Beiträge von Herius Claudius Menecrates

    Die Antwort gab Rätsel auf. Menecrates - ein Mann der klaren Worte - wollte die Angelegenheit weniger schwammig haben.

    "Mir ist vorher schon aufgefallen, dass du zu diplomatischen Antworten neigst, auf die man dich nicht festnageln kann." Er sagte es mit einem Schmunzeln. "Das hat in der Politik sicher seinen Vorteil, aber ich persönlich bevorzuge die klaren Ansagen. Das minimiert Missverständnisse und strengt weniger an bei der Decodierung. Wenn wir uns unterhalten, wähle die konkrete Variante deiner Aussagen. Jeder kann auch einmal falsch liegen, ich auch, dann korrigiert man, wenn es sich abzeichnet. Lass bitte einen alten Mann nicht unnötig sein Hirn zermartern. Rein rechnerisch wäre nach Ableistung des Tirocinum die sofortige Kandidatur möglich. Das wäre dann um den KAL AUG DCCCLXXI A.U.C. (1.8.2021/118 n.Chr.) herum. Ist dir das zu früh?"


    Er blickte fragend und zugegeben auch gespannt, wie und ob Vindex seine Empfehlung umsetzen würde.

    "Ich hatte dich das bisher nicht gefragt: Wie gut sind deine mathematischen Kenntnisse?"

    Er nahm nicht Bezug auf seine Worte soeben, sondern spätestens als Aedil sollte man rechnen können, im Grunde schon viel eher.

    Der Senator nickte, weil es mehr als verständlich war, dass der für heute spontan angesetzte Termin nicht die Klärung aller bisherigen Verpflichtungen bedeuten konnte. "Regele, was zu regeln ist. Wenn du alles erledigt hast, dann meldest du dich am besten in der Praefectura Urbis nach der Mittagszeit. Am Vormittag bin ich in aller Regel in der Castra zu finden. Beim ersten Betreten musst du dich erklären, wer du bist und wohin du willst. Ich werde dich ankündigen. Nach dem Passieren des Tores meldest du dich in der Principia bei meinem Cornicularius."

    Vielleicht wusste Vindex mehr als Menecrates vermutete, aber lieber doppelt informiert als gar nicht.


    "Eines wüsste ich noch, bevor wir heute auseinander gehen: Skizziere mir kurz deine zeitlichen Vorstellungen deine Laufbahn betreffend. Naturgemäß interessiert mich vor allem das Naheliegende, also zu welcher Amtszeit würdest du im Idealfall gerne für das Vigintivirat kandidieren?" Menecrates wollte die Woche nutzen, Vindex' Zeitplan in seinen zu integrieren.

    Zuerst staunte Menecrates, als Lepidus über Pferde zu sprechen begann. Irgendwann wechselte die Verwunderung in Belustigung und am Ende lachte er tatsächlich los. Das Lachen befreite ihn von einigem Druck und er genoss es, bevor er sich Sorgen um die Wirkung machte. Er blieb stehen und blickte den Jugendfreund an. "Bitte verzeih mein Benehmen, aber Pferde sind wie Frauen, nur nicht so kompliziert. Ich für meinen Teil bin Zeit Lebens besser mit Pferden zurechtgekommen als mit Frauen." Er hob resigniert die Unterarme. "Jetzt ist es zu spät, um voneinander zu lernen." Menecrates erwartete, dass Lepidus ein besseres Händchen bei den Frauen hatte als er. Gleichzeitig freute er sich, dass seinem Gast die Häppchen offensichtlich mundeten. Der Gedankensprung zur Figur bot sich an, sodass Menecrates einen verwegenen Vorschlag machte.


    "Was hältst du von ein wenig mehr an Bewegung? Bekommen wir es noch hin, gleichzeitig zu laufen und zu sprechen?" Zur Zeit des aktiven Militärdienstes stellte das kein Problem dar, aber jetzt? "Keine Sorge, die Einblicke der Nachbarn halten sich in Grenzen." Daraufhin lief er los, blickte aber nach wenigen Schritten über die Schulter, um zu sehen, ob Lepidus nachkam. Weit würde er selbst auch nicht kommen, ohne hörbar zu atmen.


