Beiträge von Narrator Aegypti

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    Gelon – der Besitzer der Taverne und ihr Namensgeber – war hinter dem Haus gewesen, wo es einen kleinen Innenhof gab. Dort hatte er einen frisch geschlachteten Hammel aus der Decke geschlagen. Mit anderen Worten: Er hatte ihm das Fell über die Ohren gezogen. Denn heute wollte er wieder einmal einen großen Bottich Kilikischen Hammeleintopf aufsetzen, für den er und seine Taverne in der ganzen Stadt berühmt waren.


    Nun kam er wieder in seine Schankstube und erblickte zwei Gäste, die sich zu dieser frühen Stunde bereits hierher verirrt hatten. Gelon wischte sich die blutverschmierten Hände – waren Pranken waren das – an seiner Lederschürze ab und ging zu den Männern. Mit erfahrenem Blick taxierte er sie. Es waren zweifellos römische Legionäre aus dem nahen Legionslager.


    “Salve die Herren Soldaten!“


    Er hatte eine heisere, wiewohl tiefe Stimme.


    “Was darf ich bringen? Wein? Ich habe guten Wein aus dem Delta oder welchen von Cyprus.“

    Das Zischeln des Präfekten brachte den armen Priester vollkommen aus dem Konzept. Hilflos sah er zunächst zu dem Statthalter, dann zu seinen Priesterkollegen.


    “Die Götter...“ *hust* “...ähm...die GÖÖtter sehen mit Freude auf uns... herab. Sie geben diesem Fest ihren Segen.“


    Eigentlich hatte er eine längere, viel salbungsvollere Ansprache halten wollen. Aber mit einem Mal war ihm alles entfallen.

    Als Sprecher der versammelten Priesterschaft trat der Priester des Kronos aus dem Kroneion vor und verkündete mit der krächzenden Stimme eines alten Mannes: “So...“

    Ein Tuscheln geht durch die altehrwürdigen Männer, die manche das Greisenalter schon längst weit überschritten hatten. Andere wiederum wirkten noch recht fidel. So auch die Beinahemumie Jochebed zumindest von seiner Stimme. „Nun, Chaver...“ Doch dieses Mal wurde er unterbrochen. Ein Mann auf dem Zenit seines Alters, dickleibig und mit langen schwarzen Locken beugte sich vor. „Ja, warum denn nicht die Marktrechte? Das ist doch wieder Augenwischerei.“ Ein Mann ihm gegenüber zog seine buschigen, weißen Augenbrauen zusammen. „Hah, Alon. Ich weiß schon, warum Du die gerne haben willst.“ Alon, der dickliche Mann, grunzte wütend. „Tust Du das? Immerhin werde ich das weise nutzen. Und nicht um meinen Vettern alles zu zuschustern, Du...“ Ehe die Beleidigung ausgesprochen werden konnte, aber schon einige empörte Männer sich in den Streit einmischen wollte, schlug Jochebed kräftig mit seinem Gehstock auf den Boden. Das dürre Hutzelmännlein rief erstaunlich laut und dröhnend: „Ruhe!“ Widerwillig kamen die Männer dem nach. Jochebed musterte die Streithähne scharf, dann lächelte er wieder leutselig. „Wo waren wir stehen geblieben? Ah, ja. Du, Chaver, wolltest uns noch die weiteren administrativen Privilegien und Rechte erläutern.“

    LUDI ALEXANDRIAE


    Seit den Feierlichkeiten zur Begrüßung den neuen römischen Statthalters waren mehr als zwei Monate ins Land gegangen. Damals hatte der neue Praefectus Aegypti Decius Germanicus Corvus dem Volk von Alexandria ein weiteres großes Fest versprochen. Ihm war nämlich sehr daran gelegen, die als aufsässig bekannten Alexandriner wohlwollend und friedfertig zu stimmen. Denn einerseits waren die Provinz Aegyptus und die Stadt Alexandria für das Römische Imperium von enormer Bedeutung und andererseits war die militärische Präsenz der Römer im Lande, auch aufgrund des Krieges gegen die Parther, zurzeit nicht besonders stark und die Liebe der Alexandriner gegenüber den Römern... nun ja... nicht von unumstößlicher Innigkeit geprägt, um es einmal vorsichtig auszudrücken.


