Beiträge von Herius Claudius Menecrates

    Menecartes war im Grunde seines Herzens ein bescheidener Mensch, dem es ganz gut gefiel, wenig Aufhebens von seiner Person zu machen. Häufig genug hielt er sich bei Festen im Hintergrund und redete nur dann, wenn er Wichtiges zu sagen hatte. Anerkennung von Leistungen verachtete er indes nicht und er freute sich auch über Wertschätzung. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er die ehrliche Freude des Organisators Annaeus erkannte.


    "Senator Annaeus, ich bedanke mich." Menecrates fragte sich kurz, wie neu oder doch schon gewohnt die Anrede für den Jungsenator war. Seine eigene Ernennung lag lange zurück, er konnte sich kaum noch daran erinnern. An was er sich noch gut erinnerte, war der Vater des jungen Mannes. Er gehörte in etwa zu seiner Generation. "Ich denke, dein Vater wäre stolz. Ich wünsche gutes Gelingen!"

    Der Ianitor erschien und er überlegte einen Moment. Der Mann stellte sich mit einem Namen vor, der nicht zu einem häufigen Besucher gehörte. Gleichzeitig titulierte er den Hausherrn schlicht und einfach ohne Titel, sondern mit Privatnamen. Der Ianitor nahm an, dass dies etwas zu bedeuten hatte und trat zur Seite.


    "Bitte einzutreten. Jasmina führt dich ins Atrium."

    Zwischen Grünpflanzen und Büsten standen zwei Sessel mit Blick ins Peristyl. Menecrates saß gern an diesem Platz, aber auch andere Familiemitglieder. Der Blick ins Freie gelang ebenso wie das Betrachten der Wandverzierungen. Das gesamte Atrium wies Variationen aus Naturstein auf. Granit am Boden wegen der besseren Feuchtigkeitsresistenz und geringeren Abnutzung gegenüber Marmor. Marmor an den Wänden oder in Form von Säulen. An jenen glatten Flächen hatte Menecrates während seiner Erkrankung den Tastsinn erprobt mit ungeahnten Ergebnissen. Auch heutzutage überprüfte er zuweilen und bislang schien alles im Lot.

    Hierher führte ein Sklave Lepidus.

    Mit den Equirria verband Menecrates Verschiedenes. Zuallererst erinnerten sie ihn an sein Cosulat und das, obwohl es das Fest samt Waagenrennen jedes Jahr gab. Jene Rennen wurden damals in weiten Teilen von seinem Quaestor Consularis organisiert. Sie stellten die zweiten Spiele während seiner Amtszeit als Consul dar und da Menecrates zuweilen nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand, zeigte er sich sehr erfreut über die Hilfe seines Quaestors. Dieses und die vielen anderen Hilfeleistungen brachten ihn schließlich auch zu der Überzeugung, dass Flavius Gracchus Minor jede Form von Förderung verdiente. Ein wahrlich guter Mann.

    Heute oblag ihm keine Organisation, heute schloss er sich der Zeremonie als Zuschauer an. Er wurde zu Hause bestens eingekleidet, um ein korrektes Bild abzugeben. Dieses Bild frönte nicht seiner Eitelkeit, denn die besaß Menecrates nicht, sondern es demonstrierte seine Wertschätzung gegenüber dem Organisator und den Göttern.

    Der Claudier freute sich auf den Fußmarsch - trotz Toga, denn er liebte es, sich zu bewegen. Er empfand eine Toga außerdem viel lästiger beim Liegen in einer Sänfte.

    Die Luft erschien ihm gereinigt und er sog sie tief ein. Das Spiel der Musiker trug alle komplizierten Gedanken fort und er gab sich der Atmosphäre hin.

