Beiträge von Narrator Aegypti

    „Gut! Könnte zwar noch besser sein, aber ich will...“, quäkte einer der XXIII Mann sofort als Antwort und verstummte hastig, als er des frostigen Schweigens um sich gewahr wurde. Etliche Augenpaare starrten Timokrates entgegen. Etwas entgeistert schienen ihn die Männer anzuschauen als ob sie eine Medusa vor sich sehen würden. Doch die würdevolle Abneigung, die XIX von ihnen ausstrahlten, wurde durch das Gekichere von drei Männern des 'ehrwürdigen' Kreises jäh unterbrochen. Auf drei Hockern saßen die drei kleine Hutzelmännchen, von denen diese Erheiterung auszugehen schien, zumindest schienen sie fast nur noch aus Haut, Knochen, Runzeln und viel schwarzem Stoff und sehr seltsamen Hüten zu bestehen. Alle drei steckten die Köpfe zusammen, ab und an drang einer der Wörter wie: „Bahal“, „Nabal“ oder auch mal „Ganav“ bis zum Eingang. Als dann „Dorscht!“, ertönte, nickten alle drei eifrig und richteten sich auf. Der scheinbar Älteste von den Dreien, er muss wahrlich die 80 Lenze weit überschritten haben, wackelte leicht mit seinem ausgedünnten, aber doch Brustlangen weißen Bart hin und her, der bei jeder Bewegung sanft erzitterte. „Schalom, Chaver. Du musst Dich an der Tür geirrt haben.“ Die Zwei neben ihm glucksten heiter wie kleine Mädchen und starrten Timokrates vergnügt an. „Hier ist weder ein Gasthaus, noch ein Barbier, noch ein Circus, Chaver.“

    Im Gebäude gegenüber der großen Synagoge tagt der Sanhedrin, oft auch griechisch Synedrion genannt, ist die Ratsversammlung der jüdischen Gemeinde Alexandrias. Der Sanhedrin besitzt eine weitgehende Autonomie in Fragen der Religion, der Gemeindeverwaltung und der Diskussion einfacher Rechtsfragen. Administrativ ist er jedoch der Polis Alexandreia, politisch, rechtlich und religiös dem Praefectus Aegypti unterstellt.


    Der Sanhedrin wird von einen Ethniarchos geleitet und besteht aus den 23 Oberhäuptern der wichtigsten hebräischen Familien Alexandrias, eine aristokratische Schicht, die sich auf verwandtschaftliche Verbindungen mit den Hasmodäern, dem Herodischen Herrscherhaus und anderen Aristokraten Iudäas zurückführen lässt. Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Aufnahme in den Rat ist eine strenge Befolgung der Sitten und Gesetze der Thora, wobei seit der Zerstörung des Zweiten Tempels in Ierusalem einige Unklarheit in der Auslegung besteht. Während einige Wenige noch an den sadduzäischen Traditionen der alten palästinensischen Elite festhält, setzt sich immer mehr die pharisäische, rabbinische Tradition durch. In der Regel wird der Rat von gemäßigten und hellenophilen Männern regiert, die immer mehr Schwierigkeiten haben, die in viele verschiedene Sekten gespaltene Bevölkerung des Viertels unter Kontrolle zu behalten.

    Nachdem die Sänfte wieder in der Stadt verschwunden war, blickte einer der Wachposten zu seinem Nachbarn.
    “Was war denn mit dem los? So führt der sich doch sonst nicht auf.“, sagte er und meinte damit den aufgebrachten Hauptmann.
    “Neuer Strategos.“, erklärte der Andere, der bereits etwas älter war und schon lange Wachsoldat.
    “Ach so, dass übliche also. Wird auch nichts ändern. Wir machen das hier wie immer, wie auch sonst?“
    “Genau. Die kommen und die gehen.“, meinte der Ältere und grinste. Dann gähnte er herzhaft und machte es sich wieder bequem.

    Krateiden und Nearchäer sahen sich verwirrt an, als sich der Strategos ebenfalls zur Wahl stellte. Man war nicht daran gewöhnt, sich bei Wahlen zwischen zwei Kandidaten entscheiden zu müssen. Denn gewöhnlich wurde doch jede Entscheidung bereits vor einer Wahl in vertraulichen Gesprächen besiegelt.
    Fast wäre es erneut zum Streit zwischen den Fraktionen gekommen, da ergriff der Agoranomos das Wort und sprach sich für den Eutheniarchos aus. Das gab den Ausschlag, denn rechnen konnten auch die anderen: Hätte sich eine Familie jetzt noch für den Strategos ausgesprochen, wäre sie unterlegen, denn die andere hätte unter Garantie zusammen mit dem Agoranomos für den Eutheniarchos gestimmt, nur um dem Gegner eine Niederlage beizubringen.


