Beiträge von Herius Claudius Menecrates

    Der Abrede folgte dann ein Hinweis und zwar ein äußerst positiver. Eine Truppenaufstockung würde den neuerlichen Vorstoß, die Subura in ein weniger kriminelles und aufrührerisches Pflaster zu verwandeln, erheblich erleichtern.

    "Das sind gute Neuigkeiten!" Ob es sich um eine gerecht aufgeteilte Aufstockung für die angesprochenen Einheiten handelte, würde der Claudier bei seinem Tribun erfragen. Hier plante er zunächst einen eigenen Vorstoß.

    "Mehr externe Stationen, mehr Sicherheit; und bei der ersten Station gibt es erhebliche Bauschäden. Darf ich davon ausgehen, dass ebenfalls Gelder für Bausubstanz zur Verfügung gestellt werden?" Und weil er im Grunde ganz sicher davon ausging, fügte er an: "In welchem Maße?" Ob nun innerhalb oder außerhalb der Castra, irgendwo mussten Unterkünfte herkommen.


    "Davon abgesehen ist alles klar." Noch hatte er keine Vorstellung, wie viel Spielraum ihm der Kaiser in Bezug auf die Finanzierung gab und obwohl die Staatskasse ganz sicher nicht überquoll, musste nach Schritt A, einer Aufstockung, zwangsläufig Schritt B, die Unterbringung und Versorgung der Aufstockung folgen.

    Stabsbesprechung im Kleinen - PU und Tribun Petronius

    Menecrates ging voran. Er suchte sich einen Platz mit Rücken zur Wand und freiem Blick zur Tür, dort ließ er sich nieder. Sitzen gehörte nicht zu seinen Stärken, da er aber bereits seit Stunden auf den Beinen war, empfand er den unbequemen Stuhl als willkommene Abwechslung. Der Optio stellte die Amphore auf den Tisch, Becher standen bereit. Dann schloss er hinter Petronius die Tür. Ein einfacher Soldat - besser geübt im Schreiben als im Schwingen von Waffen - stand bereit. Ihm oblag die Protokollführung und die gelegentliche Bewirtung der jeweiligen Gesprächsrunde.


    "Nimmst du auch eine Erfrischung, Tribun?", fragte Menecrates und wies anschließend auf einen der Stühle. "Ich schätze, es gibt viel zu berichten. Der Kaiser deutet so etwas an. Es gab einen Conventus zur Kriminalitätsbekämpfung?"

    Der Centurio kam direkt von einer Patrullie, die außerplanmäßig aufgehalten worden war. Nichts aufwendiges. Ein Gezänk um angeblich schadhafte Ware auf dem Boarium, das dann etwas arg ausgeartet war. Maro war immer wieder überrascht, wie schnell sich eigentlich banale Meinungsverscheidenheiten in Massenschlägereien entwickeln konnten.

    Selbst wenn die Leute, wie in diesem Fall keine hartgesottenen Schlägertypen waren. Jendefalls hatte es ein bisschen gedauert, bis er dem Befehl des neuen alten Praefectus Urbi hatte folgen können. Trotzdem kam Maro schließlich zu der Tür des Officium und bekam vor dem Anklopfen gerade noch mit, wie der Prafect anregte, in einen anderen Raum umzuziehen.

    So beschloss der Centurio, vor der Tür Haltung anzunehemn und zu warten, bis die anderen hinaus kamen.

    Im Moment, als Menecrates mit Petronius das Vorzimmer verließ, um dem Besprechungsraum zuzustreben, befand er sich gedanklich noch bei der Frage der Anrede seines Tribuns und Klienten. Den Centurio registrierte er im Augenwinkel. Eine Stabsbesprechung besaß allerdings Vorrang vor dem Anliegen eines Offiziers, daher schritt der Praefectus Urbi unbeirrt weiter. Sein Vorzimmeroptio folgte mit einer Amphore Quellwasser.