    Seinem Dank folgte weitere Aufmerksamkeit, denn auch der weitere Verlauf der Audienz besaß erhebliches Tempo und schon bald wurde Menecrates klar, warum: Die Probleme in der Subura waren so aktuell wie zu seiner Amtszeit als Consul. Natürlich wusste Menecrates vom Brandanschlag auf die neue Station, die einst auf seine Initiative hin errichtet wurde. Was er nicht wusste, war das erwähnte kürzliche Treffen führender Amtsinhaber zum Thema Kriminalitätseindämmung. Als er vernahm, dass das Konzept eine Aufstockung der Stadteinheiten beinhaltete, nickte er erfreut. Das gab Spielraum und erhöhte die Möglichkeiten. Er vernahm auch, dass der Marschplan noch nicht stand und in Erwartung einer Zusammenarbeit mit dem Praefectus Praetorio zustande kommen sollte. Welcher der beiden Präfekten am Treffen teilnahm, würde Menecrates erfragen müssen. Die Tatsache, dass Tribun Petronius teilgenommen hatte, erleichterte generell seine Einarbeitung. Wieder nickte er. "Ich kenne ihn." Mittlerweile besser als je zuvor.


    Die Aussage des Kaisers 'Von den Göttern verlassen' ließ Menecrates aufhorchen. Sie traf genau den Punkt, den Menecrates als Ursache für seine Krankheit ausgemacht hatte. Aber der Ursache für seine schwierige Krankheit lag ein Auslöser, eine eigene Ursache, nämlich die Christen zugrunde, womit er wieder in der Subura anlangte. Alles stand in Zusammenhang und damit traf sich sogar Menecrates' ureigenstes Interesse mit dem des Reiches.

    "Fast scheint es, als würde ich nahtlos ansetzen können, das Thema ist mir noch sehr präsent. Möchtest du einen Zeitraum benennen, in dem das Konzept vorliegen soll?"

    Was seine Tatkraft betraf, niemand konnte höhere Erwartungen an ihn stellen als Menecrates selbst. "So oft du meinen Rat oder meine Tat benötigst, erhältst du sie." Fast klang es wie ein Schwur.

    Ein Bote brachte das Schreiben mit der Anweisung vorbei, eine Antwort mitzubringen, falls das die Zeit des Aedils erlaubt.



    Ad

    Aedilis Curulis

    Manius Flavius Gracchus Minor

    Basilica Iulia
    Roma



    Die Factio Praesina meldet hiermit ihre Teilnahme an den Wagenrennen zu den Ludi Megalenses. Wir bedanken uns für die Einladung, haben aber noch eine Rückfrage. In welcher Größenordnung werden die Waagenrennen sein bzw. wie viele Aurigae dürfen maximal pro Factio an den Start gehen?


    H. Claudius Menecrates  



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    ANTE DIEM III ID MAR DCCCLXXI A.U.C. (13.3.2021/118 n.Chr.)


     




    Sein Gespür bestätigte schnell die Vermutung, dass es sich bei der Audienz um einen ausschließlich geschäftlichen Termin handelte. Der Kaiser schien mitten in der Abwicklung von Regierungsaufgaben zu sein und obwohl er sich sofort Menecrates zuwandte, hatte der den Eindruck, dass es für den Kaiser in gleichem Maße geschäftig weiterging, was sich später auch bestätigte.

    Zunächst folgte Menecrates' Blick dessen Handweisung. Er schritt zum gewiesenen Stuhl und nahm Platz.

    Er nickte auf die einführenden Worte hin, die auf seinen genesenen Zustand hinwiesen. In der Tat, er fühlte sich wieder gestärkt. Aufmerksam hörte Menecrates zu, als der Kaiser den anvisierten Punkt erwähnte, auf den er zu sprechen kommen wollte. Die weiteren Worte flogen nahezu an ihm vorbei. Alles ging schnell, aber nicht zu schnell. Er verstand.


    "Ich danke dir für dein Vertrauen, mein Kaiser", erwiderte er als erstes, weil genau das ihn als erstes bewegte. "Ich bin wieder im Vollbesitz meiner Kräfte, das stimmt, und wenn du und das Reich mich braucht, werde ich dienen." Er fügte nach einer Atempause an: "Ohne größeres Aufheben käme mir entgegen."

