Ganz anderer Auffassung bin ich, Römer, als die mir vor mir redende Unbekannte, wenn ich unsere Lage und Bedrohung bedenke und wenn ich die Anträge einiger von euch bei mir erwäge. Die haben, so kommt es mir vor, Erörterungen angestellt über die nachträgliche Bestrafung von Leuten, die gegen Vaterland und Eltern, gegen ihre eigenen Weihe- und Heimstätten zum Kriege gerüstet haben. Die wirkliche Lage aber mahnt uns doch, uns eher vor ihnen zu sichern, als darüber zu beraten, was dem Prinzipat schadet. Denn dies ist eine Straftat und Straftaten ahndet man im allgemeinen, wenn sie verübt sind;. Die jetzt bevorstehende muß man aber verhindern; tut man das nicht, so dürfte man, wenn sie geschehen ist, wohl vergebens die Gerichte anrufen: ist die Stadt eingenommen, dann ist dies für die Besiegten ja ausgeschlossen. Indes, bei den ewigen Göttern, mein Aufruf geht an euch, die ihr seit je eure Häuser, Landsitze, Plastiken und Gemälde höher gewertet habt als den Staat: wenn ihr die Dinge, von welcher Art sie auch sein mögen, an die ihr euch klammert, behalten, wenn ihr für eure Vergnügungen eure Ruhe haben wollt, dann wacht endlich auf und nehmt Anteil am Staatsleben! Es geht jetzt nicht um Besteuerungsfragen und nicht um Übergriffe gegen Bundesgenossen: unsere Freiheit und unser Dasein stehen auf dem Spiel!
Oftmals schon, Römer, habe ich hier und dort manches Wort gesprochen, oft habe ich geklagt, über die Genußsucht und Raffgier und Gottlosigkeit unserer Mitbürger und viele Menschen habe ich deswegen zu Gegnern; ich, der ich mir und meinem Herzen niemals eine Verfehlung nachgesehen hätte, konnte auch der Leidenschaft eines anderen nicht leicht schlechte Handlungen vergeben. Obschon ihr darauf nur wenig Gewicht legte, hatte der Staat doch festen Bestand; bei seiner Machtfülle konnte er eure Gleichgültigkeit aushalten. Jetzt aber geht es nicht darum, ob die Gesittung, in der wir leben, gut oder schlecht ist, auch nicht um Größe oder Glanz der Herrschaft des römischen Volkes, sondern darum, ob diese Dinge, wie immer man sie auch ansehen mag, uns selbst oder mit uns zusammen den Feinden gehören werden. Und da redet mir noch jemand von Milde und Mitleid! Wir haben eben schon längst die rechten Namen für die Dinge verloren; denn fremdes Gut verschenken heißt heute Freigebigkeit, sich an Schlechtigkeiten heranzuwagen gilt heute als Tapferkeit. Deshalb steht der Staat vor dem Ärgsten. Immerhin, mögen sie, weil es nun schon so Brauch ist, freigebig sein mit dem Besitztum der Bundesgenossen, mögen sie mildherzig sein gegen Diebe öffentlicher Gelder: nur unser Blut sollen sie nicht verschenken und, indem sie ein paar Verbrecher schonen, auf den Untergang aller Gutgesinnten ausgehen.
In guter und wohlgesetzter Rede hat Tiberia Helena gerade eben in dieser Versammlung eine Erörterung über Leben und Tod geboten, die sie erwartet; vermutlich hält sie das für einen Schwindel, was man von der Unterwelt berichtet: daß die Bösen da weitab von den Guten ihre abscheulichen, verwahrlosten, gräßlichen, grauenvollen Stätten haben. Daher beantragte sie mit dem götterlosen Plinius Secundus, mein Vermögen sei einzuziehen, und ich selbst sei in Landstädten in Haft zu halten, offensichtlich gar aus Besorgnis,ich könnte, falls ich in Rom bliebe, die aufrührerischen Pläne der Republikaner durchkreuzen.
Aber ich werde meinen Auftrag ausführen und für das Rom meiner Väter kämpfen.
Ich werde mit den Treuesten der Treuen die Verräter aus ihren Bauen treiben, sodaß sie nicht einmal die Genossen der Verschwörung oder von einer angeworbenen Bande gewaltsam herausgehauen werden können. Wenn ihr, meine Römer, Gefahr von ihrer Seite befürchtet; wenn ihr aber bei der allgemeinen großen Furcht als einzigste unbesorgt seid, dann ist es um so wichtiger, daß ich für mich und für euch besorgt bin. Deshalb sollt ihr euch im klaren sein, daß ihr mit eurem Beschluß über Scribonio Curio und Germanica Adria und die andern zugleich auch über das Heer der Verräter und über alle Verschwörer entscheidet. Je entschlossener ihr dabei vorgeht, um so schwächeren Mut werden sie haben. Wenn sie euch nur ein wenig nachgiebig sehen, dann werden alsbald die Radikalen alle zur Stelle sein.
