Keine Strafe ohne Gesetz
Der Grundsatz der nulla poena sine lege steht in § 44 Abs 1 1. Halbsatz. Er besagt insbesondere, daß die Strafbarkeit einer Tat gesetzlich bestimmt sein muß. Strafen können also nur aufgrund einer ausdrücklichen Gesetzesnorm verhängt werden. Kein Prätor darf etwaige Straflücken zum Nachteil des Angeklagten aus eigener Machtvollkommenheit schließen.
Rückwirkungsverbot
Das Rückwirkungsverbot hängt eng mit dem Grundsatz nulla poena sine lege zusammen und dient seiner Absicherung. Es findet sich in § 44 Abs 1 2. Halbsatz. Strafen dürfen demnach nur verhängt werden, wenn die Tat schon zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.
Vorsatz
Der Tatvorsatz – meist spricht man abgekürzt vom Vorsatz – ist die Schuldform der Vorsatzdelikte.
Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.
Der Tatvorsatz muß sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale des Delikts umfassen; vor allem die Tathandlung, das Tatobjekt, allfällige Tatmodalitäten, den Erfolg sowie die Kausalität. Weiterhin muß er sich auf etwaige Delikts-(Wert-)Qualifikationen, nicht aber auf Erfolgsqualifikationen erstrecken.
Der Tatvorsatz besteht aus zwei Komponenten, der Wissens- und der Wollenskomponente. Achtung: Irrelevant ist in diesem Zusammenhang der Beweggrund (= Motivation = Motiv). Er ist weder Voraussetzung noch Bestandteil des Vorsatzes.
a) Wissenskomponente
Sicheres Wissen ist beim Täter häufig nicht vorhanden und auch nicht erforderlich. Bereits undeutliche und unreflektierte Vorstellungen genügen den Anforderungen an das Wissen. Die Juristen unterschieden zwei Bewußtheitsgrade (Bewußtseinsformen) des Vorsatzes: Das Aktualwissen und das Begleitwissen (Mitbewußtsein).
Von Aktualwissen spricht man, wenn der Täter an die Verwirklichung des Tatbestandes oder eines bestimmten Tatbestandsmerkmals explizit gedacht hat.
Das Begleitwissen umfaßt solche Fälle, in denen dem Täter die Verwirklichung des Tatbestandes oder eines bestimmten Tatbestandsmerkmals entweder aus den Begleitumständen oder sonst latent bewußt war. (Beispiel: Ein Taschendieb, der neben dem Geldsack auch ein wichtiges Schriftstück des Besitzers entwendet, dieses Schriftstück aber wegwirft, denkt in der Regel nicht daran, daß er dadurch auch eine Sache dauernd entzieht. Er ist daher gem §§ 86 (Geld!) und 91 (Schriftstück!) zu bestrafen.) Das Begleitwissen beschreibt die Untergrenze dessen, was von der Wissenskomponente her gesehen noch als Vorsatz bezeichnet werden kann. Jenseits des Begleitwissens beginnt die (unbewußte) Fahrlässigkeit.
Besonderheiten der Wissenskomponente:
Bei den normativen Tatbestandsmerkmalen (zB „fremd“, „unbrauchbar machen“ etc.) wird der Täter die exakte rechtliche Bedeutung eines solchen Begriffes häufig nicht kennen. Das ist auch nicht notwendig, es genügt, wenn seine laienmäßige Einschätzung dieses Tatumstands sowie dessen sozialer und rechtlicher Bedeutung jener des Rechts parallel läuft (sog. Parallelwertung in der Laiensphäre). Beispiel: Bereits das Entfernen eines Rades ohne Beschädigung des Wagens wird bereits rechtlich als Sachbeschädigung gem § 85 gewertet – doch dies braucht der Täter nicht zu wissen. Es genügt, wenn ihm (latent) bewußt ist, es koste einige Mühe, den Wagen wieder fahrbereit zu machen. Damit läuft seine eigene laienmäßige Beurteilung der rechtlichen durchaus parallel.
