Beiträge von Marcus Vinicius Hungaricus

    Der neue Legat trat vor, so daß ihn alle sehen konnten, wenn sie es bis gerade eben nicht getan hatten. Natürlich hatte er sich schon eine kleine Rede zurecht gelegt, doch nahm er sich ein paar Augenblicke Zeit, diese zu überdenken, und während dieser Zeit überblickte er die versammelte Mannschaft. Nur wenige Augenblicke, gerade so viel um sich der vollsten Aufmerksamkeit der Soldaten gewiß zu sein. Dann holte er Luft, denn es sollte ihn auch jeder verstehen können.


    Noch vor ein paar Wochen war ich Proconsul in Hispania. Hispania ist ein schöner Flecken Erde, ruhig, beschaulich, friedlich.


    Und langweilig.


    Wisst ihr, was mir gefehlt hat? Männer wie ihr! Soldaten, die sich ihre Liebe zu Rom nicht durch Posten und Geld erkaufen lassen! Soldaten, die den Frieben lieben, aber den Krieg nicht fürchten! Soldaten die keine Angst haben, in einer unruhigen und mitunter gefährlichen Gegend ihren Dienst am Imperium zu tun! Wo findet man solche Männer? Man findet sie hier!


    Mein Bruder hat gerade gesagt, wie stolz er ist, euch kommandiert zu haben. Ich bin stolz, euch von nun an kommandieren zu dürfen!


    ROMA VICTRIX!

    Der Sklave, der gerade die gewünschten Spritzer eingeschenkt hatte, wurde von Hungi mit einer Handbewegung weggescheucht. Lasst uns allein! befahl er den anderen Sklaven und Sklavinnen, die das Essen auftrugen. Es waren nur ein paar Kleinigkeiten: Brot, Oliven, Käse, die obligatorischen hartgekochten Eier mit einer grünen Sauce, aufgeschnittener Lammrücken mit einer Honigkruste. Wie gesagt, ein paar Kleinigkeiten.


    Hungi nahm seinen Becher und trank erstmal einen Schluck. Du wirst dich wundern. begann er, nahm ein Ei und aß es auf. Seit deiner Abreise hat sich einiges in Rom verändert. sprach er, als er runtergeschluckt hatte. Valerian ist ein ganz anderer Typ Kaiser als Iulianus.

    Hungi ließ sich von seinem Magister Officiorum alle vorstellen, die derzeit Rang und Namen hatten und ihm unterstanden. Er machte sich da keine Illusionen, daß er auch nur annähernd alle Namen behalten würde, aber da er ohnehin in den nächsten Tagen Termine mit den meisten wahrnehmen würde, würde er sich vermutlich spätestens da die Namen und die dazugehörigen Gesichter merken. Oder merken lassen. Einen allerdings erkannte er sofort.


    Salve Comes Caecilius. grüßte er seinen Klienten zurück. Ich freue mich, bald mit dir sprechen zu können. Länger sprach er nicht mit dem Comes, denn dann wollten auch schon die anderen gegrüßt werden.

    Dieser erste vorläufige Bericht war tatsächlich eher allgemein gehalten und er vermisste ausführliche Informationen über die Provinz.


    Was bedeutet die Stimmung ist recht gemäßigt? War sie vorher euphorisch oder ablehnend? Und für welchen Kaiser soll die Statue aufgestellt werden? Immerhin war der letzte Kaiser noch nicht so lange tot.


    Daß Mogontiacum eine Provinzstadt ist, war ihm klar. Im Vergleich zu Rom ist ja alles Provinz, erst recht für ihn als (Stadt-)Römer. Über die stabilen oder labilen Verhältnisse der germanischen Stämme untereinander bzw derer zu Rom wollte er zwar noch mit seinen Tribunen reden, aber er nützte auch hier die Gelegenheit zur Nachfrage. Diese verschiedenen Stämme... wie sind sie derzeit zu Rom eingestellt?

    Am Abend nach der Ankunft des neuen Legatus Augsti ließ Hungi eines der vielen Zimmer im Domus für ihn und seinen Bruder herrichten. Er wollte ein Zimmer und kein Triclinium, damit sie ungestört waren. Sklaven räumten das Zimmer um, so daß die zwei Klinen, auf denen er und sein Bruder dann zu liegen pflegen sollten, sich gegenüber standen, dazwischen ein großer Tisch, um die Speisen geräumig aufstellen zu können. Auf einem Beistelltisch standen zwei Krüge, eines mit Wasser gefüllt, das andere mit Wein. Pannonischen natürlich, denn über die Güte germanischer Weine mußte man Hungi erst überzeugen.


    Als die Sklaven fertig waren und Hungi mit seinem Bruder das Zimmer betrat, nickte er anerkennend den Kopf. Kein Wunder, daß du es so lange hier ausgehalten hast. Zumindest an Komfort mangelt es hier wahrlich nicht. Dann ließ er sich und seinem Bruder einen Spritzer einschenken und legte sich auf eine der Klinen.

    Also wußte sein Bruder noch nicht, was er tun werde. Hungi konnte es ihm nicht verdenken, hatte er nach Hispania auch noch keine konkreten Pläne gehabt. Ich denke, darüber sollten wir später sprechen. Jetzt nur soviel: es hat sich einiges geändert. Politisch gesehen. Aber das sollten wir morgen Abend thematisieren. Es hatte schon fast etwas konspiratives an sich, so wie Hungi es formulierte.

    Doch. Fast, Hungi hatte nämlich tatsächlich zunächst nur den Bericht im Sinn gehabt, aber wenn der Praefectus schon einmal hier war, konnte er ihn auch gleich ein paar andere Dinge fragen. Sehr gut. Ich erwarte deinen Bericht in den nächsten sieben Tagen. Etwas knapp bemessen die Zeit, zugegeben, aber was wäre der Mensch ohne eine Herausforderung.


