Beiträge von Decima Lucilla

    Im Gegenteil zu ihrer Herreise nach Germania, bei welcher die Zeit wie im Flug an ihr vorrüber gezogen ist, zählt Lucilla auf der Rückreise jeden Tag, und jeder Tag mehr ist einer zuviel. Sie will sich nicht in belanglosen Gesprächen verlieren und oft, wenn sie einfach nur so in die Landschaft oder auf den Fluss starrt, überkommen sie Tränen, weil ihre Gedanken in der Vergangenheit weilen, bei Tertia, in Hispania, in Rom. Selbst im leichten Nieselregen lässt sie sich nicht von Hector und Hermes, auch nicht von Ambrosius oder Hegetor Menodorus, dazu bewegen, ihren Platz im Freien aufzugeben. Denn der Regen vermischt sich eh nur mit den Tränen und rinnt gemeinsam mit ihnen ihre Wangen hinab, und der Mantel aus dickem Wollstoff hält die Nässe von ihrem Körper fern.


    Doch irgedwann ist Augusta Raurica erreicht und die Passagiere müssen das Schiff verlassen. Clodia und Lucilla steigen in eine Reisekutsche um, während Clodius den weiteren Weg bis Lugdunum auf einem Pferd zurücklegen wird. Getrennt von ihrem Mann stellt sich Clodia doch noch als gar nicht so einfältig heraus, wie Lucilla bisher vermutet hat. Von ihren neugierigen aber vorsichtigen Fragen lässt sich Lucilla schließlich langsam aus sich heraus locken. Spätestens als das Gespräch auf den Märkten der Welt angekommen ist, kann Lucilla endlich den Tod ihrer Schwester für einige Stunden vergessen und sich wieder dem Leben widmen. Sie erzählt Clodia von den Märkten in Hispania und Africa, und auch von Rom. Die Frau des Eques berichtet dafür von den Märkten in Gallien, von Massilia, Narbo Martius und natürlich von Lutetia, dem schönsten und größten Markt in Gallia, wo es die schicksten Stoffe und Kleider gibt. Viele Moden, so berichtet Clodia, kommen noch eher aus Gallia nach Rom, als aus Aegyptus, und sie verrät Lucilla den absoluten Trend für das nächste Jahr: Streifen, in allen Breiten, allerdings keine Querstreifen, sondern nur Längststreifen - immerhin weiß doch jeder, dass nur Längsstreifen schlank machen.


    So vergeht die Zeit doch noch einigermaßen angenehm und der Wagen rumpelt die Straße entlang über Vesontio bis Cabillonum in Gallia.



    Sim-Off:

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    Mit verklärtem Blick steht Lucilla am Bug des Schiffes, ganz vorn, wo es spitz zusammenläuft und schaut auf den Rhenus hinaus. Ihr Haar ist nur zusammengebunden und einzelne Strähnen haben sich daraus gelöst, flattern nun lustig im Wind und umtanzen ihr Gesicht. Das Schiff fährt nicht sonderlich schnell, immerhin fährt es gegen den Strom, doch der scharfe Wind lässt einen anderes vermuten. Lucilla breitet ihre Arme aus und stellt sich dem Fluss entgegen. "Ich bin die Königin der Welt." flüstert sie leise (:D) und lässt ihre Arme seufzend wieder sinken.


    An der Seite des Flusses zieht sich flaches Land dahin, kalt und brach liegt es da, doch immer wieder wird das Bild durch kleine Dörfer und Siedlungen durchbrochen. Der Rhenus ist ein gütiger Fluss, er versorgt die Bewohner an seinen Ufern mit allem, was sie zum Leben brauchen. Lucilla versorgt er mit Ruhe, mit Gedankenfreiheit und manchmal auch mit wohltuender Leere in ihrem Kopf. Beinahe den ganzen Tag schon steht sie wieder einfach nur an der Reling, manchmal am Bug, manchmal an den Seiten des Schiffes, und schaut dem Fluss beim Fließen zu. Das Heck meidet sie, denn sie hat wenig Lust auf den Eques und seine Frau. Sie hat es versucht, sich ihrer Unterhaltung anzuschließen, doch vor allem Clodius ist ihr völlig zuwider. Schon nach wenigen Worten hat sie ihn in die Kategorie eingebildeter, aufgeblähter Gockel einsortiert und beschlossen, ihre Zeit lieber alleine zu verbringen. Dies ist eh nicht schlecht, denn noch immer spuken ihr so viele Gedanken durch den Kopf und Tertias Tod hängt ihr nach. Zusätzlich würde sie mit Clodius und Clodia auch noch bis Lugdunum reisen, sie würde ihre Anwesenheit also noch lange genug ertragen müssen, als dass sie nicht wenigstens noch den Rhenus genießen kann.