    Erlösen war eine Lösung, wenn auch in Sisennas Augen keine gute. Menecrates konnte das sogar nachvollziehen, obwohl es sein Vorhaben schwerer machte. Er musste außerdem zugeben, dass ihn die Aussage getroffen hatte, selbst nicht erlöst worden zu sein, als er krank, versteift und behindert war. Er malte sich aus, wenn alle erkrankten Römer von einer übergeordneten Macht - und er meinte eine staatliche Macht, keine göttliche - entsorgt werden würden, weil sie der Gemeinschaft zur Last fielen. Bei dieser Vorstellung schüttelte er sich kurz. Seine Zielvorgabe bröckelte. Er ging zu einem Stuhl, setzte sich und seufzte.


    "Du hast Recht", gab er resigniert zu. Ihm fiel in dieser Sache kein plausibler oder wenigstens Sisenna überzeugender Grund ein, warum ein versteift laufendes Pferd sterben und ein versteift laufender Senator, der zudem seinen linken Arm von oben bis unten nicht mehr gebrauchen konnte, gesundgepflegt werden sollte. Mit dem erheblich verschiedenen Stellenwert brauchte er Sisenna nicht kommen. Das Kind zeigte seit langem einen Tiertick und glaubte trotz bester Erziehung, auch Tiere besäßen ein schätzenswertes Wesen, ein Innenleben. Er seufzte erneut, stützte den Ellenbogen auf das Knie und lehnte die Stirn gegen die Hand.


    "Was schlägst du vor?"

    Warum bestimmte er nicht einfach? Warum konnte er als Opa und Onkel nicht so streng sein wie als Vater? Mütter und weibliche Angestellte besaßen mehr Durchsetzungskraft als er. Wieder einmal wünschte er sich, ihm würde die Erziehung abgenommen. Er wollte sehr gerne der liebe Onkel sein, der etwas Leckeres mitbrachte, kurz spielte oder Spaß machte und dann auch wieder ging. Keine Verpflichtungen, keine Notwendigkeiten.

    In jungen Jahren wäre Menecrates aufgeregt gewesen. Heutzutage bezog er die Ruhe im Auftreten aus seiner Lebenserfahrung, dem wiederhergestellten Gottvertrauen und der Gewissheit, dass Aquilius ein Kaiser ganz nach seinen Wünschen war. Die kaiserlichen Katastrophen lagen hinter dem Reich und der Claudier wünschte, es würde auf Dauer so bleiben.

    Trotzdem konnte Mencrates eine Audienz nicht mit einer Cena gleichsetzen. Es gab kein geselliges Beisammensein, sondern einen Grund für die Audienz. Die Ungewissheit ließ sein Blut doch ein wenig schneller kursieren, als er das Officium des Imperators betrat.


    "Ave, mein Kaiser. Du wolltest mich sprechen."

    Bei Menecrates verhielt es sich genau anders herum: Sein Anstand veranlasste ihn dazu, alles zu tun, damit Macer ins Ulpianum kam, obwohl der Claudier in den letzten Jahren etliche Dämpfer von ihm kassiert hatte und ihn persönlich nicht mehr leiden konnte. Die Aufnahme zu feiern, überstieg jedoch das Maß des Notwendigen und daher erhob er den Becher auch nicht. Er konnte sich jederzeit hinter der Aussage verstecken, dass er generell kaum noch Wein trank, was absolut stimmte. Er vertrug das Zeug nicht mehr.

    Opferdiener standen bereit. Sie hatten das Feuer bereits entzündet, den Foculus positioniert und hielten die Opfergaben bereit. Sie allein würden Zeugen der verschiedenen Zwiegespräche werden, denn sowohl seine Begleiter als auch die seit geraumer Zeit im Tempel stationierten Sklaven schickte Menecrates hinaus. Stille herrschte; zuweilen knackte es und ein Funke flog. Je nachdem, wo Kohle entzündet wurde, entwickelte ihr Geruch eine unterschiedliche Intensität. Im Freien anders als hier und hier anders als am Hausaltar. Menecrates sog die Luft ein, um später den Unterschied zum verdampfenden Weihrauch vermehrt wahrnehmen zu können. Er zog sich die Toga zurecht, um das Haupt zu bedecken. Ein Nicken signalisierte den Opferhelfern, mit den ersten Gaben zu beginnen.