Bezüglich des Kausalverlaufs kann in der Regel niemand den exakten Ablauf der Dinge voraussehen (dh wissen). Wissenschaft und Praxis fordert insoweit auch keine Kenntnis dieser Einzelheiten, sondern läßt die Kenntnis des Kauslaverlaufs in seinen wesentlichen Umrissen genügen.
b) Wollenskomponente
Das eigentliche Rückgrat des Vorsatzes ist das Wollen. Es kann von unterschiedlicher Intensität und Akzentuierung sein. Wir unterscheiden drei Stärkegrade des Vorsatzes: Bedingter Vorsatz, Wissentlichkeit und Absichtlichkeit.
Bedingter Vorsatz (dolus eventualis): Er bezeichnet den geringsten Stärkegrad des Vorsatzes.
Bedingt vorsätzlich handelt, wer es ernstlich für möglich hält, daß er einen Sachverhalt verwirklicht, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, und sich damit abfindet.
Sie bezeichnet die Untergrenze dessen, was aus der Sicht der Wollenskomponente noch als Vorsatz anzusehen ist. Jenseits des bedingten Vorsatzes beginnt die Fahrlässigkeit.
Wissentlichkeit (dolus principalis/dolus directus): mittlerer Stärkegrad des Vorsatzes.
Wissentlich handelt, wer den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiß hält.
Bei der Wissentlichkeit dominiert die Wissenskomponente im Vorsatz. Wissentlichkeit setzt mehr als schlichte Kenntnis oder bloßes Wissen voraus, in Bezug auf bereits vorliegende Tatumstände ist sicheres Wissen, in Bezug auf künftige ist subjektive Gewißheit erforderlich.
Absichtlichkeit: intensivster Stärkegrad des Vorsatzes.
Absichtlich handelt, wem es darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.
Absichtliches Handeln ist zielgerichtetes Wollen. Bei der Absichtlichkeit dominiert die Wollenskomponente („darauf ankommt“), die Wissenskomponente tritt ins zweite Glied. Es ist daher gleichgültig, ob der Täter den Eintritt des bezweckten Erfolges für sicher oder nur für möglich gehalten hat. Absichtlichkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß dem Täter der Eintritt eines bestimmten Zwischenerfolges (zB Tötung eines Tatzeugen) an sich unerwünscht ist, er aber keine andere Möglichkeit sieht, sein (außertatbestandliches) Endziel (zB Unentdecktbleiben) zu erreichen.
Für die Vorsatzdelikte genügt in der Regel bedingter Vorsatz. Ausnahmen gelten nur insoweit, als das Gesetz ausdrücklich Absichtlichkeit oder Wissentlichkeit fordert.
Der Vorsatz muß, wie alle Schuldmerkmale, zur Zeit der Tat, dh bei Vornahme der Tathandlung vorliegen. Ein erst nach Abschluß der Tat gefaßter „Vorsatz“ entspricht nicht der Vorsatzdefinition, ebensowenig erfüllt ein früherer, dh im entscheidenden Zeitpunkt schon wieder aufgegebener Vorsatz (sog dolus antecedens) den Vorsatzbegriff. Hingegen macht es keinen Unterschied, ob der Vorsatz erst nach reiflicher Überlegung, spontan oder gar im Affekt gefasst wurde.
Erweiterter Vorsatz:
Von erweitertem Vorsatz = überschießender Innentendenz spricht man, wenn ein Delikt einen bestimmten, über die Verwirklichung des objektiven Tatbestands hinausreichenden („überschießenden“) Vorsatz voraussetzt. Daß der Täter das angestrebte Ziel auch tatsächlich erreicht, gehört nicht mehr zum Tatbestand solcher Delikte. Für die Verwirklichung des Diebstahls zB ist daher nicht erforderlich, daß die Bereicherung tatsächlich eintritt. Es genügt, daß er bei Wegnahme der fremden beweglichen Sache mit diesem Willen gehandelt hat.
Im Gegensatz zum Tatvorsatz (=Schuldmerkmal) ist der erweiterte Vorsatz bei den Delikten mit überschießender Innentendenz ein subjektives Tatbestandsmerkmal und daher im Fallprüfungsschema nicht unter III, sondern unter I zu prüfen.
Fahrlässigkeit
Fahrlässiges Handeln ist nur strafbar, wenn es das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt (§ 46). Fahrlässigkeit kommt nur in Betracht, wenn Vorsatz entweder auszuschließen ist oder sich jedenfalls nicht nachweisen lässt.
Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.
