Beiträge von Herius Claudius Menecrates

    Er nickte andeutungsweise und wohlwollend mit dem Kopf, was Verständnis ausdrückte, nicht Zustimmung. "Ja, ich habe vernommen, dass du anstatt drei Stationes in der Subura lieber je eine am Aventin und in Trans Tiberim hättest", versicherte Menecrates auf die erneut vorgebrachte Meinung. Seine Stimmlage klang eher beruhigend mit einem versteckten Schmunzeln und keineswegs genervt. "Vielleicht erhören dich ja die Götter und der Kaiser sowie Praefectus Praetorio erteilen meinem Vorschlag für Statio III in der Subura eine Absage." Er hob in einer unwissenden Geste beide Arme vom Tisch. "Wenn dem so ist, kann ich auch damit leben, aber eine zweite Statio halte ich für unabdingbar. Eine geringere Besetzung als zwei Centurien würde ich bis auf weiteres kein zweites Mal wagen und kleine Posten schon gar nicht. Kleinere Posten werden überrannt oder niedergebrannt, wir haben es erlebt."

    Das Thema hielt er für beendet. Somit wandte er sich der Signalgebung zu.

    "Ich will nicht ausschließen, dass pfiffige Handwerker eine größere Variante an Öllampen entwerfen könnten, aber mein Hauptgedanke beim Einsatz von Lampen war, Lichtzeichen zu vereinbaren: Abdunkeln, Erstrahlen lassen, schwenken, was auch immer. Meine Sorge, bei unsachgemäßem Umgang, Brände zu entzünden, bleibt aber bestehen." Sein Finger fuhr mehrmals über die Stirn, bevor er fortfuhr. "Ich warte ab, was die Praxis ergibt und verlasse mich ganz auf deine Einschätzung", sagte er abschließend und blickte Petronius an. "Haben wir alles fürs Erste? Es gibt viel zu tun, packen wir es an."

    IN NOMINE IMPERII ROMANI

    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERTEILE ICH

    PUBLIUS MATINIUS AVIANUS


    MIT WIRKUNG VOM

    ANTE DIEM VII ID APR DCCCLXXI A.U.C. (7.4.2021/118 n.Chr.)


    DIE

    MISSIO HONESTA




    UND ENTLASSE IHN ALS

    MILES

    der

    COHORTES URBANAE.


    Als Missio Nummaria werden 450 Sesterzen gezahlt.


    Herius Claudius Menecrates

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    Langsam dämmerte es Menecrates, woher die Tränen rührten und er entspannte sich. Ein weiterer Gefühlsausbruch hätte ihn vor Probleme gestellt. Dankbar über den lockeren Umgang mit dem Missgeschick atmete der Gastgeber auf.

    "Jetzt denk bei allen guten Göttern nicht, ich wollte einen Anschlag auf deine Unversehrtheit ausüben", bat er den Jugendfreund absolut aufrichtig, konnte aber das amüsierte Blitzen in seinen Augen nicht ganz verhindern. Lepidus' einmaliger Humor erfrischte ihn. Sein Alltag besaß ansonsten wenig Lockerheit, und Fröhlichkeit schon gar nicht.

    "Die Grünen hatte meine Frau immer gern gegessen, als sie noch in Rom weilte. Vielleicht rührte daher ihre spitze Zunge." Er überlegte kurz. "Ich sollte die Scharfen tatsächlich umfärben lassen. Grün ist die Farbe meiner Factio. Rot wäre die Russata. Purpur vielleicht. Kannst du dem Pferdesport etwas abgewinnen?"

    Nach Lepidus' Hinweis auf die Optimierung der kulinarischen Genüsse folgte eine Lebensweisheit, die Menecrates gut gefiel. Er ließ sie eine Weile auf sich wirken, bevor er erwiderte: "Das sind wahre Worte, schöne Worte. Ich werde sie mir merken. Sind sie dir spontan eingefallen oder hast du sie wo aufgeschnappt?"