    "Macer?" Er stieß im Laufen die Luft aus, um neuen Atem für die Unterhaltung zu haben. "Nein, Macer war kein Problem. Ich habe gesagt, dass ich ihm nicht zugetan bin, aber trotzdem für seine Aufnahme plädiere. Ich kann schließlich den Wert eines Consulars nicht von meiner persönlichen Sympathie abhängig machen." Die Luft wurde knapp und er pausierte kurz, bevor er weitersprach. Die Anmerkung über die Götter und Dämonen ließ er wirken. Er wollte sich gern weiter unterhalten, aber auch nicht aufgeben, nur weil er fürchtete, die Seite würde anfangen zu stechen. Zum Glück verlangte es Lepidus nach Trinken und das lud zu einer ruhigeren Gangart ein. Er würde sich sonst ja bekleckern.


    "Mir geht es auch bei Lupus nicht um meine Abneigung, die freilich vorhanden ist", erwiderte er etwas keuchend, obwohl er sich Zeit mit der Antwort gelassen hatte. "Mir geht es um das Aufzeigen von nachweisbaren Fehlern." Wieder musste er durchatmen.

    Es mochte sein, dass die Wahrheit entzweit, da wollte er Lepidus nicht widersprechen, nur ergänzen: "Die Wahrheit, mein Freund, ist die einzig tragfähige Basis, um Vertrauen gedeihen zu lassen." Undurchsichtige, scheinheilige oder gar hinterhältige Personen schloss Menecrates so gut es ging vom Umgang aus.


    Als die Rede auf Lepidus' Ballast kam, fiel Menecrates auf, dass der Tod Iulias an ihm vorbeigegangen war. Er wusste nicht einmal, wie lange er zurücklag.

    "Fang an, wenn du anfangen möchtest. Wo, ist mir gleich." Der Claudier wusste nicht einzuschätzen, ob Lepidus Redebedarf hatte. Der Freund ging trotz Angebot nicht auf seine Familie ein und erzählte stattdessen viel über das Leben, Verrottungsgruben und seinen Bruder. Zuletzt äußerte er ein Transportangebot über ein Mitbringsel aus Griechenland, als scheinbar aus dem Nichts Ulf, der von Hand aufgezogene Wolf - der Nachkomme eines Mitbringsels aus der Zeit bei der Secunda - heranschoss.


    "Bei den Göttern, der lässt sich nicht einsperren. Lauf bloß nicht fort!", rief Menecrates und packte Lepidus am Arm. Die Zahmheit des Wolfes hielt sich in Grenzen je älter das Tier wurde.

    Die Worte, die Gracchus Minor zu Beginn seiner Rede fand, berührten Menecrates. Sie deckten gleich einer Schicht Balsam eine Wunde ab, die der Claudier seit Jahren mit sich trug. Ihm ging es längst nicht mehr um eine Diploma als Anerkennung seiner Leistung während dem Consulat und um Landbesitz schon gar nicht. Ihm ging es um Wertschätzung; ein immaterieller Wert - bedeutend höher als eine stoffliche Auszeichnung. Mit einem leichten Nicken in Richtung Gracchus Minor zollte der Claudier seinen Dank.

    Anschließend hörte er aufmerksam zu, nickte zuweilen, wiegte aber auch manchmal den Kopf. Nach dem letzten Einwurf meldete er sich erneut zu Wort.

    "Eine Res Gestae ist nicht geeignet, um Auszeichnungen gerecht zu vergeben. Das hat die Vergangenheit gelehrt. Wobei der weitaus schlimmere Fall eintritt, wenn sich durch Abreden, vielleicht sogar Bestechungen einige Gruppierungen ihren Magistraten die Auszeichnungen gegenseitig zuschieben."


    Er wandte sich an Gracchus Minor: "Meintest du mit Dossier eine Art Pflichtensammlung, die das jeweilige Amt ausmacht und anhand derer man relativ objektiv entweder erfüllt oder nicht erfüllt bzw. besonders gut erfüllt festlegen kann?"

    Sein Blick schweifte zu anderen Senatoren. "Eine objektive Beurteilung unabhängig von der persönlichen Einschätzung und Sympathie wäre wünschenswert. Vielleicht kann sich eine Gruppe finden, die den Versuch startet, die Quaestorenämter diesbezüglich zu definieren. Das könnte dann Grundlage für die amtierenden Consuln sein, den Maßstab für weitere Ämter darzulegen."


