Beiträge von Titus Helvetius Geminus

    "Wir haben darüber ja bereits geredet. Und da Du Dir so sicher damit bist und es so sehr möchtest ..."


    Der Cultus Deorum war nie wirklich Geminus' Sache gewesen. In seinem Leben hatte er immer mehr nach weltlichen Dinge gestrebt und stand mit beiden Beinen im diesseitigen Leben.


    "... also werde ich Dir das Schreiben aufsetzen."


    Der Senator begann in seinen Sachen zu wühlen. Es war schon länger her, dass er hier gewesen war. Doch schließlich hatte er alles gefunden. Nach kurzer Arbeit, reichte er seiner Tochter das Blatt.


    Pater Conscriptus
    Titus Helvetius Geminus


    -Genehmigung-


    Salve,


    Hiermit gestatte ich meiner Tochter Helvetia Aviana im Cultus Deorum in den Dienst der Virgines Vestales einzutreten und der Göttin Vesta zu dienen.


    Vale,


    Titus Helvetius Geminus


    "Das klingt emotionslos. Aber wohl zutreffend. Dieser Karrierecursus ... ist der weibliche Normalweg, das stimmt. Es sei denn man widmet sich den Göttern."


    Wobei Gemuns das ehrlich gesagt, als eine Verschwendung ansah. Frauen, die diesen Weg gingen, wurden entweder von der familie abgeschoben und konnten auch unter größter Anstrengung nicht verheiratet werden. Und diese stets grantigen Weiber traten dann für Roms Volk mit den Göttern in Kontakt .... kein Wunden, dass diese betrübt waren und zürnten ...


    Titus musste leicht schmunzeln.


    "Kaiserin? Oh, das stellt man sich leichter vor, als es ist, glaube ich ..."


    Er hatte noch keine Kaiserin gekannt, die ihr Dasein als Gattin des Pupurträgers nicht zu einem wandelnden Geist hatte werden lassen.
    Gegenüber seiner Tochter, blieb er dabei aber lieber scherzhaft.


    "... seit wann hast Du denn diese Ambitionen? Der Kaiser ist glücklich verheiratet oder planst Du eine eigene Dynastie?"


    Nun lächelte er breiter.


    "In der der Helvetia gab es schon so manche ergeizige Planung, aber damit würdest Du sogar Falco überholen."


    Es war lange her, dass er ihn erwähnt hatte.


    „Was ich für Dich sehe? Ich würde Dich niemals in eine Richtung drängen! Bereits einmal in Deinem Leben, habe ich durch eine Entscheidung alles verändert. Das tue ich nicht nocheinmal. Daher frage ich nach Deinen Wünschen."


    Er seufzte und sah zum Horizont.


    "Und ich fürchte, dass Deine Wünsche, egal wie sie aussehen mögen .... hier nicht zu erfüllen sein werden ..."

    Auch er schaute hinauf zum Himmel.


    "Auch mich hat in all den Jahren vieles an Deine Mutter erinnert ..."


    ... er machte eine Pause und sog langsam und lange die Luft ein ...


    "... und auch ich vermisse sie."


    Der Senator hörte ihr genau zu. Und dann kam sein Stichwort gerade zu auf einem goldenen Tablett ... auch nicht vor meiner Zukunft ...


    "Was erwartest Du Dir von Deiner Zukunft, mein Kind? Was erhoffst Du Dir?"


    Er erinnerte sich an seine eigenen Hoffnungen für sein Leben. Zunächst war er mehr oder minder dahingeplätschert. Bis die beiden Ulpier sein Leben betraten. Der alte Trajan hatte ihn mit seinem Pioniergeist angesteckt. Es gab soviel zu tun, soviel zu regeln und aufzubauen. Nach dem donnernden Ende der Flavierdynastie, hatte Nerva weder die Jugend, noch den Elan Rom wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Doch er vollbrachte trotzdem eine wahrlich große Tat. Er adoptierte Trajan und segene die Römer dadurch mit dessen Herrschaft. Die Zeit war berauschend gewesen. Ideen beflügelten ganze Provinzen und tausende an Menschen. Dann war das republikanische Desaster über Rom gekommen und hatte den großen Trajan zunächst zerstört und dann dahingerafft. Zu dieser Zeit hatte Geminus die Agonie kennengelernt. Alles schien umsonst gewesen zu sein, alles fiel in Trümmer. Doch Julian hatte ihm neue Inspiration gegeben. Wie sein Vater, hatte er es geschafft Geminus Tatendrang zu befeuern. Es galt das Kaiserreich wiederzuerlangen, Volk und Reich vor der destruktiven Zersplitterung zu bewahren. Koste es, was es wollte. Nach dem Sieg, der Vernarbung der Wunden und der Abrechnung mit dem Gegner, war erneut eine Zeit des Aufbruchs heraufgezogen. Geminus konnte nicht einmal sagen, wann ihn dieser neue Elan eigentlich verlassen hatte .....


