Beiträge von Decima Valeria

    Valeria nahm bei seinen Worten die Hand von seiner Haut. Er sah irgendwie...verägert aus und sie wusste nicht, wem oder was diese Verärgerung galt. Sie legte die Hand vor ihr Gesicht und stützte sich in der gleichen Bewegung den Kopf mit einem Arm. Leicht verwirrt sah sie ihn an, wie er nach einem Hinweis auf das Vergangene durchs Zimmer sah. Dann erklärte er ihr in äußerst sachlichen Worten, dass er keine Ahnung mehr hatte von allem, was geschehen war.


    Valeria sah ihn sicherlich drei Herzschläge lang einfach nur ungläubig an. Den Ausritt hatte er vergessen? Wie er sie gerettet hatte? Den flüchtigen Kuss? Wie sie sich hierher geschleppt hatten? Und...und das in der Nacht? Ihre Mundwinkel zogen leicht nach unten, sie sah rasch weg und presste die Lippen aufeinander. Doch einen Moment später hatte sie sich wieder unter Kontrolle, zumindest nach außen hin, denn das hatte sie gelernt.


    Sie lächelte matt und öffnete die Hand, die den Kopf nicht stützte. Wenn er wollte, würde sie ihn festhalten und beruhigen. Tonlos sagte sie dann:
    "Wir sind ausgeritten. Du wolltest mir die Umgebung zeigen. Irgendwann waren wir bei Aurelius und Mummia. Und dann wollten wir zurück...aber Alfidia hat vor einer Schlange gescheut und ist durchgegangen. Ich...konnte sie nicht halten. Du hast versucht, mir zu helfen und bist dabei selbst gestürzt. Ich glaube, du hast dir den Arm gebrochen. Naja...du konntest nicht mehr reiten und bis zurück nach Tarraco war es zu weit. Ich habe dich zu Mummia gebracht...und da sind wir auch jetzt noch..."


    "Und....du erinnerst dich an gar nichts mehr?" hakte sie einen Moment später enttäuscht nach.

    Valeria sah, wie er durch das Zimmer blickte und es nicht zu erkennen schien. Sie schmunzelte ungläubig und antwortete ihm dann, noch immer neben ihm liegend. Doch eine Hand hatte sie nun gelöst und wanderte damit wie ein Spaziergänger spielerisch von seiner Hand zu seiner Schulter empor.


    "Ja, habe ich. Und ich habe wunderschön geträumt. Ich glaube fast, so gut habe ich noch nie geschlafen", sagte sie leise. Sie sah ihn eine ganze Weile aufmerksam an. Er sah nicht so aus, als wisse er, wovon sie sprach, geschweige denn, wo er war oder warum er hier wr. Dazu wirkte er zu verwirrt.


    "Schmerzt dein Arm sehr? Erinnerst du dich? An gestern und....und an das alles?" fragte sie ihn leicht lächelnd. In Gedanken fügte sie 'und besonders an das, was zwischen uns war' hinzu. Beinahe konnte man es in ihren Augen erkennen, weswegen sie sich rasch für wenige Augenblicke schloss.
    Ihre Hand war derweil an ihrem Ziel, seiner Schulter, angekommen, und strich leicht wieder zu seiner Hand zurück, wo sie liegen blieb. Valeria konnte kaum atmen, so sehr schnürten ihr ihre Gefühle die Kehle zu.
    Doch sie hielt sich wacker, öffnete sogar wieder die Augen und sah ihm in die seinen, die wunderschön waren, wie sie fand.

    Die Decke war heruntergerutscht, als Maximian sich bewegt hatte. Valeria jedoch bemerkte weder dies, noch die frühe Sonne, die ihre Strahlen durch das Fenster warf, und schlief weiter - zumindest bis zu dem Punkt, wo Maximian den Kopf hob, sich umsah und ihn dann wieder sinken ließ. Die Kissen raschelten und er lag nun auf wenigen Strähnen des goldenen Haares, das Valeria besaß. Es ziepte leicht. Sie öffnete die Augen und sah Maximians Hand vor sich. Sie lag noch immer in seinem Arm. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Züge. Sie lauschte seinem gleichmäßigen Atem noch eine Weile, ehe sie sich herumdrehte, ohne jedoch die Stelle zu wechseln.


