Beiträge von Titus Helvetius Geminus

    Geminus freute sich ehrlich wieder einmal einem Familienmitglied zu begegnen. Er genoß zwar das landleben, aber sein ganzes Leben hatte er in Städten verbracht. Außer vielleicht die Sommer. Rom fehlte ihm.


    "Ich freue mich auch Dich zu sehen, Du strahlst das junge Leben aus! Ja, ich kam nicht mehr dazu mein Kommen anzukündigen, ich fuhr sofort los, als ich von den Entwicklungen erfuhr. .... Oh, danke schön."


    Er griff nach dem Becher Wasser und hörte dabei aufmerksam zu.


    "Einen Kaiser ermorden. ich hatte gehofft, dass solche Zeiten nie mehr wiederkehren. Und dann noch seine Frau und Kind, schrecklich. Du hast bereits geopfert? Wohl getan, sehr gut. Potius Vescularius Salinator, ja, von dessen Theateraufführung kommen wir gerade. Auf dessen Namen kommt man sofort, wenn man sich die Frage >cui bono< zu diesen Morden stellt. Mögen uns die Götter gnädig sein, bei dem was jetzt kommt. Die Senatoren kuschen, was anders sollen sie auch tun? Ob dieser Emporkömmling nun der Mörder sein mag oder auch nicht, er wird sicher bald Täter präsentieren um sich zu entlasten. Und ein jeder der patres conscripti will vermeiden dieser Sündenbock zu sein. Ich kenne diesen Salinator auch nicht gut, aber alles, was ich weiß, lässt mich ihn ablehnen. Interessant wird, was die Nobilitas tun wird, die nicht in Roma weilt, insbesondere die mit Kommandogewalt. Die Zeiten könnten sehr unruhig werden, Junge! Wie sollen wir uns positionieren, das ist die Frage ....."


    Ein erneuter Schluck Wasser folgte.


    "Es kommt auf einige Rahmenbedingungen an. Wie wichtig ist unsere Gens noch? Also wie sehr wird der neue Mann unsere Meinung überhaupt wissen wollen? Ich bin nur Senator im Altenteil, vergiss das nicht! Aber wie Du es sagst, wollen sich einige von uns im Cursus Honorum platzieren. Das bedingt sein Wohlwollen. Was bleibt uns also? Gibt es keinen Gegenspieler müssen wir uns arrangieren, sonst wird es schnell gefährlich. Gibt es einen Gegenmann müssten wir Rom verlassen oder versuchen soweit es geht mitzuspielen ohne uns zu belasten. Denn dienen wir uns nun diesem Kerl an und er unterliegt, ziehen wir den Zorn der Nachfolger auf uns. Zunächst sollten wir also abwarten. Ein Glückwunschschreiben an den Palast sollte allerdings nicht schaden. Oder wie siehst Du die Dinge?"


    In dem Moment bemerkte er, dass er nur auf die Politik eingestiegen war und alles andere übergangen hatte.


    "Aviana heiratet? Sie hat aber schnell Anschluss gefunden. Es ist sehr ehrenvoll den Cursus zu beschreiten. Ich wünsche Euch und vor allem Dir viel Erfolg. Ich kann nur hoffen, dass ihr damit Rom und nicht nur einem Ego dienen werdet. "

    Geminus genoss es die Beine ausstrecken zu können. Der Weg hierher war länger gewesen, als gedacht. Vielleicht hatte der Wein der Taverna auch seinen Teil dazu beigetragen. Was stand Rom jetzt nur bevor .....


    Der Senator vergas ganze Episoden seines Lebens und bergeweise Namen und Zusammenhänge, aber seinen eigenen Enkel würde er wohl stets erkennen. Er lächelte breit und aufrichtig.


    "Salve, mein Junge!"


    Er breitet die Arme aus und ließ sich umarmen.


    "Verzeih, dass ich nicht aufstehe, aber wenn ein Mann meines Alters erst einmal sitzt ... setz Dich zu mir! Was gibt es neues in Rom? Außer dem Ende unserer Patrone und des Friedens natürlich ...."


    Geminus hoffte, dass sein Enkel seine grimmige Ehrlichkeit nicht falsch verstand und damit umgehen könnte.

    "Ah, Wilfried, genau."


    Angestrengt versuchte er die genannten Namen einzusortieren, was ihm nur annähernd gelang.


    "Führe mich zu Milo, das wäre mir recht! ... UND besorge eine Erfrischung, Wasser reicht dabei völlig aus."


    Wein hatte er bereits genug genossen.


    "Und das mit den Gemächern wäre sehr aufmerksam!"


    Gute Sklaven. Langsam näherte er sich dem Atrium ....