    "Vater Ianus, durch das Opfern des Weihrauches bete ich ein gutes Gebet, damit du mir und meinen Kindern, dem Haus und der Familie wieder günstig gestimmt bist." Weihrauch rieselte in den Foculus.

    "Iuppiter, durch das Opfern des Weihrauches bete ich ein gutes Gebet, damit du mir und meinen Kindern, dem Haus und der Familie wieder günstig gestimmt bist." Erneut kam Weihrauch auf den Foculus.

    Menecrates verfolgte den aufsteigenden Rauch, inhalierte den Duft, sann der Worte nach und winkte schließlich den Helfer mit dem Weingefäß heran.


    "Vater Ianus, wie ich durch das Opfern des Weihrauches ein gutes Gebet gebetet habe, möge dir für dieselbe Sache dieses Trankopfer angeboten werden." Es zischte, als der Wein auf die heiße Schale traf und der Duft im Raum änderte sich.

    "Iuppiter, sei geehrt durch diesen Weihrauch, sei geehrt durch diesen Wein." Kühler Wein floss nach und das Zischen wurde leiser.

    Ein kleiner Teil, das Voropfer, lag hinter ihm. Jetzt wollte Menecrates noch der Penaten gedenken, ihnen opfern und um deren Hilfe bitten. Er tauchte die Hände in bereitgehaltenes Wasser und reinigte sich gründlich. Dabei murmelte er: "Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es."


    Er berührte den Altar und holte einmal Luft.

    "Laren, weil es recht ist, im Tempel meiner Familie für dieses Fest zu opfern, um dieser Sache willen möget ihr geehrt werden durch dieses Festopfer.

    Manen, weil es recht ist, im Tempel meiner Familie für dieses Fest zu opfern, um dieser Sache willen möget ihr geehrt werden durch dieses Festopfer.

    Genii, weil es recht ist, im Tempel meiner Familie für dieses Fest zu opfern, um dieser Sache willen möget ihr geehrt werden durch dieses Festopfer."

    Während Blumen für die Laren, Milch für die Manen und Wein für die Genii dargebracht wurden, versprach Menecrates eine Wiedergutmachung und äußerte eine weitere Bitte.


    "Ihr Götter und Geister, ich habe seit dem Vorfall der Lästerung die Schandmale entfernen lassen, Wächter im Tempel stationiert und regelmäßig geopfert. Bitte sagt mir, was ich noch tun kann, um euch zu besänftigen. Ich möchte Buße tun, denn offensichtlich habe ich mir Versäumnisse vorzuwerfen. Wie anders erklären sich sonst die vielen schlimmen Krankheitsfälle in meiner Familie." Er hielt inne und überlegte kurz, bevor er fortfuhr: "Bitte gebt mir ein Zeichen, damit ich weiß, was ich noch gegen das Übel Christentum tun kann. Auf alle Fälle bitte ich euch, gewährt meiner Familie wieder Schutz. Wir alle brauchen euch."

    Nachdem Menecrates zu Ohren bekam, er möge sich am Palasttor melden, ließ er keine Zeit mehr verstreichen und machte sich in Begleitung von Klienten, Freunden und Helfern auf den Weg. Zeit seines Lebens hatte er Sänften gemieden, wo es ging und so legte er die Strecke auch dieses Mal zu Fuß zurück. Bewegung diente der Gesunderhaltung und fegte schwierige Gedanken fort. Zurück blieb ein freier Kopf und ein gespannter Patrizier.


    Sein Sekretär meldete ihn beim Wachmann an. "Salve, Senator Claudius Menecrates wünscht Einlass. Er wird erwartet."

    Am Abend nach jener Rücksprache.