    In Maximians gesundem Arm liegend, doch nun zu ihm gewandt, sah sie ihn liebevoll an. Ihr Kopf war auf ihren Händen gebettet und ihre Augen strahlten regelrecht.


    "Guten Morgen", sagte sie leise und sanft, als sie ihn ansah.
    "Hast du gut geschlafen?"


    War es wirklich ein Traum gewesen? Oder gar Wirklichkeit? Valeria lächelte leicht in sich hinein.
    Nun, sie würde es vielleicht bald wissen.

    Valeria, die eh schon einen leichten Schlaf hatte, war, obwohl sie so müde war, in dieser Nacht noch unruhiger als sonst auch. Vielleicht lag es an ihrem Unterbewusstsein - und daran, dass Maximian neben ihr lag.
    Jedenfalls öffnete sie schlagartig die Augen, als sie etwas vernahm. Was, konnte sie nicht sagen, aber hatte Maximian nicht eben etwas gesagt? Sie schloss die Augen wieder, wollte wieder einschlafen. Maximian schlief sicher. Sie hatte geträumt.


    Doch da regte der, mit dem sie das Bett teilte, sich im Schlaf. er drehte sich auf die Seite, kam ihr näher. Valerias Augen wurden groß und sofort begann ihr Herz wie wild zu pochen. Und dann spürte sie, wie etwas sie berührte. Ihre Haare. War er wach? Valeria atmete ruhig weiter, obwohl sie aufgeregt war. Es raschelte hinter ihr. Maximian beugte sich vor, doch das konnte sie nicht sehen.


    Ein vorsichtiges Streicheln und ein winziger Kuss ließen eine Gänsehaut über Valerias Körper huschen. Sie schloss die Augen. Ihr Herzschlag beruhigte sich wieder. Es musste ein Traum sein. Ein Traum, ja.....


    Mit einem glücklichen Lächeln auf den Zügen schlief auch Valeria bald wieder ein.

    Valeria sah ihn überrascht an. Das hatte sie nun nicht erwartet. Eher, dass er langsam wegdämmern würde, aber das.... Valerias Herz setzte schlagartig wieder ein, hatte es doch eben mit ihr zusammen den Atem angehalten bei Maximians Worten. Nun pochte es schnell und überglücklich. Sanft drückte sie seine Hand noch einmal, ehe sie diese losließ und seitlich vom Bett rutschte. Am Fußende des Bettes lag eine Wolldecke parat, die Valeria an sich nahm und vorsichtig über Maximian ausbreitete. Sie stand noch wenige Herzschläge lang vor dem Bett und sah verliebt auf Maximian herunter, dessen Augen geschlossen waren. Dann zog sie die Sandalen aus, löschte die Kerze und rutschte neben ihn unter die Decke. Einige Zeit lag sie noch wach und eine Handbreit neben ihm, dann seufzte sie und legte ihren Kopf neben den seinen. Ihre Hand fand den Weg zu seiner und umschloss sie zärtlich.
    Valeria war glücklich.
    Und ebenso glücklich schlief sie neben Maximian auf der Seite liegend ein.

    Valeria war ihm ganz nahe, ihr Gesicht berührte fast das seine, als sie sprach. Ihre Stimme war leise, ein Flüstern, das eher einem Windhauch glich als gesprochenen Worten. Und doch waren sie eindeutig zu vernehmen, als Valeria mit ihnen die Stimmung zerstörte.


    "...ich..........danke.." murmelte sie und sah seitlich auf die Laken hinab. Sie war töricht gewesen. Wie konnte sie erwarten, dass er sie so plötzlich liebte? Sie kannten sich nich einmal zwei Tage. Auf ihrem Gesicht lag ein bedrückter Ausdruck. Vielleicht würde sie noch die Kraft aufbringen, es ihm zu sagen. Irgendwann. Und vielleicht würde er diese Gefühle erwidern.


