Beiträge von Marcus Vinicius Hungaricus

    Fernziel Senator. Gut, das hatte Hungi erwartet, das war vom bisherigen Lebenslauf des jungen Aurelius eine notwendige Folge. Schlechte Nachrichten hatte Hungi bisher von ihm auch noch keine vernommen, also stand im Prinzip von dieser Seite einmal nichts entgegen. Und er war im Cultus Deorum tätig, eine wichtige Sache, eine lobenswerte Tätigkeit, wenngleich es ohnehin Pflicht eines jeden guten Römers war. Daß er selber bisher kein Amt im Cultus Deorum innehatte, verschwieg Hungi sich in Gedanken einmal selber. 8)


    Eine Verbindung zu den Flaviern? Interessant. Erzähl. setzte er bei diesen Worten nach, denn politische Verbindungen jedweder Art waren immer interessant.


    Unterschätze deinen Bekanntheitsgrad nicht, Aurelius. Bei deinem Fest waren zahlreiche Senatoren anwesend, außerdem bringt es das Amt des Decemvirs mit sich, mit vielen Menschen in Kontakt zu treten. Ich würde daher sagen, in Ordnung. Ich stehe deinem Ansinnen sehr positiv gegenüber.

    Hungi rieb sich die Stirn, ein sicheres Zeichen dafür, daß er überlegte. Der Posten an sich war ja frei und von seinen Klienten kam keiner dafür infrage, sei es weil sie überqualifiziert waren, sei es, daß sie die Voraussetzungen nicht erfüllten. Und da sonst keiner bisher an ihn herangetreten war...


    Na gut, dann probieren wir es mit dir. sagte er bedächtig, setzte aber gleich nach. Ein Monat zur Probe, um zu sehen, wie du dich zurechtfindest. Dann sehen wir weiter.

    Ahja... Er nahm die lange Liste entgegen und studierte sie genau.


    Ich nehme an, das "B" bedeutet bezahlt? Er las weiter. Um welche Branchen handelt es sich bei den einzelnen Betrieben? Das geht aus der Liste nicht wirklich hervor. Ihm fiel auf, daß es fast nur Verstöße gegen den berühmten § 3 Abs 5 gab. Er seufzte fast unhörbar, in diesem Moment hätte er den Terentier, der diesen Absatz verbrochen hatte, an die Wand nageln können. Gut. Beim Fall Duccius Munatianus eine Benachrichtigung schicken, daß er in den nächsten zwei Wochen seine Strafe bezahlen soll, ansonsten wird mit gerichtlichen Schritten gedroht. Ebenso eine Benachrichtigung an Avarus, daß er seine gerichtlich angeordnete Strafe zahlen soll, aber in einem höflichen Ton, er ist immerhin Senator. Und bei den anderen Fällen muß ich wie gesagt erst genau wissen, um welche Art Betriebe es sich handelt.

    Gelächter und angeregte Diskussionen erfüllten die Luft. Manchmal war es schwierig, mehr als nur Gesprächsfetzen von den anderen Klinen auszumachen, doch selbst wenn Hungi das akustische Vermögen dazu gehabt hätte, sein Interesse war diesbezüglich gleich Null. Vielmehr war er ganz begeistert von seiner Gesprächspartnerin, die ihn mehr zu fesseln vermochte, als alle Gespräche über die derzeitige Außenpolitik zusammen. Er verspürte einen kleinen Hunger, eigentlich mehr einem Gusto gleich, weswegen er sich ein kleines Stück gegrillten Fisch mit Olivenpaste nahm und sogleich aß. Es hätte jedoch sonst etwas sein können, es wäre Hungi gleich gewesen. Immerhin war er nicht zum Essen hier, sondern zum Kontakte knüpfen, er hatte zwar nicht daran gedacht, daß es solch ein Kontakt werden würde, aber er würde sicher einen Gott oder eine Göttin verärgern, wenn er solcherlei Begegnungen abweisen würde. Nichts desto trotz bemerkte er das demonstrative Genießen, das sie vor ihm an den Tag legte, und es gefiel ihm, dieser Hauch von Verdorbenheit. Weniger jedoch gefiel ihm diese seltsame Wanderung des Löffels, das er nun auch endlich bemerkte und ihn stark irritierte. War sie eine Kleptomanin? Oder war dies ein Spiel, das sie ebenso zu spielen pflegte wie diese Konversation mit ihm? Nur ein Blick später versicherte ihm, daß die Sklavin besagten Löffel zurücklegte und er war schon eher beruhigt. Ansonsten würdigte er die Sklavin mit keinem Blick und machte - gleichsam zur Überbrückung dieser doch ein klein wenig peinlichen Situation - es ihr nach und nahm wiederum etwas zu Essen, dieses Mal ein Stück Hasenbraten, zurechtgeputzt und gewürzt, als wäre es der Flügel eines Huhns.