    Der Ausflug in lockere Themengebiete dauerte nicht lange. Spätestens als die Namen Lupus und Nero fielen, wurde Menecrates wieder ernst. Dem aufmerksamen Beobachter wäre aufgefallen, dass er Gedanken wälzte, sie sortierte und mit dem Entschluss rang, sie preiszugeben. Es gab einige Themen, die er mit sich herumtrug, die heutigen kamen noch hinzu. Aber wem vertraut sich ein Praefectus Urbi an? Wer ist geeignet, um Antworten zu geben. Generell fand er nie eine Lösung dafür, aber heute stand genau der richtige Mann an seiner Seite, um die soeben aufgetauchten Fragen zu erörtern. Er wollte den Ballast loswerden, blieb stehen und atmete einmal durch. Als sich Lepidus ihm zuwandte, berichtete er.

    "Unlängst wurde ich in ein Consilium Ulpianum berufen. Es ging um die Aufnahme des verstorbenen Purgitius Macer." Er schwieg, um Gedanken zu sortieren. "Hältst du es für möglich, dass Annaeus Modestus und Lupus weitere Kandidaten sind?" Wie sehr ihn der Gedanke peinigte, zeigte er offen, denn vor Lepidus musste er nicht Unverwundbarkeit demonstrieren. Dabei störte ihn Modestus nicht im geringsten. Ihm ging es einzig um Lupus, was er im Vorfeld bereits deutlich gemacht hatte. "Falls es so kommt, was ich nicht hoffe, wünsche ich, erneut Teil der Kommission zu sein. Ich hatte genug Berührungspunkte und weiß Dinge zu berichten, die sonst niemand kennt - zum Teil höchstens du." Er atmete schwer durch, als stünde eine solche Situation bereits bevor. Ein weiterer Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Er legte den Kopf ein wenig auf die Seite und runzelte die Stirn. "Was denkst du? Würde ich mit Absicht nicht geladen werden, sollte meine Haltung bekannt werden?" Sein Blick wurde fragend, dann aber wusste er bereits die Antwort, bevor sie kam.


    Er ließ Lepidus Raum, bevor er das nächste Thema anschnitt. Vielmehr handelte es sich um ein Angebot: "Würde es dir helfen, deinerseits etwas Ballast loszuwerden?" Er spielte auf Nero an. Zuhören konnte Menecrates gut. Hinweise geben und Rat erteilen ebenfalls. Hauptsache die Emotionen blieben klein bzw. gingen eher in Richtung Ärger als Wehmut oder gar Traurigkeit.


    "Ja, ein Jammer, dass wir große Offiziere verloren haben. Nicht der Krieg allein war schuld, sondern auch das Falsche in mancher Person, der man nicht aus dem Weg gehen konnte. Schön, dass wir darüber reden konnten!" Er sandte dem Jugendfreund einen dankbaren Blick, bevor er ihn einlud, ihm in den Garten zu folgen. Die bedrückenden Gedanken ließ er zurück.

    "Keine abgestandene Luft und ein Hauch Wind, beides verbinde ich mit der Zeit in beiden Legionen. Oft kontrolliere ich mich, ob ich noch anhand vom Sonnenstand die Himmelsrichtung erkenne, obwohl das hier wenig Sinn macht. Hier weiß ich, wo Süden ist." Er grinste, hörte aber sofort wieder aufmerksam zu, als es um den Neffen ging.

    "Dein Neffe reist mit dem Caesar?" Er warf einen anerkennenden Blick Richtung Lepidus. "Wieso Germania? Kannst du darüber sprechen?" Dann aber fiel ihm das Lächeln aus dem Gesicht.

    "Das ist jetzt nicht dein Ernst! Du willst weg aus Rom?" Er blieb stehen und fixierte seinen Gast. "Warum? Wann?"

