Beiträge von Decima Lucilla

    Lucilla stockt unmerklich als Corvinus ganz beiläufig bemerkt, dass der Anschlag auf den Praefectus Urbi von einem wegen der lex mercatus unzufriedenen Bürger verübt worden sein könnte. Obwohl sie ihm gleich wieder auf dem Fuß folgt, hängt ihr der Gedanke doch nach. Das scheint ihr doch ein bisschen weit her geholt, immerhin ist Gesetz Gesetz. Andererseits geht es manchmal doch um ziemlich hohe Summen und Lucilla nimmt sich vor, die Aushänge und die Summen nochmal genauer zu sichten. Innerlich freut sich Lucilla darüber, dass auch der Aurelier den Zusatz für unsinnig hält. Vielleicht sollte man doch mal den Volkstribun auf die Sache ansetzen, der könnte da vielleicht noch etwas ändern, oder noch besser, eine Petition vor dem Kaiser! Aber dieser müsste sich auch irgendwer annehmen. Lucilla allerdings nicht, sie würde niemals wieder mit irgendeiner Bitte vor den Kaiser treten, das endet nur wieder in einem Desaster.
    "Überhaupt versteh ich den ganzen Sinn nicht bei diesem Gesetz. Ich meine, hallo, wie lange haben unsere Vorfahren denn für die Standesgleichheit gekämpft? Also meine nicht. Äh ... und deine wohl auch nicht ... aber ... also eben unsere im Geiste imperialen Vorfahren. Bürgerkriege! Chaos! Mord und Totschlag! Und wofür?" Lucilla redet sich schon wieder in Rage, merkt es aber zum Glück noch. Sie winkt ab. "Senatoren." Sie rollt mit den Augen und zuckt mit den Schultern, so als würde dieses Wort schon alles sagen. Und das tut es ja auch. :D


    Außerdem gibt es ja noch wichtigeres auf der Welt. Hochzeiten zum Beispiel und andere Festlichkeiten. "Oh ja, ungewöhnlich war die Hochzeit von Medeia und Plautius auf jeden Fall. Alles in einem Legionslager ist ja ungewöhnlich, schon allein die vielen Männer in Unifo... ähm ... also die Legionsbläser zum Beispiel haben zum Ja-Wort ihre Instrumente geblasen, die Hälfte der Gäste hat fast einen Herzinfarkt bekommen." Lucilla kichert leise vor sich hin. "Der Brautzug hielt sich natürlich auch in Grenzen und ich würde behaupten, Soldaten wissen wie man ein Fest ansprechend ausklingen lässt. Obwohl ich auch in Rom schon Hochzeiten erlebt habe, bei meiner Freundin zum Beispiel lag deren Vater irgendwann im Impluvium und hat Seemannslieder gesungen - er war früher bei der Classis stationiert - und sie hat mir später erzählt, dass ihr Ehemann ganz schön Schwierigkeiten hatte, sich während dessen im ehelichen Cubiculum auf seine Pflicht zu besinnen." Wieder kichert Lucilla, manchmal ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn der Brautvater nicht mehr kommt. Zwar würde ihr Bruder Meridius bei ihrer Hochzeit schon alle Vaterpflichten im Ritus übernehmen, aber Lucilla kann sich nur schwer vorstellen, wie er im Impluvium planscht.


    Über ihre Intelligenz muss sich Lucilla zum Glück keine Gedanken machen. Nicht, dass sie übermäßig viel davon hätte, aber iberische Frauen brauchen sich darüber einfach keine Gedanken zu machen. Iberer sind für gewöhnlich ein stolzes Völkchen, auch dann noch, wenn sie Römer sind, und das schließt auch ihre Frauen ein. Sie prahlen gern offen mit allem, was sie haben und dazu gehört doch meist auch ein bisschen Intelligenz, während römische Frauen wohl von Anfang auf darauf getrimmt werden, diese zu verbergen. Deswegen macht sich Lucilla auch keine Gedanken darüber, ob das, was sie sagt intelligent klingt. Na gut, um ehrlich zu sein macht sich Lucilla überhaupt nie Gedanken darüber was sie sagt. Zumindest nicht bevor sie es sagt, höchstens manchmal hinterher.


