Beiträge von Pentesilea

    Ich verspätete mich etwas, Tertius und Maximus wollten nicht schlafen und so hatte es ein wenig länger als normal gedauert, bis ich endlich vor der Tür ankam. Ich sah ihn schon beim Verlassen des Hauses und lächelte. Als ich ankam, verbeugte ich mich leicht. "Verzeig meine Verspätung, die beiden Jungen wollten heute nicht schlafen."

    "Es gibt nichts zu danken, Helena, aber auch gar nichts," lächelte ich. "Schliesse die Augen und entspanne Dich." Ich nahm ihr die Zügel ab und umschlang sie sachte von hinten. Dann lenkte ich mit den Zügeln und Schenkeln das Pferd auf einen kleinen Weg eine Klippe hoch. Der Wind war zwar frisch, aber zugleich angenehm und ich versuchte ihr mehr von meinem Umhang zu geben, damit sie nicht frieren musste. Sachte strich ich dabei einmal mit meinem Handrücken über ihre Wange und sagte leise: "Schlaf ein wenig."

    Ich sah sie besorgt an und dann lächelte ich. "Warte," sagte ich leise und dann tat ich etwas, was ich, so wusste ich, öfter auf dem Rücken der Kamele getan hatte. Woher auch immer ich es wusste. So kletterte ich vorsichtig auf den Rücken des anderen Pferdes, direkt hinter sie, mein Pferd am Zügel und umschlang sie sachte von hinten, ein etwas wackeliger Akt, bis ich saß,aber immerhin. "Nun lehn Dich zurück! Entspann Dich und schliess die Augen. Hier ist niemand, der von Dir irgendwas verlangen wird. Du kannst Dich ausruhen."

    Ich wollte was erwiedern, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Wenn die Götter sie holen würden, dann würden sie erleben, was es hiess sich einen Feind zu holen. Als sie dann noch diese Worte sagte, konnte ich nicht anders und musste schlucken. "Ich Dich auch," erwiederte ich unerwartet sanft und drückte ihre Hand.

    Ich nahm ihre Hand, aber der Ernst in meinem Gesicht war unverändert. "ICh will Dich nicht verlieren, verstehst Du?"
    Meine Hand drückte ihre und meine Augen sahen sie bittend an. "Noch einmal alles verlieren, das würde ich nicht aushalten."
    Nie zuvor hatte ich so gesprochen und ich würde es wohl auch niemals mehr danach tun. Vielleicht lag es an der Stimmung, an meinem eigenen Befinden oder daran, dass sie so schlimm aussah. Ich wusste es nicht, ich wusste nur, dass ich es sehr ernst meinte.

    "Ach und ich hatte nicht die Hilfe anderer? Wer hat mich denn vor der Strafe von Maximus bewahrt? Davor, dass er mich vermutlich bis aufs Fleisch hätte auspeitschen lassen, so wütend wie er war? Wer hat denn..." Ich hielt inne und griff mir an den Kopf, an meine Narbe und sagte leise: "Mich aus dem Vergessen zurück geholt und dafür gesorgt, dass ich wieder so etwas wie eine Familie bekomme und nicht an der nächsten Straßenecke überfallen, mißbraucht und getötet wurde?" ICh sah sie traurig an und auf meinem Gesicht lagen Respekt, Liebe und eben diese Traurigkeit. "Wenn ich Dich verliere, Helena, verliere ich alles, was ich noch Familie nennen kann." Leicht feucht schimmerten meine Augen bei diesen Worten, aber ich meinte sie bitterernst.

    Ich musterte sie ernst. "Ich kenne Dich," sagte ich nur leise, aber dann nickte ich. "Na gut, aber wehe wenn nicht! Dann werde ich ganz schnell vergessen, wer von uns beiden die Herrin ist, dass verspreche ich Dir."

    Auch ich erhob mich und verbeugte mich leicht. "Bis Morgen, Shi. Mögen die Götter, an welche auch immer Du glauben magst, Dir stets wohlgesonnen sein." ICh wusste auch nicht, warum ich dies sagte, aber ich tat es, lächelte ihn kurz an und wandte mich dann um um nach Hause zu gehen.

    "Dann solltest Du, statt hier draussen Dich krampfhaft auf dem Pferd zu halten. lieber schlafen." ICh sah sie weiter besorgt an und tat etwas, was ich noch nie zu vor getan hatte. Ich griff ihr sachte in die Zügel, bremste ihr Pferd, wie auch meines und beugte mich so rüber, dass sie mir ins Gesicht sehen musste. "Bitte Helena! Ich weiss, dass Du Dir immer das Letzte abverlangst. Lass es nicht zum Letzten werden."

    "Wenn es Dir Recht wäre, könnten wir uns wieder wie heute treffen und dann entscheiden. Je nachdem auch, wie das Wetter ist. Und so hätten wir, so Du einverstanden bist, etwas mehr Zeit gemeinsam."

    "Ja, und weil ich sie wahrscheinlich nie wieder sehen werde," erwiederte ich traurig und hing einer Weile meinen Gedanken nach. Dann sah ich zu ihr rüber. "Und was ist mit Dir? Warum sitzt Du heute auf dem Pferd, als hättest Du einen Stock geschluckt?"

    Ich musste kurz überlegen, aber zu dem Zeitpunkt schliefen die Kinder und wenn sie wach wurden, kümmerten sich andere für eine Weile um sie, so nickte ich. "Ja, das würde passen. Hier oder wieder vor dem Haus?"

    Mein Blick schoß, einmal mehr besorgt, zu ihr rüber. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht, Sie saß beinahe verkrampft auf dem Tier.Aber ich ging noch nicht drauf ein, wollte erst sicher gehen, ob ich mich täuschte. "Ja, ich denke schon, irgendwie. Nur sind es, trotz das es schöne Erinnerungen sind, zugleich traurige."