    Kopfschüttelnd erinnerte er sich der Gegenwart von Aviana.


    Er spürte viel seiner einstigen Aufbruchsstimmung in ihr. Als Frau konnte sie viele der Wege, die ihm offen standen nicht gehen. Aber er wusste, dass sie der Welt etwas zu geben hatte. Und er durfte dies nicht verhindern. Sie hatte ohne seine Hilfe der Mensch werden können, der jetzt vor ihm stand. Nun war es seine Pflicht, heute alles zu tun, um dieser Lebenschance Raum zu verschaffen und Wege zu bereiten.


    Er lächelte gütig.

    "Einen guten Morgen auch Dir!"


    Geminus genoss das morgendliche Begrüßungritual mehr, als er offen zugab. Aufmerksamkeit und Zuwendung war er nicht mehr gewohnt, doch den Weg ... den viele andere Greise gingen ... in mürrische Abkapselung, wollte er nicht gehen.


    "Ja, die Götter scheinen besorgt zu sein ..."


    Schon sehr lange hatte er seine Stimme nicht mehr an die Götter gerichtet. Außer vielleicht an einen, einen alten Freund, dessen Gesellschaft er sehr vermisste. Ein Mann, dessen irdische Macht ihn nicht korrumpieren konnte, musste auch unter den Göttern Beachtung finden.


    Eigentlich hatte er nicht sonderlich gut geschlafen, denn seine Grübeleien belasteten seine Nächte. Die Vertrautheit mit seiner Tochter verwunderte ihn tief, denn er kannte sie eigentlich ja überhaupt nicht. Ihre Leben waren getrennt von einander abgelaufen. Ohne Berührungspunkte oder Informationen. Doch als sie in Misenum ankam, hatte er das Gefühl sie zu kennen, ein eigentlich grundlagenloses Verstehen seines Gegenübers. In seinem Leben war ihm das bislang erst einmal passiert und das war Avianas Mutter gewesen. Dieser besondere Funke, schien auf die Tochter übergegangen zu sein und das beeindruckte den ergrauten Politiker sehr. Er hatte stets gedacht diese Aura nie wieder im Leben zu verspüren. Und diese Aura war der Quell eines Drangs nach Leben. Und diesen Quell konnte er hier nicht in Stein fassen und verkümmern lassen ...


    "An was hast Du gedacht, als Du den Wolken bei ihren Zügen zusahst?"

    Geminus näherte sich seiner Tochter behutsam, sog die frische Luft in seine Lungen und betrachtete das junge Leben im Gras. Er hatte schon oft in letzter Zeit über sie nachgedacht. Das zur Folge hatte, dass er noch nachdenklicher und verschlossener wirken musste, als ohnehin schon. Er hatte dieses Exil gewählt. Weit ab von Rom, von Aufgaben, die seiner nicht mehr bedurften, von Entwicklungen, die er nicht mehr verstand und die ihn nicht mehr betrafen. Er hatte sich diese Enklave der melancholischen Sicht auf die Vergangenheit als Ausklang seines Lebens ausgesucht. Er hatte das Leben gesehen, seinen Teil an Macht, Ehre und Ruhm gehabt. Rom brauchte ihn nicht mehr, kein Kaiser forderte ihn mehr, kein Senat bedurfte mehr seiner "Weisheiten" und keine Familie war mehr da, die Untertützung oder Rat gebraucht hätte. Zu diesen Einsichten, war es ein weiter Weg für ihn gewesen. Er wollte seinen Entschluss durch seinen Wohnsitz hier verfestigen und besiegeln. Und hatte damit recht behalten. Niemand suchte ihn hier auf oder hatte Interesse an einem Kontakt. Außer vielleicht dieser eine Soldat im Ort, doch das war Zufall gewesen. Ein melancholiegeschwängertes Rückschauen und paradelaufen mit Vergessenem und Vergangenem. In dem Moment berauschend und belebend. Der Wein tat seinen Teil dafür. Doch Ernüchterung ... und Kater .... holten einen bald wieder ein.


