Beiträge von Marcus Vinicius Hungaricus

    Der Sklave, den Hungi an die Porta geschickt hatte, nickte und machte sich sofort auf den Weg zurück, um dem Senator und dessen Gattin behilflich zu sein. Hier ein wenig an der Toga zupfen, dort ein wenig ziehen und bei der Ehefrau noch einmal dasselbe, nur doppelt so oft. So trotz Anreise anständig hergerichtet schritten die beiden durch die Porta, übergaben den Sklaven die Reisemäntel, gaben noch ihren Sklaven kurze Instruktionen und folgten dann der Haussklavin zum Bankett.

    Und wieder wurde er nicht enttäuscht, auch hier hatte der Kandidat auf etwas vergessen.


    In so einem Fall kannst du die Prüfung erst dann ablegen, wenn du die Gebühren bezahlt hast. Es steht dir allerdings frei, dir jetzt schon die Unterlagen zur Prüfung abschreiben zu lassen, so du das möchtest.

    Hungi unterbrach das Schweigen seines Gegenübers nicht. Er nutzte die Zeit, um seinerseits Überlegungen anzustellen. Ob gewollt oder nicht, Avarus hatte mit seiner Kandidatur eine politisch äußerst brisante Situation geschaffen, die seinesgleichen suchte. Der Kaiser war schon mal nicht gegen die Kandidatur, das war gut. Die Stimmung unter den Senatoren, besonders unter den patrizischen, war jedoch weit davon entfernt, optimistisch zu sein, das war schlecht. Ob Avarus das Volk hinter sich hatte, das war eine Komponente, die Hungi nicht wirklich einzuschätzen wusste, denn selbst wenn das Volk mit der neuen Änderung der Wahl zum Cursus Honorum nicht mehr aktiv mitbestimmen konnte, so ohne weiteres wegwischen konnte man das Volk nicht. Weiters beschäftigte ihn die Reaktion des Kaisers zur Wahl des Consuls. Wenn der Kaiser wünschte, daß Avarus gewählt werden soll und er wurde es nicht, dann mochte Hungi gar nicht ausdenken, wie es im Senat weitergehen mochte. Ein solcher Affront dem Kaiser gegenüber... in so einem Fall würde Hungi nicht in Rom bleiben wollen, doch er würde es müssen, denn er müsste dann seiner Pflicht als Princeps Senatus eine weitere Amtszeit lang nachkommen. Wenn jedoch der Kaiser eigentlich nicht wollte, daß Avarus gewählt werden solle und der Alte wollte die Reaktion des Senats testen, so wie der junge Flavier diese Möglichkeit andachte... nein, das konnte er sich nicht vorstellen, das wäre schon zu perfide. Ganz ausschließen konnte Hungi es aber auch nicht.


    Kurz gesagt, eine vertrackte Situation. Ohne Frage.


    Aber vielleicht bin ich auch zu pessimistisch, was deine Kandidatur angeht. brach Hungi das Schweigen. In diesem Moment fiel ihm ein, was einer seiner Lehrer zu ihm gesagt hatte: Ein Jurist muß pessimistisch sein, sonst ist er kein guter Jurist. Eine Erfahrung, die er auch als Praefectus Praetorio gemacht hat.

    Tatsächlich, der Mann dort verschwendete keinen Augenblick.


    Ahja. antwortete Hungi also. Du hast den Cursus Res Vulgares absolviert, die Studiengebühr bezahlt und bist dir darüber im klaren, daß du den Cursus Iuris nicht als Cursus Continuus anrechnen lassen kannst?


    Mehr mechanisch spulte er diesen Satz herunter, musste er ihn doch schon sehr oft sagen und in den meisten Fällen war eines dieser drei Halbsätze irgendein Stolperstein.

    Ein Essen? Das war mal was anderes. Das ist aber eine nette Idee. Wann soll es denn sein?


    Kurz überlegte Hungi, aber er konnte sich nicht erinnern, schon mal bei Prudentius Commodus gewesen zu sein. Tatsächlich fällt mir gerade ein, daß ich es bisher sträflich vernachlässigt habe, deinen Vater zu besuchen. Seine Miene bekam eine leicht skeptische Nuance. Es soll doch in Rom stattfinden, oder? Nicht, daß sie jetzt nach Germania reisen sollten wegen eines Essens...

    Ja, sie kamen verspätet, Hungi mit seiner Frau Livia. Er war aber nicht schuld, sondern sie (obwohl er schwören könnte, daß sie dasselbe nur umgekehrt behaupten würde). Aber es war ja auch kein Katzensprung von Rom nach Mantua, da musste man schon etwas Zeit einplanen und wenn auf dem Weg dorthin auch noch ein Pferd zu lahmen begann... ja dann konnte so etwas schon ärgerlich werden.


    Als sie dann aber endlich ankamen, schickte Hungi einen Sklaven zur Porta, der den Consular mit Gattin anmelden sollte.