    Die Beute. Schon lange ging es nicht mehr um die Jagd nach Verbrechern, sondern um etwas viel interessanteres. Kein Zweifel, sie bot sich ihm an, und er würde es ebenfalls ohne Zweifel annehmen. Ich wäre entzückt und äußerst interessiert. sagte er mit leiser, aber rauher Stimme. Wie beiläufig, aber mit bestimmten Blick suchte und maß er das Gebäude um sich herum aus, das Ziel war ein Ort, wo sie sich diskret zurückziehen konnten. Doch es war ihm kein Glück beschieden, hier und so auf die Schnelle konnte er keinen solchen Ort finden. Es hätte ihn auch gewundert, aber es war auch kein Pech, denn wenn er diese Gelegenheit ergriffen hätte, hier und jetzt, ihr Götter, was wäre das für ein Skandal gewesen. Nein, lieber nicht hier und nicht jetzt. In diesem Moment sah er Claudia Antonia weggehen, was ihn aus seinen Gedanken riss und erneut Callista zuwenden ließ. Keine Frage, er hatte hier seinen Spaß, die Wollust, die sich in seinem Innersten regte, ließ ihn eine süße Folter spüren.

    Na toll, das fehlte ihm noch, ein Schreibtischhengst mit so gut wie keinen militärischen Erfahrungen will einen der höchsten Positionen in einer der Stadteinheiten, den Vigiles.


    Praefectus Castrorum? fragte er noch einmal ungläubig und deshalb sicherheitshalber nach. Immerhin erlebt man sowas nicht alle Tage. Hast du Referenzen, die du vorweisen kannst? Erzählen konnte der junge Mann vor ihm ja wissen die Götter was, alles schon mal vorgekommen.

    Es gab da eine winzig kleine Kleinigkeit, die ihn aber massivst störte, nämlich die Schreckschrauben von Freundinnen an der Seite, die da die beiden Protagonisten der Szene anstarrten wie zwei Jahrmarktsattraktionen in einer dakischen Kleinstadt. Genau aus diesem Grund fiel es Hungi extrem schwer, diesen Kuß zu genießen, was es eigentlich sollte, immerhin war seine Partnerin ja auch nicht von schlechten Eltern, und es sicher auch getan hätte, wenn eben besagte Freundinnen überall, nur bloß nicht hier gewesen wären. In diesem Moment wünschte er diese ganz weit weg, mindestens eine Meerenge sollte dazwischen sein, aber diesen Gefallen tat ihm in genau diesem Moment kein einziger Gott. Ob man jedoch auf andere Weise diese schnatternden Gänse loswerden konnte? Das wäre ein Gassenschlager, raus mit den Schabracken und allein sein mit Lucilla. Allein in diesem Atrium, nur sie und er und sonst niemand (außer natürlich die obligatorischen Sklaven und Sklavinnen, aber das war ohnehin klar). Allerdings natürlich mußte auch Lucilla ähnliche Gedanken haben, er konnte ja schlecht ihre Freundinnen rausschmeißen, wenn sie nicht den gleichen Wunsch wie er hätte. Auf der anderen Seite wäre es ihrem guten Ruf sehr abträglich, wenn sie mit einem Manne allein wäre, der in Bezug auf Frauen nicht gerade den respektabelsten Ruf genoss. In diesen wenigen Momenten, in dem er dies überschlagsmäßig bedachte, kam er zu dem Schluß, daß er wohl auf ein Zeichen warten mußte, wenn sich diesbezüglich etwas ergeben sollte. Nein sagen würde er gewiß nicht, er wär ja schön blöd.


