Beiträge von Decima Lucilla

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    Obwohl er sonst eher bescheiden ist, musste sich auch Marcus, der Ianitor der Casa Decima an diesem besonderen Tag etwas schicker herrichten als sonst. Lucilla hat darauf bestanden, dass er eine strahlend weiße Tunika anzieht und einen Kranz aus Herbstlaub auf dem Kopf trägt, immerhin soll alles schön aussehen, wenn sie heiratet. Und weil sich an diesem Tag niemand mit Lucilla anlegt, hat sich auch Marcus ihrem Willen gebeugt.


    Deswegen steht der Iantitor mit einem bunten Herbstlaubkranz auf dem Kopf an der weit geöffneten Tür. Im Prinzip steht er heute eh nur da, um die ankommenden Gäste zu begrüßen und Schnorrer und Gesinde zum Hintereingang zu schicken, wo es auch für diese Menschen etwas zu holen gibt.


    Hinter Marcus aufgereiht wie an einer Perlenkette stehen junge Sklaven, die die Gäste bis ins Atrium zur Nuptiae führen.

    "Das Haar?"
    "Perfekt."
    "Der Schleier?"
    "Sitzt."
    "Kleid?"
    "Passt."
    "Ich?"
    "Wunderbar, Lucilein, wunderbar."
    "Ich fühle mich dick."
    "Nein, wirklich, Luci, das Kleid betont deine weiblichen Rundungen."
    "Rundungen?"
    "Formen."
    "Was mache ich, wenn er mich nicht mehr will?"
    "Das wird nicht passieren. Er hatte reichlich Zeit, sich das zu überlegen."
    "Eben, vielleicht ist es ihm gestern endlich eingefallen ..."
    "Papperlapapp. Da, hörst du es, er kommt."
    "Puh."


    Tatsächlich, da kommt er. Wegen ihr. Nur wegen ihr. Lucilla strahlt, auch wenn es keiner sehen kann unter dem roten Schleier.
    "Medicus, ich bin ja so froh, dass du da bist!" stürmt Lucilla auf ihren Verlobten zu und hält kurz vorher inne - nicht, dass das ganze Gestecke und Geschleiere auf ihrem Kopf durcheinander gerät. "Ich weiß gar nicht, was ich ohne dich tun sollte." Natürlich, die Hochzeit wäre ohne ihn ein bisschen schwer.
    "Sind schon Gäste draußen? Bona Dea, ich bin so aufgeregt. Bist du auch aufgeregt? Ich füchte, ich rede zu viel, wenn ich aufgeregt bin. Meinst du das merkt jemand? Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich sagen soll. Aber irgendetwas muss ich doch tun. Und die Sklaven sorgen ja schon für alles, da bleibt nicht mehr viel. Oh, meine Freundinnen Jocasta und Peducaeana kennst du? Jocasta wird die Aufgabe der pronuba übernehmen und Peducaeana hat mir gestern schon mit dem Kleiderritus geholfen. Sie ist ja fast so gut wie mit mir verwandt, weil ihr Großvater doch mit Großtante Drusilla verheiratet ... ach, Großtante Drusilla wird nicht kommen! Ist das nicht unglaublich! Eine Hochzeit ist einfach nichts besonderes mehr für sie! Ist das zu fassen? MEINE Hochzeit nichts besonderes! Sie wird dann zur nächsten kommen, also wirklich, diese Frau hat Nerven. Na gut, in ihrem Alter ist das Herumreisen ja auch nicht mehr so einfach und Baiae schon eine recht lange Strecke, aber trotzdem, sie hätte mir wenigstens einen Brief schicken können. Aber meine Hochzeit einfach als nichts besonderes abzutun ... rede ich zu viel?"
    Fragend schaut Lucilla von Avarus zu Jocasta und Peducaeana, die synchron nicken.
    "Oh."

    [color="indigo"]"Na was wohl"[/color] säuselt Jocasta beinahe. [color="indigo"]"Wir sind die dich rettende Vertretung für deine Tante Drusilla."[/color]
    "Was? Ihr?"
    "Ja, wir müssen die Riten halt ein bisschen beugen. Drusilla wäre ja auch nicht die Brautmutter gewesen, also was solls. Ich bin deine Verwandte und Jocasta macht morgen die Brautführerin, das hätte Drusilla doch eh nicht tun können, du weißt schon, zum ersten mal verheiratete Frau und blablabla ..."
    [color="indigo"]"Eben, du hast doch selbst gesagt, dass du keine einmal verheirateten Verwandten hast."[/color]
    "Ja, zugegeben, wir hätten das eh ein bisschen großzügiger ausgelegt. Es gibt nun mal keine Decima, die verheiratet wäre, außer Großtante Drusilla ... aber die eben schon zum xten Mal. Naja, ich hatte gehofft Venusia könnte dann die pronuba machen, aber Magnus und sie werden kaum aus Germania anreisen können."
    "Na siehst du. Da sind wir doch gar keine so schlechte Alternative. Denn ich bin zum ersten und einzigen Mal verheiratet."
    "Ich könnte das auch machen, aber ich will ja nicht alles an mich reißen."
    "Das stimmt doch gar nicht, du bist doch schon zum zweiten Mal verheiratet!"
    "Ach, die drei Tage Ehe zählen nicht! Aber lassen wir das, die Brautmuttervertretung zu sein reicht mir völlig."
    "Aber du bist ja nicht einmal mit mir verwandt!"
    "Papperlapapp. Deine Großtante ist mit meinem Großvater verheiratet, also wenn das nicht reicht ... das macht mich immerhin zu deiner ... ähm ... ist ja auch egal, Schwester im Geiste und vor den Göttern allemal."
    "Ich weiß nicht ..." schaut Lucilla wenig überzeugt.
    "Nun stell dich nicht so an, was hast du denn für eine Wahl?"
    Keine? "Na gut."