    Hungi war auch tatsächlich in diesem Officium zu finden, allerdings an diesem Tag eher aus Zufall, weil er eine seiner Abschriften hier vergessen hatte und er bei dieser Gelegenheit auch gleich in der Bibliothek stöbern und schaun wollte, ob die Schola in letzter Zeit ein paar neue juristische Schriften erworben hatte. Er wurde dabei auch nicht enttäuscht, allerdings hatte er schon mehr erhofft. Aber was solls... er nahm, was er kriegte bzw. ließ sich von allem eine Abschrift erstellen.


    Ja bitte?

    Ich fürchte auch, daß es noch eine Zeit lang dauern wird. Aber ich bin guter Dinge, daß es vielleicht gar nimmer so lang dauern wird, bis alles spruchreif ist.


    Hungi folgte ihren Blicken und bemerkte wieder einmal, daß sein Atrium eigentlich komplett umgestaltet gehört... aber im Grunde gehört das ganze Haus einmal gründlich durchrenoviert und ausgebaut. Auch ein Projekt, das er in letzter Zeit nicht weiterverfolgt hatte.


    Du hast mich nicht aufgehalten, ganz im Gegenteil. Ich habe mich gefreut über deinen Besuch. Hungi setzte eines seiner charmanten Lächeln auf. :)

    Kurz kam Hungi Creticus in den Sinn und der merkwürdige Brief, den er von seinem Mitsenator vor gar nicht allzu langer Zeit bekam. Wo Creticus wohl war? Ob er noch lebte? Und warum bei allen Göttern verschwand er so plötzlich... Aber Hungi schob die Gedanken schnell beiseite und hörte Quarto weiter zu.


    Ah, es wird bald einen Nachfolger geben? Sehr gut. Wer wird es denn werden? Aus welcher Gens entstammt er?


    Noch ein Relikt aus seiner alten Zeit als PP. Wenn man von Berufs wegen neugierig sein musste, konnte man im Privaten diese wohl für den anderen lästige Angewohnheit nur schwer ablegen.

    Die Sklaven, die vorher den Weg durchs Atrium genommen hatten, kehrten gleich um, als sie den Hausherrn mit einem Besucher sahen. Sie mussten jetzt einen anderen Weg durch das Haus wählen... oder besonders unauffällig das Atrium durchqueren, was aber Hungi auch nicht gerne sah. Doch er maß dem jetzt keine Bedeutung bei sondern bot dem Prudentier einen Sitzplatz an.


    Für einen meiner ehemaligen Untergebenen doch immer. Aber sag, zu einem gemütlichen Plausch wirst du mich wohl eher weniger aufgesucht haben, nicht wahr?

    In der Tat, Quarto hätte die Maulbewegungen eines Fisches nachahmen können, er hätte dann zwar weniger geredet, aber gleich viel gesagt. Quarto hatte aber Pech, manches Mal konnte Hungi dennoch sich einen Punkt herauspicken und weiter über das Thema reden, vermutlich ein Relikt aus seiner Zeit als Praefectus Praetorio. :D


    Es verwundert mich, daß dieses Amt nicht besetzt ist. Man könnte glauben, daß das Prestige des Amtes in keiner Relation zum Arbeitsaufwand stehen mag. Oder sind die Ansprüche so hoch, daß kein Kandidat sie zu erfüllen mag?

    Ernst zu nehmend? Nein... stimmte Hungi ihm zu.


    Sicher, Britannien könnte man ausweiten, wenn man will, Germania vielleicht auch, die Bernsteinstraße wäre zumindest kein so übles Ziel. Da kam ihm ein Gedanke, der ihn laut auflachen ließ. Tylus vielleicht noch, aber das wäre kein Feldzug sondern eher eine Urlaubsreise. Aber unser Kaiser will Tylus anscheinend nicht in das Imperium integrieren, so wie es aussieht.

    Ein paar Momente musste sich der Princeps Praetorii gedulden, denn erstens war Hungi gerade wieder in eine spannende Lektüre vertieft gewesen und zweitens eilte man nicht zu seinem Besucher hin, das würde ja so ausschauen, als ob man gar nichts zu tun hätte. Nichts desto trotz ließ Hungi sich aber nicht übermäßig viel Zeit.


    Princeps Praetorii Prudentius Balbus. Es ist lange her.

    Man könnte glauben, ohne Signatur sei man nichts wert. Warum nicht gleich für alle Berufsgruppen eine Signatur einführen? So für einen Bäcker, Fleischhacker, Wasserträger, Fliesenleger...


    Nein ernsthaft, wenn jemand einen Arzt oder einen Advocatus spielen will, dann soll er doch. Oder wollt ihr damit sagen, daß man keinen Arzt vernünftig simmen kann, wenn nicht eine Signatur am Ende des Posts prangt?

    Zitat

    Original von Lucius Flavius Furianus
    "Es ist schon auffällig, dass ein Senator die Castra Praetoria besucht und dann mit dem Praefectus zum Kaiser vorgelassen wird, meinst du nicht, dass es dem ein oder anderem Mann aufgefallen sein könnte und man Senatoren ja sowieso immer nachsieht, schließlich sind das potenzielle Statthalter von Morgen? Und wenige Tage später wird dann das Gehalt erhöht. Ist das nicht ein logischer Rückschluss oder muss ich, bevor ich diesen ausführe, Beamte befragen?"