    Sie seufzte leise, strich ihm noch einmal über die Wange und hielt seine Hand in der ihren, um ihn wissen zu lassen, dass sie für ihn da war und ihn nicht allein lassen würde. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Züge, als sie auf ihn sah, sah, wie ermattet er dalag.


    "Schlaf jetzt", sagte sie leise und drückte seine Hand. Sie würde sich neben ihn legen, so wie sie war. Sie wollte nicht, dass es zu verfängliche Situationen kam. Valeria würde noch warten, bis er eingeschlafen war.

    Valeria runzelte die Stirn, als Maximian scheinbar etwas sagen wollte, doch es nicht tat. Einhändig nahm sie den Krug vom Schränkchen neben dem Bett und füllte einen kleineren Krug damit. Nun brauchte sie doch noch die zweite Hand, nämlich um Maximians Kopf zu stützen, während er trank. Sie lächelte ihm zu und stellte den Becher weg, als er genug hatte und sich zurücklehnte.
    Sanft strich sie über seine Wange, sein Kinn, seine Brust. Er musste es mitbekommen, denn er war ja nun wach. Valeria seufzte sehr leise. Auch, wenn es eine unschöne Situation in Hisicht auf Maximians Verletzung war, so war es doch eine wundervolle Situation in diesem Moment. Am liebsten hätte Valeria sich an Maximian herangekuschelt und wäre bei ihm eingeschlafen. Sie fühlte sich selbst ausgelaugt und müde, war nach außen hin jedoch stark.
    Ob er verstanden hatte, was sie gesagt hatte? Sie hätte ihm noch so vieles sagen können, nun, im Moment des schummrigen Kerzenlichtes und der Behaglichkeit. Es war still in dem kleinen Raum; und es war auch still zwischen Valeria und Maximian.
    Solange, bis sie die Stille brach.


    "Maximian....ich..." begann sie und ihre Augen schienen wie Diamanten zu funkeln. Doch sie verstummte; und erneut breitete sich Stille zwischen ihnen aus, obwohl Valeria nicht sehr fern von Maximians Gesicht war.

    Valeria ließ Mummias Redeschwall über sich ergehen und begann einfach, ihn langsam zu entkleiden. Schließlich hatte er noch seine verdreckte, zerissene Tunika an und die Sklavin hatte eine frische ans Fußende des Bettes gelegt. Mummia redete noch eine Weile weiter. Valeria filterte die wichtigsten Dinge heraus wie: '...bis morgen bleiben und dann weitersehen..' oder '...gut um ihn gekümmert...'
    Das wichtigste jedoch war der folgende Satz, von dem Valeria nur den letzten Teil bewusst wahrnahm: '....ich dich mit deinem Gemahl mal allein, damit du dich um ihn kümmern kannst. Wenn du noch etwas brauchst, sag einfach Bescheid.'
    Und dann verschwand Mummia auch schon und ließ Valeria allein mit dem halb-bewusstlosen, beinahe nackten Maximian. Sie sah ihr noch entgeistert hinterher, wie sie die Tür schloss. Gemahl? Valeria lächelte verwundert vor sich hin, bis ein leises Stöhnen sie aus diesem wunderbaren Traum riss.


    Sie sah zu Maximian, dessen Hand Halt suchend über das Laken tastete, Valeria lächelte und setzte sich zu ihm auf das Bett.


    "Ich bin da, keine Angst. Ich lasse dich nicht allein", sagte Valeria sanft und reichte ihm die Hand, die sie sofort zu streicheln begann. Mit der anderen Hand nahm sie ein Tuch von dem kleinen Schrank neben dem Bett und tauchte es in das angenehm warme Wasser. Sie wrang es aus und tupfte Maximian über Gesicht und Brust. Er war muskulös, das sah sie nun noch deutlicher als mit der Tunika. Valeria sah ihn an und seufzte leise.
    Sie hatte sich doch in der Tat verliebt in diesen Mann. Die junge Decima beugte sich hinunter zu ihm und war seinem Gesicht nun ganz nahe, jedoch nicht zu nahe.