    Zitternd umschlingt sich Lucilla mit ihrem Mantel und folgt mit ihrem Blick ihren Sklaven, die das Schiff betreten. Eisiger Frost hat den Tag am frühen Morgen im Griff, der morgendliche Tau an den Grashalmen und Zweigen der Bäume ist zu einer dünnen weißen Schicht gefroren und ein scharfer Wind weht den Rhenus entlang. Hector und Hermes, Avarus Sklaven, stehen neben Lucilla wie zwei Berge, die nichts erschüttern kann, und erst, als sie mit langsamen Schritten auf das Schiff zu geht, setzen sich die beiden in Bewegung.


    An Bord des flachen Rhenus-Schiffes wird Lucilla vom Kapitän begrüßt, Hegetor Menodorus, ein grobschlächtiger Mann mit dicken Fingern und einem Gesicht, als wäre er von einem Stier an die Wand gedrückt worden, der sich jedoch als erstaunlich freundlich und charmant herausstellt. Er begleitet Lucilla bis zu der kleinen Unterkunft, welche in den nächsten Tagen ihr Quartier darstellt. Dort trifft sie auch auf die beiden anderen Passagiere, Clodius Poplicola und seine Frau Clodia, ein Ritter, dessen Familie aus Gallia stammt und seine Frau, die ihm in allem immer nur beipflichtet, zu seinen Worten nickt und ständig hinter ihm herwuselt. Um direkt ein wenig Distanz zu schaffen, erwähnt Lucilla gleich den Grund ihrer Heimreise, den Tod ihrer Schwester, und dass sie direkt aufgebrochen ist, nachdem sie die Nachricht darüber erhalten hat. Anschließend geht sie zur Seite des Schiffes und beobachtet, wie die Männer die Taue lösen und das Schiff bald ablegt und sich dem Rhenus entgegen stemmt.


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    Der Schlaf hängt Lucilla noch in den Augen, als sie mit einer Spange eine letzte Haarsträhne ordnungsgemäß an ihrem Hinterkopf hochsteckt und sich nach einem Blick in den Spiegel abwendet, um das Zimmer zu verlassen. Es ist ein kurzer Aufenthalt in Mogontiacum geworden und sie bedauert dies aufrichtig. Sie hat nicht einmal Zeit gehabt, ihren Neffen zu sehen, der unter seinem Vater in der Legion seinen Dienst tut. Seufzend schließt sie hinter sich die Tür, die Sklaven stehen schon zum Abmarsch vor der Regia. Mit einer Sänfte geht es von dort aus zum Hafen der Stadt, das Gepäck ist bereits voraus geschickt worden und hoffentlich schon auf den Kahn verladen, welcher sie bis Augusta Raurica mitnehmen würde.


    Obwohl es früher Morgen ist, herrscht im Haus bereits die stille Betriebsamkeit, welche für eine belebte Casa so typisch ist. Es fällt Lucilla schwer, dies hinter sich zu lassen, würde doch in Rom niemand in der Casa Decima warten. All ihre Verwandten sind nun in Germania oder Hispania. Und ihre Schwester, die zwar niemals zuhause, aber immer nur ein paar Straßen entfernt weilte, würde auch nicht mehr da sein. Laren und Penaten wären die einzigen, welche sie in Rom erwarten würden, und trotzdem zieht es sie nach Hause in die ewige Stadt.



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    Dankbar nickt Lucilla. Womöglich wird sie diese Hilfe tatsächlich in Anspruch nehmen müssen, denn von ihren eigenen Verwandten ist kein einziger mehr in Rom und Großtante Drusilla möchte sie nur im Notfall belästigen. Natürlich gibt es auch noch Hungi, wenn sie irgendwelche Schwierigkeiten haben würde, dann wäre er wohl der erste, den sie aufsuchen würde. Doch je mehr Sicherheiten sie hinter sich hat, desto einfacher wird alles.