    Nachdem der Senator ins Atrium gewatschelt war, den Sklaven als Wilfried wiedererkannt haben wollte und die Grünpflanzen für abartig erklärt hatte, ließ er sich auf eine Bank nieder um etwas zu verschnaufen.

    Geminus war überrascht, dass man ihn sogar erkannte. Für ihn war sein letzter Besuch Äonen her. Aber die Zeit war für ihn wohl schneller vergangen als für andere.


    "Salve, salve, ... danke .... wie ich sehe, ist das Haus tatsächlich noch bewohnt ..."

    Am Arm von Dubnus näherte sich Geminus dem Sitz der Helvetier. Noch immer grummelnd über die erlebten Ereignisse in der Stadt. Wenn er schon in der Stadt war, so musste er auch einmal nach der Familia schauen. Und ob das Haus schon in Trümmern lag.


    Mit seinem Gehstock hämmerte er gegen die Pforte.

    "Offizielle Ausrufung der Republik ..... auch damals standen wir vor dem Ende der Gens Ulpia. Doch nun trat jemand auf die Bühne der Politik, der sich bis dato nicht hervorgetan hatte. Mein Freund Lucius Ulpius Iulianus. Ihm sei ewige Ehre, prosit!


    Manchmal frage ich mich, ob er nicht hauptsächlich Kaiser werden wollte, als es dann zu sein. Den Elan, den er hatte die Macht der Ulpia wiederherzustellen, habe ich in späteren Jahren oft vermisst. Er konnte es nicht ertragen, der Mann zu sein, der die Dynastie verlöschen lässt. erinnerst Du Dich an die Anfangszeit? Die Anhängerschaft verschwindend gering, keine Unterstützung, kein Material, fast keine Truppen. Damals in Hispania Occupata. Titus Flavius Vespasianus und Gaius Livius Optus gehörten damals zu den Getreuen. Und trotzdem gelang die Rückeroberung. Gegen die republikanischen Truppen an Rhenus und Danuvius genügte es, dass ein Ulpier gegenüberstand um die Waffen zu strecken. Marcellus Claudius Macrinius wurde die neue rechte praetorianische Faust und ersetzte Moratus nahezu seelenverwandt. Ohne ihn wäre die innere Restauration sicher nicht geglückt. Und als der kaiserliche Adler wieder aufgerichtet stand musste mit der Rückwärtsgewandtheit Schluss sein. Julian und Macrinus taten sich damit sehr schwer. Wären Secundus Claudius Felix und Publius Tiberius Lucidus nicht als gegengewichte gewesen, weiß ich nicht wie es gekommen wäre. Die beiden haben den Gladius beiseite gelegt und aufgebaut. Ohne diese Leistung gäbe es heute gar kein Reich zu regieren. Zunächst hat Julian seine Zeit mit Hochverratsprozessen verbracht. Der arme Kerl kam nie über seinen Hass über den Verrat hinaus. Das hat ihn stets behindert. Was viele auszunutzen wussten, Flavia Messalina Oryxa war darin wohl die perfekteste. Irgendwann zu dieser Zeit gab Julian die Staatsgeschäfte aus der Hand, er wusste einfach irgendwann nichts mehr mit dem Pupur anzufangen, den er so inbrünstig wiedererobert hatte. das war auch der Zeitpunkt wo wir Helvetier uns von der Macht zu lösen begannen. Beziehungsweise als meine Verkalkung begann ..... Julian wusste es würdig zu sterben, mit dem Schwert in der Hand gegen den Feind."


    Über Gaius Ulpius Aelianus Valerianus weiß ich wneig zu sagen, er kam nach meiner Zeit. Doch er begann sehr vielversprechend und war wohlausgewählt. Milder Charakter aber ein guter Führer im Felde. Seine schlechte Gesundheit ..... und daher mangelnde Aufmerksamkeit werden wohl die Zeiten als Marksteine überdauern. Der ulpische Griff an der Macht wurde weich.


    Und nun werden wir nie erfahren, welch ein Kaiser der junge Maioranus geworden wäre. Und ob er es geschafft hätte die Dynastie zu neuer Blühte zu führen. Manches war in meinem Leben fast immer konstant, mein Freund, es gab immer römsiche Bürger, die bereit waren für Rom zu streiten und zu sterben, es gab immer eine Nobilitas, der der Erfolg der Idee von Rom wichtig war und es gab immer einen ulpischen Imperator Caesar Augustus. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Sonne ist untergangen ......"


    Ein weiterer Becher wurde in einem Zug seines Inhaltes beraubt.

    Nur schwer war der Helvetier auf die schmale Bank in der Taverne zu bugsieren gewesen. Dubnus war mit zwei Bechern des hier zu bekommenden besten Weines zurückgekehrt. Er war es gewohnt den endlosen Erinnerungen und Reflektionen des alten Mannes ihm gegenüber zu lauschen. Und er ahnte, dass jetzt ein großer derartiger Schwall bevorstand ....