    Und dann war Aviana in sein Leben getreten. Oder besser, hatte überhaupt Leben in sein Dasein gebracht. Und waren alle mühsam errungenen Klarheiten wieder in frage gestellt. Sie war auf ihn angewiesen, konnte nicht allein existieren. Er machte somit seine Wahl zu ihrer. Und damit haderte der Senator. Er war zum Sterben hierher gekommen. Sie zum Leben. Wie konnte er ihr dieses Gefängnis, diese Verwahranstalt des Lebenszeitabsitzens und Sinnierens aufzwingen? War das ein Verbrechen? hatte sie nicht mehr, nicht besseres verdient?


    Allein kam er zu keiner Lösung, daher hatte der alte Mann endlich beschlossen seine Tochter in diese Gedanken einzuweihen und ihre Ansichten zu erfahren. Dabei wollte er allerdings behutsam vorgehen.


    "So früh schon auf den Beinen?"

    "Das sehe ich ganz genauso! Geschichte muss für die Nachwelt aufgeschrieben werden, sonst gerät sie ganz in Vergessenheit. Und der Kampf um unser Imperium gegen die Zersetzer von innen ist fast vergessen. Und historisches Vergesssen, begünstigt eine Wiederholung der Ereignisse. Daher will ich als Zeuge, dies alles verschriftlichen. Denn sonst fühlt sich keiner berufen. Und eigentlich kann auch kein anderer berufen werden. Ich muss also auf diesen Ruf hören."


    Er hielt kurz inne.


    "Oh, ich hoffe, dass man daraus seine Lehren zieht und Feinde des Staates schneller erkennt und energischer bekämpft. Aber ein Utopist bin ich auch nicht. Was man nicht selber erlebt hat, das fürchtet man auch nicht. Aber jeden, den ich damit zu etwas mehr Wachsamkeit bekomme, ist ein Gewinn.


    Ja, die Wege der Götter sind unergründlich."


    Geminus erhob seinen Becher ebenso.


    "Wahre Worte. Wobei das Reden einmal mehr meine Passion war, als heute. Aber so ist es nunmal, Zeiten kommen und Zeiten gehen und mit ihnen die Menschen, die sie prägten. Genau wie bei der Garde, ja, befeheln und gehorchen ...."


    Geminus nahm einen Schluck.


    "... aber Du hast das Brüllen vergessen!"


    Jetzt lachte er schallend.


    Entweder konnte der Mann keine klaren Aussagen machen oder er war bravorös geschult worden rhetorisch Fragen auszuweichen. Frageanlauf gescheitert.


    "Ja, da hast Du wohl recht.


    Das ist auch wahr, das stimmt. Manchmal bewiesen diese Männer ihre Größe indem sie den ausgetretenen Pfad verließen. Und Konventionen brachen, man erinnere sich nur an den Rubicon. Und gerade diese Männer, gaben Rom oft frischen Wind, neue Richtungen und Ideale, die sich letztlich als heilsam erwiesen. Ich wünsche jedem von uns die Kraft solche Männer von falschen Verkündern unterscheiden zu können."

    "Es freut mich sehr zu hören, dass ich trotzdem wohl Teil Deines Lebens war. zumindest, dass Du meiner bewusst warst. Das war nicht selbstverständlich."


    Geminus musste Lachen, was er nur schwer unterdrücken konnte.


    "Dir war langweilig in Deinem bisherigen Leben. Das verstehe ich, wenn das junge Leben nach größeren Taten und der weiten Welt hungert. Aber, dass Du diese gesuchte Spannung, Abwechslung und Erfüllung bei mir uralten verdorrten Traube suchst, das verstehe ich nicht so ganz."


    Noch immer musste er schmunzeln, aber man merkte deutlich, dass sein Lachen freundlcih und gütig gemeint war.


    "Aber versteh mich nicht falsch. Ich freue mich, dass Dich dieses Abenteuer zu mir führt. Denn auch ich habe Dich nicht vergessen und mich oft gefragt, was für ein Mensch Du wurdest. Dieses letzte Geschenk durfte ich nun empfangen."

    "Furcht hatte sich bislang noch vor keinem Bacchanal, da mögen die Götter vor stehen. Wir werden sehen, wer mehr in Übung ist."