    So geschieht es auch beim nächsten Stichwort. "Africa? Oh ja, Africa ist ein wundervolles Land! Vor allem Mauretania, es ist ein wahres Paradies. Man glaubt ja immer, dort wäre alles Wüste, aber der Küstenstreifen ist so bunt wie kaum ein Landstück. Es ist fast so prächtig wie ein stadtrömischer Park, dort wachsen Blumen mit riesigen Blütenkelchen und Blättern so groß wie Köpfe, an jedem Baum hängen exotische Früchte, die Städte sind aus Marmor gebaut und alles scheint dort im Überfluss vorhanden. Wirklich, es ist einfach herrlich dort!"


    Ein bisschen enttäuscht schaut Lucilla an den dürren Blätterranken hinauf, die sich um Hausnummer 537b winden. Sie wiegt überlegend den Kopf hin und her, so als würde es ihr schwer fallen, eine Entscheidung zu treffen. "Also eigentlich habe ich heute noch viel zu tun." Genau genommen gar nichts, worauf sie keine Lust hat. "Aber vielleicht könnte ich ja tatsächlich als Auctrix mitkommen. Wer weiß, also wenn Crassipes vielleicht wirklich nachgeholfen oder das Testament gefälscht hat ... Nicht auszudenken, was für eine Geschichte mir da entgehen würde, nicht war? Außerdem wollten wir eh schon immer mal eine Artikelserie über die Arbeit der Magistrate bringen, da wäre das ein guter Anfang. Ich komme mit!" Einmal gefällt wird nichts Lucilla von der Entscheidung abbringen. Nichtmal Corvinus griesgrämiger Schreiber könnte das noch ändern. Was für ein aufregendes Abenteuer in Lucillas ansonsten so langweiligem Alltag! :]

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus
    "Würde das Wort eines Senators dir zur Zufriedenheit gereichen? So du deinen Namen mir nennen magst, werde ich eine passende Erläuterung für jenen finden, da ungern ich der wahren Intention der Bestätigung meiner Person würde Ausdruck verleihen, und da du Quintus Tullius zu kennen schienst, wirst du sicherlich verstehen, dass unser gemeinsamer Ursprung mir nicht unbedingt zur Ehre gereicht."


    Lucilla überlegt einen Moment. Nicht weil sie lange ihre Antwort überlegen müsste, schließlich weiß sie wie sie heißt und Gracchus Frage ist auch schnell beantwortet. Zumindest nachdem der Sinn seiner Worte zu ihr gedrungen ist. Denn vorher muss sie erstmal den Knoten aus ihrem Hirn zwirbeln.
    "Mein Name ist Decima Lucilla." Sollte sie noch die ganzen Titel mit anfügen? Auctrix, Verlobte, Schwester, Cousine, etc.? Nein, ist eh egal, und am Ende würde es seine bereitwillige Informationspreisgabe noch behindern. Schließlich gibt es sogar Männer, die der Name ihres Bruders schon von einem Gespräch mit ihr abhält.


    "Und ja, das Wort eines Senators würde mir vorerst genügen bis ich die Details dieser Geschichte kenne." Es fällt ihr nicht auf, wie sie das Wort Details betont.