    Praefectus, du warst bis vor kurzem noch Centurio. sprach er weiter. Wie ist die Stimmung, die Moral unter den Soldaten?

    Sehr richtig, Praefectus Castrorum. antwortete der Legatus. Da du gerade erst zum Praefectus Castrorum ernannt wurdest, möchte ich noch keinen umfassenden Bericht von dir, trage dir aber auf, einen solchen zu erstellen. Dieser soll alles beinhalten, was die Legio II betrifft: Anzahl der Soldaten, Zustand der Gebäude, Waffenkammer, Proviant, Pferde, Truppenkasse, Wasserversorgung, einfach alles. Und zwar von Grund auf. Nimm dir die Berichte deines Vorgängers als Hilfe, kontrolliere jedoch alles selbst. Er lehnte sich zurück. Hast du Fragen dazu?

    Nein, die Ämterbesetzungen interessieren mich momentan nicht. Aber ich hätte für später gerne eine Liste mit allen höheren Amtsträgern. Er nahm einen Schluck aus seinem Becher. Mein Bruder hat mir in der Tat einen kleinen Überblick gegeben. Einen kleinen. betonte er das Wort "klein". Mich interessiert prinzipiell alles, doch vor allem aufkommende Probleme. Wasserversorgung, der Zustand der Straßen, anstehende und bereits getätigte Bauten, der Handel, Kriminalität, Stimmung in der Bevölkerung und nicht zuletzt die Lage jenseits des Limes. Zurücklehnend im Sessel blickte er seinen Magister Officiorum an. Du warst doch bis gerade Duumvir in Mogontiacum, richtig? es war dies weniger eine Frage als eine Feststellung. Dann kannst du mir auch sicher gleich Auskunft über die Stadt geben.

    Unverzügliches Erscheinen war etwas, was Hungi sehr mochte. Er nickte zurück. Salve Duccius. Setz dich. Er wies mit der Hand auf den Sessel vor seinem Schreibtisch. Auf die Akten deutend fuhr er fort: Wie ich sehe, hast du dich schon auf unser Treffen vorbereitet. Sehr gut. Von einem der Leibsklaven, die immer im Hintergrund standen, ließ er sich und seinem Magister Officiorum verwässerten Wein, in illyrisch-pannonisch-norischen Gebieten salopp auch als Spritzer geläufig, einschenken. Dann wollen wir einmal. Von unnützer Zeitvertrödelei hielt er wenig, erst recht nicht am ersten Tag.

    Am Tag nach der offiziellen Amtseinführung (an der natürlich noch nicht gearbeitet wurde, zumindest nicht in Büros) bezog der neue LAPP sein Büro.


    Nachdem er im Sessel einmal kurz probegesessen hatte und wirklich nur ganz kurz über die Akten vor sich drübergeschaut hatte, ließ er nach seinem Magister Officiorum rufen. Dieser sollte ihn auf den neuesten Stand bringen.

    Der neue Statthalter von Germania, so durfte sich Hungi seit eben schimpfen, betrat gleichzeitig mit seinem Bruder, der gleichzeitig der "alte" Statthalter war (immerhin war Hungi der ältere von den beiden), die Empfangshalle der Regia. Lucianus war nie der große Redenschwinger gewesen, das wußte Hungi, und deswegen war er über die doch ziemlich knappe Einführung nicht wirklich erstaunt. Dennoch wärs nett gewesen, wenn besagte Einführung ein wenig länger gedauert hätte. ;) Selbstverständlich waren auch seine Frau und seine Tochter mitgekommen, Hungi hielt es persönlich für sehr wichtig, auch seine Familie vor den Honoratioren zu präsentieren.


    Nun trat der neue Statthalter einen Schritt nach vor, ließ sich ein paar Augenblicke Zeit um in die Runde zu blicken und begann seine kleine Ansprache. Meine Herren, der Kaiser hat mir ab dem jetzigen Zeitpunkt die Statthalterschaft über die Provinz Germania übertragen. Die Ernennung kam für mich ein wenig überraschend, nichts desto trotz bin ich sehr froh, hier zu sein. Was schon alleine deswegen nicht gelogen war, weil er die Reise hierher - wie alle anderen Reisen - so gar nicht genossen hatte. In den nächsten Tagen und Wochen werde ich mit den wichtigsten Amtsträger der Regiones und der Provinz persönlich eine kleine Besprechung abhalten, um mich umfassend über Germania zu informieren. Aber zuvor möchte ich meinem Bruder für seine Arbeit danken und bin mir sicher, daß ich mit den Amtsträgern der Städte, der Regiones und der Provinz genauso gut zusammenarbeiten werde.

    Ahso. antwortete Hungi erst einmal. In jeder Stadt und jeder Regio gab es gewisse Familien, die die höchsten Ämter für sich gepachtet hatten. Warum also sollte es hier anders sein?


    Naja, vielleicht haben die Germanen zuhause nix anderes zum tun als Gfraster in die Welt zu setzen. Er grinste breit, dann trank er seinen Becher aus. Na gut, ich denke, die gröbsten Sachen hätten wir besprochen, in die Feinheiten werde ich in den nächsten Tagen sicher eingewiesen. Aber bevor wir zum Appell gehen... wie siehts eigentlich mit dir und deiner Frau aus? Bin ich Onkel geworden? Humanressourcen! Was war wichtiger für eine Familie wie die seine? Du wolltest doch nichts mehr sonst besprechen? fragte Hungi nach.