Der strafrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff setzt sich somit aus vier Elementen zusammen:
- objektive Sorgfaltswidrigkeit der Handlung
- subjektive Sorgfaltswidrigkeit der Handlung
- objektive Voraussehbarkeit des Erfolgs
- subjektive Voraussehbarkeit des Erfolgs
a) objektive Sorgfaltswidrigkeit der Handlung
Maßstab der einzuhaltenden objektiven Sorgfalt (=nach den Umständen verpflichtet) ist ein Verhalten, das von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters verlangt werden kann.
Modellfigur ist ein einsichtiger und besonnener Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters. Es handelt sich dabei um ein Ex-ante-Urteil, das auf die konkrete Situation bei der Handlungsvornahme zu beziehen ist. Der Täter hat objektiv sorgfaltswidrig gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters, ausgestattet mit dessen Sonderwissen, in der konkreten Situation anders verhalten hätte.
Für viele Lebensbereiche gibt es Sorgfaltsregeln, die den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab des einsichtigen und besonnenen Menschen modifizieren und spezifizieren:
- Rechtsvorschriften (Codex Iuridicialis, Codex Universalis et al.)
- Verkehrsnormen: zahlreiche, meist ungeschriebene Erfahrungs- bzw. Sorgfaltsregeln (zB Jagdregeln, leges artis der Heilberufe etc.)
Sorgfaltsregeln legen meist nur das Mindestmaß der anzuwendenden Sorgfalt fest. In atypischen und besonders gefährlichen Situationen wird von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt.
Die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht dürfen gerade im Hinblick auf die Modellfigur des einsichtigen und besonnenen Menschen nicht überspannt werden. Nicht schon die Verletzung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern erst die Nichtbeachtung solcher Sorgfaltspflichten, welche die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auflegen darf, macht das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus.
Da viele gefährliche Handlungen (Reiten, Bergsteigen, Fechtunterricht etc.) von der Rechtsordnung toleriert werden, handelt nur objektiv sorgfaltswidrig, wer ein rechtlich mißbilligtes, also sozialinadäquates, Risiko für den Eintritt eines verbotenen Erfolgs schafft oder vergrößert.
b) subjektive Sorgfaltswidrigkeit der Handlung
Die subjektive Sorgfaltswidrigkeit wird durch die objektive indiziert, dh wer objektiv sorgfaltswidrig handelt, verletzt in der Regel auch seine subjektive Sorgfaltspflicht.
Es ist maßgebend, ob auch "ein anderer", ausgestattet mit den geistigen und körperlichen Verhältnissen des Täters, in dessen Situation fähig gewesen wäre, den objektiven Sorgfaltsanforderungen zu genügen. Der Täter handelt nur dann nicht subjektiv sorgfaltswidrig, wenn er nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen zur Beachtung der objektiven Sorgfalt nicht befähigt ist. (Körperliche und intellektuelle Mängel sowie der Mangel einer bestimmten Fähigkeit in einer Situation, in der es ihrer bedarf können sie subj. Sorgfaltswidrigkeit ausschließen, nicht jedoch Charakter- und Gesinnungsmängel).
c) objektive Voraussehbarkeit des Erfolgs = Adäquanzzusammenhang
Ein Erfolg ist objektiv voraussehbar, wenn sein Eintritt für einen einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt. Maßgebend ist die Sicht ex ante im Zeitpunkt der Handlungsvornahme. Nicht erforderlich ist die Vorhersehbarkeit des Kausalgeschehens in allen seinen Einzelheiten, es genügt, wenn der konkrete Kausalverlauf (samt Erfolg) generell innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt.
Außerhalb des Adäquanzzusammenhanges liegt der atypische Kausalverlauf. Er schließt die objektive Voraussehbarkeit des Erfolgs und damit den Tatbestand aus. Das gilt im übrigen nicht nur für fahrlässige, sondern auch für alle vorsätzlichen Erfolgsdelikte. Als atypisch gilt ein Kausalverlauf nur dann, wenn er gänzlich außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt.
d) subjektive Voraussehbarkeit des Erfolgs
Die subjektive Voraussehbarkeit des Erfolgs wir ddurch die objektive indiziert. Es genügt, daß der Erfolg einschließlich des Kausalverlaufs für den Täter im Rahmen des Adäquanz- und Risikozusammenhangs voraussehbar ist.
