Glücklich sind jene, die im Deuten von Mimik und Gestik nicht so bewandert waren. Manchmal hatte der Senator Pech darin sie zu verstehen, oft schwelgte er im Glück sie verkehrt zu deuten. So blieb es ihm erspart den Decimus im Geiste als Kunstbanause abzuhaken.
Avarus nickte nur. Ihm war Gesellschaft am Abend immer willkommen. Meist wurden die Kinder bei Zeiten zu Bett gebracht und dann blieb nur eine kleine Männerrunde über, die zu oft die selben Gesichter trug. Wer am Ende die Beine auf den Klinen ausstreckte, war ebenso nebensächlich, denn es gab kaum einen Abend, wo sie sich an die Ratschläge der Großmütter hielten. Es wurde also nie wie ein Bettelmann zu Abend gespeist, sondern eher in verdrehter Welt wie bei Kaisers aufgetafelt. Lag wahrscheinlich auch daran, das am Morgen alle aus dem Haus hatzten und garnicht für ein üppiges Frühstück Zeit hatten. Zum Mittag gabs dann den einen oder anderen Anlass zu etwas festen im Magen zu kommen, aber so richtig gemütlich wurde es auch dann noch nicht. Blieb also nur die späte Stunde am Abend, um dem Körper das zu geben, was er brauchte, um gesund und wohl genährt zu bleiben.
"Oh keine Ursache. Ich möchte mit Dir etwas besprechen, aber dazu später."
Er klatschte in die Hände und Diener trugen einige Schälchen auf, die von saftigen frischen Obst dieser Jahreszeit strotzten. Dazu gab es kleine gut durchgebratene Rinderhackhäppchen in Brotteig gewickelt mit reichlich unterschiedlichen Gewürzmischungen von süßlich, über herzhaft und scharf. Ein weiterer Diener brachte eine Platte mit dem unterschiedlichsten Fisch. Etwas von jedem. Einfach zum probieren und dippen. Noch lange nichts zum satt werden.
Avarus hatte jedoch Wert darauf legen lassen, das das Essen nicht zu extravagant werden sollte. Er liebte es zu probieren, aber er lehnte es ab als Versuchskanninchen verspottet zu werden, das pürierte Echseneier aß oder sich an Allerlei vom Insektenreichtum nährte. Nö das mußte nicht sein.
Vorerst kam er auf die Familie zurück...
"Oh Lucilla geht es prächtig. Warum auch nicht. Hat sie doch die Kinder um sich und das weite frische Landleben drüben in Hispanien. Cossus kommt langsam in ein Alter, wo ich mir Gedanken machen will ihm eine ernsthafte Zukunft zu planen. Er war viele Jahre in Alexandria zum Studium. Ist jetzt erst vor kurzem zu seiner Mutter zurück gekehrt und übt fleißig das Reiten. Aus ihm wird sicher mal ein ganz vorzüglich talentierter Senator. Tja und Drusilla genießt ihre Kindheit, wie mir Lucilla schreibt. Zur Stunde ist sie vornehmlich damit beschäftigt ihr Grenzen auszuloten. Das wird für Lucilla zwar etwas mehr Stress bedeuten, weil Sie dem kleinen Sonnenschein Grenzen aufzeigen muss, aber ich bin mir sicher Drusilla's Horizont wird breiter sein als bei den meisten anderen Kindern in ihrem Alter."
Er gluckste kurz auf. Dachte er doch an die Tage wenn eins der Kinder vor ihm stand, den Kopf ins Genick gelegt, um den Papa oder Onkel genau betrachten zu können, um dann mit allen Registern kindlicher Rafinesse den eigenen Willen einzufordern.
Der Germanicus nahm eine dieser Teigtaschen mit Rindfleisch zur Hand und wickelte noch ein paar Gemüseblättchen darum. So war es nicht zu trocken und er mußte sich nicht zwangsläufig für eine der Dips entscheiden. Beim Essen überlegte er ob der Decimus verheiratet war. Doch er kam zu keinem Ergebnis. Also würde er dieses Thema lieber nicht anschneiden. Vielleicht war er es ja auch mit der Arbeit...