    "Ich komme schon zurecht." flüstert sie. "Das bin ich doch immer." Sie streckt sich noch einmal und haucht ihm einen Kuss auf die Lippen, der schließlich über einen Hauch hinaus wächst und doch etwas länger dauert. Dann seufzt sie und nickt bestätigend. "Ich sollte gehen. Wir sehen uns in Rom." Sie streicht ihm noch einmal über die Wange und wendet sich dann um, um zur Regia zurückzukehren.

    Lieber noch, als ihm eine Nachricht zu hinterlassen hätte Lucilla mit ihrem Bruder gesprochen. Es brennen so viele Fragen auf ihrer Seele, doch es finden sich keine Antworten. Womöglich würde sie diese in Rom finden können, bei den Vestalinnen, an Tertias Grab. Und vielleicht ist Lucilla sogar froh, dass Meridius nicht in der Casa ist, dass er seiner Arbeit nachgeht und sie nicht mit ihm sprechen muss. Vielleicht aber auch nicht. Sie übergibt einem Sklaven die Nachricht, welcher sie auf dem Schreibtisch seines Herrn drapiert, und schärft ihm ein, Meridius auf jeden Fall zu benachrichten, sobald er nach Hause kommen würde.



    Lieber Bruder,


    morgen mit den ersten Strahlen der Sonne werde ich nach Hause aufbrechen. Ich bedaure, dass wir so wenig Zeit füreinander gefunden haben, doch ich verstehe natürlich, dass deine Pflichten vorgehen. Doch die Nachricht um Tertias Tod zieht mich nach Rom und ich kann nicht länger darauf warten, dass Germania von den eisigen Klauen des Winters eingenommen wird. Ich werde für uns alle ein angemessenes Opfer am Grab unserer Schwester bringen.


    Wenn du es einrichten kannst, so wäre ich froh, wenn du mich morgen früh noch verabschieden und wir uns zumindest noch einmal kurz sehen könnten. Ich werde bis Augusta Raurica auf dem Schiff eines Händlers mitreisen, in Begleitung eines Eques und seiner Gattin, welche zumindest bis Lugdunum die gleiche Richtung verfolgen. Von dort sollte sich leicht eine weitere geeignete Reisegruppe bis Massilia finden lassen, womöglich sogar schon bis Rom.


    Lucilla

    Später am Tag, es dämmert draußen schon.


    "Das da rein. Nein, nicht da, dort. Ja ... und hier, die Sachen noch in diese Kiste." Mit hängenden Schultern steht Lucilla in dem Cubiculum und blickt auf das Gepäck. Zum Glück hatten die Sklaven erst gar nicht alles ausgepackt. Lucilla seufzt und verlässt den Raum, um Meridius eine Nachricht zu hinterlegen. Sie hat keine Ahnung, wo er die ganze Zeit steckt, doch wahrscheinlich ist es die Arbeit, welche ihn aufhält.


    Es dauert nicht lange, dann betritt Lucilla das Zimmer schon wieder. Sie ist kaum angekommen, da wird sie Mogontiacum wieder verlassen. Doch sie hält es nicht mehr aus in Germania, möchte zurück nach Rom, möchte wissen, was mit Tertia geschehen ist. Lucilla löst ihr hochgestecktes Haar und bereitet sich auf eine letzte Nacht in Mogontiacum vor.

    Noch einmal drückt sich Lucilla an ihn und lächelt, wenigstens für einige Augenblick kann sie glücklich sein. Sie braucht nichts weiter zu sagen, sie verstehen sich auch so. So stehen sie ein paar Herzschläge einfach nur da, umschlungen in der Kälte und doch die Kälte nicht spürend.


    Dann nickt sie leicht. "Das werde ich und ganz sicher wird uns das neue Jahr Glück bringen." Nocheinmal drückt sie Avarus und will eigentlich nicht von ihm lassen. Doch langsam spürt sie ihre Füße, oder besser, sie spürt sie vor Kälte bald nicht mehr.
    "Ich werde schon morgen aufbrechen. Wenn ich in Rom angekommen bin, schreibe ich dir sofort einen Brief. Vielleicht auch schon aus Massilia, damit du weißt, dass ich gut durch Gallien gekommen bin."

