Petronius und er sahen ein und dieselbe Lage mit verschiedenen Augen und gelangten zu zweierlei Ergebnis. Hinzu kam das eine oder andere Missverständnis. Menecrates betrachtete seinen Tribun für Momente schweigend und wurde sich bewusst, dass ein gemeinsamer Nenner in der Ferne lag. Er stimmte Petronius durchaus zu, als der seine Sichtweise von den bandendurchzogenen Vierteln darlegte. Er glaubte auch, dass ein großer Teil der Bewohner Banden angehörte und der andere Teil durch Schutzgelder erpresst wurde und somit in die Strukturen verwickelt war. Seine gleichlautende Einschätzung signalisierte er mit Kopfnicken.
Als allerdings die Sprache auf den Umgang mit diesen Strukturen kam, trennten sich ihre Ansichten. Die Handhabung des 'Gewährenlassens' hatte in der Vergangenheit Strukturen begünstigt, die letztlich zum Sklavenaufstand geführt hatten und der Claudier beabsichtigte, fortan als Störquelle Nummer eins zu fungieren und die Koordination der kriminellen Kräfte zu behindern. Die Aufstockung seiner Einheit und die Mittel für Neubauten begünstigten diesen Plan.
"Meine Devise, Petronius, ist eine andere: Ich werde Ausländer und Kriminelle nicht nach ihren eigenen Regeln spielen lassen. Natürlich können wir sie weder ausradieren noch deren Organisationsbildung verhindern, aber klein halten können wir sie. Sie leben in UNSERER Stadt und kein Teil Roms gehört ihnen."
Trotzdem nahm er wertvolle Anregungen aus dem Gespräch mit und ließ sie in sein Konzept einfließen. Über die Anzahl und Positionen der Stationes würde er jedoch nach bestem Wissen und Gewissen selbstständig entscheiden. Er konnte nur seine eigene Überzeugung reinen Gewissens vertreten, nicht die anderer. Mittels Kopfnicken in Richtung Scriba wies er an, eine Mitschrift anzufertigen.
"Ziehen wir ein Resümee", schlug er vor. Ohne auf Zustimmung zu warten, fuhr er fort. "Im Idealzustand und bei ausreichend Mitteln bleibt die Cohors X urbana in der Castra Praetoria, Cohors XI urbana zieht in die neu zu bauende Castra im Osten bei der Via Tusculana und Cohors XII urbana wird in der neu zu bauenden Castra nordwestlich vom Campus Martius stationiert. Ich brauche keine Castra in unmittelbarer Rennbahnnähe. Gibt es Veranstaltungen, sind wir so oder so vor Ort und in Bereitschaft. Ich brauche die Castra in Nähe von Siedlungen, wo Unruhen nicht vorher angemeldet sind, sondern einfach passieren."
Sim-Off:Das passt. Laut Karte sehe ich die Castra Urbana in Region VII und nicht auf dem Campus Martius.
"Teil des Idealzustandes ist die zukünftige Cohors XIII urbana, die ich in Region IV stationieren werde. Region IV beginnt nahe der Castra Praetoria und verläuft genau mittig zwischen den beiden neu zu erbauenden Castellas. Damit haben unsere Kräfte in jede Richtung den kürzest möglichen Weg. In dieser Region sitzt Roms Geschwür und es befindet sich keine Feuerwache im eng bebauten Viertel mit all seiner maroden Bausubstanz."
Diesen Aspekt ließ Menecrates wirken, bevor er fortfuhr.
"Wenn wir die sakrale Grenze überschreiten, dann errichten wir Stationes ausschließlich hier. Die Bürger würden bessere Viertel im Pommerium für diesen Zweck kaum akzeptieren und der Priesterschaft werden die Argumente der wachsenden Kriminalität und der Sklavenaufstand vor Augen geführt. Den Bewohnern der Subura", er hob den Zeigefinger, "könnte man die Stationes leichter verkaufen, wenn sie in Kombination mit den Vigiles einhergingen. Ich werde mit dem Praefectus Vigilum einmal ausleuchten, welche Möglichkeiten es dafür gibt."
Ein Fingerzeig bedeutete dem Scriba, einen Termin für ein solches Gespräch zu organisieren. Anschließend legte Menecrates die ins Auge gefasste Anordnung der Stationes dar.
"Statio I urbana befindet sich im Nordzipfel der Subura und wird wieder aufgebaut. Statio II urbana siedeln wir ungefähr mittig im Viertel an, je nachdem, wo einmal der Standort für Statio III urbana sein wird. Den werde ich in Absprache mit dem Kaiser und dem Praefectus Praetorio weiter südwestlich suchen. Sollte es absolut unerwünscht sein, dass Stationes der Urbaner derart nahe an Roms Herzstück rücken, fällt möglicherweise Statio III urbana in der Subura weg. Das bleibt abzuwarten."
Er schaute zum Scriba, ob der im Tempo mithalten konnte. Als das Zeichen kam, führte Menecrates weiter aus.
"Alle drei Stationes liegen in ihrer Bauweise auf dem Niveau der höchsten Insulae ihrer Umgebung. Wegen der überschaubaren Entfernung sollte die Signalgebung mittels Bannerhissung möglich sein. Ich meine hier in erster Linie die Verständigung der Suburastationes untereinander, weswegen die Hügel im Umland weniger eine Rolle spielen. Gleichzeitig benötigen wir, da hast du Recht, eine Signalkette bis hin zu den drei Castella. Signalkette I: die Stationes untereinander und Signalkette II: von den Stationes zu den Castella - müssen wir testen bevor wir uns final für die jeweiligen Standorte entscheiden."
Ein erneutes Kopfnicken seitens Menecrates' mit Blick auf den Vorratsstapel an Wachstafeln ließ den Scriba eine separate Tafel heranziehen.
"Diese Aufgabe werde ich dir übertragen, Petronius. Du bist frei im Ausprobieren weiterer Signalgeber. Ich hätte aber gern eine Rückmeldung über Banner bei Tag und Hornsignale nach Einbruch der Dunkelheit. Offenes Feuer und Fackel möchte ich aber explizit nicht. Denkbar wären noch Öllampen." Er wiegte den Kopf, weil er auch diesen misstraute.
"Kommen wir zum glücklichsten aller Fälle, bei dem die Mittel zur Abdeckung weiterer Problemviertel zur Verfügung stehen. Sowohl Aventin als auch Trans Tiberim liegen hinter der Grenze, was die Stationierung von Soldaten weniger kompliziert macht. Die konkrete Planung möchte ich trotzdem erst in Angriff nehmen, wenn mir Zahlen vorliegen. Mehr als eine Statio pro Gebiet stelle ich mir jedoch nicht vor und ich würde mit dem Aventin beginnen. Als Bestandteil vom Gesamtkonzept für die Rücksprache mit dem Kaiser reicht dieser Entwurf. Es sei denn, du hast spontan Anmerkungen." Die besondere Situation beim Trans Tiberim erforderte nach Menecrates' Ansicht eine Sondersitzung. Im Grunde seines Herzens glaubte er aber nicht, dass es je zur Umsetzung dieses letzten Bausteins im Gesamtgefüge kommen würde.