    "Prosit Dubnus! lass uns anstoßen auf die Gens Ulpia, ihre Leistungen, ihre Wohltaten, ihre Schlachten, ihre Kaiser ... auf Freunde ....... dnd das Ende der ulpischen Dynastie."


    Den Becher erhoben, den Blick in der durch Erinnerung geschwängerten Weite veloren stürzte der Senator den Wein in einem Zug hinunter. Dubnus füllte nach.


    "Wir beide haben große Zeiten und große Männer gekannt, mein lieber Dubnus. Die Gens der Helvetier war immer eng mit der der Ulpier verbunden. da ist es nur folgerichtig, dass wir beide darbend dahinscheiden.


    Nun sind sie alle über den Styx im Elysium gelandet. Marcus Ulpius Traianus, mein erster und ältester Freund unter den Ulpiern. der alte Fuchs wollte immer alles kontrollieren und dabei aber nicht als Kontrolleur auffallen. Sich in Milde sonnen, aber im Extremfall hart zuschlagen. Das hat ihn schizophren werden lassen. Und diese Janusköpfigkeit hätte uns fast das Kaiserreich gekostet. Erinnert Du Dich Dubnus? All diese Republikaner mit ihren hohen moralischen Ansprüchen und Idealen. das Reich wäre nach Monaten zu Staub zerfallen mit diesen Männern an der Spitze. Und trotzdem fehlen sie mir von Zeit zu Zeit. Paulus Pilum Scandia zum Beispiel, er konnte Trajan sein doppeltes Spiel nie verzeihen. Oder Lucius Cornelius Scipio, ich habe nie einen Menschen so unbedarft in hohen Positionen herumtapsen sehen, doch er hatte Erfolg. Titus Livius Cassius, der wohl treuste Diener seines kaiserlichen Herrn, den es je gegeben hat. Auch wenn diese Treue durch die Separation arg gebeutelt wurde. Titus Flavius Vespasianus, einer der treuesten unter den Treuen, ein Guburtshelfer der heutigen Reichs. Decius Fulvius Martialis, dessen Rachehass gegen die Ulpier nie wieder erlöschen konnte. Oder Marcus Livius Drusus, wer könnte den größten Idealisen und idealtypischen Volktribunen je vergessen. Gaius Valerius Moratus, die eiserne rechte Faust der Gens Ulpia, Ehre sei ihm! Die eiserne linke Faust, mein Sohn, hatte auch viel Anteil an den Entwicklungen jener Tage. Ein Gedenken auch ihm, wo immer er sein mag. Damals standen wir am Abgrund, ANTE DIEM III KAL IUN DCCCLIII A.U.C, die kaiserliche Macht zerschlagen, Trajan und Moratus in den Freitod getrieben. Rom verloren, Stunde Null."

    Die Inthronisierung eines neues Kaisers brachte sogar den gebrechlichen Geminus wieder dazu die Reisestiefel auszupacken und in die Urbs Aeterna zu reisen. Ohne seinen getreuen Sklaven Dubnus wäre dies allerdings ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Geminus war mittlerweile durch Alter und Krankheit gezeichnet. Ein arger Husten beutelte ihn und er ging stets gebeugt. Doch derart hochtrabende Ereignisse hatten ihn die Reisestrapazen auf sich nehmen lassen. Nun stand er neben und unter den anderen Zuschauern und begutachtete Zug und Rede des neuen Mannes. Dubnus am Arm konnte er dem Treiben geradeso folgen und die Vorstehenden überschauen. Er betrachtete genau das besondere Vehikel des Purpurträgers und prustete spontan los.


    "Na ... ein primus inter pares wird diese Gestalt jedenfalls nicht!"


    Der Bürger ihm gegenüber musterte ihn abfällig bevor er wieder nach vorne schaute. Dubnus beugte sich herunter zu seinem Herrn.


    "Was ist denn?", quitterite dies der Senator.


    "Herr, wir sprachen doch bereits darüber, dass ihr euch in der Öffentlichkeit nicht derart äußern solltet."


    "Ich habe in meinen Leben stets die Wahrheit gesagt und das egal wer vor mir stand! Und die Wahrheit ist, dass dieser Mann im allerbesten Fall nur sehr sehr viel Geld verschwenden wird. Schau doch nur seinen Wagen an ..... als würde Hades Parade laufen."


    Ein erneuter, noch abfälligerer Blick des Gegenüber.


    "Pah ...... Dubnus, wir gehen."

    Machs gut und alles Gute! Und vor allem vielen Dank für die gemeinsame Zeit hier im Forum und für die Anstrengungen die Helvetia vom klinischen Tod wiederzuerwecken. :)


    Auch wünsche ich Dir viel Glück bei Deinen neuen Aktivitäten in anderen Projekten!


