Minervina bemerkte nichts von Wilberts Annäherung, denn sie betrachtete Lana noch etwas aus den Augenwinkeln. Nein, Lana war etwas besonderes. Minervina nahm sich fest vor, jedes größere Übel von ihr fernzuhalten. Natürlich musste Strafe sein, wenn sie wirklich etwas verbrach, aber wenn sie mit Wilbert fertig war, würde sie ein längeres Gespräch mit Lana führen. In diesem Gespräch würde sie Lana gewisse Kompetenzen gestatten und alles klar festlegen. Dann konnten auch keine Missverständnisse aufkommen. Sie würde die zarte Sklavin nicht mehr unter ihren Launen leiden lassen. Dafür war sie viel zu sanft. Auch Minervina brauchte einen Menschen, dem sie unmaskiert gegenüber treten konnte und wem konnte man da mehr vertrauen als der eigenen, verdammt loyalen Leibsklavin? Minervina lächelte leicht und das tat sie immer noch, als Wilbert sie ansprach.
Ihr haftete an diesem Tage wirklich eine natürliche Anmut an. Sie wirkte nicht verbittert, nicht zornig. Ihre Wangen waren leicht rosig und ihre Augen völlig entspannt. Sie stand auf. Noch immer war er größer, was bei Lana nicht der Fall war. Minervina war nicht sehr groß, sie war aber auch nícht klein. Wohl eine Römerin die knapp über ihrem Durchschnitt lag, denn Römer waren ohnehin keine großen Menschen, nahm man im Gegensatz Germanen. Und ein solcher war er schließlich. Dieser Gedanke führte beinahe dazu, dass sich ihre Augen verengten, aber auch nur fast. Für den ersten Tag wollte sie ihren Hass diesem Volk gegenüber in Grenzen halten. Ihn unvoreingenommen betrachten. Diese Möglichkeit wollte sie ihm einräumen... Sie betrachtete sein Gesicht, was er artig gesenkt hatte, während er sie ansprach. Er war kein sehr junger Sklave mehr, kein Spring-ins-Feld. Er hatte Erfahrung und das würde die Erziehung entweder stark erleichtern oder stark erschweren.
"Wie war gleich dein Name, Sklave?" fragte sie mit einer Stimme, die weder größere Gleichgültigkeit noch starkes Interesse bekundete. Ihren linken Arm hatte sie vor den Bauch gelegt, während der rechte den Körper hinab hing. Gerade gegenüber einem Sklaven musste sie auf ihre Haltung achten und gab sie sich zu verteidigend, wirkte sie defensiv und ängstlich, das durfte sie nicht zulassen.
Eine nicht feste Konsistenz geistiger Ergüsse in einen sinnvollen Satz umgestaltet. Bzw Blödsinn umgekehrt.