Von einem Diener des Hauses ins Triclinium geleitet, ließ sich Hungi beim Gastgeber ankündigen und überbrückte die zu wartende Zwischenzeit mit der Beobachtung, wen sein Klient eingeladen hatte. Zwei Aurelier sah er, Flavius Gracchus, Meridius war auch da, Aelius Callidus... oha, und ein paar hübsche Damen. Sehr gut, denn nichts war langweiliger als ein Herrenabend, in dem sich alles nur um Politik oder Philosophie drehte. Frauen, egal welchen Standes, lockerten eine Gesellschaft immer auf, es sei denn, es waren vertrocknete alte Schachteln mit einem übersteigerten Maß an Moral und Anstand und solche Sachen. Nein, auf solch gräßliche Unterhaltung konnte er gut und gern verzichten. Angenehme Konversation mit hübschen jungen Damen hingegen passten ihm heute abend sehr gut ins Konzept, viel zu lange schon hatte er auf so etwas verzichten müssen.
Beiträge von Marcus Vinicius Hungaricus
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Die Zeit war schon ein wenig fortgeschritten, als der Zug des Senators Vinicius vor der Villa Tiberia hielt. Langsam und bedächtig stieg Hungi aus seiner Sänfte, er stand noch gar nicht richtig, als schon einer seiner Sklaven um ihn herumscharwenzelte und die Toga des Senators richtete. Eine lästige Angelegenheit, aber notwendig. In der Zwischenzeit schickte er einen anderen Sklaven an die porta, der dem Ianitor die Ankunft Hungis berichten sollte.
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Hungi schüttelte energisch den Kopf. Nein, nein, du mißverstehst mich. Ich kenne Annaeus Modestus schon, Gespenst ist er also keiner, und bei den Spielen war ich damals auch zugegen. Ich habe mich mit dem Senator Purgitius Macer durchaus nett unterhalten. Wobei ihm gleich einfiel, daß Macer ihm gegenüber eine Schuld einzulösen hatte. Oder war es umgekehrt? Es war doch schon eine ganze Zeit lang her. Also wenn Caecilius Crassus nichts über Annaeus sagen kann, hat das sowohl positive als auch negative Seiten. Hungi konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Allerdings war es tatsächlich merkwürdig, daß selbst der Praefectus Praetorio nichts über einen Duumvir sagen konnte. Entweder war der Mann respektive seine Politik wirklich so farblos oder aber der Caecilier wollte nichts über Annaeus sagen, was ebenso gut möglich war.
Wenn der Mann ein wenig bekannter wäre... Ich bin an sich auch dagegen, Annaeus in den ordo senatorius zu erheben. Ein Mann, der so wenig in Rom bekannt ist, unter den Senatoren vor allem, hat kaum die Chance, vom Gremium in ein Amt des cursus honorum gewählt zu werden. Einen anderen Grund für seine Erhebung kann ich mir nicht vorstellen. Es sei denn natürlich, er hat gewisse Kräfte hinter sich stehen, die von politischem Vorteil wären. Erlaube mir die Frage, auf wessen Veranlassung wurde dieses Bittschreiben an unseren Imperator versandt?
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Er war erstaunt über die offene Art, mit der sie sich ihm mitteilte. Im Normalfall waren die Menschen in seiner Umgebung weit verschlossener, doch sie hier machte sich nicht die Mühe, sich irgendwie zu verstellen. Ihr Vater mußte eine eigenartige Auffassung von Erziehung haben, ganz untraditionell, oder seine Tochter hatte einen stärkeren Willen als ihr Vater. Dieser Gedanke ließ ihn kurz lächeln, doch dann konzentrierte er sich wieder auf die Frau vor ihm und den Grund ihres Besuches.