    Alles hat jedoch ein Ende, nur die Wurst hat zwei, so mußte er sich - wenn auch widerwillig - von ihren Lippen lösen, was er auch langsam tat. Souveränität war alles, denn immerhin musste er sich zusammenreissen und den Schnattertrommeln da nicht das Gefühl geben, als würde er Lucilla gleich hier auf der Kline vor ihren Augen nehmen. Obwohls durchaus reizvoll gewesen wäre, letzteres, also ohne Publikum. Da dies natürlich aber im Moment ein Wunsch war, sah er nur in die Runde, amüsierte sich innerlich über deren Blicke und räusperte sich. Meine Damen, greift zu.

    Vielen Dank. Ich werde gerne darauf zurückkommen. Zwar hatte Victor selber ihm auch schon etwas ähnliches angeboten, aber lieber eine Hilfe zuviel als zuwenig. Mit etwas skeptischem Gesichtsausdruck verfolgt er die suchenden Blicke seines prätorianischen Kollegen. Suchst du etwas bestimmtes?

    Hungi schmunzelte ob der Antwort seiner Besucherin. Mittlerweile stand für ihn mehr als fest, daß Claudia sich nicht nur wenig, eher überhaupt nicht mit den Gesetzen auf gutem Fuße stand. So und nicht anders konnte er ihre Worte interpretieren.


    Eine Töpferei? Er schüttelte den Kopf. Nein, eine Töpferei kann nie und nimmer erlaubt sein nach der derzeitigen Gesetzeslage. Sieh, es geht nicht um den Erdrohstoff, sondern um die Landwirtschaft und das primäre Ziel der Landwirtschaft ist es, ganz allgemein gesagt, Früchte aus der Erde zu ziehen. Das kann jetzt sein Getreide, Gemüse oder auch Obst von Sträuchern und Bäumen, nie aber Ton, denn Ton fehlt die Eigenschaft - verzeih mir die juristische Definition, doch sie ist am prägnantesten dafür - eine wiederkehrende Frucht von der Muttersache Erde zu sein.


    Erklären machte hungrig und durstig, so nahm Hungi erneut einen Schluck seines Weines zu sich und griff sich dann etwas Käse und eine Nuss und ließ beide in seinem Mund verschwinden. Er liebte solche Kombinationen und hatte sich schon bei mehr als einer Gelegenheit die Frage gestellt, ob es wohl gescheit wäre, die - dann natürlich gemahlene - Nuss noch vor der Reifung in den Käseteig einfließen zu lassen oder ob es wohl besser wäre, so wie jetzt erst bei Tisch die beiden Geschmacksrichtungen zusammenzuführen. Er nahm sich vor, dies bald herauszufinden.


    Och, auf etliche Betriebe. Das Gesetz, das der seinerzeitige Volkstribun Terentius eingebracht hatte, war ... nun ja, wie soll man sagen ... etwas unausgegoren. Ein wenig Abhilfe gab es zwar durch den Kommentar meines Klienten Caecilius, dennoch sind etliche Fragen ungeklärt und müssen erst durch unsere Gerichte ausjudiziert werden. Den Nachsatz mit dem geringeren Fehler bei der Führung ließ er unkommentiert, wußte er auch nicht so wirklich, was Claudia damit meinte.