    Noch bevor Lucilla etwas erwidern kann, zieht Ambrosius sie an der Hand. Sie dreht sich zu ihm und schaut ihn ein bisschen verwirrt an. Natürlich hier, mitten in der Öffentlichkeit. Denn hier steht er, mitten in der Öffentlichkeit! Quintus Tullius, der elende Pirat, mitten in Rom, in ihrer Stadt! "Die Auctrix der Acta sorgt selber dafür, was Gesprächsstoff wird und was nicht," zischt Lucilla ihrem Sklaven zu. "Siehst du denn nicht ... du warst doch selbst dabei, Ambrosius!" Hegt er am Ende etwa Sympathien für ihn? Immerhin hatte ihr Brosi sich auf die Seite der Piraten gestellt, obwohl Lucilla diesen Gedanken gerne verdrängt. Irgendwie hatte er wohl zwischen den Stühlen gehangen, aber wäre es Ambrosius vielleicht viel lieber gewesen, wenn Lucilla auf den Grund des Meeres gesunken und er am Ende mit Tullius auf einer Pirateninsel zwischen Schätzen und Reichtümern gelandet wäre?
    Doch natürlich hat Ambrosius Recht, hier auf dem Capitol ist trotz allem kein guter Ort für soetwas. Auf alle Fälle hat ihr Sklave ihr ein bisschen den Wind aus den Segeln genommen und ihr hispanisches Blut abgekühlt.


    Lucilla dreht sich wieder um und schaut den Mann vor sich aus zusammengekniffenen Augen an. Wenn das ein Witz sein soll, dann ist es ein schlechter Scherz. Und wenn es ein Trick von Quintus Tullius sein soll, dann ist er ziemlich dämlich. Was nicht für Quintus Tullius spricht. Natürlich hat Lucilla schon von Flavius Gracchus gehört. Er ist der Decemvir litibus iucandis gewesen, der die Acta Diurna mit endlosen Bekanntmachungen über Erbfälle überschwemmt hatte. Lucilla kann sich noch sehr gut an den Tag erinnern, an dem die Meldung im Domus der Acta angekommen ist. Die ganze Redaktion war im Atrium zusammen gesessen und hatte die Listen längst vergessener Todesfälle durchforstet und jedesmal wenn einer einen Namen aus der Redaktion gefunden hatte, dann sind alle in einen wahren Freudentaumel ausgebrochen als hätte derjenige den Saturnalienkeks gezogen. Die Summe manchen Erbes ist allerdings auch noch weit besser gewesen. Außerdem hat Lucilla noch ein bisschen so dies und das von Manius Flavius Gracchus gehört. Lucilla kennt fast alle Namen der Politiker der letzten Amtszeiten. Das bringt nicht nur die Arbeit in der Acta Diurna in sich. Es ist wichtig für eine Frau, die die wichtigen Leute kennen will, zu wissen, wer überhaupt die wichtigen Leute sind. Bei Flavius Gracchus ist sie sich noch nicht so sicher, ob er wichtig ist oder werden könnte. Wenn sich ein Kandidat nach seiner eigenen Amtszeit drei Amtzeiten lang vergeblich um ein weiters Amt im Cursus Honorum bemüht hat, dann fällt er normalerweise aus Lucillas Gedächtnis als unwichtig heraus. Immerhin bleibt dem Flavier da noch eine Amtszeit und noch sind die Kandidaturen ja nicht raus.


    Lucilla mustert ihr Gegenüber von oben bis unten und nochmal bis oben. Sie könnte sich nicht erinnern, dass sie ihn schon einmal gesehen hat - abgesehen natürlich von auf einem Piratenschiff mitten auf dem Mare Internum. Allerdings ist es auch nicht unbedingt ungewöhnlich, dass sie Flavius Gracchus noch nicht gesehen hätte, schließlich gehört er auf keinen Fall zu den wirklich wichtigen Personen in Rom. Trotzdem, Manius Flavius Gracchus hat sie sich irgendwie anders vorgestellt. Ein bisschen rundlicher irgendwie, mehr wie Senator Flavius Felix. Mit schütterem Haar, mehr wie Senator Flavius Furianus. Und irgendwie knuffiger, mehr wie Flavius Aristides. Und außerdem ... ja, außerdem ... wie überhaupt? Vielleicht doch so, wie der Mann vor ihr, so wie Quintus Tullius? Lucilla muss sich eingestehen, dass sie bisher zu wenig Flavier kennen gelernt hat, um sie alle in eine einzige Schublade einsortieren zu können.