    Auf dem Rückweg sprach der Optio Maro an.

    "Salve Centurio! Was kann ich für dich tun?" Der Weg zum Kommandant führte stets über diesen Optio, insofern stellte es kein Problem dar, dass der Praefectus Urbi für absehbare Zeit in einer Besprechung sitzen würde. Viele Anliegen mussten vorbereitet werden, einige gelangten nur per Schriftform und nicht persönlich beim Präfekten.

    Die ersten Stunden im neuen, alten Officium gestalteten sich turbulent. So wie er, kam auch der Vorzimmeroptio kaum zum Aufatmen. Die Unruhe zog sich durch den gesamten Vormittag, sodass Menecrates beschloss, die anstehende Besprechung in einen separaten Raum zu legen. Als Crispus eintraf und salutierte, klärte sich auch die Frage nach dem Umgang miteinander. Das Klientelverhältnis bestand, aber es nahm keinen Einfluss auf ihren Umgang in der Castra. Crispus agierte tadellos und der Claudier atmete erleichtert auf. Ihm lag noch in Erinnerung, dass nicht jeder der Urbaner-Offiziere während seiner Laufbahn das Grüßen gelernt hatte und Menecrates fand es früher ziemlich leidig, wiederholt darauf hinweisen zu müssen.


    Er grüßte mit einem Nicken zurück und erwiderte: "Danke Tribunus!"

    Sein Blick schweifte von Petronius zum Optio. "Ich benötige eine Amphore Quellwasser und mehrere Becher drüben." Anschließend wandte er sich wieder an Petronius.

    "Zwei Dinge, Tribunus. Zum einen möchte ich an einen ruhigeren Ort, weil wir hier fortlaufend gestört werden. Lass uns in das große Besprechungszimmer gehen. Zum anderen habe ich mich schon mehrmals fast verhaspelt und wollte dich Priscus nennen. Mein früherer Ausbilder hieß so und der Name ist mir heute noch präsent. Bevor mir wiederholt ein solcher Buchstabensalat passiert und ich dich damit vor den Kopf stoße, möchte ich ankündigen, dass ich dich - wie schon vor Jahren - Petronius nenne, ohne dass es distanziert klingen soll. Ich kenne dich seit Germanien unter diesem Namen. Wäre das für dich akzeptabel?"

    Eine erneute Amtsübernahme brachte viel Organisationsnotwendigkeit mit sich, sodass Menecrates auf den ausgebliebenen Zeitdruck erleichtert reagierte.

    "Selbstverständlich, das Thema gehört nicht auf die lange Bank geschoben", pflichtete er dem Kaiser bei. Zumindest musste er nichts überstürzen und konnte dem ersten Zusammentreffen mit dem benachbarten Praefectus eine ausgiebige Informationsgewinnung voransetzen.

    Der letzte Satz, in dem der Kaiser sein Vertrauen aussprach, die beiden Praefecti mögen in dieser Sache gut zusammenarbeiten, klang in Menecrates Ohren nach. Seit seiner Amtsübernahme erlebte er ein gutes Auskommen zwischen den beiden Einheiten, dessen Wurzeln wahrscheinlich bis in sein Consulat zurückreichten. Damals - im Zuge der Ermittlungskommission - hatte er einen guten Kontakt zu den Prätorianern hergestellt, was die Ergebnisse widerspiegelten. Möglicherweise lag das vor allem am gewachsenen Band zwischen ihm und dem Trecenarius Tiberius Verus. Mit keinem der Praefecti hatte er damals zu tun.

    Gänzlich neu waren ihm Reibungspunkte nicht. Ihr Ruf drang selbst bis Mantua, wo Menecrates als junger Soldat stationiert war. Da er sich selbst für umgänglich hielt, rechnete er vorsichtshalber damit, im beauftragten Praefectus Praetorio einen eitlen Gockel vorzufinden. Lieber Übles erwarten und anschließend positiv überrascht sein als umgedreht.