    Jocasta betrachtet derweil die weiße tunica recta. [color="indigo"]"Schön ist sie geworden."[/color]
    "Ich habe ja auch genug Blut dafür geschwitzt." Hat Lucilla natürlich nicht. Im eigenen Haus gewoben ist sie, allerdings nicht von ihr. Aber das braucht keiner zu wissen, nicht einmal Jocasta.
    Peducaeana nimmt den Wollgürtel und schwingt ihn durch die Luft. [color="red"]"Na dann lasst uns loslegen, Mädels."[/color]


    Es ist ziemlich unglaublich, wie lange drei Frauen dazu brauchen können, eine von ihnen in eine Tunika zu kleiden und sie mit einem Wollgürtel mit dem nodus Herculis zu gürten. Peducaeana, Jocasta und Lucilla brauchen auf jeden Fall noch länger dazu. Dann kommt der schwierige Teil - die Frisur. Ein Gestecke und Geziepe, Gezwicke und Gezwacke ist das, bis Peducaeana endlich die Spitze der hasta caelibaris in Lucillas Haar schiebt.
    "Au! Pass doch auf, das piekst!"
    "Das piekst, das piekst! Ich bin ja auch keine Tonstrix! Wo ist überhaupt dein kleiner Brosi, wenn man ihn einmal braucht."
    "Paedu, du weißt doch, kein Mann darf am Abend vor der Hochzeit anwesend sein."
    "Bona Dea, er ist doch nur ein Sklave."
    "Nichts da, wir beugen die Riten eh schon viel zu weit."
    "Dann piekst es eben. Und jetzt halte still!"
    "Sag mal, Lucilein, wenn du in die Casa Germanica einziehst, dann wirst du Brosi doch gar nicht mehr brauchen, oder? Ich meine, dein Senator kauft dir bestimmt fünf neue Sklaven."
    "Nein, Jocasta! Ich habe dir schon tausend mal gesagt, dass ich ihn nicht hergebe."
    "Hach," seufzt Jocasta. "Ein Versuch war es wert, ich hatte gehofft, dass du heute ein bisschen rührselig und freigiebig bist."
    Gemeinsam ziehen die beiden Freundinnen Lucilla die wollenen Bänder durchs Haar. "Irgendwie lustig oder, die Braut wird zurecht gemacht wie ein Opfertier vor der Schlachtung."
    "Na hoffentlich verliert sie morgen nicht den Kopf!" Peducaeana und Jocasta brechen in albernes Gekicher aus, in das auch Lucilla letztlich einfällt.


    Zu guter Letzt setzt Jocasta den Blumenkranz auf Lucillas Kopf und lässt den roten flammenum darüber gleiten. "Fertig."
    Lucilla rührt sich nicht und schaut durch den roten Schleier hindurch. Die Welt ist rosarot. "Und jetzt?"
    "Jetzt warten wir, dass der Tag beginnt."
    "Wie bitte? Es ist noch nichteinmal Morgen! Ihr wollt mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass ich die ganze Nacht hier so herumsitzen soll?"
    Lachend nimmt Peducaeana den Schleier und den Kranz von Lucillas Haupt. "Die darfst du abnehmen bis morgen früh."
    "Und wie soll ich mit dieser Frisur schlafen?"
    "Tja, meine Liebe. Das ist das erste Opfer der Ehe."
    "Das ist euer Ernst, oder?"
    "Natürlich, das sind die Riten, Lucilein. Auf denen bestehst du doch, oder?"
    Lucilla seuft. "Aber ihr zwei bleibt hier, ja?"
    "Natürlich. Ich sage in der Küche Bescheid, dass sie was zu Essen machen sollen."
    "Lass bloß die Finger von Brosi!"
    "Lalala... ich bin schon weeeg..."

    Eine Nacht noch, dann ist es soweit. Lucilla wird heiraten. Ja, ganz bestimmt, Lucilla wird heiraten. Da ihre Großtante Drusilla sich verspätet, Lucilla aber nicht ewig warten kann, hat sie ihre Spielsachen schon mal alleine den Göttern geweiht. Kleidung aus ihrer Kindheit hat sie natürlich längst nicht mehr.


    Es klopft und kurz darauf stürmen Jocasta und Peducaeana in Lucillas Cubiculum.
    "Jocasta, Pedu! Was macht ihr hier? Wo ist Tante Drusilla?" Panik schwingt in Lucillas Stimme mit.
    "Sie ist immer noch in Baiae." Peducaeana ist ziemlich unbeeindruckt. Von allem. Immer.
    "In BAIAE? Ich HEIRATE morgen und Großtante Drusilla ist in BAIAE?! Was bitte schön macht sie in Baiae? Sie wird NIEMALS rechtzeitig da sein! Und WER bitte hilft mir mit diesem ganzen ..." sie umfasst das Cubiculum, die Hochzeit, einfach alles mit einem Wink. "... mit diesem allem!?"
    "Bona Dea, Lucilla, reg dich ab. Deine Großtante wird nicht kommen."
    "WAS? Warum wird sie nicht kommen?"
    Peducaeana zuckt mit den Schultern. "Was weiß ich. Hochzeiten können sie einfach nicht mehr reizen. Ich meine, zum wievielten Mal ist sie jetzt verheiratet? Zum siebten? Achten? Es ist für sie ja schon beinah so alljährlich wie die Saturnalien. Da macht sie keinen solchen Aufstand mehr."
    "Aber ... ICH heirate doch."
    "Dann kommt sie eben bei deiner nächsten Hochzeit. Bona Dea, wo ist das Problem?"
    "Ich heirate aber doch nur einmal!"
    "Ach, Papperlapapp. Eine Frau die nur einmal im Leben heiratet, das ist ja wie ... wie Sandalen ohne Perlenbesatz."
    "Also ich finde Perlenbesatz auf Sandalen albern und sowas von unmodisch..."
    "Jetzt fall mich nicht in den Rücken, Jocasta! Auf jeden Fall ist das unrömisch. Du wirst schon sehen, Lucilein, wenn dein Senator erstmal an Einfluss verliert oder das ganze Geld weg ist, er sich zur Ruhe setzen will, zu viele politische Feinde hat, gegen die Götter spricht oder gegen die Kaiser, vielleicht auch nur den PePe auf falschem Fuß erwischt oder von selbst anfängt zu kränkeln, wenn er keinen mehr hoch bekommt, das Interesse an dir verliert oder du an ihm, vielleicht kommt auch nur ein schönerer, besserer, reicherer - zack, bist du geschieden und schon heiratest du noch mal." Peducaeana strahlt übers ganze Gesicht.
    "Das ist ja widerlich! Ich heirate morgen und du denkst über meine Scheidung nach!"
    "Ach, das ist nicht widerlich, das ist Rom, Lucilla. Manchmal bist du wirklich ein altes Provinzei."
    "Gar nicht wahr!"
    "Na schau dir doch den Hungigaricus an, zum wievielten Mal ist der verheiratet?"
    "Mindestens zweimal."
    "Eben. Und diese Schnalle, die er vor der Tiberia hatte ..."
    "Aelia Adria ist keine Schnalle! Sie war eine Germanica, die Nichte von Avarus ... glaub ich."
    "Da siehst du es doch schon." Peducaeana macht eine bedeutungsschwangere Pause. "Sie war eine Germanica und ist jetzt eine Aelia. Manus-Ehe! Schnalle, sag ich doch. Auf jeden Fall siehst du es an ihr, Hochzeit, Scheidung, Hochzeit. Und was für einen feschen Kerl sie sich geschnappt hat, diesen Quarto aus dem Palast. Nobilitas natürlich. Und siehst du, meine Liebe, das wird dir auch fehlen - No-bi-li-tas."
    "Pah, irgendwann wird Avarus Consul werden. Dann werde ich dir meine Nobilitas um die Ohren schmeißen."
    "Pff, das glaubst du doch nicht im Ernst. Oh Lucilein, du alte Träumerin, eher wird Scamander noch Pontifex Maximus."
    "Scamander kann nicht Pontifex Maximus werden, Paedu, das ist doch immer der Kaiser."
    "Na seht ihr."
    "Ach," Lucilla verdreht die Augen und schüttelt den Kopf, bevor sie ihre Freundinnen wieder anschaut. "Was wollt ihr zwei überhaupt hier?"