Spezielle Probleme des Fahrlässigkeitsdelikts
Objektive Zurechnung des Erfolgs - Der Risikozusammenhang
Der Risikozusammenhang ist Teil des normativen Haftungskorrektivs der objektiven Zurechnung und erfüllt gezielt strafbarkeitseinschränkende Funktionen. Der Risikozusammenhang ist zu ermitteln, indem zwischen dem eingetretenen Erfolg und dem ihn verursachenden Verhalten eine spezifisch normative Verknüpfung hergestellt wird, deren Maßstab der Schutzzweck der übertretenen Sorgfaltsnorm bildet. Der Risikozusammenhang definiert sich also wie folgt: Der durch ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten herbeigeführte Erfolg ist dem Verursacher nur dann objektiv zuzurechnen, wenn sich in dem Erfolg gerade das Risiko verwirklicht hat, dessen Abwendung die übertretene Sorgfaltsnorm bezweckt.
Wie weit der Schutzzweck der übertretenen Sorgfaltsnorm im konkreten Fall reicht, ist durch teleologische Auslegung der jeweiligen sorgfaltspflichtbegründenden Rechtsvorschirften bzw. Verkehrsnormen zu ermitteln. Hervorzuheben sind dabei:
Mitwirkung an eigenverantwortlicher Selbstgefährdung: Die bloße Veranlassung, Förderung oder Ermöglichung fremder Selbstgefährdung kann die objektive Zurechnung des Erfolgs, insbesondere auch des Todes ausschließen (Beispiel: ein Selbstmörder wirft sich vor einem Reiter, dem Reiter kann man den Tod des Selbstmörders nicht objektiv zurechnen). Jedoch findet dieses Prinzip seine Grenzen dort, wo der Mitwirkende das Risiko kraft überlegenen Sachwissens besser erfaßt oder der Entschluß zur Selbstgefährdung erkennbar an gravierenden Beurteilungsmängel wie Schock, Panik, Irrtum oder Täuschung leidet (zB Flüchtet ein Entführter in Panik und verletzt sich bei der Flucht ohne Zutun des Entführers, ist die Verletzung dem Entführer zuzurechnen).
Hinzutreten eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen nachträglichen Fehlverhaltens eines Dritten oder des Verletzten: Ausschluß der strafrechtlichen Haftung des Erstverursachers für den Enderfolg.
Bewußte und unbewußte Fahrlässigkeit
Unbewußt fahrlässig handelt, wer nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen kann, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.
Bewußt fahrlässig handelt, wer es zwar für möglich hält, daß er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.
Während bei der unbewußten Fahrlässigkeit die subjektive Voraussehbarkeit des Erfolgs genügt, verlangt die bewußte Fahlrässigkeit insoweit mehr, nämlich die subjektive Voraussicht des Erfolgs.
Zur Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit
Der eigentliche Zweck der Gegenüberstellung der beiden Fahrlässigkeitsformen ist es, eine scharfe Grenzziehung zwischen bewußter Fahrlässigkeit einerseits und bedingtem Vorsatz (dolus eventualis) andererseits zu ermöglichen.
Wer bewußt fahrlässig handelt, hält die Tatbestandsverwirklichung nicht ernstlich für möglich, sondern vertraut darauf, daß sie nicht eintritt. Er will sie also nicht. (Merkformel: Es wird schon nicht!)
Dagegen: Wer bedingt vorsätzlich handelt, hält die Tatbestandsverwirklichung ernstlich für möglich und findet sich mit ihr ab. Er will sie also. (Merkformel: Na, wenn schon!)
Kausalität
Das Problem der Kausalität (= des Kausalzusammenhangs) zwischen Tathandlung und Erfolg stellt sich nur bei den (allerdings sehr häufigen) Erfolgsdelikten. Der Codex Iuridicialis erwähnt dieses objektive Tatbestandsmerkmal nur selten ausdrücklich, so zB in § 75: "Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt" oder § 77: "Hat die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge. Meist ergibt sich das Kausalitätserfordernis nur mittelbar aus dem Gesetz, manchmal erst im Weg subtiler Auslegung.