    Menecrates hatte immer wieder an den Tiberier gedacht und später würde gewiss die Erinnerung erneut aufkommen, aber im Augenblick befand er sich in einer Audienz beim Kaiser.

    "Hast du weitere Aufträge, Wünsche, Hinweise für mich?"

    Ein wenig mehr drehte sich Menecrates' Kopf in Richtung Lepidus und gespielte Entrüstung lag in seinem Blick. Er stemmte sich aus dem Korbsessel, dessen Geflecht dabei knirschte, und richtete sich gerade auf. Die Hände auf den Bauch haltend, erwiderte er: "Da ist kein Bauch." Er lachte, weil er ein ganz bisschen übertrieb. Im Grunde hatte sich Menecrates aber wirklich gut gehalten. Er verband einen nicht vorhandenen Bauchansatz mit Gesundheit und auf die achtete er.

    "Wir haben uns mehr bewegt oder einfach anders. Wer weiß, wie wir abschneiden würden, gäbe es ein Manöver für Veteranen und Dienstälteste." Er lachte erneut und setzte sich wieder hin. "Meine einzige Bewegung heutzutage ist das Laufen. Sänften mochte ich noch nie."

    Die Reaktion seines Gastes auf den Vorschlag zur Mutprobe, machte Menecrates neugierig - eine flüssige Spezialität, die kein Wein war. Verdünnt trinken verstand sich von selbst, trotzdem hob er erstaunt die Brauen, als der Hinweis auf die Folgen bei purem Genuss kam.

    "Eine Medizin?" Er gab sich die Antwort selbst. "Nein, kann nicht sein." Als Gastgeschenk eignete sich Medizin nicht, es sei denn, sie wäre etwas ganz Außergewöhnliches. Menecrates vermutete Hochprozentiges, was ihn womöglich umbringen würde, aber in Tröpfchenform könnte er es bei heftiger Erkältung einfach mal probieren.

    "Oh, nahezu nicht käuflich?" Das beeindruckte ihn und weckte gleichzeitig vermehrt Neugier über die Zusammensetzung. Andererseits blieben solcherlei Rezepte meist geheim.

    Menecrates nickt auf die Wünsche zu dauerhafter Schmerzfreiheit hin. "Danke! Für beides."


    Gern wechselte er das Thema und lauschte interessiert, als Lepidus über seine militärische Karriere sprach.

    "Was?", rief er aus. "Du hast zusammen mit unserm Kaiser gedient?" Er fasste sich schnell. "Die Legio Italica, Glückspilz! Ich glaub dir, dass der Augustus schon damals famos war, das ist er selbst heute noch. Nur das mit dem Heißsporn passt nicht in mein Bild. Aber gut, die Verantwortung als Tribun ist eine etwas andere als die eines Augustus." Er schmunzelte, wurde aber sofort wieder ernst. "Ich meine, später war er dort sogar Legat."


    "Da verbindet uns übrigens wieder etwas. Ich habe als Tribun unter Valerianus gedient. Beide, Severus und Valerianus, spätere Imperatoren." Er lächelte. "Und beide gute Männer!" Menecrates hatte fünf Kaiser erlebt, zwei - diese beiden - verehrte er, einen verachtete er und zu den anderen beiden pflegte er ein neutrales Verhältnis.

    Er kramte in seinem Gedächtnis, aber nichts wollte zum Stichwort Ochsentour passen.

    "Ähm, Ochsentour? Was meinst du? Wie und wo seid ihr wieder zusammengekommen?" Mencrates lehnte sich ein wenig vor, ohne den Blick von Lepidus zu lassen. Das Thema interessierte ihn brennend.

