Zitat
Original von Titus Aurelius Ursus
"Oh." entfährt es Lucilla erstaunt vor dem nächsten Schluck Wein. "Ein Testament, tatsächlich? Angenommen, ich sterbe an den Saturnalia - zu wild gefeiert, auf dem Heimweg auf einem Keks ausgerutscht, dumm gelaufen, a blede G'schicht, so was kann ja immer vorkommen - wer erbt dann mein Vermögen? Mein Ehemann?" Avarus - der gierige Avarus. Lucilla ist nicht eben unvermögend, sie besitzt mehr als so mancher Senator. Würde Avarus Gier über Leichen gehen? Die Leiche seiner Ehefrau vielleicht? Wie ist überhaupt seine erste Frau gestorben? War sie vermögend? Siedendheiß fällt Lucilla auf, dass sie nie darüber nachgedacht hat.
"Oder mein Bruder?" Meridius hat selbst genug. Er würde sie nicht umbringen. Sowieso nicht. Oder doch? Er wollte sich doch zur Ruhe setzen, da braucht er schon ein kleines Vermögen.
"Und würden meine Neffen und Nichten etwas erben?" Der kleine Faustus würde ein bisschen Geld gut gebrauchen könnte, dieser Hungerhaken. Immerhin ist er zur Legion, weil er sonst nichts kann. "Auch wenn sie die Söhne meiner Cousins sind, also gar nicht meine direkten Neffen? Was würde eigentlich mit meinen Sklaven passieren? Würden die auch vererbt werden?" Ambrosius als Schoßhündchen von Meridius - Bona Dea, der Ärmste! Ambrosius, nicht Meridius.
Diese Testamentsarbeit muss wirklich spannend sein. Obwohl Ursus ein bisschen blass aussieht auf die Geschichte aus Tarraco hin. "Ja, ich weiß auch nicht. Ich habe immer eher das Gefühl, die Sesterzen fließen nur immer fleißig weiter, während die Familie mit den Jahren weniger wird." Sie grinst. "Na irgendwann wird sie auch wieder mehr, immerhin kann man dafür ja selbst sorgen, aber um das Geld würde ich mir weniger Sorgen machen."
Das bringt sie schon zur nächsten Frage, bei der Lucilla wie üblich keine Scham kennt und kein Blatt vor den Mund nimmt. Schon gar nicht bei 'nur Ursus' - deswegen mag sie die Saturnalia fast so sehr wie die Sklaven. "Bist du verheiratet, Ursus? Hast vielleicht sogar schon Kinder?" Ein Schluck Wein spült die Frage hinab und noch bevor ihr Gegenüber antworten kann, liefert sie ihre eigene Antwort auf seine Frage.
"Das mit der Acta kommt eben genau daher, vom Heiraten. Eine verheiratete Frau hat einfach keine Zeit mehr für solche Sachen wie die Acta Diurna. Artikel schreiben, vielleicht, aber nicht, eine Zeitung leiten. Weißt du, das ist ein großer Haufen Verwaltungsaufwand, den man da bei jeder Ausgabe machen muss, und sorgfältig arbeiten muss man dabei ja auch, immerhin trägt der Auctor die Verantwortung für jedes einzelne Wort. Ich habe einfach keine Zeit und keinen Geist mehr, diese Verantwortung zu tragen. Mit so einer Hochzeit ändert sich einfach alles im Leben. Diese vielen Verpflichtungen, die eine verheiratete Frau wahrnehmen muss, von Abendempfängen über die Religio bis hin zur politischen Arbeit für ihren Ehemann. Die Leute stellen sich immer vor, dass man Macht in den Händen halten würden, weil man die imperiale Zeitung kontrolliert. Aber was glaubst du, wie lange ein Auctor Auctor ist, wenn er diese Zeitung für seine eigenen Zwecke nutzt? Der Kaiser lässt soetwas nicht zu, zu Recht natürlich. Und dann ..." fährt Lucilla ohne Pause fort, denn Ursus hat immerhin gefragt. "... ist das allerschlimmste diese ewige Nörgelei. Du bekommst nichts als Auctor, kein Gehalt, keinen Dank, nicht einmal einen Strom heißer Luft, nur Genörgel und Gemecker. Dies stimmt nicht und das stimmt nicht, hier ist ein A zu viel und da ein Z zu wenig, das Fest war nicht am fünften, sondern am sechsten Tag, der Mann heißt Pupsus und nicht Pubsus, der Preis betrug 1005 Sesterzen und nicht 1000, die genauen Worte waren 'blicket zu den Feinden' und nicht 'schauet zu den Feinden' und überhaupt fehlt hier ein Komma und im Übrigen schreibt man mit großem Ü und nicht zusammen." Sie schüttelt den Kopf. "Die Acta Diurna ist der Müllkübel des Imperiums. Daran liegt es übrigens auch, dass sich so wenige Schreiber dafür finden, aber als Schreiber bekommst du immernoch ein paar Sesterzen, auch wenn es darum nicht geht."
Langsam neigt sich die Füllung des Bechers ihrem Ende zu, manche Themen bedingen einfach, dass man sie hinunter spülen muss. Zum Glück ist der Wein ziemlich gut verdünnt.