Obwohl Lucilla der Mittelpunkt ihres Lebens ist, entgeht ihr die Welt um sich herum nicht. Es fällt ihr auf, dass es Medeia nicht so gut zu gehen scheint und auch wenn Lucilla selten Hemmungen hat, irgendetwas auszusprechen, so traut sie sich nicht richtig zu fragen. Noch nicht.
Sie setzt sich, nimmt den bald gefüllten Becher in die Hand und lauscht Medeias Worten über Ägypten.
"Du hast eine Villa dort?" fragt sie schließlich erstaunt mit großen Augen. "Oh, das ist ja wundervoll!"
Einer der größte Fehler, den man bei Lucilla machen kann, ist sie aus vordergründiger Nettigkeit einzuladen. Denn Lucilla nimmt jede Einladung ernst und kommt ihr auch nach, früher oder später. Seit sie durch den Cursus Publicus bedingt gewagt hat über die Grenzen ihrer kleinen Welt hinaus zu schauen, kann sich Lucilla kaum mehr etwas schöneres vorstellen, als das Reisen. Die unendlich vielen neuen Eindrücke, die zu sehen und zu erleben sind, die herrlichen Landschaften, die es zu entdecken gilt, die verschiedenen Menschen, die es kennenzulernen gibt, all das wirkt seinen Bann auf sie.
"Da werde ich dich ganz bestimmt einmal besuchen. Ich wollte mit Avarus doch vor einiger Zeit schon den Cursus Publicus in Ägypten inspizieren, allerdings ist da nichts daraus geworden, der Rest von Africa hatte schon zu viel Zeit in Anspruch genommen. Aber ich brenne darauf, irgendwann einmal diese Pyramiden zu besuchen und diese alten Tempel und die Bibliothek und die Märkte. Das soll ja alles todschick sein."
Eigentlich kommt es Lucilla nur auf die Märkte an.
"Aus Parthia hört man nur noch sehr wenig. Wahrscheinlich werden die Briefe noch genauer zensiert, seitdem durch uns bekannt wurde, dass immer noch genug Information durchkommt." Lucilla verdreht die Augen.
Natürlich ist die andere Wahrscheinlichkeit, dass der Krieg nun richtig tobt und die römischen Legionen bis zum letzten Mann aufgerieben sind und bis zu den Knien in Blut waten, so dass kaum Zeit für das Briefeschreiben bleibt. Aber das möchte Lucilla dann doch nicht laut äußern, immerhin ist Medeias Mann dort mitten drin. Und Faustus. Und Livianus.
"Und außerdem ist sicherlich eh auch gerade Kampfpause. Wegen des Endes der Kriegszeit und des Winters und so." Ein bisschen Flunkern zur eigenen und fremden Beruhigung ist schließlich erlaubt. Je öfter man so etwas laut erwähnt, desto mehr glaubt man es auch.
Lucilla seufzt, obwohl sie es eigentlich vermeiden wollte. "Oh, ja, die Hochzeit ... ich freue mich schon sehr." Richtig überzeugt klinges nicht, das merkt sogar Lucilla selbst. "Naja, also ehrlich gesagt bereitet mir der Gedanke schon ein bisschen Kopfzerbrechen. Nicht wegen Avarus aber es ist einfach ... so ein großer Schritt. Mein ganzes Leben wird über einen Haufen geworfen, zumindest kommt es mir so vor. Der Tag rückt näher und näher, aber ich schiebe es irgendwie einfach alles vor mir weg. Am schlimmsten ist diese Standesänderung. Nicht, dass es mir nicht gefallen würde, Senatorengattin zu sein, aber kein Mensch denkt dabei ja an die wirtschaftlichen Veränderungen. Natürlich bin ich nicht auf den Gewinn meiner Betriebe angewiesen, aber ich liebe die Kalkulation, außerdem ist es eine der wenigen Möglichkeiten für eine Frau, sich noch ein bisschen öffentlich an der Welt zu beteiligen und gerade mein Marmor ist etwas Besonderes. Und was soll ich jetzt damit machen? Ihn einfach an irgendwen verscherbeln, der ihn zu Grunde wirtschaftet oder noch schlimmeres? Ich habe doch eine Verpflichtung, ich kann doch nicht einfach meine Stammkundschaft hängen lassen!" Lucilla seufzt nochmal und gönnt sich einen Schluck Wein. Sehr süffig, perfekt.