Beiträge von Agnus Pilerius Valus

    Unruhig standen die Männer in Reih und Glied. Die ganze Legion war angetreten, nach Kohorten geordnet. Nur die 1. Kohorte machte eine Ausnahme, denn diese Legionäre standen, voll ausgerüstet, grimmig und entschlossen blickend, an den vier Seiten des Platzes. Die anderen Legionäre waren nervös. Jeder wusste inzwischen, dass der Legat tot war und wer noch nichts über die näheren Umstände erfahren hatte, der hörte nun im Flüsterton, dass ihr Kommandant ermordet wurde.
    Als Valus die Holztribüne in der Mitte des Platzes betrat, wurde das Gemurmel und Gezische lauter.
    Männer, hört mich an!, versuchte er sich vergeblich Gehör zu verschaffen.
    Erst als der Primus Pilus neben ihn trat und Ruhe gebietend die Hand hob, verebbte das Gewisper.
    Männer!, begann Valus erneut: Männer, ihr alle habt es bereits gehört: Unser ruhmreicher Legat ist tot. Er starb in der vergangenen Nacht, weil…, seine Stimme wurde schrill: …weil man ihm die Kehle durchgeschnitten hat!
    Ein zorniger Aufschrei ging durch die Reihen.
    Jawohl, umgebracht hat man ihn. Heimtückisch ermordet und stellt Euch vor, man tat es mit dieser Waffe!
    Valus hielt eine blutverschmierte Sica hoch. Beim Anblick dieser unwürdigen Waffe, die nur von Strauchdieben und Gladiatoren, niemals jedoch von einem Römer mit Anstand verwendet wurde, begann ein Donnergrollen aus Flüchen und Verwünschungen. Der Tribun wartet bis es wieder etwas ruhiger wurde, dann gab er vier Soldaten, die am Fuße der Plattform standen, ein Zeichen. Sie schleppten zwei Bündel herauf, die sich augenblicklich als blutverschmierte Leiber entpuppten. Es waren augenscheinlich Ägypter gewesen, allerdings untypisch in dunkelgraue Mäntel gehüllt, die nun jedoch in Fetzen an ihren geschunden, blutigen Körpern klebten. Die Gliedmaßen schienen mehrfach gebrochen, denn sie hingen grotesk und schlaff herab und überall waren grausige Wunden zu sehen. Diese Männer waren brutal abgeschlachtet worden!
    Die da…, Valus wies auf die Leichname: …diese beiden streunenden Hunde haben ihn umgebracht.
    Erneut ging ein Aufschrei durch die Reihen, der jedoch sofort wieder gebannter Spannung wich, als der Tribun weiter sprach: Doch glaubt ihr, sie taten es ohne Auftrag? Nein, natürlich nicht!
    Ehrgeizige, skrupellose, Speichel leckende Offiziere sind dafür verantwortlich. Sie wollen euch hier verrecken lassen, wollen im Auftrag des Imperators, ja, DES IMPERATORS, die schwachsinnigen Ptolemäer wieder an die Macht bringen und euch als Unterpfand opfern.
    Der Legat wollte es verhindern und starb dafür, dass er euch zu schützen trachtete und sich der unheilvollen Macht des selbsternannten Augustus in Rom widersetzte.

    Ungläubiges Geplapper machte sich breit.
    Ihr wollt es nicht glauben? Seht her, hier sind diejenigen, die euch verraten haben und euren Kommandanten umbringen ließen.
    Legionäre der 1. Kohorte schleiften vier Männer auf die Tribüne. Einer war ohnmächtig. Ein Zweiter schon mehr tot als lebendig. Er stierte stumpf und teilnahmslos ins Leere. Ein Dritter wehrte sich verzweifelt und versuchte wortreich zu Protestieren. Doch niemand konnte ihn verstehen, denn man hatte ihm die Kiefer zertrümmert. Der Vierte schrie wie am Spieß, so das die Männer in den ersten Reihen sehen konnten, dass man ihm die Zunge heraus gerissen hatte.
    Aber alle kannten diese vier Männer, denn drei von ihnen waren Tribune und der Vierte war ihr Lagerpräfekt, der Stellvertreter des Legaten.
    Diese Männer, die es nicht wert sind ‚Römer’ genannt zu werden, diese haben sich verschworen und den Legaten töten lassen! Jetzt wimmern und flehen sie um ihr verworfenes Leben, doch noch in der letzten Nacht haben sie ihre böse Tat gestanden. Diese guten Offiziere können es bezeugen.
    Der Primus Pilus und die zwei verbliebenen Tribune kamen an den Rand der Plattform. Einer der Tribune rief: Es ist wahr, ich habe es mit eigenen Ohren gehört.
    Die da haben den Tod verdient!

