Ich nickte bei seinen Worten nur, vorerst und ging nun seitlich an das Ufer des Tiberis. Ich sah mich zu ihm um und deutete ihm an, ob er nicht neben mir Platz nehmen wollte. Dann zog ich meine Knie an und sah auf das Wasser.
"Ja.. Es gibt viele Arten der Liebe und ich bin wahrlich verpflichtet einem jeden Bürger mit Liebe zu begegnen, ich stelle schließlich Vestas und des Imperators Tochter dar. Doch ich möchte mich dennoch auf eine Sache konzentrieren können, denn ich habe Angst auch körperliche Liebe zu spüren. Und ich würde auf diesem Wege 2 Tote und viele Geschädigte zurücklassen."
Ich pflückte einen Grashalm und fuhr damit durch die anderen Halme die sich unter dem leichten Druck leicht beugten. Genau wie ich mich bei den kleinsten Lasten beugte und auf jedermann hörte der gut auf mich einzureden wusste.
"Ich versuche meinen eigenen Weg zu gehen. Ich werde ehrlich zu dir sprechen du scheinst ja ohnehin in mir zu lesen wie in einer offenen Pergamentrolle. Ja, ich habe Sextus verdammt gern, aber ich weiß nicht ob es Liebe ist und dies ist die Wahrheit. Ich weiß es nicht genau was ich für Sextus fühle. Und ich weiß auch nicht ob es richtig ist mit dir darüber zu sprechen weil du mit ihm verwandt bist..."
Ich seufzte tief und versuchte Sextus trauriges Gesicht aus meinen Gedanken zu verbannen um es gegen ein fröhliches Gesicht auszutauschen. Und ich verdrängte das Gefühl ihn küssen zu wollen, meinen Sextus zu umarmen. Am liebsten würde ich in Sextus Armen liegen und weinen. Doch ich wusste wirklich nicht wie ernst die Liebe zu ihm war...
"Sextus tut mir einfach leid, ich habe ihm derart wehgetan. Mir habe ich auch wehgetan, wie du es schon richtig erkannt hast. Doch ich schätze es ist so besser. Irgendwann werden wir beide - er und ich - lernen mit diesen Schmerzen auszukommen. Und dann werden wir beide einsehen, dass dies der beste Weg war."
Ich spürte wie etwas in mir drückte und dieses Mal fühlte sich der Fluss auf meiner Wange eisig an. Es war als würde klares Quellwasser über meine Wange rinnen. Die eine Träne schmerzte und sie schien meine Fassung mit sich fortzuspülen. Es durfte nicht sein, dass ich so vollkommen ehrlich mit einem Fremden über meine Gefühle sprach. Mit etwas erstickter Stimme fuhr ich fort.
"Ständig überlege ich, was Sextus wohl gerade macht, obwohl ich das eigentlich nicht dürfte. Ich frage mich ob er auch immer an mich denkt und ich fürchte immer dass er eine andere lieben könnte. Dabei habe ich ihm doch selbst gesagt er solle mich vergessen, er würde lernen eine andere zu lieben. Es ist verrückt. Doch andererseits..."
Ich fühlte wie sich die zweite Träne aus meinen Augenwinkeln stahl und ihre Bahn an meiner Schläfe fortsetzte und sich an einem Haar vor meinem Ohr festklammerte, es an meine Haut befestigte. Ich fühlte mich so verloren und alles war ohne ihn so einsam. Dabei hatte ich doch mit meinen eigenen Worten seine Nähe aus meiner Umgebung gebannt. Es waren nicht die Götter gewesen, es war nicht mein Vater gewesen...
