Menecrates konnte sich nicht erinnern, wann jemals im Senat etwas vorfiel, was zum Schmunzeln anregte. Als jedoch der Jungsenator nach vorn trat und jeder Schritt mit einem Quietschen einherging, musste der Claudier schmunzeln. Es gab dafür keinen plausiblen Grund, es erheiterte ihn auf unerklärliche Weise. Insofern war er offen zugetan, als Annaeus seine Rede begann. Dessen Auftreten und Wortwahl gefiel Menecrates. Er hatte hier schon ganz andere Auftritte erlebt.
'Die Lex Germanica Servitium also', dachte er und wurde aufmerksam. Sklaven gehörten untrennbar zu seinem Leben und zuweilen ließ er auch einzelne frei.
Ab dem Hinweis auf den strittigen Punkt, lehnte er sich etwas nach vorn. Erst als die Erklärung folgte, verstand er und lehnte sich wieder zurück.
Bei den ersten Argumenten für den Gesetzesvorschlag nickte Menecrates verhalten. Er besaß genug Einblicke in die Militärpraxis und konnte bestätigen, dass Liberti in den Hilfseinheiten dienten und anschließend das Bürgerrecht erhalten konnten. Er fand diese Vorgehensweise weitgehend normal.
Für den Rest des Vortrages machte er sich Notizen. Sein Redebeitrag setzte bei der Einführung an, zu der einen sofortigen Standpunkt vertreten konnte. So erhob er sich auch, nachdem ihm das Wort erteilt wurde.
"Das war ein geballter Vortrag und ebensolcher Vorstoß, auf den ich punktweise eingehen möchte. Ich gebe dem aufmerksamen Jungsenator Annaeus absolut Recht: Dieses Gesetz spiegelt nicht die langjährig übliche Praxis wider." Da lag also schon sehr lange etwas schräg, ohne dass es bisher aufgegriffen wurde. Solche Diskrepanzen fielen schneller neuen Senatoren auf.
"Die Handhabung, einen verdienten Libertus das Bürgerrecht zu verleihen, erhält meine Zustimmung, nunmehr auch im Gesetz festgeschrieben zu werden. Ich unterstütze diesen Vorstoß sogar durch eigene Argumente." Er streckte die flache Hand vor und fragte: "Ihr erinnert euch doch sicherlich alle noch an den Sklavenaufstand. Die Ermittlungskommission ist zu der Ansicht gelangt, dass eine große Unzufriedenheit unter den Rechtlosen und Ärmsten grassiert. Es fehlt ihnen an vielem, auch an Perspektive. Vielleicht können wir mit der Gesetzesänderung ein Zeichen setzen. Alleine die Möglichkeit auf ein besseres Leben nährt Hoffnung und Hoffnung ist die stärkste Triebfeder, das wissen wir alle. Schon damals, beim Bau der Station, sind etliche Bewohner von den Vigiles rekrutiert worden. Es könnte ein Mosaiksteinchen sein auf dem langen Weg, die Subura zu entkriminalisieren."
Hätte Annaeus an dieser Stelle seine Ausführungen geschlossen, stünde Menecrates vollständig hinter ihm. Es folgte jedoch das Thema Adoption, was im Grunde nahelag, zu dem der Claudier aber einen sehr festgefahrenen Standpunkt vertrat.
"Tjaaa, und nun zu Teil zwei. Formell fehlt mir in deinem Vorschlag die Erwähnung von 'Dienstzeit in den Alae und Auxiliae'. Das aber nur nebenbei, inhaltlich wird es schwieriger." Er rang zum einen mit Entschlüssen und zum anderen mit Formulierungen für seinen Wortbeitrag. Am liebsten würde er sich wieder setzen und weitere Zeit mit nachdenken verstreichen lassen.
"Der folgende Teil deines Vorschlags findet meine Zustimmung: 'Ein Libertus kann durch Ableisten einer kompletten Dienstzeit in der Classis, den Alae und Auxiliae sowie bei den Vigiles römischer Bürger werden.' Logischerweise kann er danach auch adoptiert werden, wer auch immer einen solchen Mann adoptieren möchte.
Wer mich kennt, weiß, dass ich ausschließlich standesgemäßen Vermählungen zustimme und ich würde auch nur standesgemäß adoptieren. Standesgemäßes Verhalten per Gesetzt zu erzwingen, ist in meinen Augen allerdings nichts wert. Ein Mann hat Prinzipien oder er hat sie eben nicht. Die einen nennen es Dünkel, für mich ist es eine selbst auferlegte Tradition.
Abgesehen von dieser Hürde, die möglicherweise nur mir im Weg steht, hat ein Mann nach geleisteter Dienstzeit seine Treue zu Rom bewiesen. Ein zur Adoption anstehender Libertus ist für Außenstehende ein nicht zu kalkulierender Unsicherheitsfaktor in einem ohnehin unsicheren Rom und ich habe Zweifel, ob Römer einen solchen Römer gleichberechtigt in ihrer Mitte sehen wollen." Er schwieg und dachte kurz nach.
"Ich höre mir aber zunächst gern Vorschläge an, wie ein Libertus das Vertrauen der Allgemeinheit und nicht nur von seinem Herrn gewinnen kann. Ich weiß nicht, ob eine Ableistung von sozialer Arbeit mit abschließender Beurteilung
mich zufriedenstellen könnte, aber darüber nachzudenken und zu diskutieren, halte ich nicht für verkehrt."