    Über drei Tage sollten sich die Feierlichkeiten erstrecken, die er zu Ehren des römischen Kaisers Lucius Ulpius Iulianus ausrichtete, der hier in Alexandria als Basileios verehrt wurde, als königlicher Schutzherr der Stadt. Außerdem ließ der Praefectus als Motto des Festes verkünden, dass es ein 'freudiges Dokument der unverbrüchlichen Freundschaft zwischen Alexandrinern und Römern' sei. Das war natürlich Propaganda, oder vielleicht auch nicht mehr als nur ein frommer Wunsch.
    Handfester waren da schon die erwarteten Volksbelustigungen. Diverse fahrende Schauspielgruppen, Gaukler und Possenreißer waren anlässlich des Festes in die Stadt gekommen. Zentrum aller Feierlichkeiten war aber das Hippodrom. Denn der Praefectus hatte mehrere berühmte Aurigae der römischen Factiones (Rennställe) nach Alexandria eingeladen und der Höhepunkt des Festes würde das große Wagenrennen sein, dass im Hippodrom stattfinden sollte. Die römischen Gespanne würden dabei auf einheimische Kontrahenten treffen. Dazu kamen noch zwei weitere Teilnehmer, einer aus Thracia und einer aus dem fernen Tylus.


    Das Programm gestaltete sich wiefolgt:
    AM ERSTEN TAG sollten das Fest eröffnet werden, wozu auch gehörte, feierlich um den Segen der Götter zu bitten.
    AM ZWEITEN TAG stand die Vorstellung der Wagenlenker des großen Rennens an. Dabei sollten sie sich und ihre Gespanne auf einer Ehrenrunde dem Publikum präsentieren.
    Das Rennen würde AM DRITTEN TAG sein, der zugleich Höhepunkt und Abschluss des Festes darstellte.


    Außerdem würde es reichlich zu Essen und Trinken geben und das kostenlos. Denn auf dem freien Feld vor dem Hippodrom hatte man lange Reihen von Tischen und Bänken aufgebaut um dort an jedem der drei Tage wahre Massen verköstigen zu können. Der Praefectus hatte seine Schreiber angewiesen, für die Nachwelt festzuhalten, dass dort 'Zehntausende' zugleich speisen würden. Auch das war natürlich Propaganda. Aber war es nicht auch eine alte und gute Sitte, bei Zahlenangaben ein wenig zu übertreiben, wenn es dem eigenen Ansehen nutzte?




    Alles war also vorbereitet. Das Fest konnte beginnen. Das Hippodrom hatte seine Pforten geöffnet, Heerscharen von Sklaven deckten die unzähligen Tische und eine Gruppe marmarischer Musiker spielte fröhlich auf. Dabei waren die Marmaricer gewöhnlich weder für ihre Musikalität, noch für ihre Fröhlichkeit besonders bekannt.






    Sim-Off:


    Es gibt ein paar Angebote mit dem Hinweis auf die LUDI ALEXANDRIAE in der WiSim.
    Bitte bedient euch.

    Wie Ferkel sich an die Muttersau drängen und an ihren Zitzen laben, so drängten sich viele gedrungene Häuser an das große Legionslager von Nikopolis und labten sich daran. Der ganze Ort lebte fast ausschließlich von der stattlichen Garnison, die hier stationiert war.