    Also sagte der Eponminatographos: “Ich stimme ebenfalls für Timokrates Kyrenaikos!“, und der Kosmetes rief: “Ich ebenfalls!“
    Der Gymnasiarchos ließ sich nicht zwei mal bitten und meinte: “Meine Stimme soll er auch haben.“
    “Die meine auch!“, bekundete der Exegetes als Letzter und damit war es entschieden.


    Der Gymnasiarchos stellte es fest: “Damit ist der Eutheniarchos Timokrates Kyrenaikos als Archiprytan des Koinon von Alexandria gewählt!“
    “Ja, so soll es sein! Möge er sich als würdig erweisen!“, meinte der Eponminatographos.

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    ~~ Archon Deinias von Lindos ~~


    Zufrieden antwortete Deinias:


    "Ganz genau! Während alle anderen Götter weit von uns weilen und sich uns nur ab und an durch Flut oder gute Ernten und dergleichen bemerkbar machen, weilt der Basileus direkt unter uns! Seine Gnade und sein Zorn können uns immer und überall erreichen und die Rhomäer sorgen dafür dass Recht und Gesetz einkehren in die Welt!
    Darum Epheben, vergesst niemals, den Kaiser zu ehren und zu preisen! Der Unterricht ist für heute beendet!"

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    ~~ Archon Deinias von Lindos ~~


    Der Archon kommt dann wieder zum Thema zurück. "Gut, neben diesen Gottheiten gibt es noch eine ganze Reihe anderer wichtiger Götter, die ihr ebenfalls nicht vergessen dürft: Da wäre einmal Zeus Soter, der Retter, genannt, welcher die Schiffe sicher in den Hafen leitet und die Soldaten siegreich in die Schlacht führt, sowie seine Gattin Hera Teleia, Zeus Basileios und Aphrodite, die jeweils für den Kaiser und seine Gattin stehen, Hermes, der zwischen den Göttern, den Menschen und der Unterwelt vermittelt und Herakles, der den nach Ägypten Kommenden eine sichere Heimat bietet.


    Und natürlich dürfen wir nicht den wichtigsten aller Götter vergessen: Den König der Römer, Iulianos Autokrator Kaisar Sebastos. Dem Basileus ist seit Alexander im Olymp der XIII. Sitz zugewiesen."


    Er macht eine kurze Pause und schaut die Schüler an: "Warum ist der Kaiser wohl der mächtigste aller Götter?"

    “Du also.“
    Wieder tuschelte der Gymnasiarchos mit seinem Sitznachbarn. Dann verkündete: “Einverstanden. Für dieses eine mal. Du hast unsere Stimmen.“
    Triumphierend sah er zu den Katreiden hinüber. Scheinbar war es ihm fast egal ob einer der seinen Archiprytan würde. Viel wichtiger war ihm offensichtlich, dass es kein Katreide würde.


    Das merkte die Gegenfraktion natürlich auch. Heftig diskutierten sie miteinander und schließlich verkündete der Eponminatographos: “Wir unterstützen ihn auch!“
    Diesen Triumph wollte man den Nearchäern nicht lassen.

    Der Gymnasiarchos lauschte der Rede des neuen Strategos. Während er das tat kraulte er sich nachdenklich seinen Bart und anschließend verständigte er sich murmelnd mit dem Exegetes. Er schien ihn von etwas überzeugen zu wollen. Endlich sah er wieder auf und fragte: “Gesetz den Fall, wir würden euch unterstützen, wer von euch fühlt sich denn berufen?“

    “Willst du uns Narren nennen, junger Mann?“, fragte der Gymnasiarchos empört. So jung war Timokrates Kyrenaikos gar nicht mehr, aber für ihn waren alle Prytanen der unteren Ränge 'junge Männer'.