    Lachte der Senator.


    "Das mag sein, dass Dich mir die Götter gesandt haben. Ich brauche die Rollen und gerade diese für meine Arbeit. Ich will schreiben ... und bin auch dabei .... über die Regierungszeiten von Trajan und Julian. Im besonderen über die dacerkriege Trajans und die Zeit der republikanischen Revolte und die Wiedererrichtung der ulpischen Macht.


    Erneut hob er zuprostend den Becher.


    "Dann sollten wir gut zusammen trinken können, denn mich macht der Wein eher zum Schwätzer denn zum Zuhörer!"


    Geminus tat etwas beduselter als er in Wirklichkeit bereits erst war. Damit wollte er für die kommende Antwort maximale Offenheit beim Gegenüber begünstigen. Der Mann schien Geminus' Ansichten weitgehend zu teilen. Ging sogar noch einen Tickn weiter, in dem er dem Senat offen die Funktion zusprach den Kaiser zu lenken, anzuweisen und zu formen. Ob nur Theorie oder bloße Schmeichelung für das senatorische Ego, der Mann gefiel ihm. Gemins entschloß sich ein anderes heikles Feld vorzubereiten.


    "Ich danke Dir, doch trotzdem steht der Senat treu zu Rom und Kaisertum. Zumindest tat er das zu meiner Zeit. Es führt, wer am besten geeignet ist, wahr gesprochen. Und die ulpische Linie hat viel Glück mit solchen Sprossen. Der gute Trajan war bereits außergewöhnlich, er ging weit vor seiner Zeit. Tragisch .... und böswillig. Und Julian war die bislang größte Zierde des Hauses. Von Valerian kann ich nicht viel sagen ..."


    Geminus tat nachdenklich, aber völlig neutral im Plauderton.


    "... man hat so wenig zum Bilden einer Meinung. Er erscheint wenig präsent. Was natürlich viel mit seiner Krankheit zusammenhängen dürfte. Auch das ist sehr tragisch. Aber solang es kraftvolle Helfer für ihn gibt, die in seinem Sinne agieren .... wie den Praefectus Urbi."


    Ob er einen der Salinatores vor sich hatte. Einen Anhänger des aufstrebenden kaiserlichen Krückstocks?


    "Dann sind wir uns einig. Der Eid und die Treue zum Kaiser sind heilig. Doch heiliger ist die Treue zu Rom. Und sollte sich dies einmal widersprechen, so ist man berufen Rom zu schützen. Mit den nötigen Mitteln."


    Wenn der Gardist auch das noch durchgehen ließ, dann war er der freidenkendste Praetorianer, dem er je begegnet war.

    Geminus hatte Freude daran mit ihr zu reden. Vielleicht lag das daran, dass er Familie so lange vermisst hatte. Wie sehr, wurde ihm erst jetzt bewusst. Aber er rief sich zur Ordnung, er konnte sich nicht zu sehr an sie gewöhnen, bevor er nicht wusste, was sie eigentlich wollte und vor hatte.


    "Du möchtest mir beim Zeit erfüllen helfen? Du möchtest also länger bleiben?"


    Geminus merkte, dass diesem Teil des Gespräches erst einmal ein anderer vorgehen musste. Er wusste ja gar nichts, was führte sie jetzt her, was wollte sie, erwartete sie von ihm. Warum ging sie weg, von wo sie kam?


    "Bitte setzt Dich doch erst einmal."


    Er bot ihr einen Platz im Atrium an, an dem Platz, wo er immer mit Dubnus saß. Er blickte kurz zu Tullia, diese erkannte sofort den Sinn seines Blickes. Er war sich seiner Unhöflichkeit bewusst geworden, sie nicht ins Gespräch einbezogen oder sie nur begrüßt und gefragt zu haben, wer sie denn überhaupt sei. Tullia winkte ab, lächelte und trat einige Schritte zurück. Also eine Sklavin und noch dazu eine wohl ausgesuchte. Geminus lächelte kurz zurück.


    "Möchtest Du etwas trinken nach der Reise?"


    Sprachs und winkte Dubnus bereits entsprechend zu ohne eine Antwort abzuwarten. Aviana dachte wohl ähnlich und began von alleine.