Denkt nicht, unsere Vorfahren hätten ihren kleinen Staat mit Waffen groß gemacht! Wenn es so wäre, dann müßten wir ihn im allerschönsten Zustand haben; besitzen wir doch eine größere Zahl von Bündnern und Bürgern, ferner von Waffen und Pferden als sie. Nein, es sind andere Kräfte gewesen, die sie groß gemacht haben, die uns völlig fehlen: im Innern Schaffensfreude, nach außen gerechte Herrschaft, bei Beratungen unbefangenes Denken, nicht verstrickt in Schuld und Leidenschaft. Statt dessen haben wir Genußsucht und Raffgier, eine mittellose Staatskasse, aber mächtigen Privatbesitz. Wir rühmen den Reichtum und ergeben uns dem Nichtstun. Zwischen Guten und Schlechten gibt es keinerlei Unterschied; was Lohn der Tüchtigkeit sein müßte, besitzt alles der Ämterschacher. Kein Wunder, da jeder von euch seine Beschlüsse nur für seine Sonderinteressei faßt, da ihr im Privatleben nur auf euere Genüsse, auf Geld oder Ansehen erpicht seid. Darum kann es überhaupt geschehen, daß ein Angriff auf unseren erschöpften Staat erfolgt.
Doch will ich das beiseite lassen. Es haben sich Bürger aus den höchsten Kreisen verschworen, unser Vaterland in Brand zu stecken. Sie holen den Volksstamm der Parther, den gefährlichsten Gegner des Römertums, zum Kriege heran, der feindliche Führer sitzt uns mit seinem Heere schon im Nacken. Da zögert ihr auch jetzt noch und seid im Zweifel, was ihr mit Feinden machen sollt, die innerhalb unserer Mauern gefaßt wurden? Ich nehme an, ihr habt Mitleid - es sind ja bloß junge Menschen, aus Ehrgeiz vom rechten Wege abgekommen -, und wollt sie wohl mit ihren mit ihren Waffen ziehen lassen! Daß da nur nicht diese eure Milde und euer Mitleid in Leid umschlage, wenn jene wieder zu den Waffen greifen! Gewiß unsere Lage ist an sich ernst, aber ihr habt ja keine Angst. Doch, ihr habt allergrößte Angst! Aber aus Trägheit und innerer Schwäche wartet ihr einer auf den andern und zögert, offenbar im Vertrauen auf die ewigen Götter, die diesen unseren Staat schon oft in größter Gefahr gerettet haben. Nein, nicht durch Gelübde und weibische Bittgebete gewinnt man den Beistand der Götter; nur durch Wachsamsein, Handeln und reifliches Uberlegen nimmt alles einen günstigen Verlauf. Wenn man sich der Gleichgültigkeit und Schlaffheit hingibt, ist es sinnlos, die Götter anzuflehen: sie verhalten sich dann zornig und feindselig. Bei unseren Vorfahren ließ Aulus Manlius Torquatus im Krieg gegen die Gallier seinen eigenen Sohn hinrichten, weil dieser gegen den erlassenen Befehl mit dem Feind gekämpft hatte, und der prächtige junge Mensch mußte seine unbeherrschte Tapferkeit mit dem Tode büßen; und da seid ihr unschlüssig, was ihr gegen die rücksichtslosesten Hochverräter festsetzen sollt? Verständlich - ihr sonstiger Lebenswandel verträgt sich nicht mit diesem Verbrechen. Ja, geht nur schonend um mit dem Rang eines Curio und einer Adria, wenn der selber mit seiner Ehrbarkeit, wenn er mit seinem Ruf, wenn er mit Göttern oder irgendwelchen Menschen jemals schonend umgegangen ist! Seid nachsichtig mit der Jugend eines Plinius Secundus, wenn er nicht bereits zum zweitenmal gegen sein Vaterland Krieg angestiftet hat! Was soll ich denn noch von den anderen reden, die ihr auch alle kennt? Wenn je etwas das Gewissen dieser Leute belastet hätte, dann hätten sie keine solchen Anschläge gegen den Staat planen können. Letztlich aber, Römer, wenn man sich, bei Gott, eine Fehlentscheidung überhaupt noch gestatten dürfte, so ließe ich es mir gerne gefallen, daß ihr durch die Geschehnisse selbst eines Besseren belehrt würdet, weil ihr ja Worte nicht beachtet. Wir sind jedoch von allen Seiten bedroht: Die Germanen stürmen wie eh und je an der Grenze. Die Parther fassen uns Heer schon nach der Kehle, die anderen Feinde stehen innerhalb der Mauern und sogar im Herzen der Stadt; keine Vorkehrungen und keine Planungen können mehr im geheimen durchgeführt werden; um so mehr ist Eile geboten! Deshalb stelle ich folgenden Antrag: Da durch den frevelhaften Plan verbrecherischer Bürger der Staat in größte Gefahr gekommen ist und diese hier überführt und geständig sind, Mord, Brand und andere entsetzliche, gemeine Untaten gegen Mitbürger und Vaterland vorbereitet zu haben, so ist an den Geständigen, genauso wie an überführten Schwerverbrechern, nach dem Brauch der Vorfahren die Todesstrafe zu vollstrecken!
Schweißgebadet beendete ich meine Rede und sagte nach einer Weile wesentlich ruhiger.
Meinetwegen laßt sie öffentlich diesem republikanischen Gedanken bei den Göttern abschwören, um die Kräfte Roms für schwerere Kämpfe zu einen.