Beiträge von Narrator Italiae


    Taurus winkte einen seiner Sklaven zu sich. Er solle ihm sofort einen Federkiel bringen, und Tusche, danach Wein, für seinen Gast und sich selbst.


    So geschah es: Zuerst wurde der Kiel gebracht und Statilius Taurus unterzeichnete.


    Dann kam der Wein. Aurelius Ursus erhielt einen Becher und Taurus natürlich auch.


    “Ich bin froh, dass diese Sache endlich erledigt ist. Nun kann es wieder mit aller Kraft vorwärts gehen. Und ich weiß, wem ich es zu verdanken habe, endlich zu meinem Recht zu kommen.“


    Er lächelte seinem Gast anerkennend zu und erhob seinen Becher.


    “Natürlich, nicht besser.“, antwortete Musa, wobei ihm allerdings ein süffisantes Lächeln über die Lippen huschte.


    “Ich werde sehen was ich tun kann. Ihr werdet auf jeden Fall wieder von mir hören. Gebt mir nur etwas Zeit. Solche Verhandlungen erfordern manchmal etwas Geduld, aber immer verlangen sie nach Verschwiegenheit.“


    “Nein, bisher noch nicht.“, versicherte Musa lächelnd. Das wirkte offen und ehrlich, aber bei einem Mann, der seinen Lebensunterhalt vor allem mit seinem Verhandlungsgeschick verdiente, konnte man sich natürlich niemals ganz sicher sein.


    “Aber vielleicht sind schon andere an ihm dran. Ich werde ihm vielleicht Zusagen machen müssen und ich werde Auslagen haben.“


    “Tolimedes.“


    Musa betonte jede einzelne Silbe des Namens.


    “Ja. Doch, an den erinnere ich mich. Ist noch ein ganz junger Bursche, ein Milchbart. Hat sich die ersten Runden ganz gut gemacht, wurde dann aber abgedrängt und ging zum Ende hin irgendwo im Mittelfeld unter. Hat Talent, ist geschickt, versteht etwas von Pferden, und ehrgeizig ist er wohl auch. Aus dem könnte mal ein Großer werden... oder auch gar nichts. Bei dem ist es noch viel zu früh, um zu sagen, wohin seine Reise geht. Sehr jung ist er, man müsste ihm viel Zeit geben und Geduld mit ihm haben. Dann... ja... vielleicht... wer weiß...“

    Zu diesem Thema konnte der Mann keine verbindliche Auskunft geben, machte jedoch ein verständnisvolles Gesicht. "Ich werde sehen, was sich diesbezüglich einrichten lässt. An wen kann sich der Stab des Kaisers wenden, um über ein mögliches Treffen zu informieren?"


    “Es freut mich dich kennen zu lernen und ich habe schon von dir gehört, Senator Germanicus. Du bist doch der neue Vicarius Principis der Blauen. Herzlichen Glückwunsch!“


    Der Mann war wirklich auf dem Laufenden.


    “Vom Ringen und Laufen verstehe ich nichts. Aber ich war im vergangenen Jahr bei den Spielen in Olympia und habe mir das Wagenrennen angesehen. Nicht das es so gut besetzt war wie ein durchschnittliches Rennen hier in Rom, aber das olympische Wagenrennen ist dort sehr populär. Die Griechen lieben Wagenrennen fast so sehr wie wir Römer. Vielleicht lieben sie das Ringen und den Pankration noch mehr, aber immerhin. Es gibt dort drüben viele Jünglinge, die sich auf dem Wagen versuchen und manchmal ist einer dabei, der auch für den Circus gut genug wäre.“


    Er machte eine Geste in Richtung der nun verlassenen Rennbahn.


    “Wenn ihr Ausschau nach einem neuen Auriga haltet, dann merkt euch den Namen Hakor. Der hat das Rennen in Olympia gewonnen. Kein schlechter Mann.“


    “Ich halte meine Ohren auf und ich habe Verbindungen, auch nach Griechenland, ja. Das gehört zum Geschäft.“


    Galeo Samius Musa besaß eigentlich ein Geschäft für Pferdegeschirr. Sein Laden befand sich nur einen Steinwurf vom Circus Maximus entfernt am Fuße des Aventin und seine Kundschaft kam praktisch ausschließlich aus dem Wagenrennsport. Doch war dies nur ein Nebenverdienst für ihn und das hatte er auch nicht gemeint.
    Vor allem war er nämlich als Vermittler für Wagenlenker tätig und weil er über viele gute Kontakte verfügte, und praktisch jeden im Rennsport kannte, hatte er als solcher viel zu tun und konnte oft recht satte Provisionen kassieren. Und genau diese lukrative Tätigkeit meinte er, als er von 'Geschäft' sprach. Denn er musste nicht besonders hellsichtig sein um zu erkennen, dass der Senator ihn heute genau deshalb aufgesucht hatte.

    Der Mann zeigte keine Regung, die eine persönliche Meinung verriet, sondern er schüttelte nur bedauernd den Kopf. "Selbst wenn der Kaiser jetzt schon anwesend wäre, würde die Kurzfristigkeit der Einladung es unmöglich machen, ihr zu folgen. In solchen Fällen wird unbedingt ein Vorlauf von mehreren Tagen benötigt."


    “Consular Aelius Quarto, welche Ehre!
