Beiträge von Aquilia Plinia Verina

    Mein Blick war etwas ungläubig... 'die, die er liebte...'? Vermutlich hatte ich es nur wieder falsch gedeutet. Brummig über mich selbst schüttelte ich meinen Kopf und konzentrierte mich wieder auf Germanicus.

    "Du würdest lange brauchen, bis du erst einmal in Germanien wärest. Und bis dahin haben Valentin und Sextus sie womöglich gefunden. Die Legislatur dauert doch nicht mehr lang!"


    Ich wusste, ich würde auch einfach abreisen. Ich wusste, ich riet ihm nur nicht dazu, weil ich nicht er war... Ich würde verrückt werden und... Alypia! Mir wurde ihre Entführung wieder grausam vor Augen gehalten, meine Cousine... Schwester...

    Sandt drückte ich seine Hand.


    "Nein, bringe erst deine Aufgabe zu Ende. Ich wette du kannst Valentin und Sextus vertrauen. Riskiere nicht dein Ansehen, wenn die beiden sie ebenso retten können und bereits dabei sind. Sie würden es auch nicht wollen!"


    Meine Worte hörten sich leider rational an, obwohl sie es nicht waren...

    Ich setzte mich mit ihm und ließ seine Hand nicht los, streichelte mit meinem Daumen beruhigend über seinen Handrücken.

    "Ihr geht es sicher gut...!"


    Mir kam kurz der Verdacht, dass Sextus mich necken wollte, aber das konnte ich mir bei einem solchen ernsten Thema nicht vorstellen.


    "Sextus schrieb, dass er und Valentin sie suchen würden..."


    Ich sah ihn mitleidig und auch erwartungsvoll an.

    Mein Blick wurde zunehmend besorgter und ich tat einen Schritt auf ihn zu, legte meine Hand auf eine der seinen und blickte zu ihm auf. Ich schwieg, bis er mir sagte, wer das war.


    "Ja, Sextus sprach von einer Julia... Sie ist deine Schwester...?"


    Ich bereute überhaupt den Brief angesprochen zu haben... Nachdem ich mich so unbewusst trampelhaft benommen hatte, wusste ich nicht mehr was ich noch sagen sollte...

    Ich schüttelte heftig den Kopf.


    "Nein, seine Schwester. Aber wer ist Valentin? Sextus spricht von ihm als wenn ich ihn kennen müsste, aber ich kenne ihn nicht..."


    'Valentin' schien beiden sehr nahe zu stehen. Vorallem Germanicus sah sehr erschrocken drein.

    Mit starken Herzklopfen öffnete ich den Brief und las ihn einmal... las ihn noch ein zweites Mal mit großem Herzklopfen. Wie sollte ich jetzt reagieren? Hilflos sah ich Flavius an. Mir war nach Lachen und Weinen zumute... Wie gerne hätte ich diese Worte jetzt aus Sextus' Mund gehört. Ich faltete das Papyrus sorgfältig zusammen und verstaute es in meinem Geldbeutelchen.


    "Ja..."


    Es war auch von einer Entführung die Rede...


    "Statt mich um mich sorgen zu können muss ich mich jetzt auch noch um ihn sorgen..."


    Ich sah zerknirscht drein. Hoffentlich passte er gut auf sich auf, oh ihr Götter, gebt, dass er gut auf sich achtet...

    Das Lächeln auf meinem Gesicht nahm Farbe an, es war nicht mehr kühl und distanziert.


    "Ja... vielleicht hast du Recht. Aber... Erzähl mir doch mal ein wenig von deiner Familie?"


    Ich versuchte das Thema zu wechseln, Sextus geisterte ohnehin schon jede Sekunde in meinen Gedanken herum.

    Ich lächelte ihn an.

    "Ja, vielleicht denke ich eines Tages anders und sollte es so kommen lasse ich es auch zu. Doch momentan denke ich ist Abstand besser. Und daher werde ich auch Abstand suchen..."


    Ich setzte mich auf eine Bank.


    "Ich glaube nicht, dass ich ihn glücklich gemacht habe... Ich habe ihm mindestens genausoviel Kummer und Trauer beschert..."

    Ich sah zu Boden und dann zu ihm auf.


