeit nicht in der Lage, den Pflichten eines Patrons im vollen Umfange nachzukommen. Meine beiden Kindern nehmen meine gesamte Zeit in Anspruch, sodass ich fürchte, für mein geliebtes Mogontiacum nicht genug Arbeit aufbringen zu können. So verzichte ich hiermit schweren Herzens auf die Ehre, Stadtpatron zu werden."
    Höchst zufrieden mit diesem Satz lehnte ich mit wieder zurück und schnappte mir einige Trauben, die alle auf einmal den Weg in meinen Mund fanden. Meine Backen wurden hierdurch recht gut ausgepolstert. Als ich dann noch zu Grinsen begann, musste es ein wahres Bild für Götter sein. :D

    "Naja, du bist Germanin, ihr seid ein sehr direktes Volk. Weißt du, ich komme ja aus Rom, deshalb fiel mir es immer recht leicht, weit auszuschweifen... in Briefen... ich habe mir selbst sogar in meiner Verwaltungszeit angewöhnt, immer zuerst den letzten Absatz in einem Brief zu lesen, weil weiter oben ohnehin nur Unwichtiges steht."
    Schnell begann ich zu Grinsen. Zu zweit war Briefe schreiben in der Tat gar nicht so schlimm... nein, was hatte ich nur immer gute Ideen :D
    "Ablehnung... ja, langsam ist es Zeit. Hm... lass mich überlegen... 'Leider...' oder... nein, warte 'Zu meinem großen... größten Bedauern, muss ich euch leider mitteilen...'"

    „Och, dürfen… was sollen sie denn machen? Dich verklagen?“
    Ein breites Grinsen folgte, während ich mir einen solchen Prozess vorstellte. Einige wild auf- und ab-hüpfende Gestalten auf der Klägerseite, wild mit den Armen fuchtelnd und wüste Verwünschungen ausstoßend. Eine Venusia mit gelangweiltem Gesicht auf der Seite des Beklagten. Außerdem ein Richter, welcher sich entnervt die Schläfen rieb. Ich hatte eindeutig zu viel Phantasie.
    „Aber gut, die ärgerfreie Variante ist sicher die Bessere.“, pflichtete ich schließlich bei.
    „Hm… Mitnominierte… nenn sie am besten namentlich, das wirkt aufgeplusterter. Und immer schön mit Adjektiven schmücken. ‚Dem verehrten…’ oder ‚Dem teuersten…’. Macht sich immer gut. Und: Zu dick aufgetragen gibt es gar nicht.“

    "Hm... 'Danke, für die herzlichen Glückwünsche an meine Familie. Ich weiß, es interessiert euch einen Dreck, aber es geht allen bestens.' "
    Als ich ihr Gesicht sah, begann ich zu Grinsen.
    "Wäre zumindest ehrlich.", verteidigte ich meinen Vorschlag, tat ihn jedoch selbst mit einem Lachen ab.
    "Na gut... hm... ja, ich denke dein Satz ist besser."
    Erneut griff ich nahm dem Brief, um zu sehen, welche Fragen noch beantwortet oder welche Komplimente erwidert werden wollten.
    "Dann vielleicht noch, dass du den anderen Erwählten alles Gute wünscht und solches blabla... nette Grüße und die besten Wünsche an alle... hm... ja. Oder was meinst du?"
    Briefe schreiben machte hungrig. Das war wissenschaftlich erwiesen. Ganz bestimmt. Also wirkte ich dem Hunger entgegen, indem ich einige Trauben verspeiste.

    Ich legte grübelnd den Kopf zur Seite und ließ mir den Satz durch den Kopf gehen.
    "Hm... 'ihr Stadtverordneten' klingt irgendwie seltsam.", meinte ich.
    "Vielleicht fängst du am besten mit einem Dank an... also etwa 'Ich möchte mich zunächst für das in mich gesetzte Vertrauen und die große Ehre bedanken, die ihr mir mit der Wahl zur Patronin von Mogontiacum zuteil werden ließet...' oder so... "
    Es war wirklich nicht so einfach, Beamten einen Brief zu schreiben. Je verschnörkelter und unklarer ausgedrückt, desto mehr freuten sie sich meist. Zumindest die in Alexandria.