    "Davon einmal abgesehen, du wärst für den Senat sicherlich eine Bereicherung. Schade! So als Spätentwickler? Hättest du da Ambitionen?" Er zwinkerte. "Und was deinen Bruder betrifft, das Blatt ist weitgehend leer." Menecrates hob die Schultern. "Ich müsste mir aktuell ein Bild machen, um zu einer Meinung zu gelangen, aber immerhin. Legatus Augusti pro Praetore in Germanien… Es weckt bei mir Erinnerungen. Kennst du Annaeus Modestus?" Er hatte keinen Blick für die gereichten Häppchen, die Themen fesselten ihn.

    Menecrates sah Redebedarf, daher ergriff er nochmals das Wort. Er begann mit dem Ende von Flavius Gracchus' Rede.


    "Deine Einschätzung, Senator Flavius, dass das römische Reich am Ende ist, wenn der eigene Freigelassene adoptiert und anschließend zum Genserben eingesetzt wird, teile ich. Schlimmer kann es praktisch nicht kommen. Gleichzeitig stehen wir nicht hier, um über das Verantwortungsgefühl eines solchen Familienvaters zu debattieren, denn er hat keines und gegen diese Mangelerscheinung helfen auch keine Gesetze, sondern wir debattieren in Verantwortung für das Reich. Ich sehe da einen Unterschied. Während der Vater das Schicksal seiner Familie in die Hände eines ehemaligen Sklaven legt, böte das Reich einer überschaubaren Anzahl an potentiellen Unruhestiftern eine Perspektive und könnte sich selbst mit diesem Winkelzug ein wenig aus der Gefahr weiterer Sklavenaufstände manövrieren. Das ist eine Chance für die es kaum eine Alternative gibt."


    Obwohl sich Menecrates bereits positioniert hatte, befand er sich im Zwiespalt. Auf der einen Seite wollte er nicht von Fremden überrannt werden, sollte es doch zu einer inflationären Verleihung des Bürgerrechts kommen. Auf der anderen Seite erkannte er die Chance zur Entspannung der Lage in Rom. Vielleicht gab es die Möglichkeit, Rom gleichzeitig abzusichern.


    "Ich werfe hier einmal einen Gedanken ein, weil er mir spontan kommt, nur damit ich ihn nicht vergesse. Senator Annaeus, hast du einmal das eingeschränkte Bürgerrecht geprüft? Jenes ohne Wahlrecht? Lässt es sich ausschließlich in Eroberungsgebieten anwenden? Es böte dem Anwärter weniger Anreiz, gleichzeitig birgt es für uns ein geringeres Risiko. Ich selbst muss noch abwägen. Ich wollte zunächst meine Befürwortung für die gängige Praxis der Bürgerrechtsverleihung nach Dienstende begründen."

    Er tat es nicht aus Sorge vor einer etwaigen Senatsuntersuchung, wie Gracchus sie vorgeschlagen hatte, denn in seiner Karriere würde sich ein solcher Fall nicht finden lassen. Allerdings kannte er einen verdienten Mann, der einem Libertus das Bürgerrecht verliehen hatte. Vom Schreibtisch aus betrachtet konnte Menecrates Gracchus' Haltung sogar verstehen. Als Mann des Feldes hingegen und unter Berücksichtigung, dass nur eine überschaubare Anzahl von Freien oder Freigelassenen bisher das Bürgerrecht erhielt, stand er hinter dieser im Militär üblichen Vorgehensweise.


    "Dieses Gesetz hat den Anschluss an die Entwicklung verloren und es wird Zeit, es anzupassen. Einem Liberti nach ehrvollem Dienst das Bürgerrecht zu verleihen, verstößt nach meiner Ansicht nicht gegen traditionelle Verhaltensweisen, die unsere Götter erzürnen würden. Im Gegenteil: Wir tragen der gesellschaftlichen Entwicklung Roms Rechnung und ziehen einen gewissen Prozentsatz potentieller Mitläufer bei Aufständen wie zuletzt dem der Sklaven ab. Neben Sklaven sollen insbesondere Christen beteiligt gewesen sein und vor beiden müssen wir Reich und Götter schützen. Dabei gewinnen alle: die Götter, der Staat, Roms Volk und auch die Unterschicht, die Freigelassenen."