    Das war eine spannende Geschichte und Rullus musste sich überwinden weiterzugehen. Am liebsten wäre er stehengeblieben und hätte nicht nur gelauscht, sondern neugierig und intensiv nachgefragt. Das wiederum wäre ein schlechtes Vorbild für den Neuen, also beschränkte er sich auf eine Nachfrage während dem Gehen. "Hast du eine Idee, was du mal erben kannst?" Am Ende lief alles auf einen Witz hinaus, auf eine Tontasse oder 50 Sesterzen. Die Fantasie konnte sich aber auch einen vergrabenen Schatz ausmalen oder einen bizarren Betrieb. Es gab derart viele Möglichkeiten, die wohl nur einzuschränken gingen, wenn der Charakter und Verbleib dieses mysteriösen Vaters bekannt wären. Weiter kam Optio Rullus in seinen Überlegungen nicht, weil eine neue Botschaft seine Aufmerksamkeit beanspruchte.

    "Du auch? Zu den Schwarzen?" Ihn hatte nie jemand gefragt, aber er besaß auch keinerlei Beziehung. "Tiberier? Hatte beim Sklavenaufstand ermittelt?" Einen zweiten Tiberier kannte Rullus nicht bei den Schwarzen.

    Am Ende ihres Rundgangs standen sie wieder vor dem Zimmer, das Frugis neues Domizil sein würde. Erfreut über ausbleibende Fragen, gab der Optio einen letzten Rat. "Richte dir als erstes das Zimmer, die Regale, die gesamte Einrichtung so ein, dass du dich zurechtfindest. Jeder pflegt ein anderes System und manchmal muss die eine oder andere Unterlage schnell zur Hand sein. Wir sehen uns sicher irgendwann." Der Optio salutierte, drehte auf dem Absatz um und strebte seinem neuem Tätigkeitsbereich zu.

    Für einen Moment entglitt ihm die Kontrolle über seine Regungen und er lachte los.

    "Ich bitte um Entschuldigung!", quetschte er hervor, sichtlich verlegen. Er erhob sich und atmete einmal tief durch, dann suchte er den Blickkontakt zu Flavius.

    "Mein werter Flavius, ich hoffe, du nimmst mir meinen Ausbruch nicht übel." Die Ernsthaftigkeit in seinen Worten wirkte nach außen. "Du weißt, wie ich, dass mein Consulat ein über die Maßen arbeitsreiches war. Ich habe nach dem Sklavenaufstand über Monate die Ermittlungskommission geführt und gleichzeitig an jedem einzelnen Feiertag im Kalender Opfer zelebriert, ohne auch nur einen auszulassen. Ich habe zwei Ludi samt Prozession und Opferung veranstaltet und zwar nicht nur als Geldgeber, sondern an vorderster Front bei der Organisation. Die Ludi Palatini boten Theater, Hinrichtungen, Kämpfe und natürlich Wagenrennen. Zwei Gesetzentwürfe sorgten für reichlich Diskussionsstoff im Senat. Ich bin sicher, dass mir nicht alles eingefallen ist, aber sicher bin ich darin, dass dieser Dienst für Rom dem Senat keine Auszeichnung wert war." Er atmete nochmals durch, dann fuhr er fort: "Und trotzdem stehe ich hier und wünsche eine besondere Auszeichnung für verdiente Jungmagistrate und zwar nur für diese. Warum, habe ich oben erklärt."


    Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht, bevor er eine weitere Begebenheit erzählte. "Mir stand damals ein ambitionierter Quaestor Consulum zur Seite, der vor allem am Ende meiner Amtszeit bei den zweiten Ludi eine große Stütze war. Jener Quaestor sitzt heute unter uns - auch Dank des von mir an ihn verschenkten Grundstücks. Ihr seht, ich rege nichts an, was ich privat nicht selbst bereit bin zu geben."