    Nur widerwillig lässt sich Lucilla von ihrem Verlobten ein Stück wegschieben. Ihr Blick wandert zu den beiden Sklaven und sie versucht sich in einem Lächeln. "Danke, damit werde ich bestimmt sicher zuhause ankommen. Aber hast du denn dann noch geeignete Sklaven hier? Ich habe ja auch eine kleine Eskorte und natürlich Ambrosius nicht zu vergessen."


    Sie schmiegt sich wieder an seine Brust und seufzt. "Ach, Medicus, ich werde dich vermissen. Ich werde auf dich warten, und dann gehen wir endlich die Hochzeit an, ja?" Aus großen, noch immer geröteten Augen, blickt sie hoffend zu ihm auf. Wenn sie ersteinmal verheiratet sind, dann würde sie ihn sicher nicht mehr so vermissen, zumindest glaubt sie das in ihrer Naivität.

    Lucilla schnieft noch einmal. "Ich werde nach Hause reisen." Die Tatsache macht Lucilla noch trauriger, da die Reise so wundervoll begonnen hatte. Doch ihr Ende kann hier nicht mehr so sein, wie es sein sollte. "Diese Provinz, dieses Land, auf einmal scheint es mir nur noch grau und trist. Ich möchte dieses Bild nicht für immer in mir tragen. Ich habe diese Provinz kennen gelernt als ein wunderschönes Fleckchen Erde, farbenprächtig und mit unglaublich netten Einwohnern, ganz anders, als in den Geschichten. Doch mit der Nachricht um Tertias Tod hat die Welt alle Farbe verloren. Ich kann hier nicht mehr bleiben, ich kann hier nicht einfach weiterreisen, als wäre nichts geschehen."


    Sie senkt ihren Blick und lässt ihre Schultern hängen. "Ich möchte nach Hause, nach Rom. Mich in Aufgaben und Arbeit stürzen. Das Leben geht dort weiter ... aber nicht hier. Hier bleibt es stehen, hier vergeht es nur, hier stirbt die Welt. Doch Rom hört niemals auf, Rom lebt immer weiter. Ich habe immer wieder festgestellt, dass es gerade in solchen Situationen besser ist, sich von der Stadt mitreißen zu lassen." Zudem würde sie auf der Reise allein sein können, keine Familie würde von ihr erwarten, ihren Aufenthalt zu genießen, keine Familie würde ihr die Stadt zeigen wollen oder sie zum Abendessen erwarten. Meridius Kälte, als er ihr die Nachricht im Vestibulum mitgeteilt hatte, hatte sie erschreckt. Sie weiß nicht, wie lange er schon vom Tod seiner Schwester weiß, und er zeigt seine Trauer viel weniger, als Lucilla dies tut, doch die Distanz zwischen ihnen hätte in diesem Moment nicht größer sein können.


    "Ich werde dich in Rom erwarten, doch ich kann nicht hier auf dich warten. Ich kann nicht hier warten, dass der Schnee kommt und dass die Flüsse zufrieren, denn ich würde nur mit ihnen einfrieren." Sie blickt wieder auf zu Avarus und fühlt sich einfach nur leer, völlig leer. "Vielleicht bringt mich auch die Reise wieder auf andere Gedanken."

    Sehr lange muss Lucilla tatsächlich nicht warten, dann nähern sich schon die Pferde und mit ihnen Avarus. Als er endlich vor ihr steht, schmiegt sich Lucilla an seine Brust und drückt ihn fest, so als wollte sie ihn nie wieder loslassen.


    "Medicus!" Es ist nur eine Mischung zwischen einem Flüstern und einem erstickten Laut, der in ihrer Kehle hängen bleibt, als sie wieder die Trauer überkommt. "Tertia ... sie ..." Tränen kullern über ihre Wangen, ein paar bleiben an Avarus Mantel hängen. "Meine Schwester ... sie ist tot." Ihr Griff um seinen Körper wird noch fester und sie presst die Augen zu, doch ihr Körper bebt unter ihrem Weinen. Trotz der Tatsache, dass sie sich in Avarus Nähe so sicher fühlt, wie sonst kaum irgendwo, gegen das Schicksal und das Ende des Lebens ist auch er nur machtlos.