"... andererseits wollte ich doch dass er geht. Ich wollte dass er seines und mein Leben nicht mehr so durcheinander wirft. Die Liebe hätte jetzt noch keine Chance gehabt, sie wäre auf die Art wie wir sie empfanden und wohl beide noch empfinden falsch gewesen. Alle hätten uns versucht daran zu hindern und spätestens die Todesstrafe hätte uns wieder voneinander getrennt. Und ich hoffe auf ein Wiedersehen nach meiner Zeit als Vestalin, doch ich glaube nicht daran. Bis dahin wird die Welt komplett anders aussehen. Vermutlich für ihn..."
Ich wischte mir Träne 3 und 4 trotzig schon am Ansatz weg. Ich wollte nicht mehr weinen, doch diese Tränen galten allein Sextus. Ich wünschte ich könnte jedem ehrlich sagen was ich fühlte, was ich dachte. Und mir war es egal was nach diesem Gespräch geschehen würde, hauptsache ich konnte jemanden erzählen was mich zu meinen Beweggründen geführt hatte.
"Denn ich habe ihn so verletzt, dass ich bezweifle dass er mich für immer lieben wird. Und die Liebe wird auch nie wieder die Gleiche sein. Ich weiß nicht ob der Schmerz des Verlustes oder die Einsamkeit stärker wird während er weg ist. Ich weiß noch als wir uns das erste Mal gesehen hatten. Damals hatte ich ihn und Furus vor einer Horde der Cohortes Urbanae gerettet und lange haben wir uns in einem verlassenen Hause unterhalten. Wir hatten uns eine ewige und unzertrennbare Freundschaft geschworen..."
Ein bitteres Lächeln brachte ich zustande während die Tränen flossen. Ich versuchte gar nicht mehr sie aufzuhalten, es war ohnehin sinnlos. Meine Wangen waren bereits genässt. Wie gern würde ich nun Sextus Hand auf meinem gefrorenen Gesicht fühlen, seine warme Hand die die Tränen wegwischte. Sein Lächeln was die Trauer wegfegte und alle Zweifel beseitigte. Sein Lachen was mir hinauf auf die Füße half. Seine Umarmung die mir Schutz spendete...
"Doch wir brachen diesen Schwur. Das ahnte ich schon den Tag darauf als er einer Marktfrau die Amphore zerhauen hatte und sich dabei die Hand aufriss. Ich gab ihm damals mein Tuch und ich hoffe er hält es noch immer an seinem Herzen. Es ist schlimm, ich kann nicht auf seine Treue bauen, denn zwischen uns existiert keine Liebe, keine öffentliche. Nur unsere Seelen sind einander verbunden und nichtmal da bin ich mir sicher..."
Ich ballte meine Hand zu einer Faust und zerknüllte dabei den Grashalm um ihn auf den Boden fallen zu lassen. Ohja, so zerbrochen wie der Grashalm war auch ich, war auch Sextus. Mein Herz schien zu zerbersten solange ich Sextus sah, doch es würde gefrieren wenn er verschwand. War das Liebe? Es schien alles so hoffnungslos, auch wenn die Götter diesen Weg für uns vorgesehen hatten. Was für ein grausames Spiel. Ob wir da in einen Machtkampf Vestas und Venus' hineingeraten waren?
"Ich schätze er hat eine sehr gute Familie. Wie auch ich. Doch der Unterschied wird sein, dass ich Vater niemals die Ohren zuweinen dürfte. Er hat Verständnis für diese Dinge und er ist ein wunderbarer Mensch. Doch ist er auch sehr streng und hält sich sehr eng an die alten Bräuche und Sitten, wie es sich für einen hohen Priester gehört!"
Ich hoffte sehr Sextus konnte sich bei seiner Familie besser aussprechen. Ich sah nun kurz zu Flavius, meine letzten Worte waren gesprochen. Dann wanderte mein Blick wieder zu den reißenden Fluten des Tiberis. Meine Gedanken schienen mit ihm mitgerissen zu werden. Mein Lächeln war verschwunden, mein Schluchzen verstummt. Nur noch entferntes Gelächter der Menschen und das Rauschen der Fluten war zu vernehmen. Eine unheimliche Stille.