Und er lachte auf, es war ein überraschtes, aber herzhaftes Lachen. Daher also weht der Wind. Er lachte wieder auf, diesmal leise, und nahm einen Schluck aus seinem Becher. Als der - verwässerte - Wein seine Kehle hinunterlief, stellte der den Becher wieder hin und schaute Deandra durchaus belustigt, jedoch weiterhin freundlich an. Offensichtlich die Lex Mercatus, ich liege doch richtig? fragte er mehr der Rhetorik als der Information halber. Bevor ich um weitere Informationen bitte: wie kommst du auf die Idee, daß eine geringe Geldbuße deinen Namen beflecken würde? Ich kenne Menschen, die ohne mit der Wimper zu zucken weit gröbere Vergehen leisten oder gar schamlose Verbrechen, da wäre eine sicher nur geringe Geldstrafe kein Anlaß zu unbegründeter Sorge.
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Hungi nickte nur, als er die noch wartenden Klienten überblickte. Ich denke auch, ich werde wohl heute etwas länger brauchen. Vale bene, Tiberius. verabschiedete er seinen Klienten und wandte sich dann dem Nächsten zu.
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Hinter Durus drängelten schon ein wenig die anderen Klienten, und da das Wichtigste schon besprochen war, nickte Hungi seinem nomenclator zu.
Ich erwarte mit Freuden deine Einladung. Ob dieser Valens ihm gefallen würde, ließ Hungi unkommentiert, das würde er vermutlich eh bald erfahren.
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Hungi lächelte. Doch nicht weil er etwa beeindruckt war vom gebrachten Zitat, eher, war er amüsiert, weil Avarus sich selber gerade widersprochen hatte. Allerdings hatte er wenig Lust, dies irgendwie zur Sprache zu bringen.
Wahr gesprochen, mein Freund. antwortete er etwas scheinheilig und legte ein Ausdruck des Bedauerns auf sein Gesicht. Verzeih mir, doch dringende Geschäfte bedürfen meiner Aurmerksamkeit. Bitte richte Lucilla schöne Grüße von mir aus.
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Die beiden Sklavinnen, die gerade noch aufgewischt hatten, hatten sich bereits zurückgezogen, statt denen kam ein junger Diener, der - immer wenn Gäste da waren - für die Bewirtung zuständig war und auch heute Wein, Wasser und die benötigten Kelche brachte. Hungi beachtete ihn erst, als der Diener seinem Gast und dann ihm einen Becher mit verwässerten Wein anbot.
Kaeso Annaeus Modestus? Puh... Er überlegte sichtlich und ließ daher ein paar Momente verstreichen. Irgendwann gabs da mal Spiele in Mantua, zu denen ich eingeladen war, und ich glaube, in der Curia habe ich ihn auch noch kennengelernt, aber bei weitem nicht so gut, als daß ich behaupten könnte, daß wir mehr als nur flüchtige Bekannte seien. Er nahm einen Schluck von seinem Wein. Aber warum konsultierst du nicht den Praefectus Praetorio?
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Ich sehe nur, daß ihr eine äußerst fragwürdige Heiratspolitik habt, aber gut, diese Diskussion hatten wir schon einmal. In Ordnung, eurem Willen soll entsprochen werden.
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Eine Plebejergens.
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Ersetzen ist in diesem Fall kein Problem. Aber eines stößt mir schon extrem ungut auf: Muß es denn wieder eine Ehe cum manu sein? Wie fortschrittlich und untraditionell.
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Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er hat keinen Patron? fragte er überflüssigerweise nach, doch so etwas war sehr selten. Dann soll er seinen zukünftigen Patron weise wählen. schloß er dieses Thema und wandte sich dem nächsten zu.
Du willst kandidieren? Das ist ausgezeichnet. antwortete er. Das bedeutete zwar, daß auch Hungi seine Kollegen überzeugen mußte, auf welche Art auch immer, aber andererseits bedeutete das Abwechslung im letztens doch etwas öden Senatsleben.
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Auch Hungis Becher leerte sich, gleich wie der seines Gastes. Als er geendet hatte, stellte er seinen Becher auf den kleinen Beistelltisch, ein untrügliches Zeichen dafür, daß der Hausherr kein Nachschenken mehr wünschte. Deine Großmutter war eine weise Frau. quittierte er die Aussage seines Gastes. Geben brauchte man darauf allerdings nichts, das hätte er auch gesagt, wenn die Großmutter irgendeinen Schmarrn erzählt hätte, was sie auch hat, weil dermaßen tiefschürfend fand Hungi das jetzt auch nicht wirklich. Er erhob sich.