    Es dauert einige Minuten, bis sie sich langsam wieder beruhigt, bis die Tränen erneut versiegt sind. Sie schnieft, blickt aus geröteten Augen auf zu Avarus und zuckt hilflos mit den Schultern. "In Rom ... Tertia ... sie war doch Vestalin. Sie kann doch nicht einfach ... ich weiß nichteimal weshalb ... wie ... ich war doch hier ... so weit fort ..." Noch immer fassungslos schüttelt sie den Kopf.

    Mit müden Schritten geht Lucilla schon lange vor der achten Stunde am Rhenus entlang und blickt ohne Ziel auf den Fluss. Sie hat es in der Regia nicht mehr ausgehalten, eingeengt von kalten Mauern, nutzlos und sinnlos herumsitzend, in Erinnerungen und Gedanken versinkend. Sie zieht den dicken Wollstoff ihres Mantels näher an sich heran und schlingt ihre Arme um ihren Körper. Mit der Nachricht von Tertias Tod hat sich die Provinz endlich dahin gewandelt, was alle Welt von ihr erwartet, zu sein.


    Der Bruch ist so hart, wie von Weiß nach Schwarz und doch liegt es nicht an Germania selbst, als mehr an Lucilla. Wo sie hinblickt stehen nur noch dürre, kahle Bäume, deren zitternde Äste mit Frost gespickt sind und deren braune Blätter um sie herum am Boden liegen und langsam vor sich hinfaulen. Der Rhenus glitzert nicht mehr verführerisch in der Sonne, sondern nur noch eisig und beängstigend, als wolle er jeden Augenblick seine gierigen Arme um das nächste Schiff legen, es in seine Fluten hinabziehen und alles Leben was an Bord ist mit sich reißen bis fort in das Land der freien Germanen. Der Himmel ist ein einziges Geschmisch aus grauen und noch graueren Wolken und es scheint Lucilla, als wären bereits Wochen vergangen, seit Juppiter den letzten Sonnenstrahl in diese Welt entlassen hat. Zusätzlich zerrt die eisige Kälte an allem, wie nahe Lucilla auch den Feuerschalen rückt, das Zittern ihres Körpers hört nicht auf.


    Sie sehnt sich zurück nach Rom, in den milden Winter der Hauptstadt, in der das Leben niemals stillsteht, schon gar nicht aufgrund von Jahreszeiten. In Rom bleibt keine Zeit zu Trauern - wie auch, wo es den Klageweibern im Pomerium nichteinmal erlaubt ist zu Weinen - in Rom geht das Leben immer weiter, immer schneller, bis man eines Tages selbst umfällt.


    Sie sehnt sich nach Tarraco, nach dem feinen Sandstrand, der auch im Winter noch warm genug ist, als dass man sich darauf setzen kann und den Blick über das endlose Meer schweifen lassen kann, die Gedanken in die unendliche Ferne schweifend. Nach der Lebendigkeit der hispanischen Stadt, die immer ihre Heimat war und dies immer sein würde, die trotz ihrer Beschaulichkeit es tief in Lucillas Herzen immer mit Rom würde aufnehmen können.


    Sie sehnt sich danach, in die Casa Germanica einzuziehen und endlich ein Leben in halbwegs geordneten Bahnen zu führen. Ungewissheit, dies ist es, was ihr am meisten zu schaffen macht. Sie möchte endlich das Leben einer römischen Frau führen, deren größte Sorge es ist auszuwählen, ob die neuen Vorhänge der Casa in rot oder doch eher in gelb besser zur Farbe der Wände passen.