    Um die Behauptung zu erläutern, fuhr er fort.


    "Wir geben den Freigelassenen eine Perspektive, weil sie sich erstmalig im Leben und vor allem aus eigener Kraft ein besseres Leben mit größeren Rechten für sich und ihre Kinder schaffen können. Genau das ist auch der Punkt", er wandte sich Annaeus zu, "weswegen ich Bürgerrechte für Liberti mittels Adoption nicht unterstützen werde. Es nützt uns nichts, wenn Freigelassene Rechte durch Zufall, Glück oder Gnade erhalten, aber es nützt der Sicherheit Roms sehr viel, wenn sie sich nicht aus Armut und Perspektivlosigkeit kriminellen Banden anschließen oder aus Frust Aufstände planen. Sie können und sollen stattdessen ein ehrbares Leben selbst in die Hand nehmen."

    Er wusste, sie rangen noch um grundsätzliche Einigkeit, trotzdem wollte er seine Überlegung teilen.

    "Alternativ zum militärischen Dienst könnte ich mir eine vergleichbar lange Leistung im Dienst der Götter oder in staatlichen Verwaltungen vorstellen. Selbstverständlich alles in den gewohnt unteren Rängen. Nicht jeder ist zum Militärdienst geeignet und außerdem", er hob sowohl Zeigefinger als auch Augenbrauen, "ich wüsste dann gern im Gesetz verankert, dass mit der Verleihung der Bürgerrechte zwangsweise die religiöse Treue zum Staat erwiesen sein muss. Mit anderen Worten: Es dürfen einzig die römischen Götter gehuldigt werden und sämtliche anderen Glaubensrichtungen sind untersagt. Wer römische Rechte erhalten will, muss den römischen Glauben annehmen."


    Menecrates blickte zu Gracchus Minor, dessen Einwände nicht von der Hand zu weisen waren. Ein guter Mann, das wusste der Claudier seit langem.

    "Die Qualität des Klientelverhältnisses würde sich bei der Verleihung von Rechten verändern müssen, zwangsläufig. Bereits in dem Moment, wo ein Freilasser einer Dienstableistung seines Klienten zustimmt, räumt er mehr als üblich Freiheiten ein. Ich denke, jeder Freilasser müsste das zukünftig bereits bei der Planung von Freilassungen bedenken, sollte es zu dieser Gesetzesänderung kommen."

    Das Grinsen wollte nicht mehr aus seinem Gesicht. Weder als die Erklärung zur Kleidung kam noch die Bemerkung 'Bude' fiel und das bei Menecrates' offensichtlicher Vorliebe für Naturstein. Selbst der vielsagende Blick auf seinen Becher und der tiefe Atemzug danach waren ihm nicht entgangen. Auch sie amüsierten ihn.

    "Ich weiß nicht, wie es dir geht. Im Herzen bin ich viel langsamer gealtert. Manchmal wundere ich mich sehr, wie viel sich am Drumherum geändert hat." Er sah auf seine Hände, berührte danach die Haare und anschließend den Bauch, wobei er stutzte.

    "Moment, manchmal ändert sich mit der Zeit auch innen was und das Draußen bleibt weitgehend erhalten." Haut und Haare konnte Menecrates nicht beeinflussen, aber ob er ins Dickliche mutierte oder auf seine Form achtete, lag in seiner Hand. Die äußere Form blieb also weitgehend unverändert, dafür vertrug er den früher geliebten Wein nicht mehr gut.