    "Und vorausgeschickt habe ich vor Allem deshalb nichts, weil der Aufbruch von einem Moment auf den Nächsten erfolgte. Allzuviele Schiffe segeln dieser Jahreszeit nicht, das Meer ist ja recht launisch. So habe ich die nächstmögliche Variante genutzt und bin mit Tullia und Kartos aufgebrochen!"


    Aufbruch Hals über Kopf?


    "Der letztendliche Aufbruch erfolgte als Mutter starb. Sie.. auch sie sagte und betonte immer wieder wie froh sie war, mich geschenkt zu bekommen. Sie hat mich auch niemals belogen was dich anging, wenngleich ich auch erst später von dir erfahren habe."


    Decria Priscilla war gestorben. Das belastete den Senator trotz all der Jahre merklich. Was vorallem daran lag, dass er die Zweisamkeit mit ihr nie wirklich ausleben durfte, daher war seine Erinnerung an ihre Zeit sehr frisch.


    "Das tut mir sehr leid. Ein harter Schlag. Das klingt nach ihr, ja, Ehrlichkeit und Offenheit waren ihr immer sehr wichtig."


    Ein Grund, warum er sie einmal sehr geliebt hatte. Er blieb einige Augenblicke still sitzen ehe er erneut sprach.


    "Warum hat Dich das zum Aufbruch gezwungen?"


    Er war sich noch nicht ganz klar darüber, warum sie so abrupt ihre Heimat und gewohnte Umgebnung aufgegeben hatte. Sie musste dort doch Freunde und Häuslichkeit haben. Was ihr eigentlich tröstlicher hätte sein sollen, als ein Fremder Mann über dem Meer.

    Das Schankmädchen und sein Gegenüber schienen sich wohl schon angefreundet zu haben. Ein Sport, für den er schon seit längerem den Sinn verloren hatte.


    "Möge Bacchus uns hold sein, aber Du trinkst mit einem alten Mann, viel vertrage ich so oder so nicht mehr. Das ist löblich, als Soldat sollte man stets einen klaren Kopf haben. Zumindest wenn man Gefahr nicht ausschließen kann. Dieses Glück hatte ich ja grade erst mit Dir und unserem jungen Freund eben!"


    Geminus nahm den Becher in Empfang.


    "Ich danke Dir. Das wünsche ich mir auch. Wobei Du hier einen Politiker erwischt hast und möglicherweise könntest Du dem Zuhören bald überdrüssig werden. Prosit!"


    Sprachs, lachte und trank.


    "Der Wein ist ganz gut. Scheint mir ein junger Caecuber oder Lucaner zu sein. Genau, in der Truppe bewährt sich das System des Befehlshabers sein unendlichen Zeiten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dies auf den Staat als ganzes überging, wenn Du mich fragst. Es gibt einige große Vorteile in diesem System. Einer entshceidet, wie Du sagst, man muss nur einen überzeugen oder nur auf einen hören. Was dieser sagt gilt und kann sofort umgesetzt werden. Man verliert nicht unnötig Zeit. daher ist es im Heer ja so, man braucht schnelle Order, nicht lange Diskussion. Warum sollte der Staat diese Zeit haben? Und nicht ebenso schnell und effizient funktionieren. Ein Mann, ein Wort, das ist der Kernvorteil."


    Geminus entschied sich, vielleicht sich durch den Wein auf Milde berufbarmachend, zu dem spitzen Gegenpart.


    "... jedoch bringt dies auch Probleme mit sich. Der Staat funktioniert vortrefflich, wenn der Lenker an der Spitze der beste Mann ist. Keine Zeit geht verloren und seine heilsamen Entscheidungen kommen ungebrochen zur Geltung. Doch wie finde ich diesen Mann? Und wer sollte das Recht dazu haben, diesen zu finden und zu küren? Wäre es noch der beste Mann, wenn es eine Institution gäbe, die dies dürfte? Sie ständen unter kolossalem Druck von außen und innen und welche Kriterien auch gefunden wären, es wäre schwer für sie, diese neutral anzuwenden. Um nicht zu sagen unmöglich. Und was wäre, wenn der Mann an der Spitze nicht mehr der beste Mann wäre, sonderen es einen bessseren gäbe? Wäre der Aktuelle mit all seiner Macht je bereit den Neuen zuzulassen und seinen Platz zu räumen? Diese Stärke, so es eine wäre, hätten nicht viele. Und was wäre, wenn, wie auch immer, jemand diese Stelle erlangt hätte, der ungeeignet dafür ist? Fragt sich wieder, wer und wie man das wieder ändern könnte."