    Ein weiterer Punkt bedurfte der Erwähnung: "Die Limitierung der Auszeichnung in Form eines Landgutes auf eine überdurchschnittlich geführte Quaestur würde ich auch unterstützen. Die Argumentation fand ich schlüssig." Die Hürde für die Zustimmung des Kaisers wurde zudem kleiner.

    Die Kenntnisse in Schrift und Wort versprachen viel und Menecrates gedachte, sie zeitnah zu nutzen.

    Als der Begriff Proconsul fiel, stutzte er kurz, schmunzelte aber dann in sich hinein. "Richtig, zwei, drei Provinzen im Osten haben den Proconsul und nicht den Legatus Augusti." Bei dreien war er sicher, es mochten auch noch mehr sein. Diese Landstriche gehörten nicht zu seinem Erfahrungsbereich. "Dort im Osten läuft einiges anders und es ist sicherlich von Vorteil, wenn jemand die Verwaltung führt, der das Gefüge und die Menschenschläge kennt. Ein Kommando hat ein Proconsul ja nun nicht..." Menecrates überlegte kurz, ob Vindex in den Tiefen seines Herzens mit dem Militär vielleicht gar nichts anzufangen wusste, aber im Grunde spielte das keine Rolle. "Trotzdem wirst du im Rahmen deiner politischen Ambitionen nicht um ein Tribunat herumkommen. Das weißt du ja."


    Er nahm sich die Zeit, um einen Ausflug in eine weit zurückliegende Senatsdebatte zu machen. "Parthia, immer für Überraschungen gut", murmelte er vor sich hin. "Ich gehe davon aus, dass du mehr über die Situation rund um Asia weißt als ich", sagte er gut vernehmbar. "Zumindest wiegen eigene Erfahrungen schwerer als Erkenntnisse durch Hörensagen. Letztendlich wirst du hier römische Verwaltungsabläufe kennenlernen. Ich werde mich um die Erhebung in den Ordo Senatorius kümmern und dich ein wenig auf das Tribunat vorbereiten. Das Klientelverhältnis basiert auf gegenseitiger Unterstützung und beiderseitiger Aufrichtigkeit."

    Er erhob sich, denn die Zeit für weitere Gespräche und die Ausdehnung dieser Unterhaltung stand am heutigen Vormittag nicht mehr zur Verfügung. "Ab wann kannst du dein Tirocinium Fori antreten?"

    Anfrage des Annaeus Vindex


    Das bereits absolvierte, jedoch nicht zufriedenstellende Tirocinium Fori überraschte Menecrates. Er gab seine bequeme Position auf und stellte sich vor seinen Tisch. Vom Alter her lag ein absolviertes Lehrjahr nahe und diese Situation war für den Claudier neu.

    "Es spricht für dich und deine Gründlichkeit, wenn du ein weiteres absolvieren willst." Damit hatte Annaeus einen Pluspunkt gesammelt. Die weiteren Ausführungen beschäftigten Menecrates insofern, dass er sich fragte, wie der Einblick in Verwaltungen anderer Städte möglich gewesen sein konnte. Anstellungen hätte Annaeus sicherlich erwähnt. Etwas anderes interessierte ihn noch mehr:

    "Hegst du ein Interesse für die Heilkunst?" Die Antwort würde nicht über für und wider von Annaeus' Anfrage entscheiden und so schnitt Menecrates ein weiteres Thema an.

    "Wie sieht es mit dem Lesen und Schreiben aus? Bringst du Vorkenntnisse mit oder wäre dies Bestandteil des Lehrjahres?" Sein Blick sagte nur deswegen nichts über sein Denken aus, weil auch diese Antwort nur der Orientierung diente und keinen Einfluss auf Menecrates' Entscheidung nahm. Er urteilte auf der Basis anderer Kriterien, zum Beispiel der Wahrheitsliebe, den vertretenen Werten und der Sorgfältigkeit.


    Das geäußerte Ziel, eines Tages Statthalter sein zu wollen, sagte viel über Annaeus aus. Menecrates hielt mit seiner Meinung auch nicht hinterm Berg.