    "Jetzt sag nicht, du hast Wein mitgebracht. Einen ganz besonderen?" Alles andere ergab keinen Sinn. Menecrates besaß ausreichend Geld und galt auch nicht als geizig. "Falls ja, machen wir es so: Du probierst mein Quellwasser und ich deinen Wein. Mutprobe nannten wir sowas früher." Er lachte, bevor er nach einer Gedankenpause anfügte:

    "Ja, zweite Runde. Ich war zwischenzeitlich schwer erkrankt." Er schüttelte den Kopf bei der Erinnerung. "Schmerzen können zermürben. Entweder wirst du aggressiv oder depressiv, manchmal beides. Ohne das wäre ich sicherlich noch in der ersten Runde." Sein Lächeln war verflogen, aber er schaute freundlich. Dafür gab es auch jeden Grund.

    "Sag, was hast du die Jahre so gemacht. Ich habe lange nichts von dir gehört."


    Ein Wink signalisierte dem Sklaven, für ein wenig Knabbereien zu sorgen.

    Menecrates konnte sich nicht erinnern, wann jemals im Senat etwas vorfiel, was zum Schmunzeln anregte. Als jedoch der Jungsenator nach vorn trat und jeder Schritt mit einem Quietschen einherging, musste der Claudier schmunzeln. Es gab dafür keinen plausiblen Grund, es erheiterte ihn auf unerklärliche Weise. Insofern war er offen zugetan, als Annaeus seine Rede begann. Dessen Auftreten und Wortwahl gefiel Menecrates. Er hatte hier schon ganz andere Auftritte erlebt.

    'Die Lex Germanica Servitium also', dachte er und wurde aufmerksam. Sklaven gehörten untrennbar zu seinem Leben und zuweilen ließ er auch einzelne frei.


    Ab dem Hinweis auf den strittigen Punkt, lehnte er sich etwas nach vorn. Erst als die Erklärung folgte, verstand er und lehnte sich wieder zurück.

    Bei den ersten Argumenten für den Gesetzesvorschlag nickte Menecrates verhalten. Er besaß genug Einblicke in die Militärpraxis und konnte bestätigen, dass Liberti in den Hilfseinheiten dienten und anschließend das Bürgerrecht erhalten konnten. Er fand diese Vorgehensweise weitgehend normal.

    Für den Rest des Vortrages machte er sich Notizen. Sein Redebeitrag setzte bei der Einführung an, zu der einen sofortigen Standpunkt vertreten konnte. So erhob er sich auch, nachdem ihm das Wort erteilt wurde.


    "Das war ein geballter Vortrag und ebensolcher Vorstoß, auf den ich punktweise eingehen möchte. Ich gebe dem aufmerksamen Jungsenator Annaeus absolut Recht: Dieses Gesetz spiegelt nicht die langjährig übliche Praxis wider." Da lag also schon sehr lange etwas schräg, ohne dass es bisher aufgegriffen wurde. Solche Diskrepanzen fielen schneller neuen Senatoren auf.

    "Die Handhabung, einen verdienten Libertus das Bürgerrecht zu verleihen, erhält meine Zustimmung, nunmehr auch im Gesetz festgeschrieben zu werden. Ich unterstütze diesen Vorstoß sogar durch eigene Argumente." Er streckte die flache Hand vor und fragte: "Ihr erinnert euch doch sicherlich alle noch an den Sklavenaufstand. Die Ermittlungskommission ist zu der Ansicht gelangt, dass eine große Unzufriedenheit unter den Rechtlosen und Ärmsten grassiert. Es fehlt ihnen an vielem, auch an Perspektive. Vielleicht können wir mit der Gesetzesänderung ein Zeichen setzen. Alleine die Möglichkeit auf ein besseres Leben nährt Hoffnung und Hoffnung ist die stärkste Triebfeder, das wissen wir alle. Schon damals, beim Bau der Station, sind etliche Bewohner von den Vigiles rekrutiert worden. Es könnte ein Mosaiksteinchen sein auf dem langen Weg, die Subura zu entkriminalisieren."


    Hätte Annaeus an dieser Stelle seine Ausführungen geschlossen, stünde Menecrates vollständig hinter ihm. Es folgte jedoch das Thema Adoption, was im Grunde nahelag, zu dem der Claudier aber einen sehr festgefahrenen Standpunkt vertrat.