    “Du sagst es selbst. Euch fehlt es an Einfluss, Geld und Anhängern. Es gibt keinen Grund einen von euch zum Archiprytanen zu wählen.“, meinte der Gymnasiarchos.
    “Aber ihr könntet uns unterstützen. Gemeinsam haben wir eine Mehrheit. Wählt mit uns Bularchos und es wird euer Schaden nicht sein.“, schaltete sich der Eponminatographos ein, woraufhin der Exegetes schnell rief: “Nein, seid nicht dumm. Ihr werdet doch keinen Krateiden unterstützen. Ihr haltet natürlich zu uns Nearchäer.“
    “Warum sollten sie das tun? Was habt ihr ihnen schon zu bieten?“
    “Mehr als ihr auf jeden Fall!“
    “Lachhaft! Auf euch hören nicht einmal mehr die alten Weiber in Rhakotis, die ihr immer mit Honigkuchen zu bestechen versucht.“
    “Bestechung?! Gerade du solltest dich davor hüten dieses Wort in den Mund zu nehmen!“
    “Was willst du da behaupten?“
    “Ich behaupte was jeder weiß. Ohne euer Geld seid ihr nichts!“
    “Dann wären wir noch immer mehr als ihr...“

    Einen Augenblick lang herrschte absolute Stille. Dann brach sich die Empörung umso lautstarker Bahn.
    “Ihr, wieso?“
    “Nein, ganz unmöglich!“
    “Ein einfacher Eutheniarchos? Das hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben.“
    “Ganz richtig, dass wäre gegen jede Tradition!“
    “Ein Witz, dass ist nicht mehr als ein Witz!“
    “Kein von euch ist Krateide.“
    “…oder Nearchäer.“
    “Ganz genau, ein Nearchäer muss nämlich in diesem Jahr Archiprytan werden.“
    “Was? Wieso? Nein, ein Krateide!“
    “Nicht mit unseren Stimmen, dass lass dir gesagt sein!“
    “Wir wählen nur einen Krateiden, da kannst du den Schierlingsbecher drauf nehmen.“
    “Den ziehe ich auch bedenkenlos vor, lieber das, als einen von euch zum Archiprytanen zu machen.“
    “Nur zu, dann wären wir eine Sorgen los…“
    Und nach diesen kurzen Moment der Einigkeit stritten die beiden Fraktionen auch schon wieder munter weitern.

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    ~~ Archon Deinias von Lindos ~~


    Deinias schaute etwas verlegen. Das war jetzt wirklich nicht sein Spezialgebiet.
    "Ähm... Derjenige, der in die Mysterien eingeweiht ist, erkennt die Götter in ihrem tiefsten Wesen. Natürlich weiß ich nicht genaueres, denn schließlich bin ich kein Priester aber es ist natürlich anzunehmen, dass auch die Priester darselbst in die Mysterien eingeweiht sind, oder? ;)"

    “Nachdem wir nun alle miteinander versammelt sind, erkläre ich hiermit das Koinon für eröffnet.“
    Der das sagte, war der Exegetes, wie bereits erwähnt, ein Nearchäer.


    Kaum hatte er diese Worte gesprochen, da erhob sich auch schon der Protest von der anderen Seite. Der Eponminatographos, ein Krateide, sprang auf.
    “Mit welchem Recht eröffnest du diese Versammlung? Es ist das Vorrecht des Archiprytanen, das Koinon zu leiten!“


    “Die Tradition! Die Tradition sagt, dass dieses Amt dem Exegetes zusteht!“, antwortete der Exegetes.


    “Tradition?“, schnaubte der Eponminatographos. “Du wagst es von Traditionen zu sprechen? Dann solltest du es besser wissen. Das Koinon hat sich seinen Vorsitzenden schon immer selbst gewählt!“


    Nun schaltete sich der Gymnasiarchos ein, eigentlich der Inhaber des ehrwürdigsten Amtes von alle, was er in diesem Moment aber zu vergessen schien. “Natürlich. Es wählt und es wählt immer den Exegetes!“ Auch er gehörte zur Fraktion des Exegeten.

    “Nicht immer. Diesmal nicht.“
    , meinte der Eponminatographos


    Der Exegetes wurde ganz rot, nein, eher blau im Gesicht. “Was soll das heißen, diesmal nicht?“


    Der Eponminatographos setzte ein triumphierendes Lächeln auf. “Ihr Nearchäer habt schon den Gymnasiarchos und den Exegetes bekommen. Wenn ihr glaubt, wir geben euch auch noch den Archiprytanen, dann seid ihr im Irrtum. Wir wollen, dass es Bularchos wird. Er soll Archiprytan werden!“
    Mit diesen Worten zeigte er auf den neu gewählten Kosmetes, der ebenfalls der Krateidischen Fraktion angehörte und bisher geschwiegen hatte.


    “Bularchos? Niemals!“, höhnte der Exegetes daraufhin. “Da machen wir nicht mit!“
    “Nein, machen wir nicht.“, bestätigte der Gymnasiarchos.