    Der Gedanke schafft es tatsächlich, Lucilla ein kleines Lächeln abzuringen. Sie kommt sich schon vor wie Großtante Drusilla. Ein tiefes Seufzen macht ihr bewusst, dass, obwohl sie ihr schon recht nahe kommt, sie nicht ihr Schicksal teilen möchte. Drusilla ist die letzte ihrer Familie, ihre Brüder hatte sie schon früh in der Legion verloren, eine Schwester war irgendwo zwischen Tarraco und Rom dem ewigen Meer nicht mehr entkommen, eine andere in jungen Jahren durch Krankheit aus der Welt gewichen. Drusilla hatte ihren ersten Mann erst spät geheiratet, der bald darauf schon wieder gestorben war, vom zweiten wurde sie geschieden, der dritte verstarb nach einigen Jahren und der vierte, der alte Senator, welchen sie momentan an ihrer Seite duldet, ist nicht unbedingt ein Glücksgriff, auch wenn er eine große Villa und eine Menge Sesterzen hat. Doch politischer Einfluss fehlt ihm völlig.


    Lucilla fröstelt und blickt sich nach den Sklaven um, die ihr in wenig Abstand folgen und keinerlei Notiz von ihrer Stimmung nehmen. Sie würde niemals wie Drusilla sein, denn diese hat mit Trauern längst aufgehört. Sie lässt niemanden nahe genug an sich heran, als dass sie bei seinem Ableben um ihn trauern würde. Lucilla hatte es manchmal geschafft, die harte, unnachgiebige Frau zum Lachen zu bringen, doch sie zweifelt nicht daran, dass ihre Großtante eine Nachricht über ihren Tod genauso unberührt aufnehmen würde, wie jede andere auch. Nein, Lucilla würde niemals wie sie werden, denn sie hat das Gefühl, mit jedem Tod in ihrer Familie wird die Trauer nur noch schlimmer.


    Langsam geht Lucilla zurück zur Brücke über den Rhenus. Bald müsste Avarus kommen. Mehr noch als nach allen fernen Orten der Welt sehnt sich sich einfach nur nach der Umarmung seiner starken Arme und danach, ihren Kopf an seine Brust zu legen und die Welt Welt sein zu lassen.

    Nach einer unruhigen Nacht erwacht Lucilla in einem fremden Bett. Sie fühlt sich, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen und sie erinnert sich an dunkle Schatten in der Nacht. Vielleicht nur ein Traum, vielleicht die rastlosen Larvae, welche in den dunklen Tagen des Jahres immer präsent zu sein scheinen. Lucilla friert, selbst nachdem sie die Decke enger um sich gezogen hat. Am liebsten würde sie nur den ganzen Tag im Bett liegen bleiben, Hunger hat sie eh keinen und was nützt es schon, aufzustehen an einem Tag wie diesem?


    Nachdem sie eine Zeit lang nur so herumliegt und die Decke anstarrt, fällt ihr auf einmal das Symposion des vergangenen Abends ein. Avarus - sie hat ihn völlig vergessen. Eilig steht sie auf und kritzelt noch im Nachthemd eine Nachricht auf eine Wachstafel. Sie muss ihn sehen, doch wo? Die Herberge des Cursus Publicus erscheint ihr kein geeigneter Ort, doch hier in die Regia einladen möchte sie ihn auch nicht und in einer Taverne in der Stadt würde sie sich nicht wohlfühlen.


    Nach einiger Zeit steckt Lucilla ihren Kopf aus der Tür des Gästezimmers und ruft den erstbesten Sklaven herbei. Sie fragt ihn nach einer markanten Stelle am Rhenus und nachdem diese gefunden ist, vollendet sie die Nachricht und drückt sie dem Sklaven in die Hand. Bis zur achten Stunde ist jedoch noch viel Zeit und so dauert es noch lange, bis Lucilla soweit ist, das Haus zu verlassen.



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    Lucilla lächelt ein wenig verschämt über das offene Lob und spürt wie leichte Wärme in ihre Wangen steigt. Sie winkt bescheiden ab. "Es ist gar nicht so schwer, man muss nur hartnäckiger sein als sein Gegenüber. Ich habe es tatsächlich in Rom gelernt, allerdings kommt es mehr auf den Lehrer an, als auf den Markt. Mein Großtante Drusilla war mir beim Einkaufen eine sehr gute Lehrerin." Wie auch in vielen anderen Dingen bezüglich Gesellschaft, Geschmack und Verhalten.


