Hungi war etwas erstaunt über die lange Zeit, die sie für die Beantwortung seiner Frage benötigte. Schämte sie sich etwa für ihren Ehemann? Im heiratsfähigen Alter war sie ja durchaus und wenn sie nicht gerade diesen verloren hatte, sollte sie eigentlich verheiratet sein. Dass sie wenn dann natürlich sine manu verheiratet war, stand für ihn außer Frage, zum einen waren manu-Ehen in seinen Augen furchtbare Verfehlungen, in welche nur Frauen mit mangelndem Verstand und/oder falsch verstandener Tradition eingingen (seine Ex-Frau war eine solche, er hütete sich aber, seiner Ex-Frau zu wenig Hirnschmalz nachzusagen, wusste er es doch besser, sondern lastete diesen juristischen und generellem Fehltritt ihrem jetzigen Ehemann zu), zum anderen schloß der Name seiner Besucherin auf eine sine manu-Ehe. Andererseits auch auf eine Adoption, welche Hungi jetzt aber ausschloß, weil eine Frau nur in ganz seltenen Fällen adoptiert wurde, wozu auch wenn man sie verheiraten konnte. Ihre Antwort auf seine Frage erstaunte ihn jedoch mehr, konnte er sich im ersten Moment keinen Reim darauf machen. Offensichtlich war es ihr aber peinlich, ihm eine konkrete Antwort zu geben - das war nur zu offensichtlich, nicht nur von ihren Worten, auch von ihrem Habitus aus - also unterließ er höflich eine Rückfrage und beschränkte sich auf ein kommentierendes: Ich bin der völligen Überzeugung, daß dies auch heute noch der Fall ist.
Es konnte natürlich auch sein, daß sie ein wenig mit ihm kokettierte. Von patrizischen Frauen hörte man ja allerhand (und er wußte es noch von seinen Zeiten als Junggeselle) und mit einer war er auch verheiratet. Gut, die kokettierte zwar nicht mit ihm und beide drosselten ihre ehelichen Kontakte zwar nicht unbedingt auf ein Minimum, aber daß keine Liebesheirat vorlag, wußten selbst die blinden und tauben Bettler in Südost-Subura. Er wischte den Gedanken an seine Frau schnell wieder beiseite, die war in Misenum und ihr ging es wie der Tochter gut, mehr brauchte er nicht wissen, und widmete sich auch gedanklich wieder der Claudia, die gerade offensichtlich die dargebrachten Knabbereien genoß, ein Bild welches jeden Gastgeber erfreute. Auf ihre Frage mußte er lächeln. Das solltest du jene fragen, die über so etwas wie Freizeit verfügen. Er griff zu seinem Becher und führte diesen zu seinem Mund, doch noch bevor seine Lippen den Rand berührten stoppte er und mußte grinsen. So wie jeder andere hochstehende Römer auch nehme ich an. Offensichtlich war sie nicht mit einem Senator verheiratet, schoß ihm kurz darauf in den Sinn. Allerdings könnte er auch das Herumraten sein lassen und entweder die Claudia fragen oder seine alten Kontakte anzapfen. Oder er würde darauf warten, bis die Information zu ihm kommt, was definitiv die arbeitssparendste und auch höflichste Variante wäre.