Beiträge von Kaeso Pollius Industrius

    Sie hatten Geneva erreicht. Kaeso wurde zunehmend nervöser. Die Grenze nach Gallien lag unmittelbar vor ihnen und damit die Straße nach Lugdunum. Wie lange war er nun schon nicht mehr in der Heimat gewesen? Wieviel hatte sich in der Zwischenzeit verändert? Wieviele Leute würde er noch kennen und vor allem, wer würde ihn noch kennen. Er hatte keine Vorstellung davon, was alles auf ihn zukommen würde. Doch der Gedanke reizte ihn. Er würde in Lugdunum einfahren, er würde sehen, was es zu tun gab und dann entscheiden. Es gab viel zu tun für erfahrene Männer wie ihn. Und sein Donativum, welches zum größten Teil noch vorhanden war, würde ihm sicher einige Möglichkeiten erlauben. Entsprechend gut gelaunt zeigte er sich nun auch wieder gegenüber Secunda. Und als beide so Geneva verließen und die Straße nach Lugdunum einschlugen, legte sie ihre Hand auf seinen Schoß. Kaeso grinste zufrieden. Ein neues Leben begann...

    So kamen sie Stück für Stück voran. Nach mehreren Unterbrechungen erreichten sie Borbetomagnus, danach Argentoratum, schließlich Augusta Raurica. In Augusta Raurica blieben sie etwas länger, da Secunda plötzlich ein schweres Fieber bekommen hatte. Kaeso kümmerte sich um sie so gut er konnte, gab ein Teil seines Donativums für einen guten Arzt aus und war froh, dass seine Kebse noch einmal über den Berg kam. Nachdem ihr Gesundheitszustand wieder besser geworden war und sie wieder reisebreit schien, hieß es erneut weiter zu reisen. Lugdunum war das Ziel und blieb das Ziel. Geneva war auf diesem Weg die nächste Station.

    In der Mansio ging es recht derb zu. In einer Ecke lümmelten ein paar dubiose Gestalten. Kaeso und seine Kebse ignorierten diese so gut es ging und steuerten direkt den Wirt an. Sie bestellten etwas Nahrhaftes zum Essen und zwei Krüge Bier um sich für die weitere Reise zu stärken und nahmen dann am gegenüberliegenden Ende des Raumes Platz. zwei andere Reisende, welche offensichtlich aus dem hohen Norden kamen saßen am Nachbartisch. Einer der beiden hatte es ständig von irgendwelchen Lupa in Confluentes, der andere lachte derb und riss seine Zoten. Kaeso versuchte nicht hinzuhören, hatte er doch unzählige dieser sinnlosen und dumpfsinnigen Gespräche in den verschiedensten Castellen zu Genüge mitbekommen.


    Als sie beide wenig später die Masio wieder verließen und sowohl Pferd als auch Maultier mit frischem Wasser versorgt waren, atmeten sie erleichtert auf. Nicht alle Reisenden waren angenehme Genossen.


    "Auf, Alter! Lauf"


    rief Kaeso und schnalzte erneut.


    Der Wagen setzte sich in Bewegung.

    An der ersten Poststation hielten sie an. Kaeso sprang als erster vom Bock und reicht der Kebse dann seinen Arm. In der Zwischenzeit schlief sie nicht mehr friedlich sondern quasselte ohne Unterlass. Kaeso wurde klar, dass es eine lange Zeit an Umgewöhnung für beide bedeuten würde, jetzt zusammenzuleben. Es war eben doch etwas anderes, als sich einmal in der Woche zum Geschlechtsverkehr zu treffen und dann wieder in die Kaserne zurückzukehren.


    "Wir sind an der Poststation."
    sprach er.


    "Brauchen wir irgendwas wichtiges?"


    "Du weißt, dass wir alles haben..."
    antwortete sie und fügte dann jedoch hinzu


    "Wenn Du mir aber etwas kaufen willst, halt ich Dich nicht ab."


    "Sicher, das fehlte noch. Nee, erst in Lugdunum wieder.
    Sonst ist mein Donatuivum vorher aufgebraucht..."


    Lachend traten beide in die Mansio ein.

    Sie kamen etwa eine Stunde weit, als Kaeso den Wagen anhielt, behutsam sein Weib auf die Seite legte um absteigen zu können. Er schwang sich vom Wagen herunter, ging einmal nach hinten, tätschelte das Maultier und verließ dann die Straße um am nächsten Baum zu strullern. Es war eine Wohltat. Als das Geschäft erledigt war, erblickte er eine Blume, welche noch nicht verdorrt war, pflückte diese und nahm sie pfeifend mit. Am Wagen wieder angelangt, schwang er sich erneut auf den selben, steckte die Blume in das Haar seiner schlafenden Kebse und schnalzte erneut mit der Zunge. Der Weg bis nach Lugdunum würde weit werden...