    "Du hast mich gerettet und das ist der Dank dafür. Wenn ich nur etwas tun könnte, damit es dir besser geht..." murmelte sie mehr zu sich als zu ihm. Er konnte es dennoch hören.

    Endlich waren sie nun bei Mummia und Aurelius angekommen. Inzwischen war es nun wirklich beinahe stockfinster geworden. Valeria hatte sich mit ihrer Zeitrechnung gehörig verschätzt.
    Auf dem Hof brannte noch Licht und man sah Gestalten drinnen umherwandern.


    "Schau, wie haben es gleich geschafft", sagte Valeria zu Maximian. Auf dem Weg hierher hatte sie ihm immer wieder Mut gemacht und ihn angespornt, weiterhin einen Fuß von den anderen zu setzen, auch, wenn er immer langsamer geworden war und schließlich nur noch mühselig dahinschlich.


    Valeria und Maxmian waren nun mehr wenige Meter von der Tür des Wohnhauses entfernt und Valeria rief leise aber energisch nach Mummia und ihrem Gatten. Maximian hing mehr auf ihr, als dass er selbst stand; und Valeria hielt ihn einfach fest. Da tat sich auch endlich die Tür auf und Mummia kam hinaus.


    'Wer macht denn zu solch später Stunde so einen....Maximian! Aurelius, schnell!' Mummia hatte die Situation sehr schnell erfasst und lief erschrocken auf Maximian und Valeria zu.


    "Er ist gestürzt. Ich glaube, sein Arm ist gebrochen", erklärte Valeria besorgt der runflichen Bäuerin. Diese nickte geschäftig und stützte Maximian soweit sie es konnte, ohne seinen lädierten Arm zu berühren, von der anderen Seite.


    'Kinder, Kinder, ihr macht Sachen... Aurelius!!!' rief sie. Aber ihr Mann kam auch schon aus dem Haus. Er brauchte einen Moment länger, um die Situation zu erfassen, ehe er auf Valeria zu schritt und ihr unverständliche Dinge murmelnd die beiden Pferde abnahm und fort führte. Valeria sah besorgt zu Maximian. Er sah gar nicht gut aus.
    Mummia und sie würden ihn hineinbringen, damit er sich ausruhen konnte.

    Valeria war rasch zu den beiden Pferden geeilt und band Alfidia nun mit ihren Zügeln an Nigidius' Sattel fest. Dann führte sie den Hengst zurück zu Maximian, der ihr zittrig und auf gummiartigen Beinen entgegen kam. Sie bewunderte fast seinen Sturkopf.
    Mit der einen Hand hielt sie die Zügel, mit der anderen bugsierte sie Maximians gesunden Arm um ihren Kopf herum und stützte ihn beim Gehen.
    Gemeinsam wankten sie nun zurück durch den Wald. Ihnen stand ein Fußmarsch bevor, der für jemandenen, der gut zu Fuß war, sicher eine Stunde gedauert hätte. Mit Maximian im Schlepptau waren es allerdings gute zwei Stunden, wenn nicht sogar länger.


    "Wir gehen nur so schnell, wie du kannst", sagte Valeria leise, Maximian weiterhin stützend und ganz die perfekte Krankenschwester.
    "Und wenn dir etwas weh tut oder du eine Pause machen möchtest, dann sagst du Bescheid. Und keine Heldenspiele!" fügte sie hinzu und sah Maximian von der Seite aus an.


    So gingen sie eine ganze Weile nebeneinander her. Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont entgegen, doch dunkel würde es noch lange nicht werden. Nur kühler. Valeria fröstelte etwas, doch das wärmende Tuch hing um Maximians Hals. Allerdings konnte sie das ja nun wirklich auch einmal aushalten.


