Beiträge von Marcus Vinicius Hungaricus

    Und diese Wähler sind wir. fügte Hungi an, zwar unnötigerweise, wußte doch jeder Senator um seine Wahlpflicht und sein Wahlrecht, aber so hatte er einen wunderbaren Einstieg, sich auch in dieses Gespräch einzuklinken.


    Octavius. Du möchtest Vigintivir werden. Hast du Präferenzen, welches Amt es sein soll, so du von uns gewählt wirst? Gehört hatte er zumindest keine. Nicht, daß der junge Octavier groß eine Wahl hätte, wenns soweit wäre, aber in seltenen Fällen konnte man auf die Wünsche der Kandidaten Rücksicht nehmen.

    Aufmerksam lauschte Hungi den Worten des Aureliers vor ihm und nickte gelegentlich.


    Aurelius Maxentius... ja, der Name sagt mir etwas, wenn auch dunkel. Meine Zeit in der Curia provincialis ist ja auch schon eine Zeit lang her. Er überlegte noch ein wenig, aber ad hoc wollte ihm kein Gesicht dazu einfallen. Er hätte natürlich Aurelius fragen können, aber das wär dann doch etwas merkwürdig angekommen, und vermutlich noch merkwürdiger, wenn Aurelius dann seinen Vater beschreiben müsste. Naja, alles braucht man auch nicht erörtern.


    Mein Bruder hat gut daran getan, daß er dir geraten hat, dich an uns zu wenden. Caecilius Crassus wird allerdings mangels Senatorensitz dir bei diesem Anliegen eher weniger helfen können. Er taxierte den jungen Mann. Es war klar, daß Aurelius das Prinzip "Do, ut des" ansprechen würde, das war eines der tragenden Säulen der römischen Politik und Gesellschaft.

    Ich danke dir. entgegnete Hungi auf die Glückwünsche seines Klienten.


    Die Gesundheit des jetzigen Proconsuls interessiert mich relativ wenig. Was der Wahrheit entsprach, denn mit Flavius Furianus, eben jenem Proconsul, verband Hungi nicht viel. Man kannte sich, man grüßte sich, aber das wars auch schon. Und daran würde sich in nächster Zeit auch nichts ändern, wenn Hungi - so er vom Senat entsandt werden würde - nach Hispania ginge und Flavius im Gegenzug nach Rom käme. Aber das lag ohnehin auf der Hand.


    Aber du wolltest noch etwas von mir? Gar zuviel Zeit zum plauschen hatte Hungi heute ja nicht, denn die Wahlen... die Wahlen standen bevor. Dennoch wollte er sich so gut wie möglich Zeit nehmen für seine Klienten.

    Hungi, der sich in letzter Zeit aus den Gesprächen herausgehalten hatte, schüttelte verneinend den Kopf. Er hatte seine Schäfchen ins Trockene gebracht, mehr brauchte er nicht tun und mehr wollte er auch nicht machen. Außerdem verspürte er gerade ziemlichen Hunger. Er hatte Lust auf einen sanft gegarten Lammbraten in Kräuter-Honig-Kruste mit gekochtem Gemüse und einem fantastisch guten Wein, der natürlich aus Pannonien stammen mußte. Und da wußte er schon, wohin er nachher gehen würde. Zum Händler seines Vertrauens, dessen Frau ein Talent zum Kochen hatte, geradewegs zum Niederknien. Und daher war Hungi in Gedanken schon eine Stunde voraus und wartete im Prinzip nur mehr auf das Ende dieser Besprechung.

    Hungi hatte richtig geahnt. Da saß ein junger Mann vor ihm und wollte seine Unterstützung für die Wahl.


    Mein Bruder ist dein Patron? fragte er sicherheitshalber nach, wobei die Frage eigentlich tatsächlich eher rhetorischer Natur war. Nun ja, das mag schon so sein. Immerhin konnte hier jeder alles mögliche behaupten. Irgendwie kam ein altes Berufsleiden wieder zum Vorschein, das Mißtrauen. Allerdings müsste ich da schon etwas mehr über dich wissen, sonst leidet auch meine Glaubwürdigkeit. Und dabei konnte er auch sehen, ob der Aurelius vor ihm die Wahrheit sprach.