    Lucillas Gedanken schweifen in ganz andere Richtungen als die von Hungi. Ihr Bruder weiß eh, was sie für zotige Gedichte kennt, immerhin kennt er Großtante Drusilla selbst, und dass Lucilla auch ungezwungen dem Tanzen frönt - sie gleicht dabei mangelndes Talent mit um so mehr Enthusiasmus aus - braucht niemand zu wissen, denn das ist für eine Römerin gar nicht schicklich. Überhaupt verbieten sich die Römerinnen so manche Freude, die sich Lucilla trotzdem heimlich gönnt, denn manchmal ist sie halt doch mehr Landei als Städterin. Lucillas Gedanken sind aber ganz und gar bei Hungi in diesem Augenblick. Natürlich wäre es noch viel, viel unschicklicher, auch für Hungi, Lucilla einen Kuss abzuringen. Natürlich wissen das alle in diesem Raum, darum geht es ja gerade. Trotzdem kribbelt alles in Lucilla schon beim Gedanken daran. Ob es wohl besser wäre als mit Spartakuss? Sie weiß nicht genau, wovor sie mehr Panik hat, dass er einen Kuss will oder dass er keinen will.


    "Ich habe sehr viele ungeahnte Talente!" gibt Lucilla ein bisschen beleidigt von sich und versucht ihre Unsicherheit zu verbergen.
    "Oh ja," kichert Funisulana. "Aber die meisten davon bleiben auch besser ungeahnt!"
    Euhemera und Jocasta fallen in das alberne Gekicher ein, während Peducaeana schon die Platten mit Essen mustert.
    "Natürlich wird im Voraus bezahlt. Du sollst schließlich nicht zu etwas genötigt werden."
    Im Gegensatz zu Lucilla.
    Fabulla, die nicht unbedingt in Hungis direkter Sicht, sondern eher seitlich sitzt, formt unterdessen mit ihrem Mund das Wort 'Kuss' ohne es laut auszusprechen. Lucilla, die das ganz genau sieht, schaut sie mit einer Grimasse an, die verdeutlichen soll, dass sie damit aufhören soll. Euhemera will schon nach den köstlichen Süßspeisen greifen, doch Peducaeana klatscht ihr auf die Finger und raunt ihr ein "Natürlich wird im Voraus bezahlt ..." zu und rollt dabei mit den Augen.

    Das Chez Pollux ist eine der ersten Adressen in Rom. Zumindest ist es eine der ersten Adressen für gallisches Essen in Rom. Und wer etwas von Gaumenfreuden versteht, der weiß, dass die gallische Küche einige der besten Gerichte der ganzen Welt bietet. Denn nachdem die Gallier sich dem römischen Imperium eingegliedert haben gibt es kaum etwas woran sie mehr Freude finden als am Essen und der fantasievollen Zubereitung von diesem. Nicht umsonst heißt es schließlich 'Speisen wie die Götter in Gallia'.


    Da das Chez Pollux eine der ersten Adressen Roms ist, kommt auch nicht jeder so einfach ins Chez Pollux hinein. Lucilla ist allerdings ein gern gesehener Gast. Sie kennt den Inhaber, Pollux den Gallier, schon seit einer halben Ewigkeit, noch aus der Zeit wo er in der Gladiatorenschule Gloria et Honor der Küchenchef war. Leider ist Pollux der Gallier momentan in irgendwelchen Familienangelegenheiten in Lutetia unterwegs. Aber wer die Gallier kennt, der weiß, dass sie die armen, abgemagerten Römer-Hungerhaken in Rom natürlich nicht verhungern lassen. Deswegen kocht in Pollux Abwesenheit dessen Cousin Schmecktwienix, während der Bruder von diesem, Rusticalix, den Laden schmeißt. Natürlich ist Lucilla längst auch bei den beiden bekannt. Für Geschäftsessen im Auftrag der Acta Diurna kann sie jederzeit eines der drei Hinterzimmer in Anspruch nehmen, gemütliche kleine Räume mit einem Tisch und drei Klinen, in denen sich allen Arten von Geschäft gut nachgehen lässt. Außer natürlich Geschäften des horizontalen Gewerbes, aber soetwas gibt es im Chez Pollux sowieso nicht.


    Am heutigen Festtag ist der Gastraum des Chez Pollux natürlich voll bis oben hin. Von den Hinterzimmern sind allerdings noch zwei frei. Immerhin kommt es an einem Festtag meist auf das Sehen und Gesehen werden an, weshalb diese Zimmer auch an solchen Tagen tatsächlich nur für Geschäfte genutzt werden. Mit ihrem 'Geschäftspartner', Manius Flavius Gracchus, wird Lucilla von Rusticalix in einen der Räume geführt.
    Sie ordert eine kleine Menüplatte und deutet, nachdem der Gallier den Raum verlassen hat, auf Gracchus Sklavenanhang. "Ich möchte, dass die draußen warten. Senator Purgitius Macer hat vielleicht deinen Namen bestätigt. Doch auch wenn ich nicht glaube, dass ein Mensch einen anderen Menschen so einfach ersetzen könnte und du deswegen tatsächlich Flavius Gracchus sein magst, so könntest du immer noch mit Quintus Tullius unter einer Decke stecken. Außerdem wirst du sie eh nicht brauchen. Das Essen bringen die Angestellten vom Chez Pollux und ich bin schließlich nur eine Frau, vor mir werden sie dich nicht schützen müssen." Mit herausforderndem Blick nimmt Lucilla Platz und wartet darauf, dass der Patrizier seine Sklaven aus dem Raum schickt, während sie selbst nicht vor hat, Ambrosius von ihrer Seite weichen zu lassen. Obwohl er sich bei Gefahr kaum heldenmütig vor sie in die Schusslinie werfen würde, könnte sie ihn immer noch für den Gegenangriff als Wurfgeschoss benutzen. (:D)



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    "Wunderbar." bestätigt Lucilla die Aussage des Flaviers und muss ein Augenrollen unterdrücken, weil Ambrosius wirklich überhaupt kein Gespür für eine gute Sotry hat. Er ist und bleibt einfach ein alter Hasenfuß.
    "Dann noch einen frohen Feiertag, Senator Purgitius Macer. Wir sehen uns sicherlich bald einmal wieder."