Bei der Kausalität geht es stets darum, ob eine bestimmte Handlung einen bestimmten Erfolg verursacht = herbeigeführt = bewirkt hat. Man geht dabei von folgenden Grundsätzen aus:
- Maßgeblich sind immer nur der wirkliche Geschehensablauf und der Erfolg in seiner konkreten Gestalt. Andere, möglicherweise auch denkbare = sog. hypothetische Kausalverläufe bleiben außer Betracht.
- Die Ursächlichkeit eines bestimmten Tuns wird nicht dadurch beseitigt, daß der Erfolg erst im Zusammenwirken mit anderen Umstanden eingetreten ist. Das bedeutet, daß bloße Mitkausalität genügt.
- Jeder Umstand, der auch nur das geringste dazu beigetragen hat, daß der Erfolg in seiner konkreten Gestalt eingetreten ist, war für diesen Erfolg kausal, war Ursache. Alle Ursachen sind gleichwertig (=Äquivalenztheorie).
Merkformel: Ein Tun ist kausal für einen Erfolg, wenn es nicht weggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Zu beachten bei dieser Merkformel ist aber, daß alle Bedingungen Ursachen sind, aber auch, daß bestimmte Voraussetzungen diese Merkformel ad absurdum führen, wie zB abenteuerliche Kausalverläufe (zB ein Bauer schickt seinen mißliebigen Knecht aufs Feld, auf daß ihn der Blitz erschlage - so geschieht es auch). Das bedeutet, die Kausalität ist immer zu prüfen, der Hausverstand ist aber einzuschalten!
Angehende Juristen neigen auch dazu, Kausalität und Schuld miteinander zu verwechseln. Beides muß aber strikt auseinandergehalten werden!
Im Rahmen der Kausalität geht es darum, ob eine bestimmte Handlung einen bestimmten Erfolg verursacht hat.
Im Rahmen der Schuld geht es darum, ob dem Täter der von ihm verursachte Erfolg auch rechtlich vorgeworfen werden kann.
Versuch
Das vorsätzliche Delikt lässt sich in vier Stadien zerlegen:
- Entschließung
- Vorbereitung
- Versuch
- Vollendung
Entschließung und Vorbereitung sind idR straflos.
Für die Entschließung ist das selbstverständlich: Cogitationis poenam nemo patitur.
Auch Vorbereitungshandlungen sind Handlungen, welche die spätere Ausführung der Tat ermöglichen, erleichtern oder absichern sollen.
(Beispiele: Kauf der Waffe, Ausspähen...)
Vorbereitungsdelikte
Für sie wird das Prinzip der Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen ex lege durchbrochen.
Vorbereitungsdelikte sind Delikte, die bestimmte Vorbereitungshandlungen mit Strafe bedrohen.
Das für das Imperium Romanum wichtigste Vorbereitungsdelikt ist § 65.
Der Versuch
Versuch und Vollendung bezeichnen die beiden strafbaren Erscheinungsformen des vorsätzlichen Delikts. § 47 dehnt die Strafbarkeit vorsätzlich begehbarer Delikte auf das Versuchsstadium aus (Strafausdehnungsgrund) und hat dreifache Bedeutung:
- Sie erklärt den Versuch bei sämtlichen Vorsatzdelikten für strafbar.
- Mit ihrer Hilfe wird der Tatbestand des versuchten Delikts gebildet.
- Sie ordnet an, daß für das versuchte Delikt prinzipiell dieselben Rechtsfolgen gelten wie für das vollendete (jedoch gleichzeitig einen Milderungsgrund beinhaltet).
Wichtig ist die Abgrenzung von Versuch und Vorbereitung:
Eine Tat ist versucht, sobald der Täter seinen Tatentschluß durch eine Ausführungshandlung oder zumindest durch eine ausführungsnahe Handlung betätigt hat.
Die Abgrenzung ist strittig, jedoch kann diese Merkformel helfen:
Maßgebend ist, ob die Handlung aus wertender Sicht ex ante und unter Berücksichtigung der konkreten Vorstellungen des Täters unmittelbar, dh ohne weitere selbständige Zwischenankte, in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollte.
Wenn es dagegen noch weiterer Etappen bedarf, ist die ausführungsnahe Handlung nicht gegeben.