    Petronius und er sahen ein und dieselbe Lage mit verschiedenen Augen und gelangten zu zweierlei Ergebnis. Hinzu kam das eine oder andere Missverständnis. Menecrates betrachtete seinen Tribun für Momente schweigend und wurde sich bewusst, dass ein gemeinsamer Nenner in der Ferne lag. Er stimmte Petronius durchaus zu, als der seine Sichtweise von den bandendurchzogenen Vierteln darlegte. Er glaubte auch, dass ein großer Teil der Bewohner Banden angehörte und der andere Teil durch Schutzgelder erpresst wurde und somit in die Strukturen verwickelt war. Seine gleichlautende Einschätzung signalisierte er mit Kopfnicken.

    Als allerdings die Sprache auf den Umgang mit diesen Strukturen kam, trennten sich ihre Ansichten. Die Handhabung des 'Gewährenlassens' hatte in der Vergangenheit Strukturen begünstigt, die letztlich zum Sklavenaufstand geführt hatten und der Claudier beabsichtigte, fortan als Störquelle Nummer eins zu fungieren und die Koordination der kriminellen Kräfte zu behindern. Die Aufstockung seiner Einheit und die Mittel für Neubauten begünstigten diesen Plan.

    "Meine Devise, Petronius, ist eine andere: Ich werde Ausländer und Kriminelle nicht nach ihren eigenen Regeln spielen lassen. Natürlich können wir sie weder ausradieren noch deren Organisationsbildung verhindern, aber klein halten können wir sie. Sie leben in UNSERER Stadt und kein Teil Roms gehört ihnen."


    Trotzdem nahm er wertvolle Anregungen aus dem Gespräch mit und ließ sie in sein Konzept einfließen. Über die Anzahl und Positionen der Stationes würde er jedoch nach bestem Wissen und Gewissen selbstständig entscheiden. Er konnte nur seine eigene Überzeugung reinen Gewissens vertreten, nicht die anderer. Mittels Kopfnicken in Richtung Scriba wies er an, eine Mitschrift anzufertigen.


    "Ziehen wir ein Resümee", schlug er vor. Ohne auf Zustimmung zu warten, fuhr er fort. "Im Idealzustand und bei ausreichend Mitteln bleibt die Cohors X urbana in der Castra Praetoria, Cohors XI urbana zieht in die neu zu bauende Castra im Osten bei der Via Tusculana und Cohors XII urbana wird in der neu zu bauenden Castra nordwestlich vom Campus Martius stationiert. Ich brauche keine Castra in unmittelbarer Rennbahnnähe. Gibt es Veranstaltungen, sind wir so oder so vor Ort und in Bereitschaft. Ich brauche die Castra in Nähe von Siedlungen, wo Unruhen nicht vorher angemeldet sind, sondern einfach passieren."

    Sim-Off:

    Das passt. Laut Karte sehe ich die Castra Urbana in Region VII und nicht auf dem Campus Martius.


    "Teil des Idealzustandes ist die zukünftige Cohors XIII urbana, die ich in Region IV stationieren werde. Region IV beginnt nahe der Castra Praetoria und verläuft genau mittig zwischen den beiden neu zu erbauenden Castellas. Damit haben unsere Kräfte in jede Richtung den kürzest möglichen Weg. In dieser Region sitzt Roms Geschwür und es befindet sich keine Feuerwache im eng bebauten Viertel mit all seiner maroden Bausubstanz."

    Diesen Aspekt ließ Menecrates wirken, bevor er fortfuhr.


    "Wenn wir die sakrale Grenze überschreiten, dann errichten wir Stationes ausschließlich hier. Die Bürger würden bessere Viertel im Pommerium für diesen Zweck kaum akzeptieren und der Priesterschaft werden die Argumente der wachsenden Kriminalität und der Sklavenaufstand vor Augen geführt. Den Bewohnern der Subura", er hob den Zeigefinger, "könnte man die Stationes leichter verkaufen, wenn sie in Kombination mit den Vigiles einhergingen. Ich werde mit dem Praefectus Vigilum einmal ausleuchten, welche Möglichkeiten es dafür gibt."

    Ein Fingerzeig bedeutete dem Scriba, einen Termin für ein solches Gespräch zu organisieren. Anschließend legte Menecrates die ins Auge gefasste Anordnung der Stationes dar.