    Die beiden zerstrittenen Fraktionen hatten scheinbar ganz vergessen, dass es diesmal auch noch eine dritte Gruppe im Koinon gab, die sie bisher noch nicht einmal eines Blickes gewürdigt hatten.

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    ~~ Archon Deinias von Lindos ~~


    Der Archon rümpft die Nase und meint knapp und überlegen: "Fast richtig. Lasst mich das genauer ausführen:


    Agathos Daimon oder Agatha Tyche ist das Schicksal der Polis Alexandria. Wenn ihr Bürger der Polis werdet wird es keine höhere Pflicht für euch geben, als diese Gottheit zu ehren und zu beschützen." Weiter sagt er nichts, der Rest versteht sich in dem Fall ja von selbst. Na ja, das sollte man vielleicht noch hinzufügen: "Ihr Symbol ist die Schlange."


    "Serapis und Isis sind die absoluten Herren dieses Landes, der angrenzenden Fluten und des Nilstromes.
    Serapis ist der Osiris Dyonisos, der Bezwinger Indiens und strahlende und lachende König Ägyptens. Tagein tagaus feiert er seine wilden Gelage mit seiner Heerschaar aus Faunen, Nymphen und Satyren. Er befruchtet die Erde, sorgt dafür das Menschen, Pflanzen und Tiere leben, wachsen und gedeihen. Er heilt alle Leiden und Krankheiten und spendet den gesunden Schlaf. Jeden Abend aber betritt er die Unterwelt wo er ebenfalls der Herr der Toten ist und der Richter über die Seelen. An seiner Seite stehen sein Asistent Anubis und der finstere Kerberos.
    Von ihm geht alles Recht und Gesetz aus, aus seinem Samen stammen die Herrscher dieses Landes durch seinen Sohn Harpokrates, den die Ägypter Horus nennen. Alle Könige dieses Landes von Alexander ab bis zu Iulianos sind Kinder des Serapis und der lebendige Horus auf Erden. Vergesst das nie!
    Isis ist die Gattin des Serapis und gemeinsam herrschen sie über das Land. Aber wo Serapis sich um die Belange der Menschen kümmert, ist Isis die Erdmutter, die Urgöttin, das erste Wesen, älter als die Zeit, die All-Eine. Sie ist ebenfalls Demeter, Kore und Persephone, die drei Göttinnen des Jahreswechsels.
    Isis und Serapis sind so groß, dass ein Sterblicher ihre Macht niemals verstehen kann, es sei dem er wird von der Priesterschaft in ihre Mysterien eingeweiht. Dies geschieht alljährlich zu den Mysterien bei Eleusis.


    Ist das alles klar soweit?"

    Nachdem alle Formalitäten der Amtsübernahme geklärt, die Neuen Prytanen offiziell eingeführt und der Segen einiger sehr wichtiger und unverzichtbarer Götter eingeholt wurde, traf sich das neue Koinon in den ehrwürdigen Hallen des Tempels der Tyche wieder, den traditionellen Tagungsort der alexandrinischen Exekutive.
    Die erste Sitzung war nicht ohne politische Brisanz: Die Wahl hatte nämlich zu folgendem Patt geführt: Die rivalisierenden Familien, das Haus des Krateides und das Haus des Nearchos konnten die obersten Prytanenränge unter sich aufteilen: Die Krateiden erhielten den Posten des Eponminatographen, die Nearchäer dagegen den des Gymnasiarchen, wobei in den Posten ersten Ranges Gleichstand herrschte. Was die Posten zweiten Ranges anging, so schafften es die Nearchäer nach langem Hin und Her, den Posten des Exegeten, des obersten politischen Führers, für sich zu gewinnen. Im Gegenzug erhielten die Krateiden zwei Kosmetenposten. So kontrollierte jede Familie die jeweils Andere.


    Allerdings warf dieses Verhältnis ein gewisses Problem auf: Keine der beiden Familien war sich einig darüber, wer denn nun den Vorsitz über das Koinon, welches stets einträchtig regieren sollte, erhalten würde. Normalerweise war dieser Posten dem Exegeten der Stadt vorbehalten, aber natürlich wollten das die Krateiden nicht zulassen. Ein Steit war deswegen vorprogrammiert und die Fraktionen saßen sich im Tempelrung feindseelig gegenüber. Und alles wartete nur auf das Verhalten der dritten Fraktion. mit der keiner gerechnet hatte und die keiner kannte...