    Trotzdem erscheint ihr die Geschichte völlig hahnebüchern. Quintus Tullius der Bruder von Manius Flavius Gracchus? Ein Pirat der Bruder eines patrizischen Amtsträger des Cursus Honorum? Tullius hatte ihr erzählt, dass er früher in Rom gelebt hatte, aber was wäre das denn für eine wahnwitzige Geschichte, wenn er ein Flavier gewesen wäre? Auf einmal beginnen Lucillas Augen zu leuchten. Der Mann vor ihr sieht nicht unbedingt aus als würde er Lügen. Und wenn er nicht Quintus Tullius ist, dann sieht er mehr als deutlich wie dessen Bruder aus. Ambrosius weiß ja gar nicht, wie Recht er überhaupt hat. Die Auctrix der Acta sorgt selber für Gesprächsstoff, denn was würde das für ein grandioser Artikel für werden: 'Pirat aus patrizischem Haushalt - sind die alten Geschlechter schon derart verarmt, dass sie das eigene Volk berauben?'. Es würde ein Seite 1 - Artikel werden, passend zum Wahlkampf.


    Auf der anderen Seite traut Lucilla Quintus Tullius so einiges zu. Und sie wird bestimmt nicht mit ihm direkt an einen ruhigeren Ort gehen, wo er sie aus dem Stand heraus umbringen würde! Herausfordernd blickt sie zu Gracchus auf. "Und kannst du beweisen, dass du Flavius Gracchus bist? Behaupten kann das immerhin jeder und sich einen Halbmond an die Schuhe binden auch. Ich will ja nicht an dir zweifeln, wenn du tatsächlich der Flavier bist, und dann entschuldige ich mich auch für die Ohrfeige, aber wenn Quintus Tullius dein Bruder ist, dann solltest du ja wissen, wozu er fähig ist und dass man ihm besser nicht einfach so folgt."

    Lucilla platzt fast der nicht vorhandene Kragen. Er ist nicht nur unverschämt und dreist, jetzt wird er auch noch frech! Ihr Gesicht heizt sich langsam auf und die gebräunten Wangen werden von einem satten Rotton überlagert, der jeden Sonnenuntergang mit seiner Intensivität neidisch machen würde.


    "Du weißt ganz genau, welche Schuld du trägst, Quintus Tullius!" grollt sie tief aus ihrer Kehle. Jede römischen Damenhaftigkeit, mit der sie sonst immer versucht sich zu umgeben ist dahin, Lucillas hispanisches Temperament treibt ihr fast den Dampf zu den Ohren raus, obwohl sie noch nicht laut schreit. "Glaub ja nicht, dass ich dich und diesen dämlichen Fluch vergessen habe, für den du ganz allein die Verantwortung trägst! Du kannst hier noch so viel herumspazieren und einen ehrbaren Römer spielen, aber vor mir kannst du die Bösartigkeit in deinen Augen nicht verbergen, du elender Pirat! Und wenn ich hier schreie, dann wird es genügend Männer geben, die dich in den Kerker stecken wo du hingehörst, ganz egal wie schick du dich hergerichtet hast!"


    Lucilla muss schon zugeben, dass Tullius als Römer einiges her macht. In der Toga sieht er genau genommen ziemlich fesch aus. Aber Pirat bleibt Pirat und die Erinnerungen an die furchtbaren Ereignisse, für die er verantwortlich ist, hängt ihr viel zu tief im Geist. Mal ganz von den vielen Menschen abgesehen, die er auf seinem Gewissen hat.

    Gespannt wartet Lucilla auf Callidus Erklärung und schluckt hart, als er ankündigt auf Wunsch des Augustus gekommen zu sein. Der Kaiser lässt Grüße an Rom ausrichten - ah ja. Glanzvoller Sieg? Das hört sich schon besser an.


    Lucilla nimmt das Papyrus und überfliegt es. "Ein Bericht? Natürlich," murmelt sie fast abwesend. Wenn der Kaiser wüsste, dass die Berichterstattung der Acta Diurna schon längst weiter ist. Pah, wenn die Redaktion immer auf den Brief des Kaisers oder auch nur offizielle Information warten würde, dann wäre Rom ja völlig unterinformiert. Aber natürlich muss ein Kaiserwort in der Acta Diurna erscheinen.