    "Tjaaa, und nun zu Teil zwei. Formell fehlt mir in deinem Vorschlag die Erwähnung von 'Dienstzeit in den Alae und Auxiliae'. Das aber nur nebenbei, inhaltlich wird es schwieriger." Er rang zum einen mit Entschlüssen und zum anderen mit Formulierungen für seinen Wortbeitrag. Am liebsten würde er sich wieder setzen und weitere Zeit mit nachdenken verstreichen lassen.

    "Der folgende Teil deines Vorschlags findet meine Zustimmung: 'Ein Libertus kann durch Ableisten einer kompletten Dienstzeit in der Classis, den Alae und Auxiliae sowie bei den Vigiles römischer Bürger werden.' Logischerweise kann er danach auch adoptiert werden, wer auch immer einen solchen Mann adoptieren möchte.

    Wer mich kennt, weiß, dass ich ausschließlich standesgemäßen Vermählungen zustimme und ich würde auch nur standesgemäß adoptieren. Standesgemäßes Verhalten per Gesetzt zu erzwingen, ist in meinen Augen allerdings nichts wert. Ein Mann hat Prinzipien oder er hat sie eben nicht. Die einen nennen es Dünkel, für mich ist es eine selbst auferlegte Tradition.

    Abgesehen von dieser Hürde, die möglicherweise nur mir im Weg steht, hat ein Mann nach geleisteter Dienstzeit seine Treue zu Rom bewiesen. Ein zur Adoption anstehender Libertus ist für Außenstehende ein nicht zu kalkulierender Unsicherheitsfaktor in einem ohnehin unsicheren Rom und ich habe Zweifel, ob Römer einen solchen Römer gleichberechtigt in ihrer Mitte sehen wollen." Er schwieg und dachte kurz nach.


    "Ich höre mir aber zunächst gern Vorschläge an, wie ein Libertus das Vertrauen der Allgemeinheit und nicht nur von seinem Herrn gewinnen kann. Ich weiß nicht, ob eine Ableistung von sozialer Arbeit mit abschließender Beurteilung

    mich zufriedenstellen könnte, aber darüber nachzudenken und zu diskutieren, halte ich nicht für verkehrt."

    Um ganz sicherzugehen, wollte Menecrates auch noch an Iuppiter Dapalis opfern - dem Iuppiter, der für das Heim zuständig war. Er musste unbedingt einen sicheren Raum um sich schaffen, um unversehrt zu bleiben und seine Familie zu schützen. Die Villa war sein Rückzugsort. Hier regenerierte er sich.

    Mit gleicher Inbrunst wie vorhin wiederholte Menecrates die Gebete und Bitten. Dabei spendete er wieder Wein und Weihrauch. Die Worte waren immer die gleichen, ob hier im Tempel, am Hausaltar oder in irgendeinem stillen Gebet. Eine besondere Bitte fügte er dieses Mal an:

    "Iuppiter Dapalis, bitte gib mir ein Zeichen und lass mich wissen, wenn ich dir eine besondere Freude bereiten kann. Mir ist nichts so teuer wie das Heil meiner Familie. Ich gebe alles darum. Ich selbst möchte auch unversehrt bleiben, damit ich mich um meine Familie kümmern kann. Gewähre und erhalte uns bitte diesen Ruheort, an dem wir Sicherheit finden."

    Ein letztes Mal rieselten Opfergaben in den Foculus. Menecrates wartete, bis der sich entwickelnde Rauch aufgestiegen war, dann löste er sich vom Altar. Um eine Spur zuversichtlicher als er den Tempel betreten hatte, verließ er ihn.