    Die aufgepeitschte Menge schrie den Gefangenen vielstimmige Verwünschungen entgegen.
    Sie haben den Tod verdient und er soll sie auf der Stelle ereilen!, brüllte Valus so laut er konnte. Dann gab er ein Zeichen und die Legionäre stießen den Vieren ihre Schwerter in die Brust.
    Bringt sie fort in die Wüste, verscharrt sie, denn sie haben kein ehrenvolles Begräbnis verdient.
    Wer soll uns jetzt führen?, rief einer aus der Menge, wie bestellt.
    Der Primus Pilus trat vor: Ich sage, unser Tribun Agnus Pilerius Valus soll es sein.
    Augenblicklich begannen die Männer der 1. Kohorte laut zu jubeln und sehr schnell stimmten alle in diesen Jubel mit ein. Valus lächelte würdevoll.

    Die großzügig bemessenen Wohnräume des Legaten lagen im Dunkeln. Durch die hohen Fensterbögen kam nur das spärliche Licht eines Sichelförmigen Mondes. Dennoch bewegten sich die beiden Gestalten sicher durch die Finsternis, gerade so, als hätten sie die Augen von Katzen, den Lieblingstieren der Ägypter.
    Doch die Krallen von Katzen waren deutlich kürzer als die Sicas, die einschneidigen, leicht gekrümmten Dolche, die diese beiden Schatten mit sich führten.
    Laut schnarchend Lag ihr Ziel, der Legat, in seinem riesigen, pompösen Bett, für das jeder Legionskommandant in den nördlichen Provinzen des Imperiums sich geschämt hätte.
    Lautlos legte die eine Gestalt ihre Waffe auf den Boden und trat an das Kopfende. Mit der einen Hand griff sie in die Haare ihres Opfers und riss den Kopf nach hinten. Die andere schloss sich fest um Mund und Nase. Gedämpft schrie der Legat auf, da war schon die zweite Gestalt bei ihm, zückte die Waffe und schnitt tief in seine Kehle. Ein kratzendes Geräusch war zu vernehmen, als die Klinge bis auf die Halswirbel drang.
    Gurgelnd entwich die Luft aus der Lunge. Aus der klaffenden Wunde schoss das Blut in einem weiten Bogen. Einen Moment lang zuckte der Legat noch, dann rührte er sich nicht mehr. Er wurde losgelassen, die erste Gestalt nahm ihre Sica wieder an sich und lautlos verschwanden die Mörder, schattenhaft, wie sie gekommen waren.

    Er hatte sich entschieden: Laeca war sein Retter aus diesem Zustand der Bedeutungslosigkeit und zu gerne wollte er auch glauben, dass dieser Mann ebenso der Retter Roms sein würde.
    Laecas Pläne waren Valus nicht ganz neu, schon früher hatte er sie vernommen. So war er nicht vollkommen überrascht und auch nicht unvorbereitet, als nun der Sturm entfacht wurde. Er kannte die Männer seiner Umgebung, die ähnlich dachten wie er selbst und sie würden ihm sicher behilflich sein.