    Bald entschied Valeria, dass es erst einmal genug für Maximian war. Er war immer langsamer geworden und stützte sich mehr und mehr auf sie. Sie mochte zwar zierlich sein, doch schwach war sie nicht, daher machte es ihr kaum etwas aus. Nun fragte sie ihn, ob er rasten und vielleicht etwas Käse essen wollte.

    Valeria betrachtete mit hochgezogener Augenbraue seine heldenhaften Einzelkämpfer-Bemühungen. Sie seufzte und schüttelte den Kopf.


    "Du wirst es nur schlimmer machen, wenn du dir nicht helfen lässt", sagte sie und half ihm aufzustehen, indem sie seinen gesunden Arm fasste und ihn leicht hochzog. Valeria sah sich nach den beiden Pferden um, wo Maximian gerade schon drauf zu sprechen kam. Sie standen etwas abseits friedlich beieinander und grasten.


    Maximian stand mehr schlecht als recht nun vor ihr, sein Arm in der imrpovisierten Schlinge.


    "So kannst du nicht reiten", entschied die junge Decima.
    "Wir nehmen die Pferde und gehen zurück zu Mummia und Aurelius. Kann ich dich einen Moment hier allein lassen? Ich will die Pferde holen."

    Irgendwie schien er nicht ganz da zu sein, denn sein Blick driftete immer mal wieder zur Seite und schien irgendwie...an ihr vorbeizusehen, ganz so, als stünde hinter Valeria noch jemand, den Maximian anvisierte. Valeria zuckte leicht mit den Schultern und griff dann äußerst behutsam nach Maximians Arm. Schnell und mit gekonnten Bewegungen knickte sie ihn am Ellbogengelenk ein. Maximian entfuhr ein Keuchen und Valeria glaubte regelrecht zu sehen, wie er eine Spur blasser wurde und noch einige Schweißperlen mehr auf seine Stirn traten. Ihr tat es leid, dass sie ihm weh tun musste, doch sie konnte es nicht verhindern, wollte sie ihm helfen. Mit einer schnellen Bewegung schob sie seinen verletzten Arm in die Schlaufe, die sie mit einer Hand auf hielt. Maximian stöhnte herzerweichend auf vor Schmerz. Valeria rutschte ein Stück näher und nahm ihn kurzerhand locker und soweit sie das konnte in den Arm.


    "Ist gut....es ist vorbei..." murmelte sie wie zu einem kleinen Kind, während sie Maximian immer und immer wieder über das Haar fuhr und ihn mit der Umarmung gleichzeitig stützte.

    Valeria hielt ihn noch eine Weile fest, selbst als er schon saß. Sie genoss das Gefühl, ihn einfach zu berühren. Doch beinahe sofort wurde sie sich bewusst, dass solche Gefühle in diesem Moment fehl am Platze waren. Valeria richtete sie wieder auf und trat mit besorgter Miene neben Maximian. Sie hockte sich an seine Seite und nahm das verknotete Tuch auf, das noch immer dort lag. Sie hängte es ihm um den Hals, ließ ihre Hand auf seiner Brust ruhen und sah ihm in die Augen.


    "Das wird jetzt weh tun, aber wir müssen den Arm dort in die Schlinge bekommen", sagte sie ernst.


    Maximian sah nicht gut aus. Er würde es so nicht bis Tarraco schaffen, geschweige denn auf Nigidius klettern können. Valeria beschloss, mit ihm zurück zu Mummia und Aurelius zu gehen. Etwas anderes fiel ihr in diesem Moment nicht ein.

    Valeria nickte nur stumm und knotete nun zwei der vier Enden des Tuches zusammen und bastelte so eine Schlaufe, die sie beiseite legte. Sie sah, wie Maximian sich mühte und seufzte leicht. Dann stand sie auf, klopfte sich die Tannennadeln und den kleinen Schmutz von der Kleidung und sagte:


    "Ich weiß nicht, wie weit es bis Tarraco ist", gab sie ehrlich und bedauernd zurück.
    "Zu Fuß wird es ein Gewaltmarsch werden. Ich helfe dir jetzt, dich hinzusetzen."