    "Ich würde gerne über etwas anderes sprechen, ja? Ich... habe Sextus einen Brief zukommen lassen, hoffe er hat ihn erhalten. Und das soll das letzte Erinnerungsstück an mich sein. Ich werde meine Vestalinnenzeit zuende bringen und dann in den Kult der Bona Dea einsteigen. Dann habe ich vor in den Cursus Honorum zu wechseln! Und ich werde mich von Männern fernhalten...! Schon allein wegen alter Schmerzen werde ich Sextus nicht in die Augen schauen können, auch wenn ich ihn so liebe. Und deshalb ist es besser ich finde mich damit ab, so groß die Liebe doch ist brachte sie unendlich viel Schmerz und wird immer etwas drückendes haben. Darum möchte ich es vermeiden..."


    Mein Blick war offen als ich ihm in die Augen schaute und ich hoffte er würde es verstehen.

    "Gut, bis auf diese typischen Leiden...Hier und dort Kopfschmerzen oder gar Liebeskummer...!"


    Gemeinsam schritten sie in Richtung Atrium Vestae.

    "Wenn du mich kurz entschuldigen könntest? Dann bringe ich eben die Sachen hinein!"


    Lächelnd verschwand sie und kam nach nicht allzu langer Zeit wieder herus.


    "So, jetzt hab ich uneingeschränkt Zeit für dich!"

    Ich war gerade von meinen Einkäufen am Markt gekommen und hatte in einem geflochtenen Korb Brot und Obst. Ich machte mich auf dem Weg zum Atrium Vestae, als ich jemanden entdeckte, mit dem ich vor ein paar Wochen noch gesprochen hatte. Lächelnd ging ich auf Germanicus zu.


    "Salve Duccius!"

    Ich stand nun hier und sah auf das stets treibende Wasser. Ja, hier war ich wieder. Hier, wo Sextus ich meine Liebe gestanden habe. Und sie wieder zurückgenommen habe. Hier, wo ich nun stand. Was Sextus wohl gerade tat? Ob er meinen Brief bekommen hatte? Ob er an mich dachte? So viele Fragen und wieder einmal keine Antwort…


    Ich sah zum grauen Himmel. Warum konnte ich ihn nicht vergessen? Warum war mein Herz genauso aufgewirbelt wie der Himmel? Warum waren meine Gefühle genauso stumm wie die Wolken? Warum war in meinem Hinterkopf immer eine Stimme zu hören, die mir wie das Gras von Sextus erzählte? Leise, eindringend?


    Nein, unsere Liebe würde nicht in diesem Leben zugelassen werden, da konnte ich tun was ich wollte. Wir waren nicht füreinander bestimmt. Mein offenes Haar wurde vom Sturm mitgezerrt und flatterte vor meinem Gesicht stets hin und her, so wie mein Herz wenn ich an ihn dachte. Jetzt, da er nicht mehr hier war und meine Gefühle nicht mehr durcheinander bringen konnte gestand ich mir die Gefühle zu ihm ein.


    Sein Lächeln, sein Atem, seine braunen Augen. Ohja, ich liebte ihn. Und ich fand mich mit dem Gedanken ab, dass sich diese Liebe hoffnungslos in der Dunkelheit verlieren würde. Und ich wusste, sollte diese Liebe sterben würde auch ich sterben. Zumindest mein Herz. Ich legte meine Hände auf dieses.


    Ich war verloren, mein Leben war verloren… ohne Sextus. Er hat mich von meinem Kummer befreit, hat mir Nähe geschenkt und wir haben beide nicht bemerkt, wie uns Venus in ihre Fänge nahm. Was tat das Leben nur mit uns? Wohin wollten uns die Götter führen? Mich würde der Weg bald in den Tod geleiten.


    „Sextus…“


    murmelte ich leise vor mich hin. Ja, ich hatte mir meinen Traum erfüllen können, ich war eine Vestalin geworden. Ich war pflichtbewusst und handelte stets so, wie es Vater von mir verlangen würde. Wie er es mir beigebracht hatte: Zum Wohle Romas. Doch was ist mit mir? Rücksichtslos stellte ich mich hinten an. Und ich achtete dabei auch nicht auf Sextus.


    Ich hatte gelogen. Hatte Sextus belogen. Hatte Vater belogen. Hatte Vesta belogen. Hatte mich belogen. Und nun gab es aus dieser Liebe keinen Weg mehr zurück. Ich musste es durchstehen. Ob ich wollte oder nicht: Ich musste.


