Beiträge von IUPPITER

    Ein paar hundert Schritte entfernt spielten zwei Zaunkönige miteinander. Sie nutzten die Luftströme und vollführten tollkühne Flugeinlagen, die noch viele Jahrhunderte lang Menschen vor Neid erblassen würden. Rauf und runter, wieder rauf, wieder runter, einmal hinter einem Baumwipfel verstecken, ein anderes Mal viele Drehungen solcher Art, als mochten sie zusammen das Tanzbein schwingen. Dann wiederum flogen sie nebeneinander... oder spielten sie Abfangen? Wer von den Sterblichen konnte das schon genau sagen. Und so durchflogen sie das vom Augur angedeutete Rechteck, von den Augen der Menschen von links nach rechts und flogen wenige Momente später aus deren Blickfeld.


    Und Iuppiter freute sich über zwei Rinder.

    An diesem Tag hatte der Sterbliche mehr Mühe aufgewandt. Ein Opfer begann ja bekanntlich nicht erst bei Betreten des Tempels, schon die Vorbereitungen konnten über Wohl und Wehe entscheiden und die Wahl des richtigen Tieres gehörte dazu. Danach die richtigen Handlungen und Worte... ein Opfer war schwierig und aufwendig, doch bei richtiger Ausführung lohnend. Iuppiter war zufrieden, die Eingeweiden waren makellos.

    Der Göttervater hatte alle Hände voll zu tun in diesen Tagen, denn in Zeiten des aufziehenden Bürgerkriegs wandte sich nahezu jeder an ihn, der einflussreich war oder sich für einflussreich hielt, um diesen Einfluss zu schützen und am besten noch zu mehren. Trotzdem nahm sich Iuppiter auch Zeit für die anderen. Auch, wenn sie ihm Stiere versprachen, die üblicherweise Mars vorbehalten waren. Und auch, wenn sie 1000 davon versprachen, was wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ernst gemeint war. Für den Opfernden sicherlich ärgerlich war, dass der Göttervater in solch stressigen Zeiten wenig Geduld dafür aufbrachte, das Anliegen genauer zu prüfen und daher kurzerhand wegen Formfehlern kein gutes Zeichen in den Eingeweiden des Lamms zurückließ.

    Würden sich göttliche Zeichen stets in Form von griechischen Liedern verbreiten, würden sie diesmal in etwa so klingen:


    Land of bear and land of the Eagle,
    Land that gave us birth and blessing,
    Land that pulled us ever homeward.
    We will go home across the mountains,
    We will go home, we will go home,
    We will go home across the mountains.


    Taten sie aber nicht. Deshalb hörte diese Zeilen wohl auch bestenfalls jemand in einem inneren Ohr. Und es blieb dem Haruspex überlassen, sie in den Innereien zu erkennen, die ihm zur Inspektion vorlagen.

    Schon längst war in göttlichen Sphären die Entscheidung gefallen, dass Mantua genug getan hatte und die Götter keine weiteren Gaben von der Stadt und ihren Bewohnern verlangen würden. So versammelten sich dann auch gar nicht erst alle Götter und Göttinnen, als der Mann mit dem spitzen Hut sie anrief. Auch wenn sie als göttliche Wesen nicht an die irdischen Begriffe von Raum und Zeit gebunden waren, so war es in der einen oder anderen Lage eben doch praktischer, nicht überall zu erscheinen, wo der Name eines Gottes gerufen wurde.


    Die verbliebenen aber, die gekommen waren, wie man sie gerufen hatte, und unter denen auch Göttervater Iuppiter höchst selbst weilte, mussten nun jedoch noch ein Zeichen finden, mit dem sie den Menschen ihre Zufriedenheit würden ausdrücken können. Zorn zu zeigen war einfach, dafür gab es mannigfaltige Zeichen. Unzufriedenheit zeigte sich am einfachsten durch die Abwesenheit deutlicher Zeichen. Für Zufriedenheit gab es zwar auch einiges, aber plötzlich erblühende Blumen und fröhlich zwitschernde Jungvögel konnte man im Herbst eben nicht einsetzen, vor allem dann nicht, wenn der Zeichendeuter gerade eine Leber beschaute. Was blieb, waren Schemen, die sich abzeichneten. Schemen einer Hand, in der die vier Finger zur Faust geballt waren, der Daumen jedoch nach oben zeigte.


    Mit anderen Worten: :dafuer: Den Göttern gefällt das.

    Ein ganzer Ochse war eines Göttervaters würdig. Iuppiter, der höchste aller Götter, war zufrieden mit dem Pomp und Brimborium, der seinetwillen veranstaltet wurde. Und diese Zufriedenheit ließ er die Sterblichen wahrnehmen in den perfekten Eingeweiden, die keinerlei Auffälligkeiten aufwiesen. Außer ihrer Perfektion.