    "Legatus Augusti pro Praetore werden zu wollen, ist ein hoch gestecktes Ziel. Es erfordert einen langen Weg im Cursus Honorum, nämlich bis hin zur Prätur. Außerdem empfiehlt sich - neben all der politischen Qualifikation - ebenso militärische Kenntnisse zu erwerben, denn zumeist gehört das Kommando über eine Legion dazu." Auf der einen Seite machte das Annaeus viel interessanter als seine Vorliebe zum Cultus Deorum, auf der anderen Seite würde er eines Tages als Klient und Senatsunterstützer wegfallen. "Kaum jemand investiert uneigennützig in junge aufstrebende Männer und auch ich wäre über Unterstützung im Senat erfreut, aber machen wir uns nichts vor: Statthalter verwalten nun mal eine Provinz und befinden sich damit fernab von Rom." Andererseits war es bis dahin weit und nicht bei jedem reichte der Atem.


    Er nickte, denn im Grunde hatte er sich entschieden.

    "Gehörst du bereits dem Ordo Senatorius an? Voraussetzung wäre auch, dass du einer gültigen Ehe entstammst." Menecrates hob die Hände samt Schultern. Er würde lehren und zwar auch die unangenehmen Dinge, wenn sie spielentscheidend waren. Er ging hinter seinen Schreibtisch und nahm Platz.


    "Dein Engagement am Tempel müsste sich außerdem deinem Tirocinium Fori bei mir unterordnen. Ich bin ein frommer Mann und wertschätze jeden, der den Göttern dient, aber ich könnte dich nicht lehren, wenn du im gleichen Zeitfenster Gläubige betreust und Opfer zelebrierst. Was du in deiner Freizeit tust, bleibt selbstverständlich dir überlassen.“ Irgendeine Leistung würde Vindex als Aedituus erbringen müssen, denn immerhin bezog er ein regelmäßiges Gehalt.

    Eine Bildungsreise war ein dehnbarer Begriff. Es galt, die Qualität der Reise herauszufinden und mit welchen Zielen Annaeus durch die Provinzen reiste. Aus Zeitvertreib? Aus Wissbegier? Mit oder ohne Ziel, ließ er sich treiben?

    "Konntest du während deiner Reise Wissen und Fähigkeiten erwerben? Wenn ja, dann berichte davon. Für ein Tirocinium Fori müsste ich einschätzen können, mit welchen Aufgaben du betraut werden kannst. Mich interessiert auch, ob du dich auf jener Reise selbst finden konntest oder wusstest du längst, wohin dich deine Füße einmal tragen werden?" Das war natürlich bildlich gesprochen. Dem Alter nach zu urteilen, dürfte die Reise weniger zur Findung gedacht gewesen sein, aber möglich schien zunächst alles.

    Wer beabsichtigt, ein Tirocinium Fori beim Praefectus Urbi zu absolvieren, musste über dessen vollen Terminplan an den unterschiedlichsten Stellen unterrichtet sein. Menecrates drängt sich daher eine weitere Frage auf.

    "Wie beabsichtigst du Tirocinium Fori und die Tätigkeit als Aedituus gleichzeitig zu bewältigen?" Ganz bestimmt gab es Freiräume, aber stets unvorhersehbar.

    "Wichtig zu wissen, wären auch deine Vorstellungen von Hilfeleistung, die du dir von mir wünschst. Zum einen möchte ich wissen, wo du dich zukünftig neben dem politischen Engagement siehst. Was genau sind deine Ziele? Ich sage es so wie es ist: Beim Aufstieg im Cultus Deorum werde ich dir nicht helfen können."

    Als Menecrates zu einer der Ehrenlogen schritt, erinnerte er sich an die von ihm ausgerichteten Ludi Paltini, bei denen die Wagenrennen für einige Turbulenzen sorgten. Er wünschte dem Editor, dem amtierenden Aedil Flavius Gracchus Minor, dass dessen Spiele komplikationsloser verliefen.

    Er grüßte in die Runde, bevor er Platz nahm. Sein Blick suchte das Stadion nach positionierten Urbani ab, denn als Praefectus Urbi konnte er nie einseitig Zuschauer sein. Die Amtspflicht begleitete ihn auf allen Wegen, auch wenn er heute zusätzlich als Dominus Factionis der Praesina fungierte. Ein wenig Zerstreuung würde ihm gut tun und so hoffte er, dass sich die akribische Planung der Spielesicherung auszahlte. Seine Wünsche galten natürlich der eigenen Factio. Die Konkurrenz war hoch, gleichzeitig die Form von Syennesis gut, sodass der Siegplatz zwar durchaus im Bereich des Möglichen, aber alles andere als gewiss war. Mit Pech würden dem etwas unzuverlässigen Lenker vielleicht sogar die Nerven versagen.