    Aha, die Gerüchte waren wohl noch nicht zum Cursus Publicus gelangt. Das erstaunte Hungi.


    Eine Tochter vom Consular Licinius Calenus. meinte Hungi nur knapp, denn er glaubte nicht, daß Varus mit denen persönlich bekannt war. Man hat mir angetragen, das Proconsulat in Hispania zu übernehmen. Wenn der Senat mich dazu wählt, werde ich bald dorthin aufbrechen. klärte Hungi seinen Klienten auf.

    Na, wie kann i meinem Neffen die Aufnahme verweigern... ;)


    Jojo, passt schon.


    Mein lieber Neffe: du mußt vorher noch deinen Account aktivieren. Du solltest per email einen Aktivierungslink erhalten haben, wenn nicht, dann schau in deinem Spamordner oder überprüf deine email-Adresse in deinem Profil.

    Was es an Neues zu berichten gibt? echote Hungi etwas erstaunt. War es eigentlich nicht die Pflicht des Klienten, seinem Patron die Neuigkeiten hintanzutragen? Sieht man davon ab, daß die Vorbereitungen der Wahlen zum Cursus Honorum einen Gutteil meiner Zeit auffressen, nicht viel. Das heißt, ja etwas doch, aber das wollte ich noch nicht an die allzu große Glocke hängen. Ich werde demnächst heiraten. Er ließ eine kleine theatralische Pause. Wobei, so wie es derzeit aussieht, wird die Hochzeit wohl in Tarraco begangen werden. Eigentlich waren es sogar zwei Neuigkeiten, die durchaus größer waren.

    Es waren in letzter Zeit derer Besucher viele, und Hungi hatte meistens Ahnung, warum die kamen. In diesem Falle jedoch nicht. Nichts desto trotz ließ er sich wieder in seine Toga hüllen, auf daß er den Besucher standesgemäß - laut seinem Sklaven war der Gast ein Patrizier - empfangen konnte.


    Aurelius Ursus, nicht wahr? Sei gegrüßt in meinem Hause. sprach er, als er das Atrium betrat und gleichsam mit einer Hand auf eine der Sitzgelegenheiten wies, als Aufforderung, der Gast möge es dem Hausherrn gleichtun und sich setzen, denn Hungi ahnte schon, daß der Besuch sicherlich kein kurzer sein wollte.

    Der Reihe nach - selbstverständlich nach der Wichtigkeit der einzelnen Klienten geordnet - beschäftigte sich Hungi einzeln mit den Männern, die noch etwas mit ihm zu besprechen hatten. Zwei Senatoren wurden natürlich als erstes abgehandelt, dann kamen die Ritter dran. So dauerte es eine Zeitlang, bis Annaeus Varus an die Reihe kam.


    Ah, Annaeus. Alles klar im Postwesen? begrüßte Hungi Varus zugegeben etwas knapp, aber freundlich.

    Die gab es tatsächlich.


    Meine Herren, wie ihr wisst, beginnen demnächst die Kandidaturvorstellungen auf dem Forum. Für uns alle interessant ist dabei die Wahl der Volkstribune. Ich habe mich dabei für Marcus Camurius Sidicinus entschieden, zeige dich Sidicinus! Der Genannte, ein junger schlanker Mann von Anfang 30, trat ein paar Schritte hervor. Sidicinus ist ein Klient von mir und zudem in diesem Viertel ansässig.


    Ich erwarte also, sprach Hungi weiter, daß Sidicinus von uns uneingeschränkt unterstützt wird. Sein größter Konkurrent dabei wird wohl Memmius Cominius Crastinus sein, der seine größte Unterstützung in den Bezirken um den Aventin hat. Ich brauche dazu wohl nichts weiter zu sagen.


    Hungi ließ sich einen Becher geben, in deren Inhalt der Weinanteil nur zu einem Viertel gegeben war. In der Früh brauchte er nichts Stärkeres. Ahja, lasst euch diesmal nur dann in Schlägereien verwickeln, wenn ihr in der Überzahl seid. Das letzte Mal haben zwei Familien ihre Väter verloren. Jetzt nahm er auch endlich einen Schluck. Das wärs für die Volkstribune. Die anderen Ämter werde ich mit meinen senatorischen Kollegen noch besprechen. Heute brauche ich eure Dienste daher noch nicht. entließ er damit seine Klienten. Jene unter ihnen, die noch etwas mit ihrem Patron zu besprechen hatten, würden ohnehin noch hierbleiben.