    Geminus trank erneut, sah den Gardisten unauffällig über den Becherrand aber genau an. So konnte er im besten Fall gleich zwei Fragen klären. Zum einen, ob der Iulier blinder Befehlsempfänger war, denn Titus Worte waren waren äußerst kühn gewesen, oder ob er grundsätzlich einen freien Geist hatte. Weiter
    erfuhr er eventuell etwas über die Loyalitäten des Mannes. Stand er loyal zum Kaiser, wer immer das war und wie er dazu kam, oder hatte er ein Gewissen.


    "Wie dem auch sei, Du siehst, dass in einem solchen, zwar denkbaren Ablauf, viel zu viele Ungewissheiten und gar einige Unmöglichkeiten stecken. Daher ist unser System wohl noch das aussichtsreichste. Wir haben einen Kaiser, der uns gut regiert und überlassen diesem bewiesenermaßen guten Anführer selbst die Wahl des nächsten nach ihm und den Zeitpunkt, wann dies soweit ist. Ob er diesen nun selber zeugt und in seinem Geiste erzieht oder von außen erwählt."


    Waffen erhalten den Frieden, dem war so. Waffen konnten aber auch den Willen erhalten. Dessen, der sie hatte und kontrollierte.

    Zunächst war sich Geminus ihrer Reaktion nicht gewiss. Sie hauchte seinen Namen. Und verlore darauf merklich an Farbe. Schock oder aufkeimende Wut, vorbereitet durch emotionale Überreitzung, konnten sich durchaus so vorbereiten. Daher verhielt sich der Helvetier zunächst abwartend.


    Sie freute sich ebenso, hatte sogar lange auf diesen Moment gewartet? Nein .... sie hasste ihn nicht, sie hatte sich nach ihm gesehnt. Die Erkenntnis traf ihn unverhofft. Er versuchte seine Gedanken zunächst zu sortieren.


    "Nein, Du kommst nicht ungelegen. Sogar ganz und gar nicht, ich habe mehr als Zeit, als ich ausfüllen kann!"


    Versuchte er eine ungezwungene Erwiderung.


    "Ich kann Dich schon verstehen, dass Du keine Vorwarnung voraus geschickt hast. Denn genau wie ich jetzt, triffst Du das Ungewisse. Ja, ich erinnere mich an Dich. An den absolten Willen Deiner Mutter, Dich zur Welt zu bringen und an ihre Freude über Dich, bevor sie Dich überhaupt je gesehen hatte."


    In dem Lächeln auf ihrem Gesicht, konnte er sich verlieren. Es ähnelte sehr ihrer Mutter. Er empfand den tiefen Wuinsch zu verhindern, dass diesem Menschen Leid widerfuhr.

    "Ja, von Caesar, kann so mancher, manches lernen. Völlig richtig, die Gunst Fortunas, hat noch niemandem geschadet."


    Geminus lächelte erfreut.


    "Gut, dann sind wir uns wieder einig. Wechseln wir mit der Zweche, bis uns der Durst ausgeht oder der Wein zur Neige geht!"


    Geminus vertrug zwar bei weitem nicht mehr so viel wie früher, aber das Ergeben in einen Segen und Vergessen bringenden Rausch, erschien ihm auf einmal mehr als verlockend.


    "Da magst Du recht haben. Im Pantheon herrscht alleinig Iupiter und kein rat der Götter und Halbgötter, wo jeder einen Standpunkt vertritt, bis jeder Gedanke völlig verredet wurde."


    Irgendwie war ihm, als hätte er den Senat beschrieben. Dies aber gar nicht so gemeint.


    Bei Gefahr jedes Mittel einsetzen würdest? Lehrstunden in Rhetorik. Was ist Gefahr. Das unmittelbare Eintreten eines Schadens, bei ungehindertem Ablauf der Ereignisse. Doch war dieser Zeitpunkt für ihn erkennbar? Und welches Mittel? Die Karriere, der Ruf, die Familie, das Leben? In letzter Konsequenz konnten Prinzipien sehr teuer werden. Geminus blieb diplomatisch.


    Lass uns einfach hoffen, dass es nie nötig wird, eine derartige Entscheidung zu treffen. Das äußerste geben zu müssen, um seinen Prinzipien treu zu bleiben. Oh, es kann durchaus auch Senatoren geben, deren Zeit sie selbst überlebt hat!"