    Lucilla ist versucht, Flavius Gracchus eine Hand auf die Schulter zu legen um ihn weg zu schieben. Aber die körperliche Berührung scheut sie dann doch. Nicht, weil er ein Patrizier wäre - bei soetwas kennt Lucilla keine Scheu - sondern weil er immer noch aussieht wie ein elender Pirat.
    "Gehen wir?" fordert sie ihn stattdessen auf und weist den Weg hinab vom Capitol. Mittlerweile weiß sie genau, wo sie hin will. Denn dort, wo sie tatsächlich öfter Gespräche für die Acta Diurna durchführt ist der Verdacht am geringsten. Und zur Not stehen zu ihrem Schutz immer noch ein paar rabiate Gallier bereit.




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    Wie ein Schwert durchschneidet das Räuspern das Gekicher und durchtrennt metaphorische Kehlen. Stille. Sieben Augenpaare richten sich in gespanntem Schweigen auf ihn - Marcus Vinicius Hungaricus, ehemals begehrtester Junggeselle Roms, Traum aller Frauen, Hoffnung aller unverheirateter Mädchen und Schwiegersohnwunsch jeder römischen Mutter (und Großtante Drusillas). So nahe sind sie ihm noch nie in ihrem Leben zu vor gewesen, außer Lucilla natürlich. Allerderings sind sie - außer Lucilla natürlich - ja eh schon alle verheiratet. Fabullas Augen sind groß und rund wie kleine Äpfel und kullern fast aus ihrem Kopf heraus. Euhemeras Mund steht ein Stück zu weit offen. Jocasta versucht dem Bild durch Blinzeln an Realität bei zu kommen. Und Peducaeana entscheidet in diesem Moment, dass Ehen keine Hindernisse sind, jeder kann sich schließlich scheiden lassen.


    "Hungi..." lächelt Lucilla "...garicus ... ähm ... Salve, Hungaricus." Es dauert ein bisschen länger bis sie errötet und vielleicht fällt es ihm gar nicht auf, weil ihr Kleid doch schon so rot ist und alles überstrahlt. "Das ähm ... sind meine Freundinnen. Jocasta, Euhemera, Fabulla, Peducaeana, Funisulana und Epaphrodita."
    Ein bisschen träge und steif folgen die jungen (und nicht mehr ganz so jungen) Damen Hungi an das Impluvium. Jocasta klappt unauffällig Euhemeras Mund zu, während sich Peducaeana nach vorne drängelt und sich möglichst nahe zu Hungi setzt.
    "Es freut mich, dass du kommen wirst." versucht Lucilla das Gespräch in irgendwelche normalen Bahnen zu bekommen. "Ich konnte diesen Besuch leider nicht ankündigen, ich wusste selbst nichts davon und ..."
    "Es ist ein gallischer Brauch!" fällt ihr Peducaeana ins Wort.
    "Ich denke germanisch?" fragt Epaphrodita verunsichert nach.
    "Ist doch alles das selbe." Sie greift nach dem Becher und stellt vergnügt fest, dass der Wein gut gewässert ist. Dann beugt sie sich vor zu Hungi hin. "Es ist der Abschied vom Junggesellinendasein. Wo es Luci doch so lange hinausgezögert hat, muss sie heute noch einmal leiden." Dass Peducaeana ihre Lockerheit wieder erlangt hat, lässt auch die übrigen jungen (und nicht mehr ganz so jungen) Frauen wieder kichern.
    "Ja, wir ziehen um die Häuser!" Vergnügt schlägt Fabulla die Hände zusammen. Es ist mehr als deutlich, dass sie schon mehr getrunken hat, als sie verträgt.
    "Und Lucillas Aufgabe ist es, uns verköstigen zu lassen. Vier Häuser haben wir schon hinter uns." gibt nun Jocasta fachkundig über diesen Brauch zum Besten.
    "Und damit sie auch weiß, warum sie so lange nicht geheiratet hat, darf sie die Verköstigung natürlich nicht erschnorren."


    Da Lucilla genau weiß, was nun kommt, wünscht sie sich ein bisschen im Boden zu versinken. Vinicius Hungaricus, Hungi, wie hat sie nur zulassen können, dass ihre Freundinnen hier sitzen!? Andererseits klopft ihr Herz fast bis zum Scheitel hinauf. Was, wenn er tatsächlich ... Sie will gar nicht daran denken, schon jetzt läuft es ihr heißkalt den Rücken runter.


    "Ja, sie muss dafür bezahlen!" kichert Fabulla vergnügt dazwischen.
    "Und dir, Senator Vi~ni~ci~us Hun~ga~ri~cus," Peducaeana verköstigt seinen Namen geradezu wie einen unglaublich leckeren Wein und erntet dafür von Lucilla einen Blick, der Blitze schleudern würde, wenn sie es könnte. "Dir kommt die Wahl der Bezahlung zu."
    "Wir hätten da Folgendes im Angebot. Entweder einen Tanz, etwas orientalisches vielleicht."
    "Das hatten wir allerdings bei Senator Hirtuleius und im Haus Tamisius schon, Luci hat sich ein bisschen ungelenk angestellt." wirft Euhemera ein und grinst breit.
    "Ich bin ja auch keine Sklavin!" zischt Lucilla ein bisschen beleidigt dazwischen.
    "Oder aber das Vortragen eines Gedichtes, es ist ja unglaublich, wieviele Liebesgedichte Lucilla kennt."
    Lucilla zuckt mit den Schultern und schaut Hungi entschuldigend an. "Die Erziehung Großtante Drusillas."
    "Allerdings mangelt es ihr an der entsprechenden Vortragsqualität, weder Marius noch Calvaster waren erotisiert, Marius hat eher mit dem Lachen nicht mehr aufhören können." Grinsend schlägt Jocasta die Hand vor den Mund, um ihr albernes Kichern dahinter zu verbergen.
    "Och, aber bei Hungi...garicus fällt ihr das sicher nicht schwer."
    "Fabu!" Fast hat Lucillas Gesichtsfarbe die ihres Kleides erreicht. "Sie hat bei Senator Hirtuleius ein bisschen zuviel Wein abbekommen." lächelt Lucilla ein bemüht beiläufig zu Hungi und weicht seinem Blick aus.
    "Was wir überhaupt an diesem Abend noch gar nicht hatten, das ist der Kuss."
    "Aber es muss schon ein richtiger sein! Mit Zunge!"
    "Es ist deine Wahl, Senator, auch, was du uns für Lucillas Bezahlung geben magst. Doch bedenke deine Wahl gut, keine fünf Tage und die Gelegenheiten sind für immer verstrichen."
    "Oh ja, der Senator Avarus soll ja eh so ein ganz eifersüchtiger sein. Den Gladiator hätte er fast umgebracht."
    "Quatsch, das war doch ihr Bruder, der Stier!"
    "Ach, deswegen das mit den Hörnern. Und ich hab das nie verstanden ..."
    "Nun seid doch mal still und lasst den Senator Vinicius wählen."