Und wer sind wir, daß wir die Ratschläge unserer Vorfahren einfach wegwischen dürfen?
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Hungi überlegte kurz. Einerseits wäre es sicher gemütlicher, wenn Tiberius bei ihm vorstellig werden würde. Andererseits hatte er schon oft die Erfahrung gemacht, daß die Menschen sich in gewohnter Umgebung sicherer fühlen, daher auch mehr von sich preisgeben, und genau das war - was jedem sofort einleuchten sollte - unumgänglich, um einen Menschen kennen zu lernen. Ich habe schon lange nicht mehr in der Villa Tiberia vorbeigesehen. sagte er, womit auch die Frage von Durus beantwortet sein sollte. Vielleicht beim nächsten Fest, wenn du deinen jungen Anverwandten einigen Senatoren vorstellen magst als jungen, aufstrebenden Politiker. Eine genauso übliche wie - vor allem für die Gäste natürlich - äußerst angenehme Art, Kontakte zu knüpfen.
Da fällt mir ein, wer ist denn der Patron deines Verwandten? Es würde ihn zu sehr interessieren, welche Patronatsbeziehungen sonst bei den Tiberiern vorherrschte.
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Jetzt hör aber auf, du beklagst dich schon wie ein altes Weib! Du verfügst über weit mehr Land als ich, also erzähl mir nicht, daß du akute Befürchtungen hast, als verlotterter, verarmter Faßbewohner auf dem Forum enden zu müssen. Deine Übertreibungen sind also vollkommen fehl am Platz. Hungi schüttelte verärgert den Kopf und fragte sich, ob Avarus mit fortschreitendem Alter noch anderes im Sinn hatte als Geld und deren Vermehrung. Es wäre zumindest ein Grund, warum die Hochzeit mit Lucilla noch immer nicht gefeiert wurde, fügte er bissig in Gedanken hinzu.
Ich will dir sagen, warum wir uns einschränken: weil Geldgeschäfte eines Senators nicht würdig sind, und das weißt du. Wenn du deine Finger nicht davon lassen kannst, dann mach es wenigstens unauffällig über einen Strohmann, wie all die anderen, die auch... 'den Hals nicht voll kriegen können.' dachte er, sprach es dann aber doch nicht aus. ... genauso denken wie du. Aber bei Bona Dea, verschon mich mit deiner Jammerei. Nur halb so echauffiert, wie seine Worte klangen, nahm er einen Schluck aus seinem Weinbecher. Und mit dem Cursus Honorum übertreibst du auch maßlos, es strömen genug aufstrebende Senatorssöhne in die Ehrenämter und bei jenen Magistratsämtern, die den Senatoren vorbehalten sind, gibt es auch genug Kandidaten.
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Hungi war weit davon entfernt, ein Frauenversteher zu sein - er mochte und liebte die Frauen, aber verstehen war eine ganz andere Sache - aber hier hätte selbst ein tauber Blinder mit Krückstock auf weite Entfernung bemerkt, daß die Claudia offensichtlich eine Last zu tragen hatte. Ihr Verhalten kam ihm tatsächlich eigenartig vor und er war es von patrizischen Frauen definitiv nicht gewohnt, daß sie ihre Gefühle dermaßen offen zur Schau trugen. Es mußte daher, so seine weitere Überlegung, etwas sehr aufrüttelndes passiert sein, der sie also quasi zu diesem Besuch hier nötigte. Was es auch war - und er ahnte, daß es nichts gutes war - er hoffte nur, daß die Claudierin nicht hysterisch werden würde, denn dann wäre er wirklich überfordert. Mit dementsprechend fragendem Blick verfolgte er seinen Gast auf ihrem Weg, er unterbrach ihre Gedanken nicht, einerseits wollte er sie nicht zu irgendetwas drängen, andererseits würde sie sich ihm wahrscheinlich sowieso bald anvertrauen. Sonst wäre ihr gesamtes Verhalten unlogisch. Allerdings... wann waren Menschen, insbesondere Frauen, je wirklich logisch gewesen?