    Geminus dachte nicht wirklich, dass seine Abreise oder sein Fehlen in Rom irgendjemanden interessierte.

    Geminus hatte sich eine kurze Weile Dubnus Verschwörungstheorien angehört. War währenddessen aber selber still geworden und grübelte selber nach. Über anderes, als sein Gegenüber vermutete. Helvetia Aviana war dabei das finale Stichwort. Als er es vernommen hatte, schickte er den alten Dubnus weg. Nicht ohne ihm gedankt und ihm deutlich versichtert zu haben, dass keine Gefahr bestehe. Bis eben hatte Geminus gegrübelt, ob der den Dacischen oder den Restaurationskrieg zuerst literarisch aufarbeiten sollte. Doch ein ganz persönliches Schlachtfeld anderer Art rief ihn ganz offensichtlich zu einer unerwartet neuen Runde. Er legte seine Unterlagen beiseite und ging ins Haus zurück.


    Helvetia Aviana. Der Name war ihm, im Gegensatz zu seinem exilierten Mitstreiter nicht unbekannt. Nur das dazu passende Gesicht, kannte auch er nicht. Lange war es her, dass er sich über diese Dinge Gedanken gemacht hatte. Die Mutter des Mädchens und er, waren sich damals einig gewesen, dass der unvermeidliche Skandal, den ihre Liebe und die daraus entstandene Frucht, vielen Menschen nur Leid bringen würde. Deswegen waren die beiden nach Hispania gegangen, in die Nähe von Valentia, zu nahen Verwandte. Den beiden sollte es an nichts fehlen und er hatte auch rechtlich dafür gesorgt, dass seine Tochter nicht vaterlos blieb. Doch ein rechtlicher Vater ersetzt keinen tatsächlichen.


    Er näherte sich dem Licht des Atriums. Er näherte isch den beiden Frauen. Und erkannte sofort die Mutter im Gesicht ihres Kindes. Mit welchen Gefühlen und welchem Anliegen, war sie nach so langer Zeit wohl zu ihm gekommen? Er würde zunächst behutsam vorgehen, denn er könnte es gut verstehen, wenn sie ihn hasste.


    "Aviana. Ich hätte nicht gedacht, Dich jemals kennenzulernen. Doch nun da es so ist ..... freue ich mich."

    Zeiten ändern sich. ;)


    Momentan nehme ich (damals unerwartet) den Wiederaufbau der Gens Helvetia in Angriff. In Anbetracht der Tatsache, dass Du schon recht lange wartest und ursprünglich bei uns gefragt hast. Daher biete ich Dir an, nun doch ein Helvetier zu werden, wenn Du noch Lust dazu hast. :)


    Vale, Titus


    Ein familiärer Besuch. Also nicht verhört. Vielleicht irgendeine entfernt Verwandte? Zumindest reichte das Dubnus soweit. Er würde die beiden dem Senator vorführen. Er wollte sich schon wegdrehen und die Türe freigeben, da ergriff das junge Mädchen das Wort.


    Geminus ist ihr Vater? Dubnus musste ersteinmal schlucken. Das erschien ihm wenig wahrscheinlich. Sein Verdacht nach einem Gaunerstück stieg wieder deutlich an. Er spähte wieder zu dem Nubier hinüber, der weiterhin unauffällig über die Nüstern des Pferdes strich. Er würde sie hineinbitten und den Senator entscheiden lassen, wie diese Tragödie ausgehen würde. Und wachsam bleiben ...


    "Dann darf ich Euch herein bitten!"


    Er drehte sich weg und machte die Türe somit einladend weit auf.


    "Folgt mir ins Atrium."


    Durch den Eingangsbereich hindurch, folgten ihm die beiden ins Atrium. Dort wies er auf eine Bank und verschwand tiefer im Haus.


    Dubnus hatte den Wagen bereits kommen gehört. Wenn draußen jemand zu hören war, dann kam dieser auch zu diesem Haus, denn sonst war in weitem Umkreis nichts anderes. Er öffnete die Türe und die Besucher waren bereits heran. Der Mann begutachtete die Bittsteller. Er diente einer Familie, die früher kaiserliche Familie und Freunde zu Gast gehabt hatte, Senatoren in ihren Reihen wusste, ebenso wie Gardepraefecten. Dubnus roch geafhr und er war es lange gewohnt sie zu erkennen. Und irgendetwas knisterte hier. Aber er konnte es trotzdem nicht einordnen. Ein Nubier. Stand völlig ruhig da, viele Schritt entfernt, versteckte nichts, kümmerte sich nur um das Pferd. Sonst niemand zu sehen. Außer den zwei Frauen natürlich, doch die hatte er bereits als Mindergefahr zurückgestellt und widmete sich diesen erst jetzt. Eine voraus und eine ein wenig dahinter. Nach Kleidung Herrin und Sklavin oder Untergebene. Als die erste heran war, hob der Freigelassene den Blick.


