Langsam löste Sica seinen Blick von dem alten Sklaven und musterte die Prätorianer abweisend. Eine solche Störung kam ihm mehr als nur ungelegen.
Das geht Euch nichts an.
Langsam löste Sica seinen Blick von dem alten Sklaven und musterte die Prätorianer abweisend. Eine solche Störung kam ihm mehr als nur ungelegen.
Das geht Euch nichts an.
Verächtlich musterte Sica den alten Mann. Nicht einmal einen anständigen Ianitor konnte man sich hier leisten.
Der Senator Secundus Flavius Felix schickt mich. Bring mich zu Tiberius Flavius Quirinalis.
Auf seinem Weg durch die Stadt hatte Sica noch einige Besorgungen erledigt. Eine dieser Besorgungen war ein billiger, jedoch einigermaßen eindrucksvoller Dolch. Die andere Besorgung war ein fedriges, zappelndes und gurrendes Etwas, eine weiße Taube, die sich gemeinsam mit dem Dolch nun verborgen in seinem großen Beutel bei den zwei übrigen Schriftstücken befand. Seinen eigenen Dolch trug Sica noch immer gut sichtbar über seiner Tunika. Er trat auf die Porta zu und klopfte drei Mal kräftig an.
Seine erste Botschaft übergab Sica auf wenig spektakuläre Weise. Er klopfte am Dienstboteneingang und übergab das Schreiben dem öffnenden Sklaven.
Der Patrizierin Flavia Livilla, einzige Lebende Frucht aus dem Schoße des Trajan.
Villa Flavia Felix, Rom.
Über das Verzeihen.
Mein geliebter Schatz,
voll des Hasses und der Liebe auf Deinen Bruder Sextus ist mein Herz, hat er doch Schande über die Familie gebracht, so ist er doch von unserem Blute. Sein vergiftetes Herz muss unheilbar krank gewesen sein und ich seine Mutter konnte es weder sehen noch heilen. Warum? War es so wichtig dem Reiche zu dienen? Ginge der Sohn nicht vor dem Dienst am Staat? Musste ich als Quaestor Principi dem Kaiser dienen? Müsste ich als Legatus Augusti dienen? Meine Zeit allzeit dem Imperium widmen? Euch vernachläßigen um Aedilis Curules zu sein? Oder Magister Memoriae? Praeceptor? Subauctor? Damiatrix? Auch andere hätten Spanien regieren, ander hätten als Praetor Urbanus für Rom Recht sprechen können. Warum musste ich es tun?
Mein geliebter Schatz, ich tat es weil ich diesen Staat liebe, den Kaiser liebe, weil ich Römerin bin. Verzeih mir wenn Du kannst.
Deine Mutter
Messalina
Anschließend machte er sich auf den Weg zum Haupteingang.
Nach dem Training reinigte Sica sich in den Thermen und zog sich anschließend um. Er suchte den Materialverwalter auf und bekam dort neben den 30 Sesterzen seine eigene, schlichte Tunika ausgehändigt. Den Dolch nahm er ebenfalls an sich und trug ihn gut sichtbar über dem Gewand. Im Stall leihte er sich ein Pferd aus. Sica wäre den Weg zwar auch gelaufen, doch je schneller der Auftrag erledigt sein würde, desto besser. Das Schreibzeug hatte er sicher in einem Beutel verstaut, auf dass er im Anschluss an den ausgeführten Auftrag seinen Bericht verfassen könne. Ebenso verwahrte er dort die drei Dokumente, welche ihm sein Herr zugesandt hatte.
So führte er sein Pferd aus dem Tor der Schule heraus, saß auf und machte sich auf den Weg in die Stadt.
Ja, Herr.
Sica nickte bestätigend und trat wieder einen Schritt beiseite. So kurz vor dem nächsten Training entschloss er sich doch noch für einige Lockerungsübungen, die seine teils schon etwas erschöpften Muskeln auf die neue Beanspruchung vorbereiten sollten.
Danke, Herr. Da ich des Schreibens mächtig bin, kann ich den Brief selbst anfertigen, wenn Ihr mir das Schreibmaterial stellt. Auch von Euren übrigen Angeboten werde ich Gebrauch machen und meinem Herrn anschließend von Eurer Hilfsbereitschaft berichten. Es wird keinerlei Zwischenfälle derart prekärer Natur geben. Ich werde lediglich eine Botschaft überbringen.
