Beiträge von Lysias

    "Mein Sohn, ich komme aus Achaia, genauer gesagt aus Athenae. Ich hoffe, es ist nicht allzu entfernt, daß es dir was sagt ;)."


    Ich blickte den Jüngling an. Er schien aus vornehmeren Hause zu sein.


    "Aber woher stammst Du ? Deinem Aussehen nach würde ich darauf schließen, du bist ein wahrhaftiger Römer."

    "Ich grüße dich ebenfalls, junger Römer. Sag, gehst du oft in die Thermen. Ich finde es sehr angenehm hier zu baden, auch wenn viele in meinem Alter das Wasser der Thermen meiden und stattdessen lieber die die Frische des eigenen hortus bevorzugen."

    Scheinbar verstanden die mich die jungen Herren nicht. War mein Latein so schlecht, daß sie den Sinn meiner Worte nicht vernehmen konnten. Nein, einer der drei drehte sich zu mir um und sprach in einer mir fremden Sprache. Das ist Rom. Ein Schmelztiegel aller Kulturen. Ich vermutete, daß sie aus dem östlichen Teil des Imperiums kamen. Ich machte eine entschuldigende Geste, um zu zeigen, daß ich sie nicht weiter stören wollte und wandte mich von ihnen ab.


    Wo ich schonmal in den Thermen Roms war, dachte ich die Gelegenheit zu nutzen und diesen einen Besuch abzustatten. Ich folgte der Halle, die geschmückt war mit detailreichen Mosaiken. In der Mitte des Raumes stand auf einem Sockel eine lebensgroße Statue des Kaisers wie er mit offenen Armen die zu tausenden in die Thermen einströmenden Menschen empfing. Der kühle Marmor der Statue reflektierte das durch eine Dachöffnung einfallende Sonnenlicht. Ich begab mich zu einer seitlichen Holztür. Sie führte eine Stufe abwärts ins Apodyterium. Es war ein langer Raum mit Bänken an den Wänden. Die Decke war niedrig und im Gegensatz zu der prächtigen Eingangshalle wirkte dieser Raum klein und primitiv. An einigen Plätzen waren Nischen in der Wand, wo man seine Kleider verstauen sollte. Ich entledigte mich meiner Gewänder, übergab sie dem Capsarius und drückte ihm einige Sesterzen in die Hand, damit er darauf aufpasse.
    Dann ging ich durch das Apodyterium durch bis zum Ende, wo ich durch einen offenen Türbogen in das Frigidarium schritt.
    Es war ein großer lichtdurchfluteter Raum. Bis zur Decke war es eine Höhe von schätzungsweise 8-10 Metern.
    Ich ging zu einem der Kaltwasserbecken und tauchte genüßlich in das erfrischende eiskalte Wasser.

    Ich war früh aufgebrochen zu den Thermen. Sie waren ein Spiegelbild Roms. Prachtvoll und voller Schönheit. Die imposante Größe dieser Gebäude zeigt die unermeßliche Macht, die Rom zugrunde lag. Für einen aus der fernen Provinz ist so etwas unvorstellbar und selbst wieviel man von Rom gehört und sich Gedanken gemacht hat. Kein Mensch ist imstande sich dieses Rom auch nur annähernd vorzustellen. Die Kuppel der riesigen Eingangshalle wollte nicht aufhören zu enden und gab einem das Gefühl klein und unbedeutend zu sein. Dazu dieser Lärm, der penetrante, nie enden wollende Lärm dieser Stadt. Er haftete ihr an, begleitete sie ein ganzes Leben. Es ist der Lärm der Rastlosen, - der Arbeitssuchenden, der Marktschreier. Sprachen aus allen Regionen und Provinzen, sowie Kulturen vermischen sich zu einem neuen Klanglaut - der Sprache Roms. Sie ist es, das dem Besucher als erstes begegnet und sie ist es, das ihn nicht wieder loslässt, wenn er sich zur Ruhe setzt auf das Land. Wer einmal Rom erlebt hat, der vergißt es nicht mehr. Rom ist wie ein Ruf. Ein Ruf nach Freiheit, nach Aufmerksamkeit. Viele wollen nach Rom, denn hast du Rom gesehen, hast du die Welt gesehen. Und sind sie dann da und haben es geschafft, dann verfluchen sie die Stadt und wollen raus. Die Aufmerksamkeit, die jeder in Rom sucht, ist die Größe, die Rom zusammenhält. Der Mythos Rom vereint die Völker dieses Großreiches.