    Lucilla, sonst um kein Wort und kaum eine Tat verlegen, würde sich am liebsten in Luft auslösen. Hoffentlich ist Livia immer noch weit weg auf dem Land.

    An:
    Miles Lucius Decimus Subrius,
    Cohortes Urbanae, Rom




    Decima Lucilla und Medicus Germanicus Avarus



    heiraten



    Du, Lucius Decimus Subrius, bist dazu herzlich eingeladen. Die Zeremonie beginnt am ANTE DIEM VII KAL NOV DCCCLVII A.U.C. (26.10.2007/104 n.Chr.) in der Casa Decima.



    Dein Erscheinen würde uns ehren und wir würden uns besonders freuen, Dich bei unserem Fest begrüßen zu dürfen. Dir ist es natürlich erlaubt eine Begleitperson mitzubringen.




    Lucilla et Avarus


    Wie ein schwarm junger Entlein folgen die jungen (und nicht mehr ganz so jungen) Frauen dem Ianitor in das Atrium. Natürlich hören sie dabei nicht auf zu kichern und giggeln. Lucilla kann es noch immer nicht fassen, was um sie herum passiert. Natürlich hat auch sie schon reichlich Wein intus, aber Hungi... Vinicius Hungaricus ist ein Senator und zwar nicht irgend einer, so wie Hirtuleius bei dem sie vorher waren und der dazu ein guter Bekannter von Großtante Drusilla und damit allerlei Kokolores gewöhnt ist. Außerdem befürchtet Lucilla hier das Schlimmste und noch mehr befürchtet sie, dass ihre Freundinnen genau wissen, dass sie das befürchtet.


    Kichernd stehen die Damen herum und begaffen die Einrichtung, bis Peducaeana auf einmal einen quiekenden Laut ausstößt. "Bona Dea, Luci! Hast du nicht gesagt, der Vinicius wäre verheiratet?"
    "Ja, wieso? Mit Tiberia Livia, ich bitte dich, das weißt du doch!" Skandalös, so etwas nicht zu wissen, aber Peducaeana hat manchmal einfach ein Spatzenhirn.
    "Und wohnt sie hier? Schaut euch das Mosaik hier an." Sie kichert albern. "Soetwas würde doch keine Frau in ihrer Wohnung dulden! Ich sag euch, bei Scamander habe ich ersteinmal die ganze Casa von Grundauf erneuern lassen. Oh, Lucilein, das wird dir auch noch bevor stehen! Ich kenne da einen guten Mosaikleger, wenn du einen brauchst, zwar in Ostia, aber besseren Geschmack hat keiner!"
    "Du meinst doch nicht etwa Paripes?" wirft Epaphrodita leicht erschüttert ein. "Wäh, der Mensch ist so ein Widerling, von dem würde ich nichtmal meine Latrine pflastern lassen. Nein, nein, wenn Mosaike, dann nur von Villerocus und Bocus aus Gallia."
    "Papperlappap, diese billige Importware! Man könnte meinen, du musst sparen, Phrodi!"
    "Also ich weiß nicht was ihr habt, ich finde es nett. Es hat so etwas ... von Heimat an sich."
    "Ach, Lucilla, du altes Landei. Getreidefelder, Wälder und Weinanbau, sowas kann man sich in irgendein Hinterzimmer legen lassen, vielleicht noch in den Oecus, aber doch nicht in ein römisches Atrium! Ist der Vinicius etwa auch aus der Provinz? Ich dachte immer, das wäre ein Stadtrömer?"
    "Irgendwo aus dem Norden, glaub ich." Irgendwann wusste Lucilla das mal, aber mit dem Wein ist ihr Denkvermögen auch nicht mehr das beste.
    "Kein Wunder, dass du ihn so toll findest." Funisulanas Ausspruch folgt weiteres Gekicher.
    "Funi! Psst!" weist Lucilla ihre Freundin zurecht. Immerhin kann Hungi jeden Augenblick im Atrium stehen.

    Kichernd und giggelnd steht ein kleiner Schwarm junger (und nicht mehr ganz so junger) Frauen vor dem Haus Vinicius. Jede von ihnen trägt ein rotes Kleid und einen Blumenkranz mit bunten Blüten auf dem Kopf. Hinter ihnen stehen stoisch ein paar Sklaven. Diese Sklaven haben in ihrem Leben bei diesen jungen (und nicht mehr ganz so jungen) Frauen schon zu viel gesehen und erlebt, als dass sie noch irgendwas wundern oder aus der Ruhe bringen könnte.


    "Vinicius Hungaricus!" ruft Lucilla, eine der jungen (und nicht mehr ganz so jungen) Frauen eben empört aus, nicht sicher, ob sie froh oder entsetzt sein soll. "Oh! Das werdet ihr mir büßen!"
    "Das geht nicht, Lucilein, du bist die letzte," kichert Fabulla albern. Sie verträgt von den jungen (und nicht mehr ganz so jungen) Frauen am wenigsten Wein und die Becher bei Senator Hirtuleius zuvor waren schon ziemlich groß gewesen. Immerhin war der Preis dafür auch ziemlich hoch gewesen.


    "Ich hasse euch!" schmollt Lucilla, die wie ein Sklave ein Holzschild um den Hals trägt, auf dem die Kürzel 'M.G.A.' eingraviert sind. "Wenn ich das gewusst hätte, niemals hätte ich dieser Hochzeit zugestimmt!"
    "Ach was, wer hat denn immer von dieser berauschenden Nacht erzählt," kichert nun auch Jocasta und macht ein anzügliches Gesicht dabei. "Außerdem schuldest du uns diesen Anblick aus der Nähe schon viel zu lange! Das ist die Gelegenheit für uns, meine liebe Lucilla."


    Noch ehe Lucilla protestieren kann, tritt Peducaeana forsch zur Tür und klopft an. Sie wartet nicht lange als die Tür sich öffnet und plappert direkt auf den Ianitor ein. "Salve, guter Mann. Wir sind der Junggesellinnenabschied der Decima Lucilla. Richte doch deinem Herrn, Vinicius Hungaricus aus, dass die Dame Decima Lucilla samt Gefolge da ist um ihre Jungfräulichkeit zu verabschieden."
    "Peducaeana!" zischt Lucilla empört aus dem Hintergrund, doch die jungen (und nicht mehr ganz so jungen) Frauen um sie herum kichern nur wieder albern und die angesprochene schaut abwartend zum Ianitor.