    In einer schmalen Seitengasse, gar nicht weit vom Haupttor des Lagers entfernt, stand ein zweistöckiges Haus. Es unterschied sich nicht von den anderen Häusern in dieser Gasse, wenn man einmal von der rot bemalten Amphore absah, die gut sichtbar über dem Hauseingang hing.
    Das Haus beherbergte nämlich eine Taverne, die als die Taverne 'Zum lachenden Kilikier' bekannt war.


    Sie gehörte einem Mann namens Gelon, der tatsächlich viel lachte und aus der kilikischen Stadt Iotape stammte. Gelon war ein raubeiniger, bärenstarker aber gutmütiger Kerl. Man munkelte, dass er früher zu den berüchtigten kilikischen Piraten gehört hatte, die seit Generationen die Küsten des östlichen Mittelmeers unsicher machten. Er selbst aber sprach niemals über seine Vergangenheit und was er getan hatte, bevor er nach Ägypten gekommen war.


    Iotape war Gelons kostbarster Besitz, abgesehen von seiner Taverne, versteht sich. Sie war irgendwo im Delta als Sklavin geboren worden und niemand wusste, wie man sie als Kind genannt hatte. Vielleicht hatte sie ihren ursprünglichen Namen selbst auch bereits längst vergessen, denn keiner konnte sich erinnern, dass sie ihn je genannt hätte. Als ihre weibliche Schönheit erblühte wurde sie an ein vornehmes Freudenhaus im Broucheion-Viertel von Alexandria verkauft, wo sie bald unter dem Namen 'Berenice, die Fingerfertige' bekannt war. Doch die Jahre gingen ins Land, ohne das es ihr gelang, einen wohlhabenden Alexandriner so sehr für sich zu gewinnen, dass er sie aus dem Bordell frei gekauft hätte. Unvermeidlich kam der Tag, an dem sie durch eine Jüngere ersetzt und verkauft wurde. So gelangte sie zu Gelon und in die Taverne 'Zum lachenden Kilikier'. Er nannte sie fortan Iotape, nach seiner Heimatstadt und weil das auch der Name einer Prinzessin gewesen war.
    Von da an bediente Iotape die Gäste des 'Lachenden Kilikiers' und gelegentlich nahm sie, für ein paar Sesterzen extra, auch noch immer besonders einsame Männer mit hinauf in ihre Kammer, die im zweiten Stock über der Schankstube lag. Denn wenn auch ihre Schönheit langsam verblasste, von ihrer einstmals weithin gepriesenen Fingerfertigkeit hatte sie nichts eingebüßt.


    Sim-Off:

    [SIZE=7]*hust* Verzeihung noch mal.[/SIZE]



    Viele Augenpaare folgten jeder einzelnen Bewegung von Timokrates. Jochebed hob die dürre Hand und strich sich seinen langen, ausgedünnten Bart glatt, der sich am Ende zu einem lustigen Kringel hoch wandte. Sein Köpfchen, schrumpelig und alt, dennoch mit einem aufmerksamen, höchst gewitzten Augenpaar beseelt, deutete eine zustimmende Geste an. Noch mal, befand Jochebed, musste er nicht auf die Sicherheit und die Sorgfalt, womit sie dafür sorgten, eingehen. Denn wenn er es allzu oft sagte, würde es sich als das enttarnen, was es auch war. Eine halbseidene Lüge. Seine beiden Hände stützten sich auf dem Kopf seines Gehstocks ab. Er beugte sich nach vorne und richtete sein rechtes Ohr auf Timokrates, damit er ihn besser vernehmen konnte. „Aha...mhm...oho...aha!“, waren seine Kommentare, die gleich darauf von so manch einem der Juden im Ältestenrat aufgegriffen wurde. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen schließlich. „Was für ein wundervoller Humor. Diese spinnigen Irrgeister in unserem Viertel. Vortrefflich.“ Ein gackerndes Lachen löste sich aus seiner Kehle. Die meisten Anderen sahen den Rabbi nur etwas erstaunt an. Doch die beiden ebenso alten Herren an dessen Seite kicherten ebenfalls vergnügt.