    Auf dem Vorplatz erwarteten ihn seine Begleiter. Sie hatten offensichtlich mit der Reinigung des Widders gewartet, weil die Länge der unblutigen Opferung schwer abzuschätzen war. Der Widder erhielt die Mola Salsa Reinigung, den Wein über den Kopf und spürte das Messer entlang seines Rückens. Die eigentliche Opferung, die Organschau und das anschließende Verbrennen großer Teile, um sich besonders gut mit Iuppiter zu stellen, verfolgte Menecrates auf das Genaueste, auch wenn er die Vorgänge schon unzählige Male miterlebt hatte. Er hoffte, einen Schritt in Richtung Besserung für seine Familie getan zu haben.


    Langsam löste sich die Menschenansammlung auf und machte sich auf den Heimweg. Irgendwann trennten sich ihre Wege. Freunde und Klienten strebten dem eigenen Heim zu, während Menecrates und seine Familie in die Villa Claudia zurückkehrten.

    Es grenzte an einen Zufall, dass Menecrates sich just in diesem Moment im Atrium aufhielt. Er wollte die Akten im Arbeitszimmer vergessen und saß bei einem Becher Quellwasser. Als der Sklave mit dem Gast eintrat, musterte er den Mann. Ihm kam vieles bekannt vor, aber erst als der Name fiel, stellte sich Erleuchtung ein. Er stemmte sich aus dem Sessel und ging auf Lepidus zu. Er konnte nicht anders, er musste lachen. "Wenn du denkst, ich kann weniger gute Komplimente machen, dann irrst du dich! Wer, bei den Göttern, hat dich eingekleidet?" Außerdem wirkte der Freund aus Jugendtagen wie ein Mundschenk mit der Amphore in der Hand.

    "Komm her, lass dich umarmen!" Menecrates streckte die Arme aus, klopfte zunächst auf Lepidus' Schulter und anschließend packte er sie und schüttelte kurz. Viel bewegen konnte er dabei nicht, denn vor ihm stand ein gestandener Mann, wenn auch einer ins Alter gekommener. Immerhin, die Emotionen konnten raus. Das war mal einer dieser schönen und zugleich überraschenden Momente.

    "Wollen wir uns setzen?" Zuweilen lief Menecrates gern, aber er würde sich ganz nach seinem Gast richten.

    Der erste Schritt nach der Audienz beim Kaiser führte Mencrates in die Castra und nicht in die Praefectura Urbis. Er verschaffte sich einen Überblick, um in Erfahrung zu bringen, ob und was sich während seiner Abwesenheit geändert hatte. Er ließ sich kurzfristig Berichte fertigen und studierte sie.

    Im zweiten Schritt wollte er sich mit Petronius zusammensetzen, um dem Auftrag des Kaisers nachkommen zu können, der einen Marschplan in Sachen Kriminalitätseindämmung im allseits berüchtigten Viertel von ihm und dem Praefectus Praetorio, der am Treffen teilnahm, erwartete. Zunächst musste sich Menecrates aber über die Einzelheiten des Conventus informieren, an dem Petronius ebenfalls teilgenommen hatte. Da sein Officium unweit von dem Petronius‘ in der Principia lag, schickte er seinen Vorzimmersriba, um den Tribun zu sich kommen zu lassen - ob nun sofort oder wenig später, spielte dabei eine untergeordnete Rolle.

    Zitat

    Ich danke dir für diese Worte. Sie bedeuten mir viel. Ich würde mich sehr freuen, wenn du nach dem Opfer mein Gast sein würdest.


    antwortete mit einem Nicken, bevor er es für wichtig hielt, noch etwas zu äußern. "Ich erachte es als ausgesprochen wichtig, die Götter zu huldigen. Sie spielen eine Schlüsselrolle und sind wir nachlässig, trifft ihr Zorn das Reich." Das stellte eine Zusage dar und gleichzeitig verdeutlichte Menecrates seine Position im Hinblick auf den Glauben.

    Wahrscheinlich würden sie sich über dieses Thema interessant austauschen können, nur wollte Menecrates die Veranstaltung nicht aufhalten. Für einen Austausch blieb immer noch Zeit und Gelegenheit.