    Zum Glück fragt Corvinus nicht nach, welche Geschichten Lucilla schon alles erlebt hat. Denn nichts könnte Lucilla dann noch davon abhalten, von den Geschichten zu erzählen, die sie schon erlebt hat. Zugegeben, so viele sind es eigentlich nicht und so toll sind sie auch nicht, aber das heißt ja nicht, dass man nicht den ganzen Tag drüber erzählen könnte, ohne Punkt und Komma, einen Satz nach dem nächsten. Auf der anderen Seite entgehen dem Magistrat tatsächlich ein paar Kuriositäten, vom heimlichen Kuss mit Spartakuss - dem größten, schönsten, tollsten und unglaublichsten Gladiator aller Zeiten, über die aufregendste Nacht die je eine Frau in Rom mit dem größten, schönsten, tollsten und unglaublichsten Senator aller Zeiten verbracht hat, bis hin zur Piratenkreuzfahrt auf dem Mare Internum mit dem widerwärtigsten, abscheulichsten, schrecklichsten und scheußlichsten Piraten aller Zeiten (der aber trotzdem ziemlich gut aussieht, was Lucilla natürlich niemals zugeben würde).


    Aber Corvinus Frage wiegelt sowieso alle kuriosen Schwärmereien ab. "Ja, natürlich ist Avarus Senator. Aber es gibt ja solche und solche und ich kann dir beim Furunkel meiner Großtante Drusilla versichern, dass er auf keinen Fall für dieses Gesetz gestimmt hat. Das wäre ja noch schöner." Fast ist sie ein bisschen beleidigt. Corvinus scheint sich nicht im Senat auszukennen, immerhin ist Avarus manchmal sogar als Geizhals und Raffzahn verschrien, da würde er sich mit so einem Gesetz bestimmt nicht selbst das Wasser abgraben. "Er hängt an seiner Architektur wie ich an meinem Marmor." Genau genommen hängt damit auch Avarus an Lucillas Marmor. "In Africa haben wir auch einen Marmorbruch besichtigt, hach, ich wünschte, ich könnte meine Anteile dort ausbauen, aber wozu, wenn ich doch alles verkaufen muss." Lucilla seufzt theatralisch. "Avarus hat dort das Postwesen besichtigt, in Africa meine ich. Solche Stationsüberwachungen sind von Zeit zu Zeit notwendig und ich reiste mit ihm, immerhin war ich selbst lange genug im Cursus Publicus und das war geschickter, als einen aktiven Praefectus Vehiculorum von seiner Arbeit abzuziehen. Hach, die Gegend ist wirklich unglaublich! Bezaubernd und erschreckend, immerhin gibt es nicht nur Oasen dort sondern auch endlose Wüste. Es ist fast noch beeindruckender als Germania, obwohl ich Germania absolut bezaubernd finde, noch nie habe ich eine Provinz gesehen, die so grün ist. In Alexandria waren wir allerdings nicht, obwohl Avarus vom Imperator die Erlaubnis dazu erhalten hatte. Aber uns fehlte schlichtweg die Zeit, man kann so eine lange Reise einfach schlecht planen, vor allem nicht die kleinen Zwistigkeiten, die in manchen Dörfern und Städten dort herrschen."


    Schon wieder ins Plaudern verfallen wird Lucilla zum Glück unterbrochen, als die Tür sich öffnet und ihnen Einlass gewährt wird. Ein wohliger Schauer überkommt Lucilla, das ist ja sowas von aufregend! Live und in Farbe ist sie dabei wenn ein Magistrat der Stadt Rom seinem Amt nachgeht und möglicherweise einen unfassbaren Fall von Erbschaftshinterziehung aufdeckt! Jocasta wird schon in Ohnmacht fallen, wenn sie das nur erzählen wird! Mutig und voller Elan dringt Lucilla in die Casa ein. Es ist immer noch alles ein bisschen schmuddelig, so wie es Marullus hinterlassen hat.


    Lucilla setzt sich zu Corvinus, nickt und raunt ihm leise zu: "Der alte Mann hatte für eine schicke Wohnung nichts übrig, angeblich hätte er sowieso die Hälfte davon ja gar nicht mehr gesehen, hat er immer gesagt. Aber Marullus hat im Viertel alles gesehen und gehört, er hatte nur keine Lust auf den ganzen Dreck und die Arbeit in der Casa. Ihn hat es nicht gestört, aber ich wette, Crassipes wird das ganze Haus auf den Kopf stellen, sobald das Erbe durch ist, immerhin gehört ja auch ein dicker Batzen Sesterzen dazu." Woher sie das alles weiß, erwähnt Lucilla besser nicht. Aber da der Vigintivir ja sozusagen ebenfalls ein Eingeweihter ist, geht sie davon aus, dass er es auch nicht wissen will.


    Hirrius Crassipes tritt hoch erhobenen Hauptes in das Atrium. Er sticht aus der Szenerie wie purpurne Schuhe zu einem grünen Kleid - obwohl das bei ganz speziellen Anlässen durchaus der Hingucker sein kann. Er trägt eine Toga, als wäre er eben auf dem Weg aus dem Haus gewesen, in edlem blauen Stoff, darunter eine ebenso qualitativ hochwertige Tunika und eine Kette aus dicken goldenen Gliedern um den Hals - vermutlich seine Vermögensanlage. Obwohl Lucilla ihr Geld auch gerne in Schmuck anlegt, findet sie diese Art der Zurschaustellung des Vermögens bei Männern immer ein bisschen albern. Vor allem, weil ja doch immer deutlich wird, dass außer diesem Kettchen nicht viel da ist, während bei einer Frau der Schmuckbehang nur vom allgemeinen Level ihres Vermögens kündet. Vielleicht mag sie Crassipes aber auch nur nicht, weil Marullus schon so einiges über ihn erzählt hatte.

    "Salve, decemvir litibus iucandis, salve auctrix Decima. Willkommen im bescheidenen Heim meines Onkels. Ich gehe davon aus, du kommst wegen Marullus Testaments? Ich wusste gar nicht, dass die vigintiviren die Erbschaften neuerdings persönlich überbringen. Etwas zu trinken?" fragt er und klatscht in die Hände, worauf hin direkt eine Sklavin angesprungen kommt.

    "Oh ja, die Interviews kann man dazu natürlich auch zählen. Allerdings haben wir diese ja meistens, wenn jemand ganz frisch in ein Amt eingesetzt wird. Was mir vorschwebt ist eine Vorstellung der tatsächlichen Arbeit. Natürlich berichtet jeder Magistrat in der Res Gestae, was er getan hat, aber wer geht dabei schon auf die Details ein? Auf der anderen Seite, welcher normale Bürger weiß schon, was die Magistrate denn wirklich tun? Es gab auch dazu schon mal einen Ansatz, leider hatte sich das irgendwie wieder verlaufen. Aber ich finde das ist eine unheimlich spannende Angelegenheit und um so spannender wird sie, wenn ich selbst den Magistraten dabei folgen darf." Lucilla strahlt. Tatsächlich ist ihr diese Idee nicht gerade mal eben eingefallen, um das Gespräch mit Macer unverfänglich enden zu lassen, denn sie hatte wirklich den Vigintivir Corvinus in dieser Absicht bei seiner Arbeit begleitet. Allerdings ist sie noch nicht ganz sicher, ob das für die Zukunft ein passendes Konzept sein wird, da muss sie erst noch ihre vielen Notizen auswerten.