(Diese Abgrenzung ist sehr schwer! Achtung! Beispiel: A will ihren untreuen Liebhaber töten und lädt ihn zu sich ein (= straflose Vorbereitungshandlung), er kommt zu ihr, sie lässt ihn ein und greift in eine Pralinenschachtel, die alle mit Gift gefüllt sind (=ausführungsnahe Handlung) und gibt ihrem Liebhaber eine Praline zu essen (= Ausführungshandlung). Die Abgrenzung der verschiedenen Stadien ist im Einzelfall sehr schwer zu entscheiden, eine absolute Merkformel gibt es bis dato nicht.)
Ein Delikt ist vollendet, sobald seine sämtlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Daraus folgt, daß ein Delikt versucht ist, wenn zumindest ein Tatbestandsmerkmal, aber nicht alle (!), erfüllt sind. Bei Delikten mit erweitertem Vorsatz gilt, daß ein Delikt vollendet ist, in dem der Täter mit dem erweiterten Vorsatz die Tathandlung vorgenommen hat, die Realisierung des erweiterten Vorsatzes ist zur Vollendung nicht erforderlich.
Täterschaften
Unser Codex verwendet den Begriff des Täters, jedoch nur ungenau. Unmittelbarer Täter (Synonym: Auführungstäter) ist, wer eine dem Wortlaut des Tatbestands entsprechende Ausführungshandlung vornimmt. Bei der Frage nach dem Täterbegriff geht ea aber auch in erster Linie um die Auslegung des Tatbestands und seine Reichweite, sollten mehrere an der Tat beteiligt sein.
restriktiver Täterbegriff
Danach ist nur derjenige Täter, dessen Handlung sich genau unter den Wortlaut eines Tatbestands subsumieren läßt. Täter ist mithin nur der die Tat unmittelbar Ausführende, indem er zB einen anderen "nötigt".
extensiver Täterbegriff
Unser Codex hat den gegenteiligen Weg gewählt. Es differenziert begrifflich nicht zwischen Tätern und "bloßen" Teilnehmern, sondern bezeichnet jeden, der einen wie auch immer gearteten Betrag zur Ausführung einer strafbaren Handllung geleistet hat, als Täter, siehe § 8 Abs 2.
Einheitstäter
Die Idee der Einheitstäterschaft geht vom extensiven Täterbegriff aus, es wird ganz bewußt auf jede begriffliche Gegenüberstellung von Tätern und Teilnehmern und zugleich auf wertmäßige Abstufungen innerhalb der Täterschaft verzichtet. Sämtliche an einer Tat beteiligten Personen werden einheitlich als Täter bezeichnet, rechtlich prinzipiell gleich gewertet und derselben Strafdrohung unterstellt.
Im Einheitssystem ist Täter nicht nur, wer die Tat unmittelbar ausführt, sondern auch, wer dem Ausführenden "den Willen stärkt" oder ihm "hilfreiche Hand" bietet. Es sind also alle Beteiligten Täter und verantworten also ausschließlich eigenes Unrecht und eigene Schuld. Anders ausgedrückt: Als Täter kann nur bestraft werden, wer sämtliche allgemeinen und besonderen Unrechts- und Schuldmerkmale in seiner eigenen Person verwirklicht, bitte beachten Sie hierbei auch § 17 Abs 1.
Notwehr
Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr besteht aus drei prinzipiellen Bauelementen: Notwehrsituation, Notwehrhandlung und subjektives Rechtfertigungselement.
Notwehrsituation
Diese Frage betrifft das "Ob" der Notwehr. Eine Notwehrsituation wird durch einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff begründet. Ein Angriff ist jedes menschliche Verhalten, das die Beeinträchtigung von Rechtsgütern befürchten läßt. Ein Angriff muß tatsächlich vorliegen, was aus der Sicht ex ante und ausschließlich nach objektiven Kriterien zu beurteilen ist.
Es stellt sich nun die Frage, auf welche Rechtsgüter die Notwehr beschränkt ist. Das Gesetz nennt hier keine Einschränkungen, doch ist aufgrund der Gesetzeslage jedem einleuchtend, daß notwehrfähige Rechtsgüter folgende sind: Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Vermögen. Ein Angriff auf andere Rechtsgüter, wie zB die Ehre, ist ausreichend durch die vorliegende Gesetzeslage gedeckt (so ist eine Beleidigung oder eine üble Nachrede ohne Substanzverlust des Menschen bzw. dessen Körpers einklagbar).
