Lucilla stockt unmerklich als Corvinus ganz beiläufig bemerkt, dass der Anschlag auf den Praefectus Urbi von einem wegen der lex mercatus unzufriedenen Bürger verübt worden sein könnte. Obwohl sie ihm gleich wieder auf dem Fuß folgt, hängt ihr der Gedanke doch nach. Das scheint ihr doch ein bisschen weit her geholt, immerhin ist Gesetz Gesetz. Andererseits geht es manchmal doch um ziemlich hohe Summen und Lucilla nimmt sich vor, die Aushänge und die Summen nochmal genauer zu sichten. Innerlich freut sich Lucilla darüber, dass auch der Aurelier den Zusatz für unsinnig hält. Vielleicht sollte man doch mal den Volkstribun auf die Sache ansetzen, der könnte da vielleicht noch etwas ändern, oder noch besser, eine Petition vor dem Kaiser! Aber dieser müsste sich auch irgendwer annehmen. Lucilla allerdings nicht, sie würde niemals wieder mit irgendeiner Bitte vor den Kaiser treten, das endet nur wieder in einem Desaster.
"Überhaupt versteh ich den ganzen Sinn nicht bei diesem Gesetz. Ich meine, hallo, wie lange haben unsere Vorfahren denn für die Standesgleichheit gekämpft? Also meine nicht. Äh ... und deine wohl auch nicht ... aber ... also eben unsere im Geiste imperialen Vorfahren. Bürgerkriege! Chaos! Mord und Totschlag! Und wofür?" Lucilla redet sich schon wieder in Rage, merkt es aber zum Glück noch. Sie winkt ab. "Senatoren." Sie rollt mit den Augen und zuckt mit den Schultern, so als würde dieses Wort schon alles sagen. Und das tut es ja auch.
Außerdem gibt es ja noch wichtigeres auf der Welt. Hochzeiten zum Beispiel und andere Festlichkeiten. "Oh ja, ungewöhnlich war die Hochzeit von Medeia und Plautius auf jeden Fall. Alles in einem Legionslager ist ja ungewöhnlich, schon allein die vielen Männer in Unifo... ähm ... also die Legionsbläser zum Beispiel haben zum Ja-Wort ihre Instrumente geblasen, die Hälfte der Gäste hat fast einen Herzinfarkt bekommen." Lucilla kichert leise vor sich hin. "Der Brautzug hielt sich natürlich auch in Grenzen und ich würde behaupten, Soldaten wissen wie man ein Fest ansprechend ausklingen lässt. Obwohl ich auch in Rom schon Hochzeiten erlebt habe, bei meiner Freundin zum Beispiel lag deren Vater irgendwann im Impluvium und hat Seemannslieder gesungen - er war früher bei der Classis stationiert - und sie hat mir später erzählt, dass ihr Ehemann ganz schön Schwierigkeiten hatte, sich während dessen im ehelichen Cubiculum auf seine Pflicht zu besinnen." Wieder kichert Lucilla, manchmal ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn der Brautvater nicht mehr kommt. Zwar würde ihr Bruder Meridius bei ihrer Hochzeit schon alle Vaterpflichten im Ritus übernehmen, aber Lucilla kann sich nur schwer vorstellen, wie er im Impluvium planscht.
Über ihre Intelligenz muss sich Lucilla zum Glück keine Gedanken machen. Nicht, dass sie übermäßig viel davon hätte, aber iberische Frauen brauchen sich darüber einfach keine Gedanken zu machen. Iberer sind für gewöhnlich ein stolzes Völkchen, auch dann noch, wenn sie Römer sind, und das schließt auch ihre Frauen ein. Sie prahlen gern offen mit allem, was sie haben und dazu gehört doch meist auch ein bisschen Intelligenz, während römische Frauen wohl von Anfang auf darauf getrimmt werden, diese zu verbergen. Deswegen macht sich Lucilla auch keine Gedanken darüber, ob das, was sie sagt intelligent klingt. Na gut, um ehrlich zu sein macht sich Lucilla überhaupt nie Gedanken darüber was sie sagt. Zumindest nicht bevor sie es sagt, höchstens manchmal hinterher.
So geschieht es auch beim nächsten Stichwort. "Africa? Oh ja, Africa ist ein wundervolles Land! Vor allem Mauretania, es ist ein wahres Paradies. Man glaubt ja immer, dort wäre alles Wüste, aber der Küstenstreifen ist so bunt wie kaum ein Landstück. Es ist fast so prächtig wie ein stadtrömischer Park, dort wachsen Blumen mit riesigen Blütenkelchen und Blättern so groß wie Köpfe, an jedem Baum hängen exotische Früchte, die Städte sind aus Marmor gebaut und alles scheint dort im Überfluss vorhanden. Wirklich, es ist einfach herrlich dort!"
Ein bisschen enttäuscht schaut Lucilla an den dürren Blätterranken hinauf, die sich um Hausnummer 537b winden. Sie wiegt überlegend den Kopf hin und her, so als würde es ihr schwer fallen, eine Entscheidung zu treffen. "Also eigentlich habe ich heute noch viel zu tun." Genau genommen gar nichts, worauf sie keine Lust hat. "Aber vielleicht könnte ich ja tatsächlich als Auctrix mitkommen. Wer weiß, also wenn Crassipes vielleicht wirklich nachgeholfen oder das Testament gefälscht hat ... Nicht auszudenken, was für eine Geschichte mir da entgehen würde, nicht war? Außerdem wollten wir eh schon immer mal eine Artikelserie über die Arbeit der Magistrate bringen, da wäre das ein guter Anfang. Ich komme mit!" Einmal gefällt wird nichts Lucilla von der Entscheidung abbringen. Nichtmal Corvinus griesgrämiger Schreiber könnte das noch ändern. Was für ein aufregendes Abenteuer in Lucillas ansonsten so langweiligem Alltag!