    Ich hob den Saum meiner Tunika an und schritt mit kleinen Schritten ins Wasser. Es tat unendlich gut und es war ein wunderbares Gefühl, das samtene Nass auf meiner Haut zu spüren. Ich bückte mich und strich durchs Wasser, als mir mein Spiegelbild auffiel.


    Dieses Gesicht war verantwortlich für so viel Unheil. Warum hatte ich es nicht verhindern können? Warum? Alexander starb meinetwegen, Sextus litt meinetwegen und es bestand die Gefahr die Ehre meiner Familie in den Schmutz zu ziehen.


    Sextus! Ich liebe dich und ich hoffe du weißt es. Ich hoffe der Brief hat dir die Augen geöffnet, sollte er überhaupt angekommen sein. Wieder wandte ich meinen Blick gen Himmel, aus dem die ersten Regentropfen drangen. Ich war geteilt und ich wollte wieder eins werden. Doch niemals könnte ich alles vereinen.


    Ich wünschte mir so sehr mit dieser Sonne dort oben unterzugehen. Ich wünschte mir Sextus meine Liebe gestehen zu können. Ich wünschte mir zu fliegen. Die Tropfen rieselten auf mich hinab und benetzten meine Haut. Ich schloss die Augen und fühlte das Wasser aus dem Himmel und das Wasser zu meinen Füßen.


    Mir war nichts geblieben. Nicht von Alexander, nicht von Sextus. Nur Erinnerungen. Ich öffnete die Augen wieder einen kleinen Spalt aus dem die Tränen rannen und sich mit dem Regen vereinten.

    Mit grimmigem Blick schob ich mich durch die Massen. Hätte ich meine Tracht an, würden alle einen Bogen um mich machen. Wo war eigentlich mein Lik... ach, den hatte ich ja gar nicht mitgenommen.


    AH! Plötzlich spürte ich Widerstand an meinem Fuß und ich geriet ins stolpern und fiel...

    Ich lachte, gepaart mit einem Lächeln. Es tat gut, einmal unbekümmert zu sein. Einfach so zu lachen. Nach all der Zeit.


    "Hm, wenn du magst?! Wer weiß, vielleicht habe ich das ja sogar vorausgesetzt, dass du es sagst!"


    Ich beobachtete ihn und folgte seinen Schritten durch die volle Menge. Doch plötzlich hatte ich ihn aus den Augen verloren: Verflucht, warum ist auch immer so viel los. Ich reckte meinen Hals etwas um ihn zu erspähen.

    Ich nickte erfreut!


    "Ja, sehr gerne. Ich bin eigentlich nur auf einen Bummel hierhergekommen. Ich überlege, ob ich dich nicht zu einem kleinen Essen einladen sollte? Was meinst du?"

    Meine Laune tat das, womit ich niemals gerechnet hätte: Sie steigerte sich.

    Ich musterte ihn bei seinen Worten und begann unweigerlich zu lächeln.


    "Ich erinnere mich. Damals warst du noch voller freudiger Erwartungs auf den Tag, wenn du zum Miles ernannt werden würdest. Und nun führst du schon eine eigene Zenturie an! Gratuliere dir!"


    Ich musste kurz an Sextus denken, doch ich hatte mir und Vesta geschworen dass ich ihn vergessen würde. Vermutlich tat er derzeit das gleiche wie ich: Mich in Ablenkung üben.

    "Ja schon. Doch bald ist die Pflichtzeit um. Inzwischen bin ich ebenfalls keine Schülerin mehr, sondern bereite mich auf die Ernennung zur Lehrerin vor. Kaum zu glauben, es scheint wirklich so, dass es eine Ewigkeit ist. Vielleicht kann man sich ja auf eine halbe Ewigkeit einigen?"

    Ich sah ihn abschätzend an...


    "Hmmm nun ich denke eine Ewigkeit dauert länger! Schön dich einmal wiederzusehen. Eben die Verina vom Bankett! Vinicius Lucianus, richtig?"


    Ich war mir absolut sicher, dass er so hieß. Doch Fragen ist besser als Fehler zu machen und auf diesen zu beharren.


    "Wie geht es dir?"