    Lucilla wiegt den Kopf hin und her. "Gut, Rom hat natürlich auch viel dazu beigetragen. Nirgends sonst kann man die Kunst des Einkaufens besser perfektionieren, denn in Rom gibt es Händler aus aller Welt." Sie kichert leise uns steckt ihren Kopf etwas näher zu Venusia. "Das ist übrigens auch ein Grund, warum Avarus nicht gerne mit mir einkauft, ich glaube er schämt sich." Ausgerechnet der Senator, der als einer der größten Geizhälse Roms verschrien ist. Vielleicht sollte sich Lucilla doch langsam Gedanken machen.


    Doch natürlich tut sie das nicht. Schon strebt sie dem nächsten Stand entgegen. So geht es weiter und weiter, immer tiefer in den Markt hinein. Bis die beiden Frauen den Markt verlassen, hat Lucilla noch einige Kleinigkeiten und einen schönen Stoff für ein ärmelloses Kleid oder eine Palla gefunden.


    Zufrieden und glücklich bedankt sich Lucilla am Ende eines ereignisreichen Tages bei Venusia für ihre Geduld, ihre Zeit und ihre Mühe.

    Vom Eingang führt der Sklave Lucilla zu einem Zimmer welches jederzeit bereit ist, um von eintreffenden Gästen belegt zu werden. Sie weist ihn an, dass ihre Reisekisten erst später ausgepackt werden sollen, wo sie zwischenzeitlich gelagert werden ist ihr herzlich egal. Auch das Symposium ist längst vergessen, sie würde an diesem Tag keinen Schritt mehr aus diesem Haus tun. Sobald sie im Zimmer ist, entlässt sie den Sklaven und schließt die Tür. Sie lehnt sich dagegen und gleitet langsam daran hinab, bis sie auf dem Boden sitzt. Als Lucillas Hinterteil den Boden berührt wird ihr Körper längst wieder von Weinkrämpfen durchgeschüttelt, ihr Gesicht ist in ihren Händen verborgen. Immer wieder schießt ihr nur der Gedanke durch den Kopf, dass Tertia tot ist, sie ihre Schwester nie wieder sehen wird. Tertia tot in Rom und sie hier, Hunderte von Meilen entfernt, untätig in Germania, ohne die geringste Chance, irgendetwas zu tun, irgendetwas zu ändern, selbst Abschied zu nehmen. Sie versucht sich das Bild ihrer Schwester in Erinnerung zu rufen, die stets ernste, aber immer fröhliche Vestalin, welche über eine Neuigkeit aus der Casa Decima lacht - doch obwohl Lucilla den Tod ihrer Schwester nicht miterlebt hat, so sieht sie nur immer Tertias blasses Gesicht vor sich, ein bleiches Gesicht, die Augen starr und der Mund leicht offen.

    Zitat

    Original von Decima Lucilla
    "Wieso?" Lucilla vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen und ihr Körper bebt unter ihrem Schluchzen. Tertia ist tot hallen die Worte ihres Bruders in ihrem Geist nach und je deutlicher sich ihr die Bedeutung und die Ausmaße dieser Worte erschließen, desto größer wird die aufsteigende Panik in ihr.

    Sim-Off:

    Aufgrund der Abwesenheit des Meridius schreib ich mich mal eben hier raus. =)


    Es mag nur Sekunden sein, die Lucilla so im Eingang des Hauses steht, dann geht ein Ruck durch ihren Körper. Sie lässt die Hände sinken und schaut durch ihre tränennassen Augen umher, auf der Suche nach einem Sklaven. Sie geht an Meridius vorbei, in einem kleinen Bogen und flüstert nur leise und tonlos: "Ich brauche Ruhe. Wir reden später."


    Sie tritt zu dem Sklaven und strafft ihre Schultern. "Zeig mir den Weg zu einem Gästezimmer." Ihre Stimme ist fast wieder so fest, wie eh und jeh, doch nur fast, denn es liegt ein leichtes Zittern darin. Ein Zittern, welches jeden Augenblick wieder in Tränen ausbrechen und ihre Stimme hinfortschwemmen kann. Zum Glück nickt der Sklave nur und beeilt sich, ihr den Weg zu zeigen.