Rechtsgutsbeeinträchtigungen unterhalb der Bagatellschwelle sind (noch) keine Angriffe und begünden daher keine Notwehrsituation. Hier sind Aspekte der Sozialüblichkeit und der Sozialadäquanz miteinzubeziehen.
Der Angriff muß weiters gegenwärtig sein, auch hier entscheidet insoweit die objektive Sachlage, nicht das Dafürhalten des Angegriffenen. Ist der Angriff abgewehrt, aufgegeben oder die zur Rechtsgutsbeeinträchtigung führende Handlung abgeschlossen, kommt Notwehr nicht mehr in Betracht.
Ein Angriff ist insbesondere nur dann rechtswidrig, wenn für ihn keine Rechtfertigungsgründe vorliegen - es gilt: Gegen Notwehr gibt es keine Notwehr.
Notwehrhandlung
Hier geht es um das "Wie" der Notwehr. Gerechtfertigt ist immer nur die notwendige Verteidigung. Jede Überschreitung begründet einen Handlungsexzeß und schließt rechtmäßiges Handeln aus.
Notwendig ist jene Verteidigung, die unter den verfügbaren Mitteln das schonendste darstellt, um den Angriff sofort und endgültig abzuwehren.
Was zur Abwehr notwendig ist, muß nach objektiven Kriterien aus der Situation des Angegriffenen und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sowie aus der Sicht ex ante beurteilt werden. Zugunsten Des Verteidigers gilt der Grundsatz in dubio pro reo.
Subjektives Rechtfertigungselement
Zu den beiden objektiven Elementen der Notwehr muß ein subjektives Rechtfertigungselement hinzutreten. Mindesterfordernis ist das Wissen um das Vorliegen der Notwehrsituation.
Nothilfe
Übt nicht der Angegriffene selbst, sondern ein Dritter Notwehr, spricht man von Nothilfe (§ 10 Abs 2 "oder einem anderen"). Die Nothilfe ist eine Sonderform der Notwehr und muß daher sämtliche Merkmale der Notwehr erfüllen. Diese Voraussetzungen sind nach der Person dessen zu beurteilen, dem geholfen wird. Darüber hinaus muß beim Nothelfer das subjektive Rechtfertigungselement gegben sein.
(Aber: Gegen denn erkennbaren Willen des Angegriffenen, der sich nicht verteidigen möchte, den Angreifer schonen oder ohne fremde Hilfe auskommen will, ist Nothilfe in der Regel unzulässig.)
Die Schuld.
Der Grundsatz "Keine Strafe ohne Schuld" = nulla poena sine culpa ist in § 58 Abs 1 verankert und gehört zu den tragenden rechtsstaatlichen Prinzipien des Strafrechts. Aus diesem Grundsatz ergibt sich zweierlei:
1. Schuld ist die Voraussetzung der Strafe.
2. Das Maß der Strafe darf das Maß der Schuld nicht übersteigen.
Wieso letzteres? Da in unserem Codex schon ausdrücklich erwähnt ist, daß die Schuld unbedingte Voraussetzung ist, kann es auch nicht im Sinn des Rechtsgebers sein, wenn eine geringe Schuld hoch bestraft ist. Dies kann man auch am Strafrahmen ersehen, die für die einzelnen Tatbestände verhängt werden kann. Insofern erfüllt das Schuldprinzip auch strafbegrenzende Funktionen.
Mit dem strafrechtlichen Begriff der Schuld verbindet sich ein sozialethisches Unwerturteil. Kurz gesagt: Schuld ist Vorwerfbarkeit.
Maßstab der Schuld ist nicht das individuelle Dafürkönnen des Täters, sondern der maßgerechte Mensch in der Situation des Täters. Es wird dem Täter also vorgeworfen, daß er nicht so gehandelt hat, wie an seiner Stelle ein maßgerechter Mensch gehandelt hätte. Folglich hat der Täter dann schuldhaft gehandelt, wenn ein anderer (nämlich der maßgerechte Mensch) in der Lage des Täters nach allgemeiner Erfahrung der Tatversuchung widerstanden hätte.