Er musterte sie erneut, als sie sich hinsetzte. Selbstverständlich war er nicht davon ausgegangen, daß er aus reiner Freundlichkeit besucht wurde, es stand etwas geschäftliches im Raum. Was genau, würde er hoffentlich gleich erfahren. Worum geht es? fragte er, noch immer höflich, aber den leicht ungeduldigen Unterton in der Stimme nicht unterdrückend.
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Als ob es nicht bereits genug Advocati gäbe... oder die sich für einen solchen halten. Hungi war schon lange nur mehr auf dem Papier praeceptor externus und hatte dementsprechend lange keine Schüler mehr unterrichtet. Wie oft hatte er sich schon über jene geärgert, die seine Lektionen und Anweisungen nicht beherzigt hatten und einfach in das Gesetz das reininterpretiert hatten, was sie gerade für richtig fanden. Oftmals mußte er froh sein, wenn sie einfach nur den richtigen Tatbestand erraten hatten. Sicher gab es einige Lichtblicke... und in diesem Moment fiel ihm auch ein, daß er schon lange über eine Reform des Cursus Iuris redete, Bona Dea, das war noch zu Zeiten, als seine Ex-Frau Rector war. Nein, lieber nicht mehr darüber nachdenken.
Das ist richtig, du bist ja immerhin mein Klient. erwiderte Hungi, das ohnehin Offensichtliche feststellend, mit einem ganz leicht süffisanten Unterton. Ob er sich allerdings davon beeindrucken lassen wird, lässt sich nicht wirklich sagen. Daher ist es absolut notwendig, den jungen Mann kennenzulernen.
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Caius Tiberius Valens? Hungi runzelte nachdenklich die Stirn, doch ihm war der Name unbekannt und wollte daher schon fragen, wann dieser Tiberius Valens denn Ädil gewesen sein sollte. Doch bereits beim nächsten Satz war diese Frage hinfällig. Eine Fürsprache wegen einer Erhebung? Das ist kein kleiner Gefallen, den ich dir erweisen soll, Durus. Dafür müsste ich vorher den jungen Mann selber kennen lernen um mir ein Bild von ihm machen zu können. Er konnte ja nicht jeden dahergelaufenen dem Imperator empfehlen, immerhin hatte er einen Ruf zu verteidigen. Ich hoffe, du bist dir außerdem bewußt, daß du meine Stimme beim Kaiser nicht so hoch einschätzt, daß eine Empfehlung von mir automatisch eine Standeserhebung nach sich trägt?
Er nahm seinen Becher und trank einen Schluck daraus. Bona Dea, Ursus hatte diesen wieder viel zu sehr verwässert, dieser Halunke. Was den Cursus Iuris angeht... warum möchte er denn den absolvieren? Bis zur Prätur ist es ein langer Weg.
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Oha, ein Kontrollbesuch von der Verwandtschaft? Die rechte Augenbraue wanderte ein wenig hinauf, doch seine sonstige Miene blieb weiterhin freundlich.
Wenn man ihrer Handschrift und den Berichten meiner Ärzte trauen darf, dürfte es ihr und meiner Tochter sogar recht gut gehen. Was auch die Rechnungen aus Misenum nur zu deutlich bezeugten. Nur die Götter wissen, was seine Frau in der Sommervilla mit der Einrichtung aufführte. Er selber wollte lieber keine Ahnung davon haben. Ich rechne mit ihrer baldigen Heimkehr aus Misenum, jetzt nachdem die heißen Sommertage für dieses Jahr in Rom ausgestanden sind. Eigentlich hatte er keine Ahnung, wann sein geliebtes Eheweib zurückkommen würde, aber solch ein Satz machte sich immer gut.