    Du siehst es vollkommen richtig, außer die Mutter ist eine Sklavin, denn dann wäre das Kind ein Sklave und Sklaven kann man nicht adoptieren. (Außer die schwangere Sklavin war während ihrer Schwangerschaft auch nur einen Moment frei, dann gilt die favor libertatis und das Kind ist kein Sklave).

    Hungi sah seinen Mitsenator mitleidig lächelnd an.


    Wenn ich hier so in die Runde schaue, dann sehe ich kaum jemanden, der nicht schon einmal mit dem Gericht als Angeklagten zu tun hatte.


    Es scheint mir, daß Senator Decimus lieber einen Kriminellen in einem Ehrenamt sehen will, als einen Unschuldigen wenn auch verspätet rehabilitiert. Na bitte, soll sein Recht sein. Mir hingegen ist das Schicksal Roms wichtiger als das des Einzelnen. Und für mich wäre es ein Greuel, miterleben zu müssen, daß ein ungesühntes Vergehen verschleppt wird aus Angst, es könnte einen Unschuldigen erwischen.


    Die Wahlen sind immer schmutzig. Vielleicht mögen diese in Hispania oder Germania gemütlicher sein, aber wir sind hier in Rom. Verabschiede dich also vom Gedanken einer geruhsamen Zeit, Senator Decimus.


    Und Annaeus sollte sich schnellstens um seine Verteidigung kümmern, sonst wird es nichts mit einer möglichen Wahl.


    Sim-Off:

    Bitte nicht das Rechtsdenken unserer Zeit in die Antike transferieren.

    Hungi war tatsächlich einer derjenigen, der etwas gelangweilt dreingeschaut hat bei der Rede des Kandidaten. Und auch hier wusste er nichts besseres gegen seine Langeweile als einen Kommentar anzubringen.


    Ich bin versucht deinen Worten zu entnehmen, daß du eine etwas verklärte Einstellung zum Amt des Tresvirs innezuhaben scheinst. Eine ermittelnde Tätigkeit wird der Tresvir nämlich nur in den allerseltensten Fällen einnehmen können, das ist vor allem Sache der Stadteinheiten. Oder irre ich mich, was deine Vorstellung angeht?

    Hungi runzelte die Stirn.


    So einfach ist das nicht. Sollte Annaeus tatsächlich schuldig sein, so kann er sich mit einer Wahl in ein Amt in die gerichtliche Immunität quasi flüchten. Das ist ein Zustand, den ich nicht zu tragen bereit bin, das sollte im übrigen niemand hier in der Curia Iulia.


    Sollte Annaeus jedoch unschuldig sein, wird er nicht viel verlieren als ein Jahr, Octavius Detritus hingegen darf sich dann nicht nur dem Spott des Senats, sondern auch einem ordentlichen Verlust seiner Reputation gewiss sein.


    Wenn Annaeus seine Unschuld bis zu den Wahlen beweisen kann, so soll er antreten dürfen. Andernfalls muß er seine Kandidatur bei den nächsten Wahlen formulieren.

    Hungi grinste weiter. Alles Taktik. Hätte ich es dir gesagt, so würde ich vermutlich noch immer auf dem anderen Sessel ... Er zeigte mit dem Daumen in die Richtung des größeren Flügels der Castra. ... sitzen und mich abarbeiten.


    Den schon demonstrativ beiläufigen Blick übersah er zunächst. Überraschend ist gar kein Ausdruck. Überrumpelnd schon eher.

    Und wie immer dauerte es seine Zeit, bis Hungi besucherfertig angekleidet war. Außerdem mußte er noch verschiedene Anweisungen tätigen, die alle mit dem nahenden Winter zu tun hatten. Dementsprechend geschäftig kam er ins Atrium herein.


    Octavius Cato, sagte man mir? Du willst mich wegen den Vigiles sprechen?