    Außerdem muss sie dann doch wieder irgendwie den Bogen zu Gracchus schlagen. "Gleichzeitig soll es aber ein umfassendes Bild des Amtes liefern, so dass auch vergangene Amtsträger zu Wort kommen sollen. Naja, ganz ausgereift ist das alles noch nicht, aber so findet meist eines zum anderen."

    Lucilla lächelt Macer strahlend an. Manche Männer wissen eben, was gut tut. "Dieses Lob werde ich gerne stellvertretend für die gesamte Redaktion annehmen und auch weiter geben." Was gar nicht so einfach werden wird, denn neben den offiziellen Namen, die im Impressum geführt werden, arbeiten ja noch eine Menge Leute ganz unerkannt an der Zeitung mit. Aber gerade so ein fast beiläufiges Lob ist für diese Mitarbeiter das wertvollste und auch Lucilla ist soetwas auf jeden fall lieber als eine Audienz beim Kaiser.
    "Daneben freut sich die Redaktion natürlich immer, wenn sie Informationen direkt aus der offiziellen Quelle erfährt." Ein herausfordernder Seitenblick streift Gracchus. "Was allerdings nicht immer nur die Acta beeinflussen kann, sondern auch durch die offiziellen Quellen getan werden muss."


    Schon winkt Lucilla wieder ab und verfällt in einen Ton, der ihr eh der liebste ist, den Plauderton. "Rechtmachen wird man es eh nie allen können, drum nehmen wir uns erst gar nicht jede Reaktion zu Herzen. Bona Dea, was ich nicht schon alles in meiner Redaktionszeit an Kritik erlebt habe, das geht von Briefen wegen einem vergessenen Punkt im Impressum bis zu erbosten Lesern, die in unser Redaktionsgebäude eindringen und am liebsten wegen angeblicher Falschinformation die gesamte Belegschaft verprügeln wollen." Lucilla kann sich da noch gut an zwei wild gewordene Valerier erinnern, allerdings nichtmal mehr, um was es dabei eigentlich gegangen ist. 8)
    "Letztlich verpufft aber jede Aufregung spätestens dann, wenn man die Leute auffordert, es selbst besser oder anders zu tun." Sie zuckt mit den Schultern. "Ohne einen nennenswerten Lohn geht dann vielen die Luft aus."


    Lucilla schaut erwartungsvoll zu Gracchus, denn eigentlich ist sie ja gar nicht zum Plaudern hier. Also eigentlich schon, aber mittlerweile ja doch nicht mehr. Dann schaut sie zu Macer. Wenn sie eine Story will, dann muss sie das wohl selbst in die Hand nehmen. "Vielen Dank für die Auskunft, Senator, auch wenn wir über Hispania doch auch nicht mehr wissen. Doch länger wollen wir dich gar nicht stören, denn Flavius Gracchus ist mir noch ein paar Antworten schuldig. Nachdem ich erst neulich mit Aurelius Corvinus über das Decemvirat sprechen konnte, überlege ich nämlich einen Artikel über die Erfahrungen der ersten Decemviren zu schreiben und da kommt mir einer der ersten in diesem Amt natürlich gerade recht."

    Lucilla kann die Aufregung gar nicht nachvollziehen. Einmal will alle Welt informiert werden, dann wieder soll alles hundertprozentig stimmen. Da würde die Acta ja kaum aus mehr als den Beförderungen bestehen.
    "Ein bisschen Verlust ist eben immer, auch in der Informationspolitik. Und vor allem im Krieg. Es ist doch immerhin besser, so ein falscher Name landet auf der Liste und der Soldat lebt am Ende doch, als umgekehrt." Lucilla ist sich nicht ganz sicher, was überhaupt umgekehrt wäre, denn Nicht-Verlust-Listen gibt es ja nicht, aber bevor sie darüber nachdenkt, hat sie den Satz natürlich schon ausgesprochen.


    "Bei allem anderen ist eh nur das Hauptgeschehen wichtig. Dass eine Schlacht stattgefunden hat und dass die römische Armee natürlich siegreich war, darum geht es doch. Da muss man man eben manchmal Abstriche machen."
    Überhaupt kann es Lucilla nicht leiden, wenn sich Leute über flasche Informationen in der Acta Diurna aufregen aber auf der anderen Seite kein Mensch sich darum kümmert, dass mal die richtige Information die Redaktion erreicht. Aber was soll es, der Flavier ist bei ihr eh schon unten durch seit sie ihn gesehen hat, was sie wieder zu ihrem eigentlichen Anliegen zurück bringt. Irgendwie müsste sie Gracchus wieder von Macer fort locken, denn hier würde er ihr kaum etwas über Quintus Tullius erzählen.

    Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer und Manius Flavius Gracchus


    Lucilla nickt eifrigt. "Oh ja, das stimmt, da war ein kleiner Artikel. Aber um ganz ehrlich zu sein, die Information aus Hispania fließt immer nur sehr spärlich, und in Rom müssen unsere Schreiber dann sehen, was sie daraus machen. Allerdings ist das eh meist das Problem aller Provinzen." Das ist von Lucillas Standpunkt aus nicht weiter schlimm, denn die Provinzen interessieren ihrer Ansicht nach sowieso nicht. Aber da das Imperium Romanum natürlich das Imperium Romanum ist und die Provinzen wichtig sind und, und, und ... dürfen diese natürlich nicht vernachlässigt werden. Denn wenn, dann hagelt es gleich wieder Beschwerdebriefe. Wenn die Provinzler mal so viel Information wie Beschwerden schicken würden, dann gäbe es auch was zu berichten.


    Dann schaut sie ein bisschen beleidigt zu Gracchus. "Was meinst du mit falscher Information?" Natürlich ist es nicht abwegig, dass ein paar Details aus Parthia nicht gestimmt haben. Aber wenn irgendwer hier wüsste, wie genau und auf welchem Weg diese Informationen die Acta Diurna erreicht hatten, dann würde sich wohl kaum jemand wundern. Für diese Frontberichte gehen Legionäre und Freiberufler weit größere Risiken ein, als von einem Parther getötet zu werden.