    Dem Anlass angemessen ließ sich Diana viel Zeit mit dem Urteil. Auf eine Mahnung des Göttervaters hin rekapitulierte sie noch einmal alles, was seit jener frevelhaften Tat im heiligen Hain geschehen war. Jeden Schritt, den die Sterblichen unternommen hatten, jedes Versprechen, welches sie gegeben hatten, jedes Versprechen, welches sie eingelöst hatten. Jede Bitte um Vergebung erschien vor ihrem geistigen göttlichen Auge und mit einem weiteren Blick prüfte sie die Zahl der Anwesenden und ihre Teilnahme an der Sache. Nicht alles, was sie so in ihre Überlegungen einbezog, war glänzend. Der Eifer, mit dem die Versöhnung mit den Göttern forciert wurde, war zuweilen nur mäßig gewesen. Die Teilnahme an diesem Ereignis wie auch an vorangehenden war lebhaft, aber nicht überwältigend. Die Opfergaben waren dagegen rein und die Zeremonie über alle Zweifel erhaben. Vorsichtig wägte Diana all dies ab, bat um den Rat der anderen Götter, die das Geschehen mit ihr verfolgten und vergewisserte sich schließlich auch der Zustimmung des Göttervaters. Erst dann stand fest, dass hier in Rom keine weitere Rinderherde die Sterblichen würde aufschrecken. Kein neuer oder wieder erneuerter göttlicher Zorn würde sie auseinander treiben. Diana wollte das Opfer annehmen und jedem vergeben, der sich um Vergebung bemühte. Doch sie würde ihren Blick noch nicht abwenden sondern jedem Vorgang folgen, bis alles dort endete, wo es begonnen hatte.

    Nicht nur für die Sterblichen war dieses Ereignis von staatstragender Bedeutung. Auch im Pantheon sorgte dieses Ereignis für erheblichen Trubel und eine kleine Ansammlung an Zuschauern. Selbstredend war Diana die Hauptperson, die im Zentrum der Aufmerksamkeit stand und von deren Urteil das weitere Schicksal der Sterblichen abhängen würde. Aber auch der Göttervater persönlich verfolgte mit strengem Blick jeden einzelnen Handgriff. Weitere Götter hatten sich hinzu gesellt und spähten ebenso hinab, nicht nur das Opfer, sondern auch das gesammte Umfeld betrachtend.

    Ein Sklave erklärte einer Sklavin die capitolinische Trias und das nicht irgendwo, sondern an keinem geringeren Ort als dem Capitol selbst. Das ging nur in Rom! Wahrlich ein Schmelztiegel aller Kulturen der Welt! Ein Zeichen für die Macht des Göttervaters, das Iuppiter gerne bemerkte und das ihm viel wichtiger war als ein paar Kekse auf seinem Altar.

    Im ersten Sektor erschien nichts. Im zweiten Sektor flog ein Vogel von links nach rechts. Im dritten Sektor erschien wieder nichts. Im vierten Sektor erschien eine rötliche Wolke. *


    Sim-Off:

    Die Wolke ist ein Zeichen dafür, dass man "pontificem" besser nicht mit "Septemvir" in der Sim-Off-Box übersetzen sollte. :D

    Ganz ähnlich dem priesterlichen Rat, der sich um die Eingeweide versammelt hatte, hatte sich auch ein Göttlicher Rat mit dem Göttervater an der Spitze versammelt, um das Opfer zu beobachten. Iuppiter hielt sich allerdings zunächst zurück und überließ den anderen das erste Wort. So machte Ianus seiner Gewohnheit gemäß den Anfang und sprach dem Anlass angemessen ernst sowie seiner akuten Bronchitis angemessen nur sehr kurz. So ruhten die Augen als nächstes auf Diana, die sich mit Blick auf ihren noch immer ramponierten Hain alles andere als ruhig zeigte. Ihr ging das alles nicht schnell genug und die ewigen Beratungen in würdevollen Runden kamen ihr zu träge vor. Sie wünschte sich deutlich mehr Zug in der Sache und ließ die ihr zugedachte Leber daher deutlich schneller als die anderen die Farbe toten Fleisches annehmen. Iuppiter wiederum sah die Fortschritte auf dem Weg zu einer Sühnung und nahm das Opfer daher an. Den Nebel ließ er allerdings hängen, weshalb man in Rom auch nur ein sehr gedämpftes Grollen hörte, als Ianus plötzlich heftig husten musste.

    Auch wenn er nicht die Hauptperson oder besser gesagt der Hauptgott des heutigen Festtags war, so schaute Iuppiter doch zu, wenn ihm ein Opfer dargebracht wurde. Wieder gab es einen Widder, so wie neulich schon. Diesmal sogar einen mit vergoldeten Hörnern und ich einer öffentlichen Zeremonie. Da spielte Iuppiter gerne den gutmütigen Göttervater.