    "Natürlich, ein Bericht. Aber wie könnte sich ein unbedeutender Schreiber erdreisten, die ruhmreichen Worte des göttlichen Caesar Augustus Iulianus in einen eigenen Artikel seiner glanzlosen Worte zu verwandeln? Nein, nein, undenkbar!" Sie hebt abwehrend die Hände. "Ein Sonderartikel, ich sehe es schon vor mir. Noch vor allem anderen die Worte des Kaisers an sein Volk. Ein paar einleitende Sätze und dann die Worte des Imperators, unverändert und in ihrem vollen Glanz."

    Lucilla blickt sich mit einem fröhlichen Lächeln auf dem Gesicht um. Der zeremonielle Teil ist abgeschlossen, die Feier kann beginnen. Sie will gerade Ambrosius zu seinem Glück gratulieren, weil sie nämlich durch den guten Opferausgang in Spendierlaune ist, da bleibt ihr Blick entsetzt an einem Mann hängen, der sich durch die Menge schiebt. Lucillas Mund öffnet sich erstaunt und bleibt so stehen, auch ihre Augen weiten sich. Sie sieht beinahe aus als hätte sie eine Kuh verschluckt. Keine drei Schritt ist er an ihr vorbei gegangen ohne sie zu bemerken! Es dauert nur Sekunden bis Lucilla ihren Mund zuklappt und Ambrosius energisch an der Schulter mit sich zieht.


    Es ist einfach unglaublich! Er erdreistet sich dazu mitten in der Öffentlichkeit, mitten in Rom herum zu stolzieren! Aber diese Stadt ist ihr Gewässer und sie würde sie bis zum Letzten verteidigen, Fluch hin oder her! Er soll nur wagen, sich mit ihr zu messen, sie würde persönlich den mundus auf dem Palatin öffnen und ihm die ganze Unterwelt auf den Hals hetzen! Oder eben einfach die Stadtwache, auch wenn das lange nicht so spektakulär ist.


    Lucilla schlägt eilig einen Haken und schneidet Flavius Gracchus den Weg ab. Mühelos schiebt sie einen Sklaven vor ihm fort, durch ihre aufbrausende Wut mit der energischen Kraft der Furien ausgestattet. Sie postiert sich drohend vor ihm.
    "Das ist für deine Unverschämtheit!" schmettert sie ihm entgegen und verpasst Gracchus eine schallende Ohrfeige. Um sich für den Kuss zu revanchieren hat seine Anwesenheit in Rom doch etwas Gutes, denn die verpasste Gelegenheit zur Ohrfeige hängt Lucilla schon zu lange nach. Sie stemmt die Hände in die Seiten und stellt sich ein bisschen auf die Zehenspitzen um seiner Größe - oder eher ihrer mangelnden Größe - ein bisschen entgegen zu wirken. Ihre Stimme ist fast nur noch ein Knurren.
    "Und jetzt sag mir einen guten Grund, warum ich nicht die gesamte Cohortes Urbanae zusammen schreien sollte, damit sie dich ins tiefste Verlies dieser Stadt werfen?" Sie funkelt ihn böse an.

    Weg ist er. Lucilla schaut ihm hinterher und schüttelt lächelnd den Kopf. Ihr Bruder tut gerade so, als wäre der Weg von der Casa Decima zur Casa Germanica eine halbe Weltreise. Dabei ist es geradezu ein Katzensprung, zumindest näher dran als irgendein Landgut irgendwo in Italia oder etwa das ferne, ferne Parthia. Sie wird Merdius dann wohl auch ab und zu einen Brief schreiben müssen. Kichernd über diesen Gedanken nimmt sie wieder das Schreibzeug auf, um den Brief an Faustus zu beenden.

    "Oh ja, das auf jeden Fall. Ein wunderbar wunderbares Fest." Avarus Vorsatz den Text formulieren zu lassen, quittiert sie ebenfalls mit einem "Wunderbar," und setzt dann noch hinzu: "Aber vergiss nicht, die Einladungen nach Germania und Aegyptus rechtzeitig abzusenden."