    Ich dachte einen Moment nach und nickte schliesslich. "Es gibt eine Stadt, sie heisst in Eurer Sprach Petra und ist eine in Fels gehauene Stadt, die Hauptstadt der Nabataaer. Sie liegt nicht weit von den Grenzen zum Imperium weg, aber weit von meiner Heimat. Dennoch ist sie für uns immer ein wichtiger Handelspartner gewesen." ICh bemerkte nicht, dass ich beinahe wie in Trance sprach und mein Blick ganz woanders zu sein schien. Das pferd ritt langsam vorwärts, während ich erzählte. "Wir waren mindestens einmal im Jahr dort und so auch damals, an dem Tag. Omar wollte mich zu einem Stand mit Kräutern begleiten und dann waren sie plötzlich da. Ich weiss nicht mehr was passiert ist, noch nicht, aber ich weiss, dass sie Omar angegriffen haben und er immer rief 'Lauf! Flieh!' Ich wollte ihm helfen und seh noch ein Messer, aber ab da ist alles dunkel." ICh schwieg und es dauerte, ehe es schien, als würde ich aus einer weiten Ferne zurückkehren. Als ich wieder da war und sie ansah, war mir gar nicht bewusst, dass ich mich an mehr erinnert hatte, als noch vor Kurzem, dass wir jedes Jahr da waren und auch, was, zumindest teilweise, passiert war. Ich lächelte schwach. "Naja, ich weiss nicht, ob es gut ist sich an so etwas zu erinnern."

    Irgendetwas stimmte nicht. Ich konnte nicht sagen was, weil ich es nicht sah, aber ich spürte es und so trieb ich das Pferd direkt neben sie, so dass ich sie besser beobachten konnte. Sie wirkte noch blasser. "Nun, getrieben? Nicht viel. Das Übliche, sprich mit den Kindern gespielt, mich weitesgehend gekümmert und so und..." Sollte ich ihr von Sun Cheng erzählen? Ja, warum nicht. "Und einen Mann kennen gelernt, der mir mehr von meiner Heimat gebracht hat, als ich es manches Mal zu hoffen gewagt hätte und es dadurch immer wieder schafft mich in die Verzeiflung zu treiben, auch wenn er es gar nicht vor hat, weil es nur einzelne Steinchen im großen Mosaik sind. Er ist mein Chi geworden. Das bedeutet in seiner Sprache so etwas wie Lehrmeister. Er erzählt mir viele wundersame Dinge aus seiner Heimat, die er das Reich Han nennt und lehrt mich vieles. Auch zeigt er mir Zeichnungen und..." ICh stockte. Die Erinnerung an die Zeichnung der Stadt Petra ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen und meine Hände zitterten einmal mehr für einen Augenblick. "Und durch ihn erinnere ich mich wieder an ein paar Dinge mehr. Aber.. aber ich muss gestehen, es sind auch Dinge dabei, an die ich mich lieber nicht erinnern würde," kam es leise zum Schluß über meine Lippen.

    Mit diesen Worten hatte sie mich ins Grübeln gebracht und lange sah ich auf die Mähne des Pferdes, ehe ich nur mit den Schultern zucken konnte. "ICh weiss es nicht. Vielleicht, weil es ein anderes schaukeln ist. Aber ich habe eigentlich keine Ahnung."
    Ich musste lächeln und es war ein unbewusst wehmütiges Lächeln. "Kamele sind etwas Besonderes. Sie können tagelang in der Wüste ohne Wasser auskommen und können Geschwindigkeiten aufbringen, die dem Pferd in Nichts nachstehen." Einmal mehr hielt ich verblüfft inne und schüttelte verärgert den Kopf. Dieses ständige Kommen und Gehen von Informationen in meinem Kopf zerrte an meinen Nerven.

    Ich betrachtete sie besorgt, als sie wieder fast vom Pferd gefallen wäre. "Vielleicht solltest Du etwas weniger schwungvoll in den Sattel steigen," meinte ich in einer Mischung aus Ernst und amüsiert sein. "Ich denke, es wird schon gut gehen. Es ist wirklich nicht so viel anders als Kamele," meinte ich nachdenklich.

    Ich musste bei ihren Worten lächeln und doch beschlich mich etwas Angst, als ich die Zügel in die Hand nahm. "Nun, wenn Pferde genauso störrisch sind wie Kamele," murmelte ich. Dann wartete ich, dass Helena aufgestiegen war und sagte, wo es lang gehen sollte. "Also?" fragte ich sie einerseits etwas skeptisch, andererseits neugierig.

    "Natürlich bin ich," lachte ich kurz auf. "Wie sollten wir sonst in der Wüste von einem..." Ich hielt inne und sah sie erstaunt an, ehe ich wieder einmal mit dem Kopf schüttelte und ernster antwortete. "Ja, seit meiner Geburt an." Mein Blick ging auf die Mähne des Pferdes und verschleierte sich einen Bruchteil einer Sekunde lang, ehe ich wieder aufsah und lächelnd meinte. "Das Pferd hier schaukelt nicht so sehr wie ein Wüstenschiff."

    Ich nickte nur, schweigend und versuchend mich daran zu gewöhnen, dass vor und hinter mir keine Halterung in Form von zwei Höckern war. Oder kein Korb, in dem Mann seitlich davon saß. Also langsam regte mich dieses Halbwissen auf, aber ich beherrscht emich und konzentrierte mich lieber auf das Gefühl, dass das Pferd unter mir bei mir verursachte. "Mhm, irgendwie ganz anders und doch genauso wie ein Kamel," murmelte ich laut nachdenkend.