    Der junge Mann kam zurück in den großen Versammlungraum. Mit sich trug er ein silbernes Tablett, auf dem ein ein einzelner silberner Pokal ruhte. Mit einem Neigen seines Kopfes bot er diesen Timokrates an. In ihm glänzte ein dunkelrot glitzernder Wein, der (einmal in den Mund genommen) bittersüß schmeckte, würzige Kräuter enthielt (allesamt koscher versteht sich) und von einer durchdringenden Intensität war. „Greift zu, Chaver, greift nur zu.“ Zufrieden lehnte sich Jochebed zurück und verengte seine kleinen Äuglein. Einen Augenblick schien er nachzudenken, sein Kopf wackelte unablässig dabei, schließlich spitzte er die Lippen und deutete eine interessierte Miene an. „Das klingt natürlich interessant. Also wird es in Zukunft in unserer Hand liegen, wer die Verwaltung des Deltaviertels besetzen wird?“ Fragend sah er in die Runde. Manche schienen wohl eine Finte hinter Timokrates Angebot zu erkennen, andere nickten wiederum mit einem gewissen Wohlwollen. „Wie weit werden die Befugnisse dieser Verwaltung sein? Sind damit alle administrativen Handlungen des Delta betroffen? Von den Baugenehmigungen bis hin zur Marktkontrolle?

    Der amtierende Gymnasiarchos, Ptolemaios Nearchos, stand besorgt auf und bat um Rederecht, was ihm der Archiprytanes auch sogleich erteilte.


    "Liebe Prytanen, ich richte mich an euch, da sich vor einigen Tagen ein Händler Namens Ioshua, ein Syrer, Asier oder Iudäer vermute ich, auf jedem Fall kein Hellene, an mich wandte und um die alexandrinische Bürgerschaft anhielt. Allerdings verweigerte er die Voraussetzung, vorher eine Ephebie zu durchlaufen. Er versicherte mir aber, aus Ephesos zu stammen, eine Stadt, von deren Gymnasion man eine ausreichende Grundausbildung erwarten kann, wie ich annehme.
    Allerdings will ich weniger die Frage nach der Annahme Ioshuas als Polites in den Raum werfen, denn das ist Sache der Ekklesia, sondern eher zu einer allgemeinen Debatte um das Bürgerrecht anregen, vor allem wenn die Anwärter bereits Bürger anderer Poleis sind. Die Bestimmungen diesbezüglich sind nämlich sehr ungenau und ich bin der Meinung, dass es notwendig wäre, sie etwas genauer auszuarbeiten."

    "Gut, Ephesos also..." Der Gymnasiarch kannte die Stadt, es ist eigentlich eine ehrenwerte, große und bekannte Stadt, bestimmt würden die am dortigen Gymnasion gepflegten Standards für die alexandrinischen ausreichen. "Einen kleinen Moment bitte..." Der Gymnasiarch suchte ein paar Akten heraus und ging sie durch. "Ah, da haben wirs! Gut, du würdest die Voraussetzung für die alexandrinische Politie erfüllen.
    Allerdings muss ich dich darauf hinweisen: Bist du dir dessen bewusst, dass Alexandria derzeit leider keine Sympolitie anerkennt außer mit den Rhomäern. Das heißt, wenn du kein römischer Bürger bist, gehen alle deinen anderen Staatsbürgerschaften, solltest du welche haben, automatisch verloren, es sei dem, die Ekklesia verleiht dir die Ehrenbürgerschaft."

    Jaja, die Vorurteile saßen tief in den Eingeweiden des Gymnasiarchen... :P


    "Enschuldige bitte. Allerdings muss ich dir leider mitteilen, dass es keinen "Test" gibt. Entweder, man hat in einer anderen Polis bereits die Ephebie gemacht oder man muss sie noch hinter sich bringen. Mal sehen, was wir da machen können... Hast du vielleicht in deiner Heimat bereits die Ephebie abgelegt.?"