Ich benötige Ausgang, Herr. Mein Herr, Flavius Felix, hat mir in diesem Brief einen Auftrag erteilt, den ich innerhalb der Stadt Tarraco zu erledigen habe. Es wird lediglich einige Stunden benötigen. Wann darf ich zu diesem Zweck das Gelände der Schola verlassen, Herr?
Er nahm Milo aus den Augenwinkeln heraus wahr, lenkte seine Aufmerksamkeit vorerst jedoch hauptsächlich auf den Lanista und wartete geduldig dessen Entscheidung ab.
Sica nahm die Post entgegen und nickte bestätigend.
Ja, Herr.
Er fühlte sich von dem vorangehenden Training noch hinreichend aufgewärmt, so dass er sich erst einmal dem ominösen Schreiben widmete.
Vorsichtig entfaltete er das Paket und legte die beiden beiligenden Dokumente vorerst beiseite, während er den Brief las. Als er geendet hatte, hob er leicht die linke Augenbraue und las den Brief ein weiteres Mal. Dann nickte Sica bei sich, er hatte verstanden. Der Vollständigkeit halber führte er sich auch die beiden anderen Briefe zu Gemüte, wenn auch nicht so intensiv wie den ersten. Der Auftrag würde nicht einfach sein, bot jedoch eine gute Gelegenheit dem Alltag der Schule zu entfliehen und seine neu erworbenen Fähigkeiten gleich einmal zu testen. Er packte die Dokumente wieder ein, erhob sich von seinem Sitzplatz und sprach dann den Lanista an.
Herr?
Durch die aufmerksamen Blicke in seinem Nacken war Sica noch mehr als sonst zu Genauigkeit animiert. Er ließ sich viel Zeit mit dem Vernähen der Wunde. Die Schmerzen des Gladiators kümmerten ihn dabei nicht im geringsten, so dass er sich zu keinerlei Eile angetrieben sah.
Als der Medicus anschließend zufrieden war und die weiteren Anweisungen gab, nickte Sica bestätigend.
Ja, Herr.
Er erhob sich von seinem Platz und warf dem Gladiator einen drohenden Blick zu, er möge dort bleiben wo er war. Dann ging er zu dem anderen Tisch und nahm sich den Stoff herunter. Auch die omninöse Paste entdeckte er gleich und beschmierte den Stoff großzügig damit. Sica kam zum Patienten zurück und legte das Leinen mit der beschmierten Seite nach unten auf die Wunde. Er zog es zurecht, biss es die gesamte Verletzung überdeckte. Dann nahm er die Stoffstreifen zur Hand und begann den Arm damit zu umwickeln. Zwar hatte er die Worte des Medicus gehört, doch um den Verband auf jeden Fall fest genug zu machen und zudem aus mangelndem Mitleid mit dem Gladiator legte er ihn einigermaßen fest an. Er befestigte das Ende beim Ellenbogen und sah dann zu Apollonius auf.
Was für eine Paste ist das, Herr?
Sica ahnte, dass gerade derartige Verletzungen ihm noch häufiger begegnen würden.
Nach seinem Training kam Sica gewaschen und mit einer sauberen Tunika bekleidet in den Garten. Es war noch niemand anwesend, so dass er auf einer der Sitzbänke niederließ und sich erst einmal von dem anstrengenden Training erholte.
Ja, Herr.
Nachdem das Training beendet war, begab sich Sica auf direktem Weg in die Thermen der Schule. Dort wusch er sich rasch und gründlich. Anschließend ging er in die Gladiatorenunterkünfte und zog sich eine saubere Tunika an. Als dies vollbracht war, begab sich Sica, wie befohlen, in den Garten zur Ringkampfarena.
Sica wurde von den nachdrängenden Männern wohl doch weiter in den Raum zurückgedrückt, als er es eigentlich beabsichtigt hatte. Der verletzte Gegner fiel viel zu früh zu Boden, so dass die anderen an ihm vorbei kamen. Sica fielen mehrere nicht gesellschaftstaugliche Flüche ein, doch er verkniff sie sich wie gewohnt.
Gerade wollte er den Angriff des spitzen Knochens parieren, da traf ihn der Fuß des Faustkämpfers und er knallte mit der Schulter schmerzhaft gegen die Wand. Durch diese unerwartete Bewegung gelangte er jedoch außerhalb der Reichweite des Stechers, so dass dessen Angriff trotz der verpatzten Parade größtenteils ins Leere ging und ihm nur ansatzweise über die Hüfte kratzte. Sica sammelte sich rasch wieder, nutzte die noch vorhandene Nähe aus und stach dem Gegner mit seinem Messer blitzschnell in Richtung der leicht verletzlichen Nierengegend. Gleichzeitig versuchte er, ihn wie einen menschlichen Schild dem dritten Angreifer entgegen zu drücken.