    Und damit trat sie hinter ihn und ging in die Knie. Behutsam schob sie beide Hände unter seinen Rücken und hob ihn langsam an. Wie sia zurück nach Hause kommen sollten, war ihr noch immer ein Rätsel. Sie mussten entweder zu Mummia und Aurelius zurück oder aber reiten.

    Valeria musste an sich halten, um ihm nicht ein verständnisloses 'Guten Morgen??' an den Kopf zu werfen. Schließlich war er auch auf den Kopf gefallen. Wer wusste, was noch alles nicht mehr so war wie zuvor. Statt diesen ungläubigen Worten also lächelte sie nur zurück.


    Als er sich aufrichten wollte, drückte sie ihn sanft wieder zurück und schüttelte den Kopf.


    "He....nicht so stürmisch. Du bist immerhin vom Pferd gefallen und knapp an einem großen Stein vorbei. Beweg dich langsam. Wie geht es deinem Arm? Schmerzt er noch immer?"


    Sie lächelte und deutete nickend auf seinen Arm, ehe sie ihn wieder ansah und sich gleichzeitig mit einer Hand das Tuch von den Schultern angelte. Dann erst, als das blaue Tuch halb auf, halb neben ihrem Schoß lag, beantwortete sie ihm die Frage.


    "Nein, du hast nicht lange geschlafen", sagte sie sanft, während sie weiterhin mit dem Daumen über seinen Handrücken strich.
    "Ein, vielleicht zwei Stunden."


    Nun, da Maximian wieder bei Bewusstsein war, wurde Valeria wieder nervös in seiner Gegenwart. Ihre Hände wurden langsam kalt und sie begann, sich wieder Gedanken um den Kuss zu machen.
    Sie sah weg.

    Von seiner Seite weichen würde sie wahrlich nicht. Schließlich war es ihre Schuld, dass ser hier lag und sie Alfidia nicht wieder unter Kontrolle hatte bringen können. So rutschte sie lediglich in eine bequemere Position und streichelte Maximian weiterhin.


    Während sie so dasaß, betrachtete sie sein Gesicht, das trotz des jugendlichen Alters schon kleine Fältchen um Augen und Mund aufwies. Die Lachfältchen, die ihm sein unwiderstehliches Lächeln gaben und sein Lachen zu dem machten, was Valeria so sehr anzog. Sie fuhr diese Konturen seines Gesichts mit ihrem Zeigefinger nach, gelangte an sein Kinn, wo bereits wieder einige Stoppel standen. Valeria lächelte leicht und fuhr nun seine Augenbrauen nach, den Haaransatz und seine Lippen. Sanft blickte sie auf ihn hinab, seufzte.


    Ob sein Arm wohl gebrochen war? Nun, so wie er dort lag, musste es so sein. Valeria besah sich ihre nähere Umgebung. Die Sonne stand nicht mehr so hoch wie noch am Mittag und schickte ihre Strahlen nun schräg in den Wald, was durch die grünen Blätter hindurch ein geschecktes Muster aus Hell und Dunkel ergab. Später, wenn Maximian wieder erwacht war, würde sie ihm helfen, seinen Arm in eine Schlinge zu legen. Die Beschaffung der Schlinge würde keine großen Probleme machen, denn schließlich hatte sie noch immer das blaue Tuch um ihre Schultern.


    Zärtlich sah sie auf ihn hinunter, wie er so da lag. Sie wusste nicht, wie lange sie so neben ihm kauerte und einfach nur auf ihn herab sah. So vieles ging ihr durch den Kopf. War es richtig, dass sie ihn geküsst hatte, selbst, wenn es nur flüchtig war? Hatte sie damit zu viel von sich verraten? Von ihren Gefühlen? Nun, so musste es wohl sein....weshalb sonst hätte sie ihn wohl küssen sollen? Vielleicht erinnerte er sich auch gar nicht mehr, wenn er aufwachte. Doch sollte sie dann froh sein oder unglücklich? Was würde er sagen, wenn er sich erinnerte? Was über sie denken? Sie schauderte, fuhr weiterhin mechanisch über seinen Handrücken.