    Sim-Off:

    Der Test ist eine reine Sim-Off-Angelegenheit.

    Da war Ioshua wohl an den Falschen geraten! Ptolemaios war dekadent korrupt, einfältig, ja. Aber er war Taditionalist, und was für einer! Beim Zeus, drei Kaiser hatten ihm das rhomäischer Bürgerrecht von sich aus angeboten und dreimal hatte er abgelehnt! Da würde er jetzt doch nicht zulassen, dass hier, im Heiligtum des Herakles und des Hermes, sich ein solcher Frevel vollzog. Da der Gymnasiarch aber keine Lust auf lange Erklärungen hatte, blickte er mit kalter Mine in Richtung Türe.


    "Für Fragen des Fiskus sind der Agoranomos und der Eutheniarchos zuständig, nicht ich."

    "Du willst also alexandrinischer Bürger werden?" Die Vorstellung fand der Gymnasiarch jetzt irgendwie fad. "Kommst du da nicht ein bisschen spät? Ich mein, in deinem Alter... Aber gut, wenn du willst, dann melde dich zur Ephebie..." Ptolemaios musste einen Lacher unterdrücken, als er sich den dicken Mann eingeölt im Staub wälzend vorstellte.

    Ptolemaios' Gesichtsausdruck erhellte sich sofort. Was tun für die Stadt, das fängt doch schon mal gut an. "Das ist sehr löblich von dir, sowas hört man doch immer gerne." Nur war der Gymnasiarch noch lange keiner, der sich so einfach über den Tisch ziehen lassen würde, deshalb fragte er lieber mal genauer nach: "Aber darf man fragen, was du genau gerne tun würdest?" Wer weiß, was der Kerl vorhat. Da könnte ja jeder kommen...

    Sim-Off:

    Vielleicht an deinem Aussehen laut Charakterblatt? :P


    Zufrieden grinste der Gymnasiarch. Wusste er doch, dass er einen Juden vor sich hat! :]


    Ptolemaios zuckte mit den Achseln. "Chaire, Ioshua, ich bin Ptolemaios Nearchos, setz dich ruhig..." Der Gast wirkte wie Jemand, zu dem man vielleicht besser nett sein sollte. Zumindest machte er nicht gerade den ärmsten Eindruck und wer weiß, vielleicht kannte er sogar irgendwen... "In welcher "delikaten Angelegenheit" kommst du denn zu mir?"


    Hoffentlich handelte der Mann mit baktrischen Spezialräucherstäbchen. Die waren nämlich Mangelware seit den Grenzstimmigkeiten und Herakles und Hermes wurden langsam unruhig in ihren Nischen...

    Der neue Gymnasiarch, Ptolemaios Nearchos, war ein typisches Produkt der letzten Prytanenwahl, eine Kompromisslösung, über die sich keiner so richtig freute, aber mit der auch keiner so richtig unzufrieden war. Außerdem erledigte er seine Arbeit bedacht und gewissenhaft.


    Da Ptolemaios ein sehr familiärer Mensch und im Gymnasion zu dieser Zeit sowieso gerade nichts los war, kam er selbst zur Türe geeilt, öffnet und sieht - einen dicken, ganz und gar in teuerstes Tuch gehüllten - Juden!


    "Ja, was willst du...? -.^"

    Ein empörtes Gemurmel breitete sich unter den anwesenden Männern aus, doch Jochebed wackelte einige Male mit dem Kopf und legte ihn etwas zur Seite, dabei hob er seinen Gehstock an und klopft kurz auf den polierten Steinboden, der blaurote Mosaikmuster aufwies. Das Gemurmel erstarb gleich darauf und die Männer lauschten der Rede von Timokrates. Der ausgedünnte Bart und das dürre Köpflein von Jochebed ruckelte noch einige Male hin und her ehe er meinte: „Verehrter Jawan, Du hättest es nicht treffender ausdrücken können. Natürlich bin ich ein Idiotos.“ Er lächelte verschmitzt. „Schließlich nehme ich nicht an eurer Volksversammlung teil.“


