Geduldig wartete sie. Geduld war eine Tugend, die sie sich mühsam angewöhnen musste, aber sehr hilfreich im Umgang mit den Menschen war. Sie mochte Vitamalacus kaum einzuschätzen, denn in Kindestagen hatte sie natürlich auch einen völlig anderen Status genießen dürfen, als nun, da sie eine junge, aber erwachsene Frau war. Als er aufsah, wagte sie es kurz seine Augen zu mustern. Sie wirkten auf sie wie mit Abneigung gefüllt, als dazu seine Worte erklangen, die ihr einen Stich versetzten. Beinahe beschämt senkte sie den Blick wieder und starrte auf die Tischplatte. Sie betrachtete die Unterlagen, doch sie nahm sie kaum wirklich wahr. Ihr Atem vibrierte und hätte sie nicht ebenfalls gelernt, ihr Gefühl zumindest ein wenig unter Kontrolle zu halten, würden ihr die Tränen schon jetzt über das Gesicht laufen.
"Ja." gab sie also nur die gewünschte Antwort auf seine Frage und kämpfte mit ihrer Fassung. Er hatte ausgesprochen, wessen sie sich schon so lange schämte. Und der Vorwurf in seinen Worten war für sie nur zu offensichtlich - und verständlich. Sie war eine Tiberia, voll und ganz. Und wäre es nicht unfreundlich, dann würde sie sich auch deutlich von der gens Rediviva distanzieren, in deren Reihen sie ohne ihren Willen aufgenommen wurden. Es war ihr nicht bewusst, wie ihre Hand langsam zu ihrem Mund wanderte und sich sacht vor diesen legte, sich aber nicht darauf presste.
Bei seiner Frage, die das Messer in ihrem Herzen noch einmal herumdrehte, presste sie die Lider zusammen. Hatte sie sich noch vor wenigen Minuten glücklich geschätzt, wieder daheim zu sein, begann sie sich vor dem weiteren Verlauf des Gesprächs zu fürchten. Doch sie war nicht wie ihre Mutter. Sie lief nicht weg und löste sich auch nicht mit Tränen aus der Pflicht. Vorsichtig hob sie den Blick und ließ ihre Hand wieder in den Schoß sinken. "Ich habe nie darum gebeten..." begann sie und hörte nur zu deutlich, wie ihre Stimme bebte und um Fassung rang. "Ich wollte nie den Namen meines Vaters ablegen. Und ich wünschte nichts mehr, als dass ich auch durch meinen Namen noch sein Erbe bewahren könnte. Doch damals ahnte ich nichts. Als kleines Kind öffnet man nicht den Mund." All ihre Gedanken, die sie einst hegte, behielt sie für sich. Es ging hier um sie und es schien, als wollte der Offizier vor ihr eine präzise Antwort. Und sie würde als die Tochter ihres Vaters antworten, nicht als die Tochter ihrer Mutter.