    "Statio I urbana befindet sich im Nordzipfel der Subura und wird wieder aufgebaut. Statio II urbana siedeln wir ungefähr mittig im Viertel an, je nachdem, wo einmal der Standort für Statio III urbana sein wird. Den werde ich in Absprache mit dem Kaiser und dem Praefectus Praetorio weiter südwestlich suchen. Sollte es absolut unerwünscht sein, dass Stationes der Urbaner derart nahe an Roms Herzstück rücken, fällt möglicherweise Statio III urbana in der Subura weg. Das bleibt abzuwarten."


    Er schaute zum Scriba, ob der im Tempo mithalten konnte. Als das Zeichen kam, führte Menecrates weiter aus.

    "Alle drei Stationes liegen in ihrer Bauweise auf dem Niveau der höchsten Insulae ihrer Umgebung. Wegen der überschaubaren Entfernung sollte die Signalgebung mittels Bannerhissung möglich sein. Ich meine hier in erster Linie die Verständigung der Suburastationes untereinander, weswegen die Hügel im Umland weniger eine Rolle spielen. Gleichzeitig benötigen wir, da hast du Recht, eine Signalkette bis hin zu den drei Castella. Signalkette I: die Stationes untereinander und Signalkette II: von den Stationes zu den Castella - müssen wir testen bevor wir uns final für die jeweiligen Standorte entscheiden."


    Ein erneutes Kopfnicken seitens Menecrates' mit Blick auf den Vorratsstapel an Wachstafeln ließ den Scriba eine separate Tafel heranziehen.

    "Diese Aufgabe werde ich dir übertragen, Petronius. Du bist frei im Ausprobieren weiterer Signalgeber. Ich hätte aber gern eine Rückmeldung über Banner bei Tag und Hornsignale nach Einbruch der Dunkelheit. Offenes Feuer und Fackel möchte ich aber explizit nicht. Denkbar wären noch Öllampen." Er wiegte den Kopf, weil er auch diesen misstraute.


    "Kommen wir zum glücklichsten aller Fälle, bei dem die Mittel zur Abdeckung weiterer Problemviertel zur Verfügung stehen. Sowohl Aventin als auch Trans Tiberim liegen hinter der Grenze, was die Stationierung von Soldaten weniger kompliziert macht. Die konkrete Planung möchte ich trotzdem erst in Angriff nehmen, wenn mir Zahlen vorliegen. Mehr als eine Statio pro Gebiet stelle ich mir jedoch nicht vor und ich würde mit dem Aventin beginnen. Als Bestandteil vom Gesamtkonzept für die Rücksprache mit dem Kaiser reicht dieser Entwurf. Es sei denn, du hast spontan Anmerkungen." Die besondere Situation beim Trans Tiberim erforderte nach Menecrates' Ansicht eine Sondersitzung. Im Grunde seines Herzens glaubte er aber nicht, dass es je zur Umsetzung dieses letzten Bausteins im Gesamtgefüge kommen würde.

    Ein buntes, wirres und bizarres Treiben spielte sich vor den Gespannen ab und vor allem die wilden Tänze und die gefiederten Helme der Darbieter sowie irgendwo im Rücken die beiden Löwen verunsicherten so manches Pferd und ließen es tänzeln oder gar steigen. Im Interesse der Pferde, der Zuschauer und all deren, die sich am Zug beteiligten, konnte nur zu hoffen sein, dass die Aurigae ihre jeweiligen Gespanne unter Kontrolle brachten und auch hielten. Für den geplanten Wettkampf mussten Tier und Mensch unversehrt bleiben. Die Gewohnheit ließ Menecrates kaum über den Umzug und die Hintergründe nachdenken, aber dem Fremden mochte diese Tradition im Ganzen nicht nur befremdlich erscheinen, sondern zuweilen auch abstoßend, sodass ein von sehr weit her Gereister möglicherweise an der Geistesfrische der Römer zweifeln mochte.