    Wie Lucilla Gracchus so anschaut, überkommt sie wieder ein Schauder des Grauens. Sogar seine Mimik und Gestik passt zu Quintus Tullius und wenn Macer nicht so zwanglos mit dem ihm anscheinend tatsächlich bekannten Flavius Gracchus plaudern würde, dann wäre sie wirklich versucht, nochmal auf ihn los zu gehen.

    Lucilla hat natürlich auch nichts anderes als die Wahrheit im Sinn. Allerdings nicht, um sie zu vertuschen. Und natürlich kennt Lucilla auch Purgitius Macer, der ist schließlich nicht nur ein wichtiger Mann im Imperium Romanum, sondern gleichzeitig auch ein alter guter Freund der Familie. Nicht, dass Macer alt wäre, aber die familiäre Freundschaft ist schon sehr alt. Zwar hat er noch nicht mit Lucillas Bruder Meridius im Sandkasten gespielt - aber so ähnlich, nämlich seine Ausbildung mit ihm bei der Legio I abgeleistet und sowas verbindet anscheinend auf ewig. Lucilla muss an Faustus Brief denken, in dem er geschrieben hat, dass er tatsächlich die Männerfreundschaft in der Legion entdeckt hat. Sie hofft nur, dass seine Freundschaft nicht zu weit geht. Wie das wohl bei Meridius und seinen 'guten Freunden' gewesen ist? Während Lucilla so überlegt, was am Ende der tatsächliche Grundstein für diese merkwürdigen Männerfreundschaften bei der Legio ist, mustert sie Macer genauer. Nein, das passt irgendwie nicht. Und auch bei Hungi nicht, Bona Dea, der ist ja auch so ein guter alter Familienfreund! Nein, also Macer nicht und Hungi doch auf gar keinen Fall!


    Diesen Gedanken verworfen lächelt Lucilla erfreut. "Salve, Senator." Schon freut sie sich noch mehr, weil hier nicht nur ihre Frage beantwortet werden würde, sondern auch noch Information abzugreifen wäre. Leider hat sie sich da zu früh gefreut, denn Macer weiß gar nichts über Hispania. Ein bisschen verlegen über die eigene Informationslosigkeit klinkt sich Lucilla ins Gespräch ein. "Wie schade, wir haben derzeit leider keinen festen Korrespondenten in Hispania. Drum steht auch in der Acta nur wenig über die Provinz."


    Sie grinst. "Aber wie dir geht es wohl eh den meisten Römern in diesen Tagen, unsere Blicke sind nach Parthia gerichtet, da können wir Hispania ruhig mal vergessen. Allerdings bekommen wir vom Krieg auch nur sehr dürftige Informationen. Es wird ja alles zensiert! Geh bitte, als würden die Parther die Acta lesen. Naja, neulich haben wir immerhin sogar mal ein bisschen Information vom Augustus höchstpersönlich bekommen."
    Dass darüber, was der Kaiser geschrieben hat, schon drei Ausgaben vorher berichtet wurde, erwähnt sie nicht. Sie will ja nicht undankbar erscheinen, vor allem nicht in Zusammenhang mit dem Kaiser. Vielleicht sind auch einfach nur die kaiserlichen Equites Singulares so langsam gewesen ...

    Sollte das jetzt ein 'Ja' oder ein 'Nein' sein? Egal. Eines hat Lucilla auf jeden Fall ganz genau verstanden. "Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber eine gewisse Summe ist auf keinen Fall nötig. Motivation lässt sich nicht in Sesterzen aufwiegen, genauso wenig wie ein guter Artikel. Das letzte, was die Acta Diurna braucht ist Geld."


    Lucilla kann sich noch gut an den Moment erinnern, als sie das erste mal als Auctrix P.P.A. einen Blick auf die Reserven der Acta Diurna geworfen hatte. Sie wäre fast in Ohnmacht gefallen, trotz der Tatsache, dass Livia sie vorher eindringlich gewarnt hatte. Und sie kann sich noch gut an die Abende erinnern, in denen sie nach den letzten Redaktionssitzungen spät Abends noch mit Livia im Atrium saß und sie sich überlegt haben, was mit dem vielen Geld anzufangen sei. Eine Idee ist es gewesen, das Geld in Land zu investieren. Ein schönes Sommerhaus für die Redaktion unten bei Misenum vielleicht. Die nächste Idee war ein Schiff, ein Urlaubskutter für die Redaktion, das im Sommer vor der Küste Italias herumschippert. Eine weitere Idee war eine Armee. Es kann immerhin nicht schlecht sein, eine gut bezahlte Privatarmee in Rom zu haben, die im Notfall den Kaiser, seine Stadt und seine Zeitung schützt. Nur wofür, es greift ja doch niemand Rom an. Allerdings hätte keiner der Vorschläge auch nur annähernd das Vermögen der Zeitung aufgebraucht, es wären nur Tropfen auf dem heißen Stein.


    Der endgültige Plan war deswegen am Ende eine Vision: Terra Acta.


    Terra Acta - dies ist das Land von Misenum rüber nach Barium und hinunter bis zum Zipfel Italias - einschließlich Sizilias, weil das Livia so gut gefällt. Auf diese weitläufigen Ländereien verteilt besitzt jeder Redakteur der Acta Diurna ein Sommerhaus, eine Landvilla und ein Stadthaus in Syracusae, der heimlichen Hauptstadt Terra Actas. Die Sommerhäuser liegen natürlich am Meer und haben je einen kleinen Privathafen mit einem oder mehreren Schiffen drin. Um die Herrschaftsansprüche vor dem Augustus geltend zu machen, bekommt so nun auch endlich die Privatarmee einen Sinn. Dazu kommt ein Heer von Sklaven. Lucilla hätte lauter dunkelhäutige Africaner, denn unter Menschen, deren Haut noch viel dunkler ist als ihre kann sie sich immer wie die vornehmste, blasseste Römerin fühlen. Livia hätte lauter kultivierte Griechen um sich herum gehabt. Für Aelia hätten sie auf jeden Fall intelligente Sklaven benötigt, die Arme ist mit ihrem minderbemittelten Sklavenhaushalt ja doch gestraft. Medeia hätte einen bunten Haufen bekommen, sie scheint Lucilla immer so bunt und vielfältig.


    Leider ist das alles nur ein Traum geblieben, eine schöne Vision in der Ferne. Am Geld ist sie nicht gescheitert, doch irgendwie fehlte es den Auctrices wohl immer an der nötigen Kraft, sich endlich mal aufzuraffen. Manchmal überlegt sich Lucilla schon, ob man nicht einen Kriegswitwen und -waisen-Fonds aus dem Geld anlegen sollte, aber zum Glück kommt sie immer schnell über diese sozialen Pläne hinweg.


    "Informationen nehmen wir dagegen immer gerne, ganz besonders wenn sie hochoffiziell vom Augustus selbst kommen."