Ein Tag war angebrochen, der eigentlich kein richtiger Tag war. Er hatte damit begonnen, dass sie die normalen Riten des Tages durchlebte: waschen, ankleiden, schminken, frisieren. Doch sie nahm nicht wahr, was die Sklavinnen mit ihr anrichteten. Sie ließ sie einfach nur ihre Aufgaben verrichten und nickte bei Fragen geistesabwesend. Sie wusste um ihren Zustand und sie wusste ebenso, dass es so nicht weitergehen durfte. Die letzten tage lebte sie wie in einem Traum, doch ob er gut oder schlecht war, wusste sie nicht zu bestimmen.
Als endlich die Leibsklavinnen ihr Zimmer verließen blickte sie in den Spiegel vor sich. Was sie sah, gefiel ihr nicht. Sie sah die Tochter Rediviva Helenas, die Tochter ihrer Mutter. Sie sah eine verletzte Seele, versteckt hinter einem verträumten Blick. Und sie spürte diese Verletztheit auch in ihrem Körper. Sie spürte den Drang zu schreien, zu weinen und den Leiden freien Lauf zu lassen. Seit ein paar Tagen zog sie sich vollständig zurück und verließ ihr Zimmer nur für die notwendigsten Dinge. Der plötzliche Tod der Sklavin hatte ihr vor Allem nachhaltend einen Shock versetzt und dieses Ereignis verband sie immer wieder mit dem Tode ihres geliebten Vaters.
Einen Augenaufschlag später spürte sie eine Träne ihre Wange hinunter rinnen. Doch dieses Mal suchte sie nicht ihr Spiegelbild. Sie würde diese Schwäche nicht ertragen. Sie wollte es nicht sehen. Niemand sollte dieses schwache Wesen sehen. Sie war doch stolz, schon groß. Sie weinte nicht mehr. Zornig schlug sie mit ihrer Faust auf den Tisch und stand auf um zum Fenster zu gehen. Eine Träne folgte der Nächsten während sie mit zitterndem Körper aus dem Fenster sah.