    Sie hält kurz inne und überlegt. Das ist wohl alles, was besprochen werden muss. Wahrscheinlich würde ihr erst beim Betreten der Casa Decima noch einfallen, dass sie die Hälfte vergessen hat. Aber dann würde sie eben einfach wieder kommen. :]


    "Ich fürchte, ich muss dich dann auch schon wieder verlassen. Ich muss noch ein paar Kleinigkeiten für meinen Neffen kaufen. Du weißt ja, wie enthaltsam die armen Legionäre im Krieg leben, da ist so ein kleiner Junge schon auf die Päckchen seiner Tante angewiesen." Sie stumpt Avarus kichernd mit dem Zeigefinger vor die Brust. "Außerdem fördert es deine Cursus Publicus-Zahlen und lässt dich beim Kaiser gut dastehen."

    Trotz ihrer kleinen Größe hatte Lucilla noch nie Schwierigkeiten gehabt, irgendwo irgendwas zu sehen. Ihre energische Persönlichkeit sorgt schon dafür, dass große Männer vor ihr weichen - gut, meist sind es die spitzen Worte, die sie in ihrem Rücken verliert, beispielsweise über die Unverschämtheit der römischen Größe, die nicht einmal vor den Damen des Reiches Platz macht - und dass große Frauen sich lieber einen anderen Platz suchen - auch hier wirkt ein bedacht gewähltes Wort über peinliche Farbkombinationen, gewagte Frisurmoden oder die Unmöglichkeit von alten Sandalen Wunder. Lucilla steht deswegen auch an diesem Tag ziemlich weit vorne, Sklaven hat sie natürlich auch dabei, aber wer kann schon erwarten, dass ein Sklave wie Brosi ihr den Weg frei kämpft? Nein, nein, das wäre reine Verschwendung, am Ende bekäme er noch blaue Flecken oder bricht sich einen Fingernagel ab!


    Der Flamen Dialis vorne am Opferaltar sieht gar nicht gut aus. Das fällt Lucilla natürlich als erstes auf, denn viel mehr als ein Auge für das Gelingen eines Opfers hat sie natürlich ein Auge für äußere Erscheinung. Dann aber steigt doch der Rauch auf und lässt sowieso alle Flamines hinter seinen Dunst verwischen. So weit, so gut.
    "Hoffentlich geht das gut," flüstert sie zu Ambrosius. "Man stelle sich vor, das Opfer an Fides misslingt während der Kaiser in Parthia ist. Du meine Güte, das gäbe einen Volksaufstand! Da müssten wir glatt eine Sonderausgabe ..." Sie stockt nachdenklich. "Mhm ... nein, das wäre kein guter Tausch." Schweigend - zumindest für den Moment - wendet sich Lucilla wieder dem Opfer zu.

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    Original von Marcus Aelius Callidus
    Aelius Callidus erreichte das Gebäude, in dem die Schreiber der Acta Diurna ansässig waren. Begleitet von einem officialis seines officium ließ er sich anmelden und wartete.


    Lange warten muss Callidus natürlich nicht. Ion, der Sklave, der eigentlich Scriba und nicht Türöffner ist, führt ihn direkt zum Officium der Auctrix Decima Lucilla und informiert diese über sein Kommen.


    "Salve, Aelius Callidus." begrüßt Lucilla den Gast lächelnd. Den Procurator a libellis und Rector der Schola Atheniensis kennt sie natürlich, sie arbeitet schließlich nicht erst seit gestern in der Branche. "Was kann ich für dich tun?" Unterm Tisch kreuzt Lucilla die Zehen, dass Callidus nicht hier ist, um die Redaktion der Acta Diurna zu einer kaiserlichen Audienz zu laden. Natürlich ist der Gedanke absurd, denn schließlich ist der Kaiser in Parthia und er würde den Vorsteher der Kanzlei auch nicht deswegen zur Acta Diurna schicken, sondern einen Brief senden lassen, aber man muss schließlich immer das Schlimmste annehmen. Das nächst Schlimmste ist eine Beschwerde des Imperators. War sie bei der letzten Zensur vielleicht doch zu nachlässig gewesen? Ist ihr Kopf schon am Rollen und sie hat es nur nicht gemerkt?

