Ich begrüße Sie wieder zur Vorlesung. Nachdem ich Ihnen in den letzten Einheiten einen äußerst groben allgemeinen Einstieg in das Recht versucht habe beizubringen, werden wir heute einen Einstieg in das Strafrecht suchen. Im Anschluß daran werd ich einen Exkurs über die Strafe an sich halten. Gut, dann beginnen wir.
Der Rechtsordnung liegt wie in jedem Normensystem eine Wertordnung zugrunde. Bestimmte Werte sollen erhalten und weiterentwickelt werden. Die Rechtsordnung stellt sie darum unter ihren Schutz und reagiert auf Verletzungen mit staatlich organisiertem Zwang. Die rechtlich geschützten Werte in unserer Gesellschaft heißen Rechtsgüter. Der Begriff ist nicht auf das Strafrecht beschränkt, denn auch die anderen Rechtsgebiete schützen Werte. Normalerweise begnügt sich die Rechtsordnung damit, daß sie anordnet, den von ihr gewünschten - der Jurist spricht von "gesollten" - Zustand nöigenfalls mit staatlicher Gewalt herzustellen, die sogenannte Exekution. Manche Rechtsgüter sind jedoch für den Einzelnen und für die Gemeinschaft in solchem Maße bedeutsam, daß die Rechtsordnung bestimmte Angriffe auf sie zusätzlich mit Strafe bedroht: Sie droht dem - potentiellen - Angreifer neben der Exekution für den Fall eines Fehlverhaltens eine direkte Sanktion gegen seine Person an.
Strafrechtlich geschützte Güter sind zB das Leben eines Menschen, sein Eigentum, seine persönliche Freiheit, man nennt diese Rechtsgüter des Einzelnen. Aber auch zB das Funktionieren der staatlichen Rechtspflege ist ein Rechtsgut - solche nennt man Rechtsgüter der Allgemeinheit. Nach Rechtsgütern ist der Besondere Teil unseres Codex Iuridicialis gegliedert gegliedert, das jeweils geschützte Rechtsgut ist der Angelpunkt für die teleologische Interpretation einer Strafnorm.
Rechtsgüterschutz durch Strafrecht ist also nicht der Normal-, sondern eher der Ausnahmefall: Geschützt werden nur bestimmte Rechtsgüter, bei denen die besondere Gefährlichkeit und Verwerflichkeit des Angriffes im Interesse des Einzelnen und der Gemeinschaft den Tadel durch öffentliche Strafe erfordert wird. Welche Angriffe strafrechtliche Folgen auslösen, entscheidet der Gesetzgeber: Strafbar ist ein Verhalten dann, wenn ein entsprechender Straftatbestandbestand im Gesetz besteht, der das Verhalten als eine Straftat definiert, lesen sie dazu § 44 Cod Iur.
Strafrecht ist also Rechtsgüterschutz durch Einwirkung auf menschliches Verhalten: Die Strafnormen sollen die Menschen von Handlungen abhalten, die fremde Rechtsgter schädigen, und sie sollen die Menschen zu einem rechtskonformen Verhalten bestimmen. Im weitesten Sinn zählen zum Strafrecht alle Normen, die regeln unter welchen Voraussetzungen - materielles Strafrecht - und in welchem Verfahren - Strafprozessrecht - über einen Menschen die Rechtsfolge Strafe zu verhängen und zu vollziehen ist.
Das materielle Strafrecht teilt man in den Allgemeinen Teil - §§ 44 bis 63 Cod Iur - und den Besonderen Teil - §§ 64 bis eigentlich Ende nie, aber wir haben bis 116. Der Strafprozessteil umfasst die §§ 1 bis 43.
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