    ... Helvetia Aviana? Dubnus war sich sicher, dasss Geminus stets gesagt hatte, dass es keine Helvetier mehr gäbe. Alle seien tot oder vermisst. Oder beides, wie wahrscheinlich bei Falco der Fall. Wer war aber nun diese Person, die da hinter der ersten herankam. Geminus war allem aufegschlossen, einfach wegschicken würde Dubnus den Besuch nicht.


    "Seid auch ihr mir gegrüßt. Der Senator ist gerade aus Misenum zurückgekehrt und ist im Garten, hinter dem Haupthaus. Ich melde ihm ... Helvetia Aviana ..., wenn ich richtig verstanden habe? Welchen Anliegen soll ihm weitergeben?"


    Ein wenig tiefer bohren, war ratsam.

    Sim-Off:

    So, schriftlicher Teil der Prüfung endlich durch. Mündlich erst 28.05..



    Der Julier wartete zu recht mit den Taten seines wakeren Ahnherren auf.


    "Iulius Caesar hatte es ebenso verstanden, die anderen wichtigen Ansatzpunkte zu erkennen, die es zu beachten galt, wollte man einen Gegner wirklich besiegen. Eine bloße Übermacht reicht bei weitem nicht immer aus. Und wiegt in Sicherheit, die tückisch sein kann. Caesar verfügte über diesen Sinn, für weitere ... Möglichkeiten. Er erkannte den Wert von Wissen über den Gegner, Vorhandensein weiterer guter Führer im eigenen Lager, dann das Erkennen und Loyalhalten dieser Männer, den Wert von Verbündeten und Verhandlungen im Vorfeld einer direkten Konfrontation, den Wert der Moral der eigenen Truppe und die Möglichkeiten diese anzufeuern und vor allem das Können, die Schlacht dort und dann stattfinden zu lassen, wenn es einem selber am besten passte. Darin war er ein Meister. Und er hatte in unseren römischen Zeiten viele gelehrige Schüler, aber nicht viele erreichten seinen Grad der Feldherrenkunst."


    Ja, der Wetteifer und Spott zwischen den Truppengattungen, und sogar innerhalb derer. Als Ansporn förderlich, doch bei Überhandnehmen gefährlich.


    "Die Infanterie erscheint als einfacherer Weg, das glaube ich sofort. Doch letztlich kommt es darauf an, zum richtigen Zeitpunkt das richtige zu tun. .... und vielleicht auch vom Richtigen dabei gesehen zu werden."


    Er lachte und prostete seinem Gegenüber zu.


    "ich könnte sogar sehr gerne einen vertragen! Doch dachte ich, dass ich Dich eingeladen hätte!"


    Erwiderte der Senator freundlich.


    "Bier? Mögen die Götter und davor bewahren!"


    Lachte der alte Mann, einmal hatte er das Zeug probiert und danach nie wieder.


    "Nun gut, viele Entwicklungen standen damals auf Messers Schneide. Niemand konnte wissen wohin sich Rom bewegen und wer obsiegen würde. Aber das Reich blieb weiter stark, ein äußerer Feind hätte entscheidend sein können, aber selber und auf eigene Rechnung nicht gewinnen können."


    Geminus grübelte ein wenig.


    "Was mich damals hat handeln lassen, waren meine Überzeugungen. Und diese stehen nach wie vor. Kaisertreue aber vor allem Treue zur Gens Ulpia. Doch wie ich damals handelte, könnte ich heute schwerlich handeln. Ich bin alt und habe beinahe jeden Einfluss eingebüßt und verwirkt. Diese Möglichkeiten hätte ich gar nicht mehr. ..... aber die Republikaner haben, dank kaiserlichen Soldaten unter dem Banner des Skorpions, wie Dich hier, auch keine Chancen mehr dazu, mich in eine solche Situation erneut zu bringen."