    Ich erblickte eine Gruppe von jungen Männern, die scheinbar gelangweilt an den Wänden der Thermen standen. Ich beeilte mich zu ihnen zu gelangen.
    Die römischen Herren schienen mich zu bemerken. Sie musterten mich, erkannte man doch an meinem Aussehen, daß ich kein Römer war.
    Ich begann sie zu fragen.


    "Salve edle Herren, darf ich mich euch vorstellen. Mein Name ist Lysias. Ich bin griechischer Herkunft und komme aus Athenae.
    Meine Herren, könnt ihr mir sagen, was für euch Rom bedeutet ?"

    Endlich ! Ich hatte sie erreicht. Rom, die ewige Stadt, in der das Leben nie erlischt und deren Einfluß bis in die entferntesten Winkel der entlegensten Provinzen reicht. Soviel hatte ich schon über Rom gehört, daß ich glaubte es zu kennen. Und ich sah die Gebäude und Menschen, das geschäftige Treiben auf den Straßen, die monumentalen Werke hervorragender Meister der Architektur und es kam mir vor, als hätte ich das alles schon einmal gesehen. Immer wieder ist sie mir im Traum erschienen, diese Stadt, die einen Charme verteilt, dem man sich nur schwer entziehen kann. Es ist ein zweifelhafter Charme, den diese Stadt ausstrahlt.
    Über Rom erfährt man alles, dafür selbst sorgt Rom und seine Menschen, die darin leben. Jeder Einwohner in den Provinzen dieses Imperium kann etwas erzählen über Rom. Und so fühlt sich jeder als Römer, selbst der Barbar im höchsten Norden. Eine seltsame Austrahlung hat diese Stadt.
    Ich schlendere mit meinen ausgefranzten Sandalen über die Steinplatten der breit angelegten Straße. Es wird dunkel, die Dämmerung setzt ein. Doch Rom stört das nicht. Wie ein mächtiger Titan widersetzt es sich gegen das Schicksal der Natur. In den Häusern gehen Öllämpchen an, gar tausende. Weiter gehen die Menschen ihrem Tagewerk nach. In der Hektik und dem Streß einer Großstadt haben sie keine Zeit für die Schönheit dieser Stadt. Roms Ruhm und Glanz strahlt nur nach außen, nach innen ist sie ein schwarzes Loch. Sandalen klappern auf dem harten Steinbelag, die einen kommen aus der Therme, die anderen gehen zu einem Gastmahl. Die Händler bauen ihre Stände ab und in den dunklen Ecken und Seitengassen schleicht so manche verwegene Gestalt deren Arbeitstag gleich beginnt.
    Hinter mir vernehme ich das Klirren von Metall. Im Gleichschritt erscheint eine Patrouille. Mit kräftiger und markanter Stimme ertönt der Optio:


    "Attentus ! Fugate !"


    Ich weiche nach links aus, wo ich beinahe von dem Unrat getroffen worden wäre, daß aus dem dritten Stock einer Insula hinunter geworfen wurde, während die Milites an mir vorbei schritten. Und wieder war weiter vorne der Ruf des Optios zu hören "Attentus ! Fugate !"
    Plötzlich fiel mir meine Heimat ein - Griechenland. So weit weg und doch so präsent in diesem Augenblick. Viele Schüler hatte ich seinerseits in Athenae unterrichtet, gab ihnen die Weisheit ihr zukünftiges Leben zu bestreiten. Ich zupfelte an meiner Toga, um sie zurecht zu falten. Sie muß durch mein Ausweichen vor den römischen Cohortes durcheinander gebracht sein.
    Fuhrwerke erreichten die Stadt und fuhren durch die Tore zu den Märkten. Es war ein unerträglicher Lärm, wenn metallbeschlagene Holzräder mit dem Steinboden in Berührung kamen.
    Ich suchte derweil nach einer kleinen Taverne, wo ich die Nacht verbringen und mich stärken konnte.

    Salve edle Herren !
    Mein Name ist Lysias und ich komme aus dem entfernten Griechenland, genauer gesagt aus Athenae, der Stadt der Weisheit und der Philosophie.
    Ich möchte mich bei euch niederlassen, natürlich in Rom, und den wissensdurstigen Römern ihren Durst stillen.