    Hungi merkte es, die Wahlen zum Cursus Honorum standen wieder an der Tür. In solchen Zeiten war er noch beschäftigter als sonst, die Klienten dabei zu unterrichten, wen sie wählen sollten war dabei hingegen die geringste Arbeit. Selbstverständlich konnten nicht alle jene wählen, die zum CH antraten, die meisten Ämter durften aktiv wie passiv nur von Senatoren gewählt werden, hingegen jene zum Volkstribun aktiv alle, die das römische Bürgerrecht hatten. Erstaunlicherweise war er dennoch sehr gut gelaunt und kam dementsprechend grinsend ins Atrium


    Guten Morgen, meine Herren. Na, was steht heute an?

    So schnell konnte es gehen. Und Hungi war eigentlich gar nicht unglücklich darüber. Die Tochter des Licinius war eine ausnehmend hübsche junge Frau, zwar nicht mehr ganz taufrisch, aber mit ihren nicht viel mehr als 20 Jahren definitiv noch im besten gebärfähigen Alter (den Wunsch nach einem Sohn und Erben hatte Hungi noch immer nicht aufgegeben). Sicher war da zwischen ihr und Hungi ein gewisser Altersunterschied vorhanden, aber was sollte er auch mit einer vertrockneten Schachtel in seinem Alter, da konnte er gleich Junggeselle bleiben. Zudem war er sich sicher, daß Licinius sicher mit ihr schon über die Möglichkeit einer Vermählung mit ihm gesprochen hatte, und wenn sie sich mit Händen und Füßen gewehrt hätte, hätte dieses Gespräch sicher nicht stattgefunden.


    Dennoch war sein Hals jetzt trocken und er daher dankbar für den Caecuber. Immerhin einigte man sich nicht jeden Tag über seine Vermählung. Er stieß mit seinem zukünftigen Schwiegervater an.
    Willkommen in meiner Familie, Licinius.

    Er hatte geahnt, daß es auf so etwas hinausläuft. Schmunzelnd wanderte sein Blick abwechselnd vom Hausherrn zur Statue und wieder zurück. Findest du? fragte er nicht so scherzhaft, wie es den Anschein hatte, denn er hatte selber schon länger überlegt, daß sein Haus einen gehörigen Aufputz brauchte. Allerdings hatte er bisher noch nicht wirklich Gelegenheit, sich ordentlich umzusehen. Da kam ihm so ein Angebot eigentlich gerade recht.


    Er schaute wieder die Skulptur an. Hübsch war sie ja, und passen würde sie tatsächlich in sein Haus. Zudem war es eine enorme Gunstbezeugung von Licinius, etwas, das man nicht hoch genug einschätzen konnte.


    Och ja, ich würd sie schon nehmen. In betont lässiger und salopper Manier sprach er die Worte, noch mit einem Schmunzeln auf seinem Gesicht, doch sonst ließ er sonst keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Aussage aufkommen.

    Ja, da war sie wieder, die Sache mit der bildenden Kunst, von der Hungi kaum eine Ahnung hatte. Doch allein schon um den Gastgeber nicht zu verärgern, trat er näher, um das Werk besser begutachten zu können. Zuerst konzentrierte er sich auf die technischen Details, der Feinheit der Arbeit, die der Künstler walten ließ, den eleganten Sprung des Bocks, die Faltentiefe des Gewandes der Göttin bis hin zum Ausdruck, den die Göttin im Gesicht trug. Dann stutzte er. Dieses Gesicht kam ihm nämlich bekannt vor und nicht einmal einen Wimpernschlag später fiel bei ihm der Sesterz. Sie war ihm schon mal vorgestellt worden, vor einiger Zeit bei irgendeinem Fest zu Ehren irgendeinen Gottes, der ohnehin nur als Aufhänger für ein herrliches Gelage herhalten mußte, und waren sich danach auch noch ein paar Mal über den Weg gelaufen, doch viel zu tun hatten sie miteinander nicht. Hungi verglich seine Erinnerungen mit dem Abbild vor sich und zollte dem Künstler Respekt. Nur ein winziges Detail war anders, aber Hungi hätte in diesem Augenblick nicht sagen können, welches Detail genau das war.