    Die Organisation eines solchen Spektakels erforderte viel Umsicht und Engagement, was der amtierende Aedilis Curulis wieder einmal mehr bewies.

    Der Optio runzelte die Stirn und man konnte ihm ansehen, wie es hinter der Stirn arbeitete.

    "Verstehe ich nicht", sagte er schließlich. "Klingt, als bist du hierher verkauft worden, was nicht sein kann. Hat dich jemand gezwungen? Dein Vater?" Sowas war Rullus in all den vielen Dienstjahren noch nie zu Ohren gekommen. "Und wie denkst du jetzt?" Der Zweifel stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er dachte, Frugi konnte auch im Gehen antworten, also schritt er den Gang weiter entlang. Nach einem Abzweig begannen der Verwaltungstrakt, in dem die Stabsoffiziere ihre Büros hatten.


    "Das ist das Officium von Tribunus Petronius." Er wies auf eine derzeit geschlossene Tür. "Sind im Augenblick alle nicht besetzt wegen Stabsbesprechung. Namen sind an der Tür." Sein Blick richtete sich auf anschließende Zimmer und der Kopf unterstrich es mit einer ruckartigen Bewegung.


    "In den Bereich der Schwarzen gehen wir nicht, dort musst du dich auch nicht auskennen. Hauptsache du weißt, in welche Richtung du jemand schicken musst, der sich zu uns verläuft."

    Im Grunde war der Rundgang beendet. Wo die Dienstpläne hingen, musste niemand erklärt werden. An Valetudinarium, Horrea usw. verwiesen die Mannschaftskameraden oder der Optio jeden Tiro als erstes.

    "Noch Fragen?"

    Ich denke schon, dass du richtig gewickelt bist, denn Petronius hatte ja auch erwähnt, dass er nichts Genaues über die Pomeriumgrenze gefunden hat. Ich hab nur keinen Plan, wie ich zutreffende Aussagen bezüglich der außerhalb und innerhalb Stationes treffen soll. Ich würde eventuell gerne eine auf den Aventin setzen. :hmm: War der komplett draußen?

    Der Optio legte den Finger an den Mund und machte: "Pssst!" Er kicherte und hüpfte weitgehend geräuscharm auf seine alten Tage auf den Zehenspitzen zur Tür. Er bückte sich, lugte erst mit einem Auge durch das Schlüsselloch, während er das andere zukniff. Anschließend hielt er das Ohr vor die Öffnung. Er lauschte eine Weile, bevor er sich aufrichtete.

    "Wissen ist Macht. Halte immer die Ohren auf!" Bevor er weitersprach, trat er zwei Schritte von der Tür zurück. "Jeden, den du lauschend erwischst, trittst du in den Arsch, klar?" Er winkte. "Los, weiter."


    Sie liefen ein Stück durch die Principia und Rullus blieb vor dem Sacellum stehen. "Unser Emblem ist die Waage", flüsterte er ehrfürchtig. "Da drinnen war schon jeder von uns, aber die Neuen verlaufen sich manchmal."

    Obwohl die Rede lang und ihr nur schwer zu folgen war, lief es am Ende auf zwei Möglichkeiten hinaus, bei denen der Claudier eine sofortige Stellung bezog und diese kundtat: "Möglichkeit zwei kommt für mich nicht in Betracht! Da ist Rom jedem senilen Dominus ausgeliefert. Im schlimmsten aller Fälle wird jener manipuliert, weil er des Lebens müde und des Geistes beschränkt ist."

    Einige seiner zuvor genannten Bedingungen fanden keinen Einlass in den Vorschlag, aber das Ende der Sitzung lag in der Ferne und so begnügte sich der Claudier zunächst mit dieser für ihn wichtigsten Erklärung.