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    Original von Gaius Iulius Raeticus
    "Ich verstehe? Die Edikte in der Acta Diurna veröffentlichen? Naja zur Zeit ist der Praefectus Urbi nicht in Rom und ich darf aus Sicherheitsgründen nicht seinen Aufenthaltsort preisgeben. Ich kann dich maximal benachrichtigen, wenn der Präfekt wieder in Rom verweilen wird."


    Lucilla winkt ab. "Na ich meinte doch auch nur als Angebot. Hier muss keiner seine Edikte veröffentlichen. Gerade auch die Magistrate des Cursus Honorum denken ja immer, sie müssten dafür noch bezahlen, weil es doch fast sowas wie eine Anzeige ist." Sie verdreht die Augen. Dass so intelligente Männer wie Magistrate aber auch auf solche Ideen kommen, da sieht mans einfach, dass sie am Ende doch alle nur der schnöde Mammon interessiert.


    "Aber das ist natürlich nicht der Fall. Wir sind immerhin die imperiale Zeitung und haben einen Bildungs... ähm ... Informationsauftrag ... oder so. Egal. Also wenn du ihn siehst, dann richte es ihm einfach aus und wenn nicht, dann eben nicht." Sie zuckt mit den Schultern.

    "Oh ja," schwelgt Lucilla schon in ihrer Vorstellung. "Das wird ein rauschendes Fest." Sie klappt die Liste zu und lehnt sich zurück. "Setzt du einen Einladungstext auf?" Sie seufzt. "Ich sollte mir irgendwann mal einen persönlichen Scriba zulegen für diesen Kram." 8)


    Nachdenklich lehnt sie sich an Avarus. "Eigentlich ist der Herbst wirklich der perfekte Monat zum Heiraten, findest du nicht? Alles wird frische Ernte sein, selbst die Trauben werden gerade erst von den Reben gepflückt sein. Hach, da werde ich eine Großbestellung bei den Claudiern aufgeben."

    "Oh, ach so. Also den letzten Artikel haben wir aus der Provinz Alexandria et Aegyptus bekommen, ich würde mal vermuten, dass Medeia mitten in Alexandria ist. Denn dass sie irgendwo auf einem kleinen Dorf herumsitzt, das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Allerdings hatte sie nicht erwähnt, dass sie in Aegyptus bleiben will, irgendwann hatte sie mal etwas von einer kleinen Reise erzählt, es kann also durchaus sein, dass sie schon irgendwo anders ist."


    Lucilla überlegt, ob sie dem Centurio anbieten sollte, die Cohortes zu benachrichtigen, woher der nächste Artikel kommt, aber allzu weit will sie sich in diese Angelegenheit eigentlich auch nicht einmischen.


    "Dem Praefectus Urbi kannst du übrigens ausrichten, dass die Acta Diurna auch gerne seine Edikte veröffentlicht. Die meisten Aedile handhaben das so, allerdings laufen wir dem auch nicht hinterher. Aber unser Verbreitungsgrad geht doch ein Stück weit über Rom hinaus und erreicht auch Bürger außerhalb der Hauptstadt. Und wie sollte schon jemand in Aegyptus von einem Edikt wissen, das in Rom aufgehängt wurde?"

    Weil der Centurio einerseits so schüchtern wirkt, andererseits aber militärisch ordnungsgemäß stramm steht, wirkt er fast wie eine Statue, die man in den Raum gestellt hat. So fällt Lucilla auch gar nicht auf, dass er nicht sitzt, denn es sieht aus, als müsste er so herumstehen.