    Carmenta wunderte sich dagegen etwas stärker über die Verknüpfung ihrer Aufgabenfelder und der Sichtweise des Aedils zu diesen Spielen. Ludi als Geburtsstunde eines verletzlichen Neugeborenen der Mutter Rom. Darauf musste man erstmal kommen! Passend vorgetragen hatte sowas das Potenzial zu großer Weltliteratur - aber Carmenta mochte diese Prognose hier doch lieber nicht stellen. Dafür mochte sie Geflügel. Und so ein sterbender Schwan hatte ja auch etwas angenehm künstlerisches.

    Ein missbilligender Blick angesichts dieser ungöttlichen Ausdrucksweise traf Iuppiters Göttergattin, doch der Göttervater enthielt sich eines weiteren Kommentars. Seine Frau schien gerade wieder ihre reizbare Phase zu haben, da wollte er kein Unglück riskieren.

    Mit einigem Erstaunen hatte der Allgestalter und Göttervater zur Kenntnis genommen, mit welcher Sorgfalt und welchem Aufwand der Pontifex sich bei dieser vergleichweise kleinen Entscheidung der Zustimmung des Pantheon versichern wollte. Wahrlich, man konnte ihm nicht vorwerfen, nicht in Eintracht mit den Göttern leben zu wollen. In Zeiten, in denen die Würde heiliger Haine nicht mehr gewahrt wurde, war dies ein erfreuliches Zeichen. So fällte der Göttervater sein Urteil, welches Wohlgefallen an dieser Zeremonie und der geäußerten Absicht ausdrückte. Das ihm zugedachte Lamm würde keinen erkennbaren Makel aufweisen, so wie der Pontifex sich bemühte, durch eine erneute Kandidatur einen vergangenen Makel zu beseitigen.

    Sowohl durch den Fleiß der Menschen als auch das Erscheinungsbild seiner Göttergattin war Iuppiter milde gestimmt, so dass er nur sanft den Kopf schüttelte.


    "Schatz, es ist schon eine Menge passiert. Die Sterblichen geben sich hier schon den ganzen Tag lang große Mühe und sind schon weite Wege gegangen."


    Andächtig lauschten die beiden dann den vorgetragenen Gebeten zu ihren Ehren und auch dem für Minerva.


    "Schade, dass Minerva das nicht sieht. Wo war sie gleich nochmal?"

    Selbst einen Göttervater vermochte ein wohl zelebriertes, feierliches Opfer zu Ehren der göttlichen Trias in eine besondere Stimmung zu versetzen, auch wenn er dererlei Ereignisse schon häufig gesehen hatte. Mit angemessener Würde hatte er die Geschehnisse an diesem Tag von Anfang an verfolgt. Jetzt, wo die Zeremonie ihren Höhepunkt erreichen sollte, sollte aber auch seine geliebte Gattin auftauchen, sonst verpasste sie wieder das wichtigste. Er räusperte sich vernehmlich in der Hoffnung, dass sie dies hören würde.

    Erstes Opfer ganz alleine und dafür war es gut gemacht. Angemessenes Gebet, angemessenes Opfertier. Fast väterlich fürsorglich schaute der Göttervater auf den jungen Mann, der verständlicherweise ein wenig nervös zu sein schien. Das würde sich legen, wenn er älter und erfahrener würde. Dann würde er auch wissen, dass ein Lamm gar keine so kleine Gabe war und viele Bürger ihr Leben lang nicht einmal das würden opfern konnten. Und trotzdem stand Iuppiter auch ihnen zur Seite und daher umso mehr auch demjenigen, der ein Lamm darbrachte, welches makellos war.

    Gleich ein ganzer Ochse! Der junge Mann wusste, was dem Göttervater gebührte und schien noch viel vor zu haben. Ein wenig selbstgefällig angesichts des prächtigen Opfers strich sich Iuppiter über seinen Bauch und freute sich, dass man in patrizischen Häusern nicht nur kleckerte, sondern im richtigen Augenblick auch klotzte. So würde Rom noch lange seine Pracht entfalten können, was der Göttervater freilich nach Kräften zu unterstützen gedachte, weshalb er diesen Beitrag gerne akzeptierte.

    Der Göttervater hätte nichts dagegen gehabt, wenn beim Voropfer des jungen Mannes nicht nur die Gaben, sondern auch die hübsche Sklavin im Tempel verblieben wäre. So musste er mit den wohlausgesuchten Gaben und preisenden Worten zufrieden sein. Das war er aber auch, denn auch der Widder war makellos.

    Im Gegensatz zu gewissen anderen Ereignissen, von denen er in diesen Tagen erfahren hatte, machte dieses Opfer dem höchsten aller Götter Freude. Ein ganzer Ochse nur dafür, dass der Mann in den Ordo Senatorius aufgenommen wurde, versprach noch ganz andere Freuden für die Zukunft. So gewährte der Göttervater seinem eifrigen Schützling gerne diese Bitte und verfolgte seinen Weg von nun an mit Interesse.