    Ihr Blick war auf Maximian gerichtet, schien aber durch ihn hindurch zu gehen und auf das Innerste seiner Seele zu blicken.
    Und das, ohne auch nur einen Hauch zu erkennen.

    "Ruh dich am besten etwas aus", meinte Valeria sanft, während sie ihn beständig weiter streichelte.


    Sie hatte nicht einmal eine Decke dabei, die sie ihm überlegen oder unter dern Kopf schieben konnte. Und Maximian schien wirklich einen ziemlichen Schlag gegen den Kopf bekommen zu haben, wenn er sich nicht mehr daran erinnerte, was passiert war. Nahe seinem Gesicht fasste sie kurz zusammen, was gewesen war.


    "Alfidia hat gescheut..es muss eine Schlange gewesen sein. Sie ist durchgegangen und du hast versucht, mir zu helfen. Du hast es dann auch geschafft, allerdings hat sich dein Pferd dabei erschrocken und...naja, Nigidius ist mit dir durchs Gebüsch. Dabei musst du gestürzt sein."


    Sie sah lächelnd dabei zu, wie er nach ihrer Hand tastete und legte ihre sanft auf die seine. Sachte fuhr sie mit dem Daumen über Maximians Haut. Valeria seufzte leise.


    "Ich bin so froh, dass es dir soweit gut geht", flüsterte sie ernst und drückte seine Hand.
    "Wir müssen sehen, was wir mit deinem Arm machen und wie wir dich nach Hause bekommen."

    Valeria musste kurz auflachen, als Maximian schon wieder Scherze machte. Es schien ihn nicht so schlimm erwischt zu haben, wie sie geglaubt hatte. Die Götter waren gnädig gewesen; und dafür schickte Valeria ihnen ein Stoßgebet gen Himmel. Sie streichelte ihm weiterhin beruhigend über den Kopf und lächelte ihn warm an. Die Tränen versiegten langsam.


    Dann sah sie sein schmerzerfülltes Gesicht und bemerkte, wie er versuchte, ein Bein anzuwinkeln.


    "Geht es? Wo tut es dir weh, Maximian?"


    Sie befürchtete wirklich, dass etwas gebrochen war. Besonders, weil einer seiner Arme so seltsam verdreht dalag und er ihn bisher nicht bewegt hatte.


    Und da kam ihr auch schon der nächste Gedanke ind Gedächtnis. Wie sollten sie denn nach Hause zurück kommen, wenn Maximian nicht mehr reiten konnte oder sich Nigidius nicht finden ließ?
    Sie sah bedrückt drein, als sie nicht weit entfernt das Knacken trockener Äste hörte. Nun, wenigstens würden sie sich um Nigidius keine Gedanken machen müssen. Der stand nämlich mittlerweile schnaufend neben Alfidia im Geäst.

    Valeria lächelte, doch aus ihren Augen sprach noch immer die Sorge. Sanft strich sie Maximian über die Haare und das Gesicht. Ihr Herz schrie förmlich danach, ihn zu halten und nie wieder los zu lassen. Noch mehr, als jemals zuvor.
    Er lächelte, flüsterte ihren Namen. Valeria zitterte vollkommen, so erleichtert war sie, dass er sich erinnerte, dass er sprach.


    Und dann hob er den Arm, streckte mühsam und langsam seine Hand nach ihr aus und berührte sie an ihrer Schläfe. Valeria schluchzte, so erleichtert war sie, und legte eine ihrer Hände auf die seine, um sie fest zu halten und an sich zu drücken. Sie schloss die Augen. Ihr Gesicht senkte sich wie von selbst zu seinem hinab.
    Flüchtig berührten ihre Lippen die seinen. Ihn vollends zu küssen, wagte sie noch immer nicht.


    Sie öffnete die Augen, nachdem sie sich wieder einige Zentimeter entfernt hatte, sah ihn liebevoll und besorgt zugleich an. Ihr Stimme schwankte und zitterte, als sie sprach.


    "Du...hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt..."