    Als ebenso "altes IR-Eisen" verstehe ich viele Deiner Gründe ziemlich gut und kann den Schritt verstehen. In vielem geht es mir ja ganz genauso.


    Vale und liebe Grüße

    Nachem sich Geminus niedergelassen hatte erkannte er den Mann.


    "Salve Publius Matinius Agrippa!"


    Kurz seufzte der Senator wegen der wohltuenden Wärme.


    "Ja, da hast Du recht. Ich habe mein Heim schon länger nicht mehr wirklich verlassen. Danke der Nachfrage. Es geht mir soweit gut. Und Dir? Was haben Dir die Parzen beschert?"

    Nach einiger Zeit machte sich Geminus auf, wieder einmal in die Thermen des Agrippa zu gehen. Er wollte ein wenig nachdenken, kam er sich in Rom doch etwas fehl am Platze vor.


    Kurz vor dem Caldarium empfing ihn ein Stöhnen, was Skepsis hervorrief, was ihn erwartete. Es erwartete ihn jedoch aussschließlich ein Altersgenosse.


    Fluchs das Bad betretend verkündete der Senator ein freundliches.


    "Salve."

    Sehr interessante Sache das!


    Habe des Prof. D. Lelgemann neulich einmal gehört. Ob das bei mir in der Nähe liegende Waldgirmes das antike Mattiacum war. Abgesehen davon dass D. Lelgemann der Inbegriff des verwirrten Professors ist, war das Thema fesselnd.


    Zumindest an dem Abend war nach dem finalen Verbalduell zwischen Professor und Ausgrabungsleiter klar, dass nichts klar ist.


    Man kann den Mathematikern glauben oder den Archäologen .....

    "Nicht anders habe auch ich ihn kennen und schätzen gelernt."


    Er konnte mit dem Begriff Senator im Ruhestand ganz offensichtlich nichts anfangen. Beziehungsweise wollte dies nicht. Dies kam auf seinen tatsächlichen Auftrag an.


    "Ein Senator, der dies auf dem Papier ist, aber an den tatsächlichen Obliegenheiten des Senates nicht mehr teilnimmt. Dies hat es in unserem Land doch zu allen Zeiten gegeben .... aus verschiedensten Gründen. Alter und Gebrechlichkeit mag der häufigste gewesen sein .... manch anderer verlor die Lust oder den Elan. Wieder andere sahen im Senat keine handlungsfähige Organisation mehr. Und wieder anderen soll diese Abstinenz sogar nahegelegt worden sein."


    Den auf ihn zutreffenden Grund gab er damit nicht an. Er gedachte nicht sich vor einem Boten zu rechtfertigen.

    Geminus hörte aufmerksam zu. Als sein Gegenüber geendet hatte, konnte der Senator gerade noch ein Lachen unterdrücken. es war schon mehr als paradox gerade ihm diese Frage zu stellen. Wo im öffentlichen Leben tauchte er am ehesten auf und wo war sein Engagement am deutlichsten zu erkennen. Dies einen Senator zu fragen, der seit Jahren nicht mehr im Senat erschienen war, der seit Jahren kein öffentliches Amt mehr bekleidet hatte, dessen Einfluss gegen Null ging und den faktisch niemand mehr kannte, war schon mehr als grenzwertig. War das ein Scherz oder war es simpel ein vorgeschobener Grund? Oder rannte dieser Mann mit einer nackten Namensliste herum, auf der schlicht alle standen.


    "Wenn ich es richtig verstanden habe, so bist Du Dominus Quintus Flavius Flaccus. Im Dienste von Purgitius Macer ... allein das sollte deine Integrität belegen. Ich schätze den Consul sehr."


    Geminus wandte sich kurz ab und ging einige Schritte, sich über das Kinn streichend.


    "Mir ist nicht bekannt mit welchem Vorwissen du ausgestattet bist und wie genau du unterwiesen wurdest. Aber ..... man kann mich getrost als einen Senator im Ruhestand bezeichnen."

    Kurz darauf betrat der Senator sein Atrium. Er hatte vergessen, dass er es früher immer sehr gerne gehabt hatte. Er war noch nicht lange genug wieder in Rom, um sich wieder an die Stadt und sein Haus gewöhnt zu haben.


    Er hätte nicht gedacht, dass jemandem seine Wiederkehr so schnell, oder überhaupt auffallen würde. Besuch hatte er wirklich nicht erwartet. Geminus war sehr gespannt darauf, den Grund zu erfahren.


    "Salve, mein Freund, womit kann ich dienen?"


    Der Mann betrachtete gerade die leider etwas ungepflegte Flora des Empfangsbereichs und drehte sich um, als der Senator ihn begrüßte.