    Anfrage des Annaeus Vindex


    Während der Salutatio stand die Porta der Villa Claudia offen, weswegen für fast alle ein ungehinderter Zugang möglich war. Einzelne - zumeist neue Gesichter - fischte der Ianitor heraus, was auch bei Annaeus Vindex der Fall war. Da Menecrates dessen Namen mit dem Vermerk hinterlassen hatte, ihn in sein Arbeitszimmer zu führen, gelangte Vindex ohne größere Umwege vor die gewünschte Tür. Als er an der Reihe war, meldete ihn der Sklave an. Menecrates - als Freund korrekter Abläufe - winkte auch nicht ab, obwohl er selbstverständlich Vindex erkannte. Der Claudier merkte sich Gesichter häufig über Jahre und erst recht, wenn er sie mit einem Gespräch verband.

    Er grüßte mit einem freundlichen "Salve!" zurück, während er bei sich vermerkte, dass Vindex pünktlich erschien und heute viel zielgerichteter auf ihn wirkte als gestern. Er erhob sich, weil langes Sitzen seinen Rücken ermüdete.

    "Über deinen Wunsch, mein Klient zu werden, haben wir gestern gesprochen. Dass du auch dein Tirocinium Fori bei mir absolvieren willst, ist neu, aber nicht das Problem. Fangen wir einmal ganz von vorne an." Er lehnte sich rückseitig an den Schreibtisch und stützte die Hände auf der Kante ab. Für den Moment fand er die Position bequem. "Ich möchte dich zunächst ein wenig kennenlernen. In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehst du zu Senator Annaeus Florus, wie alt bist du und was hast du bisher gemacht." Ein wenig erinnerten ihn die Fragen an seine Aufnahme in der Legion, als er als junger Rekrut vor dem Optio stand.

    Ich hatte auf eine solche Antwort gehofft und war nun sowohl erleichtert als auch überrascht und dennoch glücklich, dass sie so ausfiel wie sie nun ausgefallen war. Ich hatte mir bewusst keine Termine in die frühen Morgenstunden gelegt, falls sich einmal eine solche Gelegenheit ergeben sollte und meine Aufgaben als Aedituus sehen glücklicherweise aktuell auch vor, dass ich einmal abwesend bin und Dinge aus der Ferne regle.

    "Das ist... vielen Dank, ich werde da sein. Und ich werde dich nicht enttäuschen!"

    Der Claudier zeigte den Anflug eines Lächelns. Es beinhaltete Erwartung und abwartende Zurückhaltung gleichermaßen. Der erste Prüfstein würde morgen die Verlässlichkeit des Versprechens und die Pünktlichkeit sein.

    Das Ende ihres Gesprächs nutzte Seius, der Eingangs des Essens ebenfalls von politischen Ambitionen sprach.

    Menecrates musste schmunzeln, hatte er doch als Legat des Öfteren mit Tribunen zu tun gehabt, die sich mehr schlecht als recht als Stellvertreter eigneten. "Nun ja, berücksichtigt man die Tatsache, dass vom Grundsatz her jeder Senator eine Legion führen dürfte, ist es mehr als wünschenswert, wenn jeder Absolvent des Cursus Honorum zumindest einmal in den Militärdienst hineinschnuppert." Der Claudier vertrat zwar diese Meinung, aber gleichzeitig hielt er als Kommandant nicht besonders viel von jenen Schreibtischtätern. Um diesen Aspekt ging es bei der Fragestellung aber nicht. "Hinzu kommt, dass im Senat auch militärisch relevante Entscheidungen getroffen werden und es beruhigt zu wissen, dass Stimmen, die voten, einschätzen können, worum es geht."

    Er hob die Hände und öffnete sie. "Das sind Begründungen gewesen, aber nicht die Antwort auf deine Frage. Das Tribunat ist fester Bestandteil des politischen Werdegangs und gerade für Plebejer unumgänglich. Ohne den Nachweis eines absolvierten Militärdienstes wirst du nicht für die Quaestur zugelassen." Sein Blick verweilte auf Ravillas' Antlitz. Seius würde nicht sein Tribunus Laticlavius sein, daher gestattete er sich ein innerliches Schmunzeln.

