Menecrates, da in Militärkleidung, grüßte den Tribun mit zackigem Militärgruß zurück, danke der Meldung mittels Nicken und wandte sich anschließend an die Soldaten.
"Milites, dieser Appell hat einen simplen Grund: Ich werde der gesamten Einheit eine Ansage machen. Der Inhalt der Ansage ist einerseits ebenfalls simpel, aber anderseits offensichtlich nicht simpel genug, um von einzelnen Soldaten und selbst Offizieren vollste Berücksichtigung zu finden."
Sein Blick, mit dem er über die Männer strich, strahlte nicht die übliche Güte aus, vielmehr fehlte ihm jeglicher Ansatz eines wohlwollenden Lächelns. Menecrates rang mit sich, ob er den Befehl zum Rühren geben sollte, selbst wenn dieses Kommando zur üblichen Abfolge bei einem Appell gehörte, weil er fürchtete, dass einige Kasperköpfe die Situation ausnutzten und selbst bei einem Appell über die Stränge schlugen. Gleichzeitig konnte er jederzeit erneut das Strammstehen befehlen, daher hielt er sich an die Gepflogenheiten, auf die er in seiner Ansage ohnehin pochen wollte, und befahl:
"Movemini!"
Ein letzter prüfender Blick, dann kam er zur Sache, der er allerdings eine Einführung voransetzte.
"Als ich vor vielen Jahren das erste Mal das Amt des Praefectus Urbi antrat, bemerkte ich schnell, dass die Militärdisziplin in dieser Einheit lasch gehandhabt wird. Das ist generell für ein römisches Heer inakzeptabel; für eine Einheit, die für die Sicherheit Roms zuständig ist, noch einmal mehr. Damals wie heute nehmen es einzelne Soldaten und Offiziere nicht genau, weder mit den Dienstvorschriften, noch der Entrichtung militärischer Grüße in Bezug auf Ausführung und Platzierung. Es mangelt an der notwendigen Ernsthaftigkeit. Gleichzeitig wurde mir mehrmals berichtet, dass die Bevölkerung Roms unsere Milites abfällig bewertet und respektlos behandelt." Er legte eine Atempause ein, bevor er losdonnerte:
"Stellt sich da irgendwem die Frage nach dem Warum?"
Der zweite Grund, weswegen der Praefectus Urbi bei diesem Appell auf die Toga verzichtet hatte, wurde ersichtlich: Statt stoische Ruhe und Beherrschung auszustrahlen, die insbesondere Patriziern anerzogen wurde, leistete er sich die Manieren eines Kommandierenden und brüllte:
"Diese Einheit wird trotz meiner üblichen Dienstkleidung von einem Offizier geführt! Wer sich das bei einem Togaträger nicht mehr vorstellen kann, dem rufe ich das in Erinnerung!
Mir scheint außerdem, dass einige in ihrem Trott vergessen haben, welche Strafen auf Verstöße gegen die Disziplin und Ordnung stehen."
Er führte eine Drehung in Richtung zu seinem Cornicularius aus, die aus dem Formaltraining stammte. "Octavius", sagte er in gemäßigtem Ton, während seine Hand nach vorn wies, um dem Offizier mitzuteilen, dass er beabsichtigte, das Tribunal zu verlassen. Er wartete, bis Frugui einen Schritt zurücktrat, um den Weg freizumachen, dann ging er an ihm vorbei, nahm die Stufen und schritt auf die angetretenen Kohorten zu. Vor der Cohors XI hielt er an.
Er nahm einen jungen Miles ins Visier, baute sich mit etwas Abstand vor ihm auf und brüllte ihn an: "Progredere!" Ganz ohne expliziten Befehl, straffte sich der Mann, als bestünde sein Knochengerüst nicht aus einzelnen Wirbeln, sondern wäre aus einem Guss. Der Soldat trat einen Schritt nach vorn. Angst stand nicht in seinem Gesicht, denn er diente mit Passion und war sich keines Fehlers in der Vergangenheit bewusst.
"Wann grüßt du?", fragte Menecrates.
"Meine Vorgesetzten morgens oder bei der ersten Begegnung. Jeden Präfekten, die Consuln und natürlich den Kaiser jedes Mal."
Menecrates zeigte sich zufrieden, es ging hier nicht um Details. "Wie grüßt du?"
"Salve, Praefectus!" Das Wort 'Claudius' lag auf seinen Lippen, fast auch der Zusatz 'Menecrates', und es wäre nicht falsch gewesen, aber die kurze Variante genügte auch den Vorschriften. Der Miles fragte sich, ob er den Gruß auch optisch vorführen sollte, aber er fragte nicht nach, denn reden durfte er nur nach Aufforderung.
"Demonstriere den korrekten Gruß all jenen, die Nachholbedarf haben!" Der Präfekt musste nicht ausweichen, er wählte von vorn herein den passendem Abstand zum Miles. Der Soldat - straff in der Haltung stand er bereits - setzte in Windeseile die Faust auf die Brust, streckte sie nach vorn und führte den Arm so schnell es ging an die Seite zurück.
"Regredere!", befahl Menecrates, was bedeutete, dass er keinen Grund für Beanstandungen sah.
Er schritt weiter zur XII. Kohorte und verhielt den Schritt vor Purgitius Lurco.
"Cornicularius, zu welchem Zweck gehört ein Rebstock zur Ausrüstung eines Centurio?" Er hoffte auf eine knackige Antwort und keinen Roman zu den leichtesten aller Strafen im Militär.