    Noch einmal klopfte er kräftig auf den Steinboden. Ein junger Mann löste sich aus dem Schatten und der Rabbi murmelte einige Sätze auf Hebräisch zu dem jungen Mann, der darauf hin nickte und entschwand. „Aber einem derart dipolomatischen und ausgesprochen höflichen Vertreter der Stadt Alexandria, unserer geliebten Heimat, gegenüber möchte ich doch nicht brüsk erscheinen. Nein, niemand soll behaupten die Söhne Abrahams sind keine guten Gastgeber. Bitte setze Dich doch.“ Der Rabbi deutete auf einen freien Stuhl im Kreise der Männer. „Streitigkeiten, Zwist und Hader? Aber Chaver, das ist doch weit übertrieben. Wenn ein ehrbarer Mann und sein Weib einen Ehestreit führen, ist dann gleich das Bündnis ihrer Liebe und ihrer Ehe in Gefahr? Du solltest Dich nicht von Gerüchten und von Vorurteilen täuschen lassen. Wir sorgen schon für Ruhe und Ordnung im Delta.“


    Der Rabbi lächelte und man sah dem alten Mann die faustdicke Lüge tatsächlich nicht an. Zudem nickten die anderen Männer bestätigend, um wohl die Einigkeit gegenüber einem Außenstehenden zu betonen. „Aber dennoch können wir höchst erfreut sein, wenn Du derart besorgt um unser Wohl zu sein scheinst und möchten Deine Ideen natürlich gerne genauer in Augenschein nehmen. Inwiefern möchtest Du jedem Volk eine eigene Verwaltung geben? Wird es auf die Stadtteile ausgeweitet werden? Wie weit wird die Befugnis dieser sein und wie wird diese besetzt werden?“

    Einige Stühle scharrten unruhig hin und her und alle Blicke, die eben noch starr auf den Eindringling in der Synagoge gerichtet waren, wandten sich auf den alten kleinen Mann, der auf der Straße kaum aufgefallen wäre und womöglich an andere Stelle Spott und Witze gehört hätte, doch hier in den heiligen Räumen der gläubigen Gemeinde hohes Ansehen und viel Ehrung erfährt. Dieser spitzte die Lippen und fuhr sich mit seinen, von Altersflecken bedeckten, knorrigen Händen, über seine Unterlippe, strich sich seinen Bart glatt und sah Timokrates abschätzig, ja berechnend an. In den Augen des alten Mannes funkelte es voller vitaler Energie, was so manch ein junger Mann nicht ausstrahlen konnte. Jegliche Altersnarratei war aus seiner Haltung verschwunden.


    „So?“, gab er erst zur Antwort und musterte Timokrates still, ohne weiter zu sprechen. Erst einige Momente später durchdrang seine dünn klingende Stimme, die dennoch gut hörbar war, den Raum. „Du sagst, es wird sich viel ändern? Da musst Du einem alten Mann wie mir Deine Pläne noch ein wenig mehr erläutern. Denn im Moment sehe ich keine großen Änderungen in diesen.“ Ein feines Lächeln huschte über sein Gesicht und er drehte den Stab mit dem auffallend großen Rubin in seinen Händen hin und her. Ein Sonnenstrahl fiel auf den Rubin und ließ einen rotfunkelnden Lichtreflex erscheinen.