    "Medeia? Natürlich, sie ist seit Jahren Teil der Stammschreiberschaft und sie schreibt sehr gut. Momentan schreibt sie als Provinz-Korrespondentin. Sie ist aus privaten Gründen unterwegs, was aber ja nicht heißt, dass sie nicht weiter für die Acta Diurna arbeiten kann. Wir gewähren unseren Schreibern größtmögliche Freiheit, nur so können wir die Vielfältigkeit unserer Informationen gewährleisten. Aber was willst du denn über sie wissen? Und warum? Ich hoffe, sie steckt nicht in Schwierigkeiten?"

    "Wunderbar." schließt Lucilla damit das Gespräch. "Falls es irgendwann noch etwas geben sollte, dann melde dich einfach."


    Ein Sklave geleitet Metellus zur Tür und auch Lucilla verlässt bald darauf die Casa.

    Der Scriba ist der Unfreie Ion, dem es immer ganz besonders viel Spaß macht die Tür zu öffnen und Besucher für die Auctrix einzulassen. Gehört ja auch voll und ganz zu seinen Aufgaben, während seine hoch brillianten Leserbriefe regelmäßig sowohl bei der Auctrix als auch der Lectrix für Lachanfälle sorgen. Pah, denen würde er es irgendwann noch zeigen! Momentan ist das einzige, was er zeigen kann allerdings dem Centurio den Weg zur Auctrix, die in ihrem kleinen Officium sitzt und irgendwelche Dinge auf eine Wachstafel kritzelt. Wahrscheinlich produziert sie wieder einen dieser furchtbar öden Artikel, die eh keiner lesen will, was ihr aber niemand sagt, immerhin ist sie ja die Auctrix. Ion also führt den Centurio bis zur Auctrix, weil einen Centurio schickt man nicht einfach wieder weg, und kündigt ihn an.


    Lucilla lächelt freundlich. "Salve, Centurio. Wie kann ich dir helfen?"

    Mit der angeforderten Tafel in der Hand stiert Lucilla nachdenklich auf das Wachs. Dann ritzt sie die ersten Namen ein. "Die beiden verstehen sich wohl von selbst."
    Die nächsten Namen folgen. "Die beiden wohl auch."
    Weitere Namen folgen, begleitet von "Guter Freund der Familie", "Acta-Redaktion", "Langjährige Bekannte", "Eh klar", "Kenn ich eigentlich nicht wirklich, ist aber Senator", "Dürfen wir auf keinen Fall vergessen" oder "Vielleicht kurzfristig, falls zu viele absagen".


    Am Ende zählt sie die Namen durch. "Nicht schlecht, was meinst du? Fehlt noch irgendwer?"

    Lucilla lächelt freundlich. "Ich freue mich auch sehr." Vor allem, da sie damit vielleicht diesen ausländischen Marktdränglern ein Schnippchen schlagen können. In solchen Fällen müssen Römer über ihre Konkurrenz einfach hinweg sehen und zusammen halten.


    "Gibt es noch etwas zu beprechen?" Die abendliche Gesellschaft drängt sich langsam wieder in Lucillas Gedanken. Ein bisschen Hunger hat sie auch schon.

    Dann wäre das endlich entschieden. Plötzlich schwebt das Datum doch irgendwie drohend über Lucilla. Wird die Zeit bis dahin wirklich ausreichen? Wäre nicht nächstes Jahr doch besser? Will sie überhaupt tatsächlich heiraten? Danach könnte sie nie mehr den Vestalinnen beitreten.


    "Hmpf." Lucilla nimmt den Becher vor sich und trinkt einen kühlen Schluck, um die unmöglichen Gedanken in ihrem Kopf zu vertreiben. "Die Einladungen für die Gäste in Rom können wir eine Woche vorher verschicken, das reicht. Die an die Gäste in anderen Provinzen sollten Anfang des kommenden Monats auf die Reise gehen. Ich hoffe, Magnus und Venusia finden die Zeit für diese Reise. Es wäre zu schade, wenn sie nicht kommen, nachdem schon Livianus und Serapio nicht dabei sein werden."


    Sie dreht sich zu einem Sklaven. "Bring eine Wachstafel!" Dann wieder zu Avarus. "Wir sollten schon einmal grob festhalten, wer alles kommen soll."