    Hungi musste lachen.


    Der Besuch eines Senators in der Castra Praetoria wird weit weniger auffällig, wenn man ein Faktum nicht verschweigt, nämlich daß der Legatus Augusti Cursu Publico direkt dem Praefectus Praetorio untersteht.


    Weiters kann ich mich nicht erinnern, wegen einer Gehaltserhöhung gemeinsam mit Avarus beim Kaiser gewesen zu sein. Und jetzt musste er schmunzeln. Und ich denke, daß Avarus mittlerweile groß genug ist, er braucht nicht mehr an der Hand genommen und wohin gebracht zu werden.


    Genervt ob des Streits der beiden Wer-auch-immer-die-waren runzelte Hungi die Stirn und wandte sich gleich wieder zurück zum Flavier. Ich denke, dieser Punkt ist hiermit ausreichend erörtert geworden. Und jetzt wusste er nicht so wirklich: sollte er hierbleiben und sich das weiter geben oder sich in den Senat verzupfen, seiner Nerven willen?

    Zitat

    Original von Lucius Flavius Furianus
    "Meine Quelle sind meine Klienten, die den eben hier genannten Avarus zu dir kommen sahen und danach euch beide auf den Weg zum Kaiser. Kurze Zeit später die Gehaltserhöhung.
    Es war ein Rückschluss, der auch nicht angefochten werden kann."


    Also jetzt blieb ihm die Spucke weg. Solch eine Unverfrorenheit hatte er schon lange nicht mehr gehört. Ein paar Beobachtungen und schon zieht man Schlüsse, die man auch nicht verifizieren mag, denn wie sonst konnte er den letzten Satz dazu verstehen?


    Solltest du zum Prätor gewählt werden, so hoffe ich, daß du dich auf mehr stützt als auf bloße Indizien.


    Kurze Zeit überlegte er, ob den Flavier noch drauf hinweisen sollte, daß dieser gerade öffentlich zugegeben hatte, Spione zu verwenden. Er tat es nicht. Es war ohnehin klar, daß ein jeder sowas verwendete, doch die anderen waren klug genug, sowas nicht laut zu sagen.

    Zitat

    Original von Lucius Flavius Furianus
    "Frage Senator Hungaricus, den du gebeten hast diese Gehaltserhöhung durchzusetzen."


    Hungi hatte selbstverständlich von dieser Ansprache mitbekommen. Er brauchte dazu nicht mal in der ersten Reihe stehen, die Lautstärke des jungen Flaviers schmerzte in seinen Ohren und er fragte sich, ob die Götter den Laut nur erfunden hatten, um die Argumente des einen in den anderen hineinprügeln zu können.


    Und im Prinzip wär ihm die Rede des Jungsenators auch egal gewesen. Fetzereien vor der Wahl war er schon lange gewohnt und heutzutage war es eh viel ruhiger als früher. Aber ein Satz, der ließ ihn aufhorchen. Und die Diskussion danach, die bestätigte, daß er nicht schon Dinge hörte, die es nicht gesprochen wurden.


    Seine Miene verfinsterte sich.


    Ich frage mich, Flavier, wo du das herhast. Und ich will keine allgemeine Rede, ich will die genaue Quelle!

    Hungi war da ein wenig skeptischer.


    Mutig, Avarus. Und ich sage dir ehrlich, in deiner Haut mag ich nicht stecken. Du hast Feinde, gut, welcher Senator hat die nicht, aber dir schlägt der Widerstand so offen ins Gesicht, daß selbst der Rauswurf von Curio seinerzeit aus dem Senat dagegen verblasst. Sicher, im Senat sitzen viele Plebejer, und etliche unter ihnen werden auch deine Meinung vertreten, aber du hast so ziemlich alle Patrizier gegen dich und ich würde deren Einfluß nicht unterschätzen.

    Mattiacus hat es eh ja schon beantwortet, dennoch lasse ich es mir nicht nehmen, auch etwas dazu zu sagen. :) Ich darf dabei mein Lehrbuch (Hausmaninger/Selb: Römisches Privatrecht, S 33) zitieren:


    Zitat

    Gegen Ende des 1. Jh wird der Senat als ordentlicher Gesetzgeber betrachtet. In der Republik hatte der Senat in wichtigen politischen Angelegenheiten Empfehlungen an Magistrate gerichtet. Solche senatus consulta waren zwar rechtlich unverbindlich, ihre Befolgung konnte allerdings angesichts der sozialen Autorität und politischen Macht des Senats de facto nicht verweigert werden. Im Prinzipat geht die politische Willensbildung den umgekehrten Weg: Der Prinzeps trägt seine Wünsche an den Senat heran, der diese als senatus consulta formalisiert. Damit setzt sich die Auffassung durch, daß ein Senatsbeschluß gesetzesgleiche Wirkung habe.


    Erst gegen Ende des 2. Jh wird das wieder anders, denn ab da wurde der Senat zu einem Abnick-Auditorium für die kaiserlichen Anträge.


    Also ganz falsch sind wir nicht unterwegs. :)