Wie ein elektrischer Funke, eine heiße Flamme, die plötzlich nach ihren Fingerspitzen leckte, spürte Valeria eine Berührung. Zuerst dachte sie, es sei der Regen, dann vermutete sie, dass ihre Sinne ihr einen Streich gespielt hatten - und dann, als sie die Hand vor ihrem Gesicht sinken ließ und den tränenverschleierten Blick auf die Quelle der Empfindung lenkte, dachte sie, dass ihre Augen sie narren wollten. Sie hob den Blick und sah direkt in Maximians Augen, die an die sie sich nun klammerte wie an ein Segelboot bei hohem Seegang. Nach seiner Hand zu greifen, das wagte sie nicht, aus Angst, ihn damit zum Rückzug zu treiben.
Valeria zitterte wie Espenlaub, ihr Kopf war wie leergefegt und alles was zählte war dieser eine, ebenso nasse wie traurige Moment im Regen, in dem Maximian sie aus freien Stücken berührte, nach allem, was sie ihm angetan hatte. Für nichts in der Welt hätte sie diesen Moment jetzt getauscht, bedeutete er ihr doch so viel, weil er zeigte, dass Valeria und Maximian noch immer etwas unzertrennliches verband.
Maximian sah auf ihre Handfläche herunter und nach kurzem Zögern folgte sie seinem Blick und betrachtete ihre schlanke Hand, die von der kräftigen Maximians beinahe zärtlich umschlossen gehalten wurde. Nun nicht mehr schluchzend, sondern ganz ruhig, forschte Valeria mit einem kurzen Blick in Maximians Gesicht. Er sah noch immer hinab auf ihre Hände, und so senkte auch sie wieder den Blick, mit heftig pochendem Herzen auf das wartend, was da kommen mochte. Was hatte er nur vor?
Valerias Blick blieb an Maximians Daumen hängen, der sanft auf ihrem Handgelenk lag. Wenn er ihn doch nur bewegen würde, wenn er sie nur streicheln würde! Ein letztes Mal. Eine flüchtige Berührung, vielleicht sogar ein letzter Kuss?
Er hob die freie Hand, die zu einer lockeren Faust zusammengeschlossen war, und führte sie über ihre Handfläche. Valeria runzelte minimal die Stirn, verlieh so ihrer Verwirrung Ausdruck. Und plötzlich war da ein kleiner, runder gegenstand, gewärmt von Maximians Hand. Valeria presste die Lippen aufeinander, um nicht laut zu schluchzen, und nahm das letzte Geschenk Maximians in sich auf: einmal noch strich er ihr feengleich über die weiche Haut. Sie hob den Blick und traf den Maximians, der sie stumm fragte, warum es so hatte enden müssen. Valeria atmete die frische, klare Luft ein und antwortete ihm ebenso stumm. Es war vorherbestimmt. Unsere Beziehung stand nie unter einem guten Stern. Und doch wirst du mir auf ewig viel bedeuten. Das kann uns niemand nehmen. Du weißt es.
Maximian ließ seine Hände sinken und Valeria senkte den Blick auf ihre Hand, die er locker um den Ring geschlossen hatte. Sie wusste, dass es das war. Das Ende. Und sie war Maximian nicht böse, dass er sich nun umwandte und ging. Es war besser so, besser für sie beide.
Als sie den Blick wieder hob, sah sie Maximian nur noch von hinten, wie er gerade im Domus verschwand. Valeria stand noch eine geraume Zeit einfach nur da, die Hand immer noch um den Ring geschlossen und leicht erhoben, darauf hinabsehend. Das einzige, was noch zu hören war, war das Wasser, dass an den Blättern abperlte und auf den Boden tropfte, ein leises Gluckern und Gurgeln, denn der Himmel hatte aufgehört zu weinen. Am Horizont konnte man sogar ein Stück des Mondes mit dem Auge erhaschen.
Valeria wandte den Kopf zum Domus. Sie wusste, Maximian war irgendwo dort drinnen und er würde sie sehen. Tränen rannen ihr Gesicht hinab, doch sie lächelte. Lächelte zuversichtlich, dass sie eines Tages beisammen sitzen und sich ihrer jugendlichen Torheiten erinnern und sie belächeln würden.
Wenige Zeit später verließ sie den Garten, die Regia und am selben Abend noch Mogontiacum.