    Anerkennend nickend wandte er sich wieder Licinius zu. Die Technik war raffiniert, die Skulptur schön herausgearbeitet, ja, die Plastik gefiel ihm. Und er merkte schon, wie sein Interesse wieder nachließ. Aber vorher mußte er ja noch dem Hausherrn beteuern, wie gelungen er sie fand. Sehr hübsch. begann er also. Wirklich sehr hübsch. Ein griechischer Künstler?

    Als er angesprochen wurde, wandte Hungi seinen Blick von den Mosaiken ab und stellte den Becher, den er noch immer in der Hand hielt, auf dem Tablett vor dem nubischen Sklaven ab.


    Ich fürchte, das ist ein Relikt aus meiner Militärzeit, das ich einfach nicht ablegen kann. Hungi schmunzelte, war dies doch nur die halbe Wahrheit. Denn die Küche von Licinius war nachgewiesen eine der besten in ganz Rom und nur ein Idiot würde zu spät kommen wollen und dadurch einen oder gar zwei Gänge verpassen.


    So als ob er jemanden suchen würde, sah er sich um, doch außer ihm, Licinius und den wenigen Sklaven war niemand im Atrium. So wie es aussieht, bin ich auch der erste Gast.

    Hungi war den Anblick des Atriums schon gewohnt, war er doch schon mehrmals hier zu Gast gewesen, wie auch der Licinier manchesmal seine - im Vergleich zu Licinius - bescheidene Villa Vinicia besucht hatte. Der erste Weg war hierbei immer der gleiche, nämlich zu dem Sklaven, der auch sogleich verstand und ihm seinen Spritzer einschenkte, der Jahreszeit gemäß sommerlich leicht, also mit spürbar mehr Wasser als Wein. Eine Himbeere, von angenehmer Säure und mit dem für diese Beeren eigenen ganz dezenten und feinen Geschmack, fand den Weg in Hungis Mund und gleich darauf verbreitete sich der Duft (im metaphorischen Sinne, denn Geruchsnerven befinden sich ja bekanntlich nicht auf der Zunge) im vorderen Rachenraum. Und wie an den Besuchen zuvor ließ sich sein Blick durch die Mosaike fesseln, und da er ohnehin auf Licinius warten mußte und daher Muße hatte, gab er dem Begehren seiner Augen nur zu gerne nach.


    Allerdings, und das war eine seiner von seiner Bildung her gesehen größten Fehlplätze, war er nicht wirklich mit einem großen Sinn für bildende Kunst gesegnet, noch konnte er den Wert eines solchen auch nur abschätzen. Wenn ihm ein Bild oder eine Skulptur gefiel, dann gefiel sie ihm und das langte ihm. Stundenlang vor einem Mosaik zu sitzen und jedes einzelne Steinchen zu begutachten, langweilte ihn. Vielmehr war er von der Kunst des Wortes fasziniert, die als Dichtung, Prosa oder Theaterstück überliefert wird, ein gut gewählter Spruch, ein genial plaziertes Eigenschaftswort lockte ihn mehr aus der Reserve als die schönsten architektonischen Gebilde. Es mag sein, daß er deswegen so gerne Jurist war, denn hier wie dort feilte der Künstler (wobei er sich eher als Handwerker sah) an Worten, drehte an Formulierungen, überlegte die Wirkung des Geschriebenen so lange, bis er zufrieden war mit seinem Werk und dies der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Sein Blick blieb am Frauenportrait hängen. Er kannte die Abgebildete nicht, hatte aber auch noch nie gefragt, wer diese sei. Er vermutete eine nähere Verwandte, vielleicht die Mutter oder Schwester, obwohl es ihn auch nicht wundern würde, wenn es eine frühere Geliebte des Licinius wäre. Bei diesem Gedanken schmunzelte Hungi. Seine verstorbene Frau Livia hätte ihn in diesem Falle wohl sofort verlassen und die Scheidung verlangt.
    Und zuvor sämtliches Mobiliar mit ihren eigenen Händen zerstört.