Aufmerksam hörte Claudius zu. Ein flüchtiges Grinsen überzog sein Gesicht, langsam gefiel ihm der Mann, auch wenn er nicht alles gutheißen konnte, was er sagte. Rebellen lagen Claudius schon immer mehr als Duckmäuser und Schleimkriecher.
"Zunächst … die Aufnahme der Probati läuft über das Rekrutierungsbüro, welches stets reibungslos arbeitet. Die abschließenden Ernennungen sind reine Formsache und bisher verlief dies ebenfalls reibungslos. Deine Informationen - oder sind es nur Annahmen aufgrund dieses vollen Schreibzimmers? - sind schon einmal falsch. Ich werde deine Kritik dennoch an den Legaten weiterleiten, denn ich sehe wie du den Bedarf, Verbesserungen in den organisatorischen Abläufen zu finden. In diesem Punkt teile ich deine Meinung.
Was die Arbeitsmoral und den Ausbildungsstand sämtlicher Centurien betrifft, bist du jedoch ebenfalls falsch informiert. Es gibt keinen einzigen Truppenteil in der Prima, der einen durchschnittlichen Standard aufweist. Für überdurchschnittliche Leistungen sorge nicht zuletzt ich in Absprache mit den anderen Centurionen. Eine lasche Arbeitseinstellung wird entweder bekämpft oder derjenige befindet sich in einer Endlosschleife, was seinen eigenen Aufstieg betrifft. Da habe ich gar keine Skrupel.
Wo es derzeit in der Tat Reibungsverluste gibt, ist im Stab. Bedingt durch den Kommandowechsel läuft hier nicht alles rund. Dies gilt es zu verbessern.“
Claudius sah dem Unteroffizier direkt an.
"Deine Meinung über Patrizier interessiert mich nicht. So lange du vorzeigbare Leistungen zeigst, kannst du im Privaten mir gegenüber loslassen, was du willst. Jedoch von deinem Leistungsvermögen musst du nicht nur mich erst einmal überzeugen. Der Ruf der LEGIO II ist mitnichten gut. Es geht die Kunde, dass ein Optiorang in der LEGIO I einem Tribunat in der II. entspricht. Du musst etwas drauf haben, zumindest setze ich das mal voraus. Ich kenne deine Abschlüsse an der Akademie. Dein Rang in der LEGIO II, den du vor deiner Degradierung innehattest, sagt mir im Gegensatz dazu nichts. Ränge wurden in der II. jedem förmlich nachgeschmissen.“
Würde der Optio sich noch immer mit seiner alten Einheit verbunden fühlen, mussten die Worte des Centurios ihn treffen. Das war mitnichten die Absicht Claudius’. Er sprach einfach nur das aus, was man hier in der LEGIO I über die II. dachte. Es konnte nicht schaden, wenn der Optio sich dessen bewusst war.
"Du hast insofern Recht, dass ich bislang keine Schlacht geschlagen habe. Dennoch habe ich das Selbstbewusstsein zu behaupten, dass die Offiziere der LEGIO I einer solchen Herausforderung locker gewachsen wären. Dies zu beweisen, liegt jedoch nicht in meiner Macht. Du hingegen wirst die Möglichkeit haben, deine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und dir unter Umständen den Respekt der hiesigen Offiziere zu erwerben. Und noch eines …“
Das Gesicht des Centurios wurde nachdenklich, seine Stimme leiser.
"Deine Worte haben mir eine Frage beantwortet, auf die ich, seit ich dich hier sah, keine Antwort wusste. Bis jetzt habe ich nicht verstanden, warum du Germania den Rücken gekehrt hast. Nun ist es klar. Ich weiß von welchem Legaten du sprichst und von welchem dunklen Weg. Zunächst hatte ich völlig falsche Schlüsse gezogen. Dazu kann ich nur sagen, es war ein weiser Schritt, der dich zu einem Provinzwechsel bewogen hat. Kannst du nun noch deinen Zorn in deine Leistungen leiten, wirst du ein hervorragender Offizier sein. Davon bin ich überzeugt.“