    „Das Viertel ist doch bereits mehr oder minder in unserer Hand. Es leben fast ausschließlich Juden hier und die es nicht sind, bemühen sich, sich gut mit uns zu stellen. Zudem haben wir bereits weitgehende Autokratie in dem Viertel, kümmern uns um unsere Angelegenheiten selber, entscheiden in Rechtssachen und halten die Kriminalität geringer als im übrigen Alexandria. In diesem Viertel herrscht Ruhe und Frieden, wegen uns.“ Die anderen Männer nickten zustimmend. „Unter dem Schutz der Stadt? Nenne mich einen alten, misstrauischen Narren, aber mir scheint das mehr noch ein Beschneiden unserer momentanen Rechte. Willst Du uns womöglich noch mehr zum Lakaien eurer Verwaltung machen? Willst Du uns mit Deinen schönen Reden über Rechte und Freiheiten gar Sand in die Augen streuen?“ Der Rabbi lächelte dabei freundlich, schaffte es sogar eine großväterliche Güte aus zustrahlen. Wenn da nicht dieses Glitzern in seinen Augen wäre, das einem Halunken gut zu Gesicht stehen würde...

    Das fröhliche Glucksen, was sich immer wieder aus den Kehlen der drei Männer heraus winden wollte und es auch tat, verstummte abrupt. Ihre vergnügten Äuglein funkelten nicht mehr, sondern wurden eisigkalt. Auch die frostigen Blicke der Anderen wurden sogar noch kühler und man könnte meinen, sie wären nicht mehr im heißen Alexandria, sondern im tiefsten Winter auf einem Gletscher in den Alpen, während um sie herum Schneegestober und Eisbrocken herab regnete wie auf die Elefanten des Hannibal. Womöglich hatte Timokrates einen ähnlich schweren Gang in diesem Gotteshaus. Natürlich alles nur im metaphorischen Sinne gesehen. Doch erst Mal legte sich Schweigen über den Raum. Die hohen Kerzen, die dem Raum eine besondere Note von einer heiligen Mysterie verleihen sollten, flackerten unstet hin und her. Das Sonnenlicht fiel durch schmale und hohe Fenster in den Synagogenraum und tanzte über viele graue Bärter, die statuenhaft Timokrates zugewandt war. Eine Weile später meinte Rabbi Jochebed schließlich: „So? Du möchtest mit uns Dinge des jüdischen Viertels und unseres Bezirkes besprechen. Warum kommt ein Mann der griechischen Verwaltung dann hierher? Aber sprich, worum geht es?“ Jegliches "Freund" oder "Grieche" war aus der Anrede verschwunden.

    XXIII Augenpaare starrten Timokrates weiterhin an, durchdringend, frostig, teils empört und III Paare im höchsten Maße belustigt. Die drei Köpfe wurden abermals zusammengesteckt und die kleinen Greise flüsterten heftig miteinander, gestikulierten und wedelten mit ihren Gehstöcken hin und her, die zahlreiche Goldintarsien aufwiesen und einer sogar einen leuchtend roten Rubin am Knauf trug. Und erneut drangen mehr unverständliche Worte und einige Verständliche, wie: „Chuzpah!“ oder erneut „Gannav“, bei einem deftigem „Zebel!“ zuckten einige der Männer, die bis dahin eisern schwiegen zusammen und murmelten einige Worte. „Nabal!“, folgte einem Fetzen, was wie „Ezah“ klang und bei dem Wort „Jawan*!“, nickten alle drei einige. Abermals sahen sie auf und ihre Blicke bohrten sich in Timokrates. „Chaver, Jawan, willkommen im Haus des Jahwe. Ich bin Rabbi Jochebed. Du suchst sicherlich den Rat weiser Männer und Du hast sie gefunden. Sprich, Jawan, und wir werden aus unserer gesammelten Weisheit und dem Wissen der Schrift Dir Antwort auf Dein Suchen geben.“ Die zwei anderen Männer unterdrückten ein heiteres Glucksen, Jochebed verblieb dieses Mal jedoch 'würdevoll'.





    *Dem kundigen Leser der hebräischen Schrift wird natürlich sofort klar sein, dass es sich dabei um das Wort für 'Grieche' schlicht handelt. Nur, angemerkt, war es auch ein Schimpfwort, was auch Gauner heißen konnte.