'Vor allem Geduld.' dachte sich Sica.
Ja, Herr.
Sica machte sich an die Arbeit. Zuerst wusch er sich in einer Schüssel Wasser die Hände. Dann suchte er sich das nötige Werkzeug zusammen. Ein Stück Leinen und eine Flasche Essigwasser, die durch einen Geruchstest schnell identifiziert war, standen ganz in der Nähe. Er fand auch eine Nadel, die in etwa so aussah wie die, die er in der Schola benutzt hatte. Ein Faden aus vermutlich Katzendarm, vielleicht auch etwas anderem, erschien Sica ebenfalls akzeptabel und wurde hinzugeholt.
Als Apollonius seine Arbeit beendet hatte, wollte Sica gerade beginnen als ihm auffiel, dass er das Skalpell vergessen hatte. Rasch holte er auch dieses noch herbei und setzte sich dann zu dem Gladiator. Bevor er begann, warf er diesem einen drohenden Blick zu.
Halt still.
So nahm Sica das Skalpell zur Hand und zog den Arm des Gladiators zu sich heran, so dass er gut arbeiten konnte. Dann machte er sich mit großer Konzentration daran, die Ränder der Wunde, soweit sie ausgefranst waren, zu "begradigen". Er bemühte sich, die Haut nur sehr sparsam wegzuschneiden. Anschließend nahm er den Stoff und das Essigwasser zur Hand und säuberte die Wunde unter dem schmerzhaften Stöhnen des Gladiators.
In dem Augenblick, in welchem sich die Tür öffnete, reagierte Sica blitzschnell und stürzte sich auf die erstbeste Gestalt, die er ausmachen konnte. Mit voller Wucht rammte er dem Mann das Messer ohne zu zögern von unten in den Bauch, um es mit einer schwungvollen seitlichen Drehung wieder herauszuziehen. Er stieß den blutenden Mann von sich Weg und wich nun einen Schritt zurück, um die Situation erfassen zu können. Schnell wurde ihm klar, dass sich mindestens zwei weitere Gegner in den Raum drängten und er setzte direkt zur nächsten Attacke an. Dieses Mal ging Sica weniger stürmisch vor und achtete genau auf die Bewegungen seines Gegenübers. Er balancierte das Messer neu in seiner Hand aus und hielt es mit festem Griff. Auch den verletzten Angreifer ließ er nicht ganz aus den Augen und positionierte sich so, dass die Gladiatoren nicht ohne weiteres an ihm vorbei in den Raum eintreten konnten.
Sica nahm den Riemen wortlos entgegen und nickte bestätigend. Er band ihn fest um Unterarm und Handgelenk des Gladiators. Sica hatte keine besondere Abneigung gegen Parvus, so dass er sich genau an die Anweisungen des Medicus zu halten beschloss. Man sollte sich nie unnötig Feinde machen. Er warf Parvus einen kurzen, ernsten Blick zu. Dann brachte er sich in Position, um kraftvoll an dem Arm ziehen zu können. Abwartend und aufmerksam sah Sica zu Apollonius auf und wartete geduldig auf den entsprechenden Befehl.
Sica betrat das Lazarett und sah sich nach dem Medicus um. Er entdeckte ihn schließlich bei einem seiner Patienten und ging auf ihn zu. Geduldig stellte er sich in dessen Nähe und wartete seine Anweisungen ab.
ZitatOriginal von Apollonius von Samothrake
"Sica!" rief er laut. Etwas leiser fügte er an. "Der Medicus möchte Dich im Lazarett sprechen."
Schnellen Fußes machte er sich wieder davon, ehe er auch nur Sica sehen konnte.
Missmutig erhob Sica sich von seinem Lager und machte sich auf den Weg zum Lazarett.
Den bösen Blick das Gladiators hatte Sica mit einem kleinen, diabolischen Lächeln erwidert. Gehorsam führte er wie immer die Anweisungen des Medicus aus und hörte dessen Ausführungen interessiert zu. Vor allem die Stellen, an denen der Gladiator würde leiden müssen, fanden seine Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich würde er selbst nicht das Vergnügen haben, beim Richten der Knochen zu assistieren, oder die Gelegenheit das schmerzlindernde Mittel zu schwächen. Für den Fall, dass die anderen Schüler jedoch zauderten oder sich nicht trauten, stellte er sich hilfsbereit in die Nähe.