    "Es geht vermutlich nicht darum, was mir vorschwebt, sondern was realisierbar ist", erwiderte Menecrates auf Flavius' Frage. "Schon vor Jahrzehnten bedeutete es Glück, Ländereien in Italia zu erwerben und so liegt auch ein Teil meines Landbesitzes in anderen Provinzen. Ich rechne damit, dass der Procurator a rationibus - sollte es schlussendlich dazu kommen - aus einem Topf schöpfen wird, der zum einen aus an den Staat gefallen Grundstücken mangels Erbe besteht, aus Ländereien in anderen Provinzen und möglicherweise aus Grundstücken kleineren Ausmaßes als bisher, wenn sie aus der Provinz Italia stammen. Dies sind aber Fragen, die im zweiten Schritt mit unserem Kaiser abzuklären sind. Ich sehe mich nicht befugt, über Ländereien zu spekulieren, die weder mir noch dem Senat gehören." Er zuckte kaum erkenntlich die Schulter, dann fuhr er fort.


    "Die Festlegung, was als außergewöhnliche Leistung gilt, würde ich persönlich gern unabhängig von Meinungsfreiheit sehen und stattdessen", er hob die Hände, weil er sich darüber noch nicht schlussendlich im Klaren war, "eventuell anhand von noch festzulegenden Eckpunkten sehen. Ich möchte ausschließen, dass an dieser Stelle auch wieder verdiente Magistrate durch die Maschen rutschen und leer ausgehen." Menecrates' Vertrauen in die Gerechtigkeit dieses Gremiums war nachhaltig erschüttert.

    "Jene Eckpunkte gilt es zu erarbeiten. Sie sollten derart angelegt sein, dass sie entweder in der Menge oder in der Qualität nicht von jedermann im Schongang erreicht werden können."

    Der Claudier wollte gerade ein allgemeines 'Salvete' in die Runde werfen, als Annaeus eine Vorstellungsrunde begann. Diese Lösung war eine sehr viel bessere, sodass Menecrates froh war, noch nicht einmal Luft zur Ausführung seines Plans geholt zu haben.

    Allerdings gleich beim ersten Gast tat sich eine Schwierigkeit auf. Flavius Gracchus war ein Begriff, ohne Frage, aber der Claudier wusste partout nicht mehr, auf welche Vertraulichkeit sie sich vor Urzeiten einmal geeinigt hatten. Nannten sie einander bei den Congnomina oder waren sie weniger vertraut geblieben? Menecrates wusste es schlicht nicht mehr und fürchtete bereits um die ungestörte Funktion seines Gedächtnisses. Sie standen einander nah, denn Gracchus hatte Menecrates' Cousine geehelicht, aber sie waren einander nie nahe gekommen. Sowohl ihre Berufung als auch ihr Freundeskreis boten kaum bis keine Überschneidung.

    "Ich grüße dich, Flavius Gracchus", plapperte Menecrates als Notlösung dem Annaeer hinterher.


    Er wandte sich dem als nächstes vorgestellten Mann zu: Annaeus Vindex. Er glaubte, ihn zuvor noch nicht gesehen zu haben.

    "Ambitioniert, Annaeus Vindex! Freut mich und ich bin gespannt, was demnächst von dir zu hören ist." Er konnte unmöglich Flavius nur kurz grüßen und hier nachfragen, das wäre unhöflich gewesen, obwohl er gern schon jetzt heraushören wollte, welche Qualitäten der junge Mann besaß.


    "Annaea! Iulia!" Er deutete eine Kopfneigung an und blickte weniger geschäftig als vielmehr freundlich. Gespräche mit Frauen fielen ihm nicht leicht. Er wirkte meist etwas ungeschickt und es mangelte ihm auch an Themen.


    "Seius Ravilla." Er sprach den Namen mit leicht fragender Betonung aus, weil es ihm so vorkam, als hätte er ihn schon einmal gehört. Spontan wusste er nicht, wann und wo, möglicherweise hatte er den Namen auch nur irgendwo gelesen. "Junge aufstrebende Männer, das gibt Hoffnung", fügte er an. Der Haruspex stellte sich als ein anderer als erwartet heraus, was Menecrates begrüßte. Ihn und den Victimarius grüßte er ebenfalls, dann setzte er sich.