    "Was?" Sie schaut ihren Bruder verwirrt an und will ihm schon Vorwürfe machen, dass man über solche Dinge keine Scherze macht. Doch er sieht nicht aus, als würde er Scherze machen und tief im Innersten weiß sie, dass er dies niemals tun würde. Alle Farbe weicht aus Lucillas Gesicht, ein Umstand, welchen sie als 'echte' Römerin sicherlich begrüßen würde, über den sie sich jedoch in diesem Augenblick keinen Gedanken macht. Sie schlägt die Hände vor den Mund und fühlt Panik in sich aufsteigen. Bei den Soldaten ist immer damit zu rechnen, dass einer von ihnen nie wieder zurückkommt, doch Tertia ist eine Vestalin - war eine Vestalin. Wenn überhaupt irgendwer die Aussicht auf ein endloses, sicheres Leben hat - hatte, dann sie.


    Erste Tränen füllen Lucillas Augen, doch es sind nicht nur die glitzernden Tropfen, welche ihr die Sicht rauben.
    "Wann?" presst sie hinter den Handflächen hervor und wenn sie geglaubt hat, dass gerade eben noch der Winter in diesem Raum einzieht, dann ist sie nun mittendrin in einem Eisblock eingefroren.
    "Wieso?" Lucilla vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen und ihr Körper bebt unter ihrem Schluchzen. Tertia ist tot hallen die Worte ihres Bruders in ihrem Geist nach und je deutlicher sich ihr die Bedeutung und die Ausmaße dieser Worte erschließen, desto größer wird die aufsteigende Panik in ihr.

    "Ach." stellt Lucilla schnippisch fest. "Mogontiacum und meine Familie sind also eine Reise wert? Das hätte ich doch gar nicht vermutet. Aber was glaubst du wohl, mein lieber Bruder, hat mich in diese Provinz verschlagen, was hat mich dazu gebracht hunderte von Meilen quer durch das Imperium zu reisen? Avarus? Ganz sicher nicht, von ihm hätte ich mehr gehabt, wenn ich in Rom geblieben wäre."


    Trotzig stemmt sie die Hände in die Hüften. "Ich bin nicht in die Legion und von zuhause weg gezogen. Ich war immer nur eine von den dummen Frauen, die sich um ihre Familie Sorgen gemacht haben, sei es in der Casa Decima in Tarraco, in Rom oder bei Großtante Drusilla, doch immer in der Familie. In kurzer Zeit wird es meine Aufgabe sein, mir um meinen Ehemann Sorgen zu machen und ich werde mir gerne um ihn Sorgen machen, genau so, wie ich es bei euch allen immer getan habe und sicherlich auch weiterhin tun werde. Eigentlich sollte ich längst verheiratet sein. Aber was mache ich? Ich folge meinem dummen Pflichtgefühl gegenüber meiner Familie, der ich versprochen habe, sie noch in diesem Jahr in Germania zu besuchen! Entschuldige, dass ich mich da freue, wenn mir unverhofft mein Verlobter über den Weg läuft."

    Sie schaut sich um. "Wenn ich nicht hier sein wollte, dann wäre ich nicht gekommen. So einfach ist die Sache, und du solltest das wissen, immerhin bin ich lange genug deine Schwester. "

    Als wäre der Winter in Germania eingezogen, scheint es auf einmal merklich kälter zu werden und Lucilla spürt eine gewisse Distanz, vielleicht sogar eine dünne, unsichtbare Wand zwischen ihrem Bruder und sich. Ihre Schultern sinken ein wenig herab. Natürlich, was hat sie auch anderes erwartet? Dass Meridius über alles hinwegsehen würde, was die nahe Vergangenheit gebracht hatte? Dass er dazu in der Lage wäre, seinen Dickkopf einmal zu vergessen? Vielleicht hat sie das tatsächlich geglaubt, weil er trotz allem noch immer ihr Bruder ist. Doch es würde wohl nie wieder zwischen ihnen so sein, wie es früher einmal gewesen ist, und die Art, wie er über Avarus spricht bringt sofort in Lucilla den hispanischen Dickkopf hervor.


    "Ganz recht, er ist mein Verlobter. Wenn es dir nicht recht ist, dass die Verlobte des Senators Germanicus unter deinem Dach haust, dann kann ich mir auch ein Zimmer in der Stadt nehmen."