Lucilla nickt bestätigend. "Eine sehr gute Idee! Nicht, dass Avarus nicht gut gekleidet wäre, als Senator kann er sich das gar nicht erlauben. Aber die Freude am Einkaufen kann er demnächst dann getrost mir überlassen, anstatt seinen Sklaven."
Die Strategie für diesen Einkauf ist auch festgelegt, dem Angriff nichts mehr entgegen zu setzen. Mit wild entschlossenen Mienen betreten die beiden Schwägerinnen das Schlachtfeld. Zumindest Lucillas Blick vertreibt schon den ersten Gegner, einen schmächtigen Sklaven, der eilig aus dem Weg springt und sein Heil in der Flucht sucht. Der erste Händler verkauft Lederwaren, keine Schuhe, dafür Beutel, Gürtel und Schutzbehälter für Schriftrollen. Obwohl Lucilla nicht nur immer auf der Suche nach Schuhen, Kleidern und Stoffen ist, sondern sich heute auch noch nach einem kleinen Geschenk für ihren Neffen und ihre Nichte und nach einem Mitbringsel für Avarus umschaut, lässt sie ihren Blick vorerst nur über die Auslagen schweifen. Die Devise heißt nur nichts überstürzen, denn wer am ersten Stand schon alles einkauft, wird wenig Freude bis zum letzten haben, da ihm dort schon das Geld ausgegangen ist.
Erst am vierten Stand greift Lucilla zur Ware, um sie näher in Augenschein zu nehmen. Sie nimmt eine goldene Gewandspange in Form eines Raubvogels auf und greift mit Traumwandlerischer Zielsicherheit dabei wohl das teuerste Stück, welches überhaupt auf dem Tisch ausliegt.
"Könnte als Falke durchgehen. Aber ein wenig grob gearbeitet, findest du nicht?" Sie hält das Stück Venusia hin. In Hinsicht auf ihre Gefühle bei Preisverhandlungen hat Lucilla ihre Gesichtsmuskeln mindestens ebensogut im Griff, wie die höchsten Patrizier des Reiches dies im alltäglichen Leben anstreben. Aus diesem Grund ist ihr nicht anzumerken, ob sie die Spange nur vielleicht oder aber in jedem Fall kaufen möchte. "Was soll sie kosten?" fragt sie den Händler, noch ohne Venusias fachmännische Meinung abzuwarten.
Der Händler grinst schmierig. "Eine sehr gute Wahl, edle Damen, eine sehr gute Wahl. Dieses wundervolle Stück stammt aus dem wilden Germania jenseits des Limes. Obwohl dort nur Barbaren wohnen, haben sie wahrhafte Meister der Handwerkskunst hervorgebracht!" Natürlich stammt der Händler selbst von den wilden Germanen ab, der Goldschmied, von dem ein Großteil seiner Waren stammt, ist sogar mit ihm verwandt, doch wer Geschäfte machen will, darf das alles nicht so eng sehen und muss dem Kunden genau das sagen, was er hören will. Und diese zwei Kundinnen sehen aus wie edle Römerinnen, welche durch eine Geschichte aus dem wilden Barbarenland sicherlich beeindruckt und danach gewillt sind, jeden Preis zu bezahlen. "Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schwer es ist, diese Kunstwerke über den Limes zu bringen. Unter höchster Gefahr für mein Leben wage ich mich immer wieder in das düstere Land und führe zähe Verhandlungen mit den Wilden, um euch diese wunderbaren Schätze anbieten zu können. Das ist nicht ungefährlich, das sage ich euch, ein falsches Wort, eine Sesterze zu wenig, und die Wilden schlitzen mich auf und verspeisen mich zum Abendessen!" Theatralisch unterstreicht er jedes Wort mit ausladenden Gesten. "Und dennoch, edle Damen, bin ich gewillt euch einen ganz speziellen Preis zu bieten, denn wie könnte ich bei so wunderschönen Damen wie euch mehr verlangen? Nur 200 Sesterzen, nur heute und nur für euch."
Ebenso wie Lucilla jede Regung verhindern kann, kann sie einem Händler auch jede gewünschte Regung zeigen, unabhängig davon, was sie wirklich denkt. Entsetzt reißt sie die Augen auf. "Zweihundert Sesterzen? Für dieses Stück? Guter Mann, du bist hier nicht in Rom und selbst in Rom wäre dieser Preis unverschämt! Auf dem Mercatus Traiani gibt es dutzende Stände mit Goldschmuck aus dem Feindesland und keiner davon erdreistet sich zu so einem Wucher! Dazu ist diese Fibel noch nichteinmal besonders kunstvoll, im Gegenteil, sie ist ja eher grob und plump. Aber ich möchte meinem Verlobten eine Freude machen mit einem kleinen Geschenk, welches ich direkt aus dem düsteren Germania mitbringe, da wäre das nicht ganz so schlimm. Einhundert Sesterzen und keine mehr."
"Einhundert Sesterzen?" Die Bestürzung des Händlers scheint eher weniger gespielt. "Ich bitte dich, edle Dame! Sie dir nur dieses fein gearbeitete Profil an, die makellose Struktur und Verarbeitung, so etwas findet man allerhöchstens noch bei den Parthern! Einhundertachtzig." Das wäre immer noch ein guter Gewinn, vor allem, da die Frau tatsächlich so aussieht, als würde sie nie und nimmer den ersten Preis bezahlen.
"Ich habe schon sehr viel feinere Arbeiten gesehen, wenn auch nicht in dieser Form. Aber für 180 Sesterzen kann ich einen Sklaven nach Africa schicken und einen Falken in Auftrag geben, das kommt mich samt der Rohstoffe noch günstiger. Nein, ich fürchte, ich werde meinem Verlobten etwas anderes mitbringen müssen." Lucilla legt die Spange auf den Tisch zurück.
Der Händler nimmt sie sofort auf und hält sie Lucilla wieder hin. "Nicht doch, nicht doch, edle Dame. Es lässt sich doch über alles reden. Du hast natürlich Recht, auch in Africa gibt es vorzügliche Goldschmiede. Einhundertsechzig Sesterzen."
"Einhundertfünfundzwanzig."
"Einhundertfünfzig."
"Einhunderfünfzig, aber dann möchte ich sie in einer von diesen schicken kleinen Geschenkschatullen."
Der Händler stöhnt auf. "Gut, meine Dame, weil ihr mir so sympathisch seid. Einhunderfünfzig und eine kleine Schatulle." Eine sonderlich große Gewinnspanne würde das nicht mehr geben, aber nachdem er den ganzen Tag noch nichts verkauft hat und Kunden, die zu solchen Preisen einkaufen in Confluentes sowieso eher selten sind, sagt er zu. Er greift nach einer einfachen Holzschatulle.
"Die daneben bitte, mit dem hellen Holz." Seufzend stellt der Händler die Schatulle wieder weg und nimmt die mit dem hellen Holz. Er packt die Gewandspange ein und nimmt die Sesterzen mit einem nur noch mäßigen Lächeln entgegen.
Lucilla steckt das kleine Geschenk weg und verabschiedet sich äußerst höflich. Als sie sich umdreht und die ersten Schritte weiter über den Markt macht blitzen ihre Augen kurz auf und ein zufriedenes Lächeln ziert ihr Gesicht. Sie wendet sich zu Venusia. "Na das hat doch schon einmal sehr gut begonnen." Genau genommen ist sie schon ziemlich unverschämt gewesen, aber in dieser Hinsicht kennt Lucilla keine Gnade. ![Freude :]](https://imperium-romanum.info/images/smilies/smiley102.gif)