    Menecrates kaute in Ruhe zu Ende und ließ sich nicht anmerken, wie er über das Ansinnen dachte. Hatte er anfangs mit genau dieser Frage gerechnet, überraschte sie ihn jetzt, nachdem sie einige Worte gewechselt hatten. Menecrates unterstützte nur ehrbare Römer und daran zweifelte er beim Annaeer nicht. Gleichzeitig stellte er erhöhte Anforderungen an den Fleiß und die Gradlinigkeit seiner Klienten, was herauszufinden wäre.

    "Finde dich morgen zur Salutatio ein. Ich will nichts versprechen, biete dir aber die Chance." Die Eintrittskarte für ein persönliches Gespräch bevorteilte Vindex, sicherte aber nicht seinen Erfolg. Er würde sich gut vorbereiten müssen. Einmal im Klientel des Claudiers gelandet, könnte er mit viel Rückenwind rechnen. Menecrates war gespannt, wie sich Annaeus 'verkaufen' würde.

    Die erneute Antwort hinderte Menecrates nicht daran weiterzukauen. Es ging also nicht nur um die Suche nach einem Patron, sondern in erster Linie um die Suche nach dem rechten Platz, die eigene Ausrichtung für das Leben. Das musste jeder aus eigener Kraft, aber vor allem aus eigener Überzeugung schaffen. Ziehen und Schieben verhinderte die Selbstfindung. Er nickte beifällig.

    "Ein Schritt vor dem anderen. Wer einen Schritt überspringt, stürzt zumeist." Menecrates hatte auch zunächst Architektur studiert, bevor er der Anziehungskraft des Militärs erlegen war. Anders als Vindex zog es ihn fort aus Rom, seiner Geburtsstadt.

    Sicherung der Ludi - der Brief


    Als Menecrates aus der Stabsbesprechung zurückkehrte, fand er auf seinem Schreibtisch einen Brief vor. Der Inhalt überraschte ihn nicht, vielmehr hatte er bereits selbstständig entsprechende Schritte in die Wege geleitet. Er legte dieses Schreiben daher auf den Stapel mit den erledigten Dingen, aber nicht ohne zuvor noch einmal die Formulierungen zu betrachten. Das Schreiben wies eine überdurchschnittliche Höflichkeit auf. Der letzte Blick erfasste den Namen des Verfassers, dann legte er das Papier endgültig ab.

    Der Claudier, dem zeitlebens kaum Steine im Weg lagen, der sich dennoch von ganz unten nach oben gearbeitet hatte, um mehr als nur eine bekannte Familie vorweisen zu können, hörte auf mit kauen. Es lag ihm nicht, zwei Dinge gleichzeitig zu tun und da ihn die Antwort erheblich beschäftigte, vergaß er das Fleisch im Mund.

    "Was genau ist so schwer daran, einen Patron zu finden?", fragte er, nachdem er hinuntergeschluckt hatte.

    In der Tat konnte er sich diese Frage nicht selbst beantworten. "Man sucht sich jemand aus, der in der Lage ist zu fördern, schaut ein wenig, ob die Art der Tätigkeit passt oder gefällt und dann stellt man sich mitten in die Schar der Klienten. Das bedarf vielleicht mehrerer Anläufe, aber eines Tages - so Fortuna will - erhält man die Chance auf ein persönliches Gespräch. Dann liegt es am eigenen Auftreten, der Überzeugungsgabe und einer tadellosen Vita, ob man als Klient angenommen wird." Die meisten Klienten des Claudiers waren Militärangehörige, das lag nahe. Wer im Cultus aufsteigen wollte, suchte sich nach Möglichkeit einen Förderer aus diesen Reihen, aber wer in die Politik wollte, hatte es nach Menecrates' Auffassung nicht sonderlich schwer bei der Wahl. Die Senatoren entstammten allen möglichen Bereichen.

    "Eines kann ich dir sagen: Wenn die Motivation bereits ins Wanken gerät, weil sich nicht sofort ein Patron finden lässt, dann wird sie für den mühsamen Weg der Politik nicht ausreichen. Derjenige, der sich an seinem selbst gesteckten Ziel festbeißt, der wird am schnellsten Erfolg haben." Ein weiteres Stückchen Fleisch fand Einlass in seinen Mund.

