An Marcus Flavius Aristides
Castellum der Legio IX Hispana
Colonia Claudia Ara Agrippinensium
Germania
TITUS FLAVIUS MILO MARCO FLAVIO ARISTIDEI S.
Es freut mich, dass dir das Leben in der Legion so gut gefällt und ich bin nach wie vor äußerst zufrieden, dass ich im Gegensatz zu dir die Weisheit besessen habe, die Annehmlichkeiten Roms und der hiesigen flavischen Villa den schlammbedeckten Plebejern in den nördlichen Provinzen vorzuziehen. Dennoch wundert es mich, dass du in Bezug auf die Weiblichkeit von einer solch desaströsen Lage sprichst. Erzählt man sich nicht vielerortes von den wunderschönen blonden Germaninnen, die sich tapfer jeder Verletzung trotzend wild und leidenschaftlich in einen Kampf um den anderen stürzen? Ich hörte, dass manche von ihnen in ihrer Gesellschaft angeblich sogar in höhere Ränge aufstiegen, einem Ritter vergleichbar. Sie müssen wahrlich einen einmaligen Eindruck bieten. Doch sofern sie sich tatsächlich derart beharrlich vor dir verstecken, wäre es mir eine Selbstverständlichkeit dir aus dieser Notlage herauszuhelfen, lieber Bruder. Wenn es in deinem Sinn ist, werde ich dir eine entsprechend geschulte Sklavin auswählen und zusenden. Wäre es dir in dem Fall möglich, sie im Umfeld des Legionskastells angemessen zu verwahren?
In mancherlei Hinsicht kann ich dich beruhigen, Marcus. Hier in Rom mag es zwar ereignisreicher sein, doch an wirklich außerordentlichen Feierlichkeiten oder Ereignissen hast du bislang wenig versäumt. Auf diesem Metier hat Baiae der ewigen Stadt wahrlich noch einiges voraus und ohne dich und Hannibal ergibt sich auch für mich kaum eine Gelegenheit zu wahrem Amüsement. Unsere hiesige flavische Verwandtschaft scheint einen sehr ruhigen und zurückhaltenden Lebensstil zu pflegen. Furianus scheint sich nach wie vor äußerst wohl in dieser Welt der Politik zu fühlen und ist vor Kurzem nur zögerlich abgereist. Er hatte eine Audienz beim Kaiser höchstpersönlich, welcher ihn mit einem Arbeitsauftrag als provinzieller Architekt nach Hispania entsandte. Genauere Umstände dieser Reise oder des Auftrags sind mir leider nicht bekannt und ich weiß auch nicht, wann er wieder nach Rom zurückkehren wird. Insofern rückt die Feier seiner Hochzeit vorerst in ferne Zukunft. Greifbarer dürfte der Termin zur Vermählung unseres Vetters Gracchus sein. Erst kürzlich nahm er gemeinsam mit seiner Verlobten Claudia die konkreten Planungen auf und ich denke, dass wir demnächst mit endgültigen Daten rechnen können. Sobald ich genaueres weiß, werde ich deine Benachrichtigung selbstverständlich veranlassen. In Bezug auf meine eigene Karriere gibt es zu berichten, dass ich den Dienst beim Aedilis Plebis Purgitius Macer zu beiderseitiger Zufriedenheit abschließen konnte und mich in den nächsten Tagen als Scriba beim Cultus Deorum bewerben werde. Es liegt mir sehr daran, vor meinem Gang in die Politik vielfältige Erfahrungen zu sammeln. Daher werde ich bei den kommenden Wahlen auch noch nicht kandidieren. Wie sieht es bei dir aus, alter Mann? Erklimmst du bereits die Karriereleiter und hast schon den Posten eines Centurio oder Tribun in Aussicht?
Dein Bericht über den Tiberier schockiert mich zutiefst. Selbstverständlich ist mir dieser Mann bekannt und bis heute war mein Eindruck von ihm durchaus ein guter. Er kandidierte bei den vergangenen Wahlen zur Quaestur und führt nun das Amt des Quaestor Consulum aus. Ich hatte auf der Rostra bereits flüchtigen Kontakt zu dem Mann und ich vermute, dass er seinen Weg in der Politik noch erfolgreich weiter fortsetzen wird. Meines Wissens ist sein bisheriger Lebenslauf stark vom Dienst im Militär geprägt. Außerhalb der Legion scheint er erst seit der Quaestur wirklich Aktivität zu entwickeln. Das Amt führt er einigermaßen zuverlässig aus - zumindest ist mir nichts Gegenteiliges bekannt. Seine politischen Verbindungen befinden sich wohl noch im Aufbau und liegen momentan nach meinen Beobachtungen schwerpunktmäßig im Bereich der eigenen Familie. Politische Feinde hat er sich im Rahmen der Frauendiskussion möglicherweise von Seiten der Aurelier zugezogen. Wahrscheinlich wird sich der Tiberier zu Beginn des nächsten Wahlkampfes erneut auf der Rostra einfinden und für das kurulische Aedilat kandidieren. Wenn seine Aussagen in Bezug auf unsere Mutter tatsächlich die von dir beschriebene Ungeheuerlichkeit besaßen, werde ich diese Gelegenheit gut zu nutzen wissen. Wenn du noch weitere Informationen benötigst, werde ich diese noch recherchieren. In jedem Fall halte ich von nun an die Augen offen.
Dein Sklave ist bereits vor einiger Zeit aus der Villa Flavia abgereist und dürfte sich auf dem direkten Weg nach Germanien befinden. Ich hoffe, dass Hannibal sich nicht allzu viel Zeit lässt und schon bald bei dir eintrifft. In diesem Sinne wünsche ich dir noch eine verhältnismäßig angenehme Zeit bei der Legion und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen. Vale.
TITUS
P. S. Ich werde baldmöglichst beim Cursus Publicus um das Ausstellen einer Wertkarte für Germanien ersuchen, damit dir das Prozedere des Schreibens ein wenig erleichtert sei.