    Sich auf das Gespräch mit Sisenna vorzubereiten, fiel Menecrates schwer und auf eine Vorbereitung zu verzichten, konnte er sich nicht leisten. Kinder stellten viel schwierigere Verhandlungspartner als Erwachsene dar. Sie argumentierten unter Einsatz von Gefühlen und weniger mittels Verstand. Für sie gab es kaum Zwänge und sie lebten im aktuellen Moment. Im Grunde agierten sie klüger als viele Erwachsene, denn sich eine Zukunft auszumalen, ob nun voller Sorgen oder Glück, basierte zum Teil auf Fantasie. Jene Vorstellungskraft wurde von Erwachsene gern als Weitblick verkauft. Garantie für erwartete Wendungen gab es aber nie.


    Menecrates seufzte im Vorfeld, bevor er das Zimmer seines Mündels betrat.

    "Na, mein kleiner Sonnenschein, dein Onkel muss mit dir reden." Während er das auf dem Boden spielende Mädchen betrachtete, schallt er sich einen Feigling. Er konnte die Aufgabe nicht an irgendeinen Onkel abtreten. Er hätte besser sagen sollen: 'Ich muss mit dir reden.'

    Wieder seufzte er. "Der Apollon ist ja gestürzt." Er hoffte, sie fragte nicht, wann. Dann hätte er zugeben müssen, dass er diese Information schon seit Wochen zurückhielt. Um einer Zwischenfrage zuvorzukommen, sprach er schnell weiter.

    "Er kann nur noch schlecht laufen. Wir müssen überlegen, ob wir ihn erlösen." Ein Zugeständnis, was nicht auf seiner Agenda stand. Eigentlich wollte er die geplante Tötung ankündigen. In weiser Voraussicht hatte er selbiges noch nicht ausführen lassen.

    Der Trainer trat gemeinsam mit dem Stallmeister ein. Sie mussten aufeinander gewartet haben, was Menecrates wunderte. Er empfand sich selbst nicht als sonderlich streng, abgesehen von seinem Anspruch auf Verlässlichkeit, Fleiß und Wahrheitsliebe.

    Beide Männer grüßten und harrten der Dinge.

    Menecrates erwiderte den Gruß mit einem Nicken und wandte sich zuerst an den Trainer. "Wie sieht es aus? Haben wir den Trainingsrückstand aufgeholt?"

    Philus wiegte den Kopf. Er zog die Luft hörbar durch die Nase, was weniger einer Verstopfung geschuldet war als vielmehr eine Angewohnheit darstellte. "Wir mussten Rechtsaußen aus dem Training nehmen."

    Menecrates wusste, welchen Rechtsaußen Philus meinte. Vor Wochen ereignete sich im Training ein Unfall bei dem Apollon, der rechts außen im Schimmelgespann angeschirrt war, stürzte. Sie dachten, er hätte sich dabei nur einen Nerv eingeklemmt, aber keine Behandlung schlug an. Mehr noch: Die Verspannungen im Halsbereich nahmen zu.

    "Er lief immer schlechter, hat Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht. Rückwärtstreten ist kaum mehr möglich und seitwärts zur Wendung lässt ihn straucheln. Der Medicus sagt, es liegt eine Quetschung im Halswirbelbereich vor, die sich auf die Hinterbeine auswirkt."


    Menecrates nickte, er hatte es bereits befürchtet. "Wie läuft es mit dem Ersatzpferd?"

    "Wir haben die Positionen mehrfach durchgetauscht und jetzt läuft es an zweiter Position innen. Das Potential ist da. Was fehlt sind Trainingsstunden." Er zog bedauernd die Schultern hoch.


    "Empfiehlst du den Renneinsatz?" Menecrates meinte die bevorstehenden Equirria.

    "Die Kondition hat er, die Erfahrung fehlt. Sie harmonieren noch nicht wie gewünscht, aber ich würde das Gespann trotzdem melden. Wir haben zwei sichere Bänke, da können wir ein wenig Risiko beim dritten eingehen."


    Der Claudier nickte. "Einverstanden." Über das Schicksal des verletzten Pferdes würde er später entscheiden. Viele Pferde waren austauschbar, dieses jedoch war besonders: Es wurde am selben Tag geboren wie sein Mündel.

    Plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke. Ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen mittlerweile auch auf die Tiere in seinem Umfeld übergriffen? Er durfte die Angelegenheit nicht länger schleifen lassen.

    "Das ist so nicht ganz korrekt", erwiderte Menecrates, der auf der einen Seite diesen unbequemen Varenus durchaus wertschätzte, auch wenn er ihn auf der anderen Seite aus Gründen der Unparteilichkeit gegenüber dem Aufnahmekandidaten nicht unterstützte. Er selbst pflegte kaum Sympathie für Macer, trotzdem blieb er beharrlich korrekt und gerecht.

    "Der von mir besonders verehrte Divus Valerianus diente dem Reich genauso als Legat wie Purgitius Macer, sogar in derselben Einheit."

    'Verschiedene Jahre', resümierte Menecrates im Stillen, nachdem Faustus zwar nicht die konkreten Daten, aber den ungefähren Zeitraum benennen konnte. Der Claudier stand weiterhin stocksteif, nur seine Gedanken arbeiteten. Sein Blick verlor sich in der Ferne.

    Sein Empfinden stellte er allerdings nicht infrage: Die Schändung des claudischen Tempels musste eine Schwächung oder gar einen Rückzug der Götter und Geister nach sich gezogen haben, in dessen Folge Menecrates erkrankte. Einige seiner Verwandten litten ebenfalls an Krankheiten, zwei seiner Enkelkinder starben sogar. Der Blick des Familienoberhauptes, des Großvaters verdunkelte sich und sein Mund wurde zum Strich.

    Schon immer galt Menecrates als konservativ, vielleicht sogar als der Konservativste der gesamten Stadt. Lockte dies die Christen auf den Plan? Oder stellte die Schändung eine Retourkutsche für die von ihm geführte Ermittlungskommission zum Sklavenaufstand und die damit in Zusammenhang stehenden Hinrichtungen von Christen dar? Eine weitere Erklärung mochte auch seine Initiative beim Bau der ersten Station in der Subura sein, die einigen Kriminellen die Geschäfte verdarb - möglicherweise christlichen Kriminellen.

    Welcher Grund auch immer zutraf, Menecrates hatte sich fokussiert und niemand würde ihn von seiner Erkenntnis abbringen können.


    "Eins nach dem anderen", murmelte er. "Heute besänftige ich die Götter und Geister, morgen übergebe ich die Votivgaben. Ab übermorgen, bei den Göttern…" Er schnaufte wie ein Pferd und schritt mit größeren Bewegungen als bisher voraus. Seine Begleiter folgten ihm.

    Als er vor dem Tempel eintraf, beruhigte sich sein Blut. Er holte mehrmals tief Luft und ließ den Atem bewusst langsam hinausgleiten. Nichts zählte mehr außer ihm und den Göttern wie Geistern. Er musste sie besänftigen und wieder zum Schutz seiner Familie gewinnen. Sie stellten seinen Halt dar und darauf musste er sich verlassen können.

    Ein letztes langes Ausatmen, dann schlüpfte er aus den Calceus senatorius und trat ein.

    Es war Gewissheit, die ihn durchströmte und seine Schritte langsamer werden ließ. Gleich einer wohligen Welle durchflutete Erkenntnis, Wissen und schließlich Gewissheit seinen Körper. Während er den näher rückenden Tempel seiner Ahnen anstarrte, stockte er und hielt schließlich an. Seine Begleiter - nicht gefasst auf den überraschenden Halt - traten vor und neben ihn, was unvermeidlich war, wollten sie ihren Herrn und Patron nicht von hinten rammen.

    Während Menecrates die Tempelmauern anstarrte, lag ihr Blick fragend auf dem Claudier. Alle schwiegen aus Respekt oder Unsicherheit. Nur eine junge Sklavin - recht unbedarft, aber mitfühlend - wisperte: "Dominus?"


    "Fastus!?"

    Sein Sekretär stand wie immer an seiner Seite. Die Stimme des Claudiers krächzte, als er fortfuhr. "Wann genau wurde unser Tempel entweiht? Und wann musste ich den Dienst in der Praefectura Urbis niederlegen?"