    Es ereignete sich nicht oft, dass Menecrates Zerstreuung und Anwesenheitspflicht unter einen imaginären Helm bekam. Mit Ausschreitungen, die den Einsatz seiner Männer erforderten, rechnete er bei dieser Veranstaltung nicht. Trotz allem drängte sich kurz vor Beginn der Vorstellung der Gedanke in seinen Kopf, dass der Sklavenaufstand auch bei Ludi ausgebrochen war. Heute würde er keine Familienmitglieder beschützen müssen, denn er weilte alleine hier. Außerdem deutete nichts auf eine Störung hin, er war guter Dinge und im Moment, wo die Fanfaren erklangen, fiel alle Sorge von ihm ab. Zwar brauchte es eine Weile, bis er die innere Ruhe fand, um den Versen voll umfänglich zu lauschen, aber dann stellte sich Vergnügen ein, das er durch Applaus zum Ausdruck brachte.

    Eine Neigung des Kopfes drückte Menecrates' Zustimmung aus, als Annaeus Florus die Speisung eröffnete. Er ließ geraume Zeit verstreichen, um den eigentlichen Grund des Mahles ausreichend zu würdigen, dann richtete er den Blick auf den jungen Annaeer.

    "Es freut mich auch, euch kennenzulernen. Ich hörte bereits von dir und hoffe jetzt, dass ich deine Spannung nicht zu lange aufrecht erhalten muss."

    "Ein Tirocinium Fori erfordert natürlich auch seine Zeit, weswegen ich wohl doch noch ein wenig die Spannung aufrecht erhalten muss", erwiderte Menecrates freundlich. "Nichts desto trotz, wer in die Politik möchte, kann gar nicht zeitig genug damit anfangen, sich nach Unterstützern umzusehen. Befürworter im Senat zu haben, ebneten schon manchem den Weg zur erfolgreichen Wahl. Nur zu, ich höre mir gern Motivation, Vorstellungen und Absichten an."

    Er wandte den Blick zu Seius, damit sich dieser auch angesprochen fühlen konnte. "Ich bin sicher, Mars wird uns des andersartigen Themas wegen nicht zürnen, im Gegenteil: Ein Tribunat gehört zur politischen Laufbahn und so kann Mars schon einmal erfahren, wer in der Zukunft - zumindest zeitweilig - Militärdienst leisten wird."

    Zuerst blieb Geta der Mund offen stehen und die Augen gewannen an Größe, dann nahm er - so gut es ging - die Wachstafel wieder entgegen. Dabei musste er mehrfach zufassen, weil immer eine andere drohte abzurutschen. Schließlich lagen alle in seinen Armen und er balancierte sie zum abseits stehenden Schreibtisch. Den Tisch bei Frugi mied er. Möglichst schonend legte er den kompletten Schwung ab, bevor er sich umdrehte. Er nahm Haltung an und salutierte mit besonderem Zack. Dummerweise wusste er den vollen Namen des neuen Cornicularius' nicht und bevor er wieder Schelte kassierte, weil er die vertrauliche Anrede benutzte, ließ er sie gänzlich weg.


    "Salve! Scriba Rufus Geta zurück aus der Stabsbesprechung." Er blickte immer noch mit großen Augen, weil er nicht wusste, wie es jetzt weiterging. Optio Rullus wusste, dass er dort zum Mitschreiben bestellt war. Der neue Mann an Bord nicht, was sich Geta eigentlich hätte denken können. Er traute sich nicht, die Haltung zu lockern. Der Anraunzer hatte ihm das Hirn leer gefegt und er wusste nicht mehr, was er eigentlich weitergeben sollte. Mit stillstehen machte er zunächst nichts falsch, also blieb er wie und wo er war.