    Am frühen Abend trafen sie zusammen: zwei weitere Tribune und der Primus Pilus der Legion.
    Laeca hat losgeschlagen!, eröffnete Valus den anderen.
    Er hat mir geschrieben und bittet uns, es ihm gleich zu tun. Er will, dass wir die Legion übernehmen und auch die im Hafen liegende Flotte, damit Rom vom ägyptischen Getreide abgeschnitten wird.
    Der Legat wird sich sperren., gab einer der anderen Tribune zu bedenken.
    Ja, er wird dafür sterben und wer mit ihm ist, ebenso!
    Wer soll es tun?
    Mach’ dir darüber keine Gedanken, dafür ist gesorgt. Was ich aber von euch wissen will: Seid ihr mit mir?
    Wenn der Alte tot ist, dann folgen wir dir, so lange es nur Beute gibt und gegen den Möchtegern auf dem Palatin geht.
    Gut! Was ist mit den Männern? Werden die Zenturios meinen Befehlen folgen?
    Das werden sie, wenn ich es ihnen sage., antwortete der Primus Pilus.
    Und die Legionäre?
    Die tun, was ihr Zenturio ihnen befiehlt.
    Die ägyptischen Hilfstruppen?
    Ach, denen ist´s doch egal, wer die Befehle gibt, so lange er wie ein römischer Offizier aussieht.
    Dann ist es ausgemacht. Wartet auf den Tot des Legaten und haltet Euch bereit.
    Wann wird es geschehen?
    Noch heute Nacht.

    Valus ging unruhig in seiner Schreibstube auf und ab. Drängende Zweifel marterten ihn und ließen ihn nicht ruhen.
    Hier war er also, in Ägypten. Mit welch großen Hoffnungen und welcher Zuversicht war er einst in die Legion eingetreten und was war daraus geworden?
    Immerhin, er hatte es bis zum Tribun der XXII. Legio Deiotariana gebracht, doch nun stockte seine Karriere schon viel zu lange. Als strahlender Kriegsheld wollte er einst nach Rom zurückkehren und mit der erworbenen Popularität die höchsten Ämter erklimmen. Doch nun saß er hier und war mehr Verwalter als Soldat. Hier, in der ruhigen, schläfrigen Provinz, würde er niemals Gelegenheit bekommen sich auszuzeichnen. Außerdem war da sein Vorgesetzter! Ein alter, zynischer Legat, satt und faul und ihm nicht zugeneigt. Darüber hinaus ein Anhänger des Kaiserhauses. Valus’ Familie hatten den Ulpia immer distanziert gegenüber gestanden und er war sich sicher, auch das trug dazu bei, dass man ihn hier als kleinen Tribun würde versauern lassen. Fernab jeder Macht, gefangen in der Provinz, betraut mit dem Horten von Papyrus…
    Enttäuschung und Zorn loderten in seinem Herzen.
    Dabei war Ägypten nicht irgendeine Provinz. Hatte Rom in den Zeiten der Republik nicht über Generationen die schwachen Ptolemäerkönige gestützt und das nur deshalb, damit nicht ein römischer Beamter an die Quellen des ägyptischen Reichtums gelangen konnte?
    Hatte Marc Anton nicht Ägypten ausgewählt, weil es für ihn die einzig mögliche, Erfolg versprechende Basis für einen Umsturz gewesen war?
    Die strategische Lage dieser Provinz mochte mit den Eroberungen der letzten einhundertfünfzig Jahre gesunken sein, doch der Reichtum Ägyptens war noch immer einzigartig. Vor allem aber, dass wusste Valus nur zu genau, brauchte Rom das ägyptische Getreide. Das war schon seit Jahrzehnten so und der Niedergang des italischen Kleinbauernstandes hatte diese Abhängigkeit unumkehrbar gemacht. Bliebe die ägyptische Getreideflotte aus, würde halb Italien, vor allem aber Rom selbst, bitteren Hunger leiden.
    Grimmig murmelte er: Vielleicht sitze ich nicht im Zentrum des Spinnennetzes, aber ich sitze an einem tragenden Faden. Nur einer steht mir im Wege, diesen zu kappen!


    Dieser Brief, war es ein Zeichen der Götter? Laeca, sein alter Förderer und väterlicher Freund… ein Verräter oder Retter?