    Er hatte das Castellum verlassen und dann Secunda in der Stadt abgeholt. Der kleine Wagen kam nur langsam auf der Straße voran, doch es machte ihm nichts, schließlich hatte er jetzt genug Zeit um sich auf den letzten Abschnitt seines Lebens vorzubereiten, ohne die Legion und ohne Soldaten. Secunda an seiner Seite hatte ihren Kopf auf seine Schulter gelegt. Er hingegen hatte die Zügel fest in der Hand und schnalzte mit der Zunge, damit das Pferd etwas stärker anzog. Das Maultier indess hatte seinen Platz am Ende des Wagens gefunden und trottete angeleint hinterher. Bis Geneva, das wusste Kaeso, würde es noch einige Tage dauern. Dort würde er dann auf die Straße nach Lugdunum wechseln und sie wären in seiner Heimat.

    Kaeso lachte.


    "Mach Dir keine Sorgen, Mann. Pass lieber auf Deinen eigenen Kopf auf. Nicht, dass ihn die Germanen eines Tages noch abschneiden und Du dann ohne Kopf durch die Gegend läufst..."


    Er zog an seinem Maultier und dieses setzte sich in Bewegung.


    "Vielleicht kommst Du ja mal nach Lugdunum. Falls Dich die Germanen am Leben lassen. Am Besten schaust Du dann bei mir vorbei, in meinem kleinen Häuschen, auf einen guten Wein. Vale!"

    Kaeso hatte alle seine Sachen gepackt. Viel musste er nicht mitnehmen. Alles was er besaß, passte auf das Maultier, welches er mit sich führte. Und draussen vor dem Lager, in der Stadt, wartete seine Kebse mit dem Wagen. Die Reise würde weitergehen, raus aus dieser Stadt, nach Westen, raus aus dieser Region, aus der Provinz, nach Gallien, Richtung Lugdunum. Ab in die Heimat.


    Noch einmal sah er sich um. Das Castellum lag im Glanz der Mittagssonne. Ein paar Soldaten kamen die Straße entlang und grüßte ihn. Er erwiderte den Gruß. Zum ersten mal als Zivilist.

    Kaeso nahm die Auszeichnungen mit Stolz entgegen und dankte dem Legatus Legionis. Auch seine persönlichen Worte im Anschluss daran waren freundlich und zeigten ein wenig, dass hinter dem dem großen Legaten auch nur ein normaler Mensch steckte. Als sich der Legatus wieder abwandte und das Kommando an den Princeps übergab, musste er anhalten, nicht von den Emotionen überwältigt zu werden. Auch jetzt noch hieß es Vorbild zu sein und zu bleiben. Sentimental werden und flennen konnte er immer noch im Schoß seiner dicken Kebse.

    "Ich danke Dir, Legatus" antwortete Kaeso und nahm stramme Haltung an.


    Er hatte sich zur Feier des Tages mit seiner Paraderüstung gekleidet, alles auf Hochglanz gebohnert und auch seine bisherigen Auszeichnungen nicht vergessen, welche er voller Stolz trug. Es würde vermutlich das letzte mal sein, doch die Erinnerung konnte ihm nie jemand nehmen.

    Kaeso hatte es sich nicht nehmen lassen, ebenfalls schon früh anwesend zu sein, und seinen letzten Appell von Anfang an mit zu erleben. Und dennoch war dieser grundlegend anders. Es war der Princeps, der zweite Mann hinter ihm, welcher die Männer auf den Platz rief. Kaeso blickte zu ihm hinüber und vermisste in einer gewissen Weise die Vorstellung, in Zukunft die Männer über den Platz zu jagen. Auf der anderen Seite jedoch war es Zeit zu gehen. Die Knochen machten einfach nicht mehr mit und nach vielen Jahren des Dienstes und der harten Arbeit wollte er sich nur noch seine Dicke schnappen und sein vermutlich letztes Abenteuer beginnen.

    Kaeso erwiderte das Kopfnicken mit dem militärischen Gruß.
    "Vale, Legatus."


    Dann machte er kehrt und verließ das Officium. Als er die Türe von aussen schloß, blieb er noch einen Moment stehen und ließ die Erinnerungen revue passieren. Er hatte in der Legio eine Menge erlebt. Er war bei vielen Truppen gewesen, hatte in einigen Schlachten gekämpft, hatte viele Männer sterben sehen. Doch, seine Entscheidung war richtig. Er war ein alter Mann geworden und es war richtig zu gehen, so lange er noch konnte. Die Zukunft würde bedeuten Land zu erwerben, zu bebauen und eine Familie zu gründen. Jetzt im Herbst seines Lebens hatte er vielleicht noch das Glück, dies hin zu bekommen.

    "Ich dachte an die Heimat." antwortete Kaeso kurz.
    Ja, die Heimat hatte er lange nicht mehr gesehen. Es war Zeit.


    "Ich habe die Heimat lange nicht mehr gesehen, Legatus. Meine Eltern leben nicht mehr, aber mit etwas Glück baue ich mir in der Gegend eine eigene Existenz auf. Gut genug habe ich ja in den letzten Jahren verdient. Ich konnte mehr zur Seite legen, als meine Vater sein ganzes Leben lang verdiente."