    Je älter Menecrates wurde, umso häufiger bemerkte er an sich Melancholie. Er dachte viel mehr nach als früher und resümierte häufiger. Bestandteil seiner regelmäßigen Feststellungen war der fehlende Erbe. Wahrscheinlich hatte es Menecrates nicht verdient, einen Sohn wie Gracchus Minor zu haben. Die meiste Zeit seines Lebens lebte er fern von Rom, während andere Väter bei ihren Familien weilten. Er bereute seinen Weg nicht, denn er hielt ihn für ehrenhaft, wovon nicht zuletzt die Gens profitierte, aber der Preis war hoch. In Momenten wie diesen dachte er an seinen Enkel Felix, auf dem lange seine Hoffnung ruhte. Ihn hatte er nach Kräften unterstützt. Ungewollt schlug sich schon wieder das Kapitel Lupus auf, denn dessen verabscheuungswürdiges Auftreten gegenüber Menecrates' Enkelsohn löste die lebenslange und gegenseitige Antipathie der beiden Patrizier aus. An dieser Stelle angelangt, hellte sich sein Blick auf. Er konnte zwar nicht wie Flavius Gracchus auf einen gelungenen Minor schauen, aber seiner Erziehung entstammte zum Glück auch kein Exemplar wie dieser Lupus.

    Was riet kürzlich Lepidus? 'Denke an das, was du hast und nicht daran, was dir fehlt. Stell dir vor, Wichtiges ginge dir verlustig und welche Anstrengung würde es bedeuten, es zurückzuerlangen.' Irgendwie so ähnlich. Er sollte sich also freuen, anständige Menschen in seiner Familie zu haben und Freunde.

    Sein Blick richtete sich auf die Prozession, die seine Gedanken gefangen nahm.

    Wenn Menecrates soeben nicht gelacht hätte, müsste er sich die Haare raufen. Er hatte sich für die weitaus angenehmere Reaktion entschieden. Es war wieder eine dieser Situationen mit Steilvorlage, die ihn zu Regungen veranlasste. Warum auch ausgerechnet wähle Senator Gracchus als Beispiel der verschiedenen Leistungen für Rom die eines Quaestor Consulum im Verhältnis zum Consul? Da hatten doch die Götter die Finger im Spiel, dessen war sich Menecrates sicher.

    Er hatte sich wieder im Griff und er blickte ab seiner Erklärung zu seinem damaligen Quaestor Gracchus nicht mehr an - nicht aus Scham, sondern weil er weder vorhin noch jetzt beabsichtigte, die Senatoren auf die Fährte zu locken. Er hatte zuvor ganz bewusst darauf verzichtet, Namen zu nennen, weil er niemand bloßstellen wollte. Natürlich besaßen die Flavier genügend Besitz, aber es ging in erster Linie um das Leisten von Hilfestellung ganz allgemein und im Besonderen um die Förderung junger Senatsanwärter. Aus eigener Kraft verdiente Grundstück besaßen zudem einen gänzlich anderen Wert als das vorhandene Vermögen der Familie.


    Dass Gracchus über den Ausrutscher souverän hinweg sah, rang dem Claudier Respekt ab. Er nickte daher wieder zustimmend auf dessen Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise. Offensichtlich wurde ihm damit der Ball wieder zugespielt und Menecrates kam nicht umhin, erneut das Wort zu ergreifen.

    "Ich halte es für gut, wenn sich unser Kaiser zum Vorhaben äußert, denn es macht wenig Sinn, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun." Da der Augustus als Beisitzer des Senats viele Sitzungen persönlich verfolgte, lag es nahe, seine Meinung sofort einzuhohlen. Menecrates hatte ihn heute noch nicht gesehen, allerdings auch nicht nach ihm Ausschau gehalten, was er nun nachholte.

    Ein Auftrag


    Nach Beendigung der Stabsbesprechung eilte der Scriba Geta ins Vorzimmer des Präfekten. Er hatte einige Tafeln beschrieben, die er sortieren wollte und um deren Umsetzung es ging. Die vollen Hände machten einen Gruß unmöglich. Stattdessen steuerte er auf Frugi zu und drückte ihm den Stapel gegen die Brust.

    "Hilf mal, die fallen sonst!" Er hätte besser zweimal laufen sollen, aber wenn Frugi schnell zufasste, würde es gutgehen.


    "Du bekommst Arbeit. Ich halte hier die Stellung und du läufst zur Castra Vigilum. Der Praefectus Vigilum Numerius Scaevius Camerinus wird in die Preafectura Urbis geladen an einem Nachmittag dieser Woche. Tag und Zeit stehen ihm frei." Geta wartete ab, weil er den neuen Cornicularius noch nicht einschätzen konnte. Manche brachten Vorwissen mit, andere weniger.