Valeria betrat den Tempel. Im Schlepptau hatte sie Weihrauch, Obst, Wein und einen Opferkuchen. Sie drapierte die Gaben an die Göttin der Weisheit auf dem Altar, entzündete den Weihrauch jedoch noch nicht, sondern ging zu einem kleinen Tisch an der Seite und nahm die bereitstehende Schüssel mit Wasser und Seifenkraut an sich. Darin befand sich auch ein Schwamm. Valeria trat zur Statue der Minerva und begann, sie langsam und gründlich zu reinigen. Anschließend brachte sie die Waschschüssel wieder fort und kam nun mit einem gut riechenden Öl wieder, um die Statue damit einzureiben. Gleichmäßig und bedächtig waren ihre Bewegungen. Ein oder zwei Bürger sahen ihr zu, doch Valeria war so in Gedanken, dass sie sie nicht einmal bemerkte. Sie wusste nicht, ob jemand der Minerva schon geopfert hatte als Dank, dass sie die Schutzgöttin des Biildungscollegiums darstellte, daher gab sie sich besonders viel Mühe. Schließlich war sie fertig mit der Statue und entzündete den Weihrauch, der langsam und knisternd im Foculus verbrannte. Valeria kniete nieder, zog ihre Tunika über den Kopf und hob die Arme mit gesenktem Kopf gen Himmel.
"O Minerva, die du über diejenigen wachst, die der Bildung angetan sind! Du Göttin der Weisheit! Mögest du mit deiner Gerechtigkeit und Weisheit über die kleine Gruppe Menschen wachen, die den Bürgern dieser Stadt, ja dieser gesamten Provinz, etwas mehr Bildung bereitstellen möchte. Wache über die Tätigkeiten des Collegiums und schenke seinen Mitgliedern die Kraft, nach deinem Willen und zum Besten der Bürger Hispanias zu handeln. Gib ihnen die Weisheit, den Bildungsstand jedes einzelnen zu erweitern und ihr Urteilsvermögen zu schärfen! Du, o große Göttin der Weisheit, bist der Pol, aus der wir die Kraft schöpfen, große Dinge für die Bildung der Menschen zu bewerkstelligen. Sei uns gnädig, Herrin des Wissens, und wache über uns!"
Nach einer Weile erhob sich Valeria und zog die Tunika vom Kopf. Der Weihrauch war noch nicht ganz verbrannt. Sie trat an die Statue der Minerva und küsste sie. Ehrfürchtig verharrte sie noch einen Moment so, ihren eigenen Gedanken nachhängend.
Dass inzwischen noch ein paar mehr Menschen den Weg in den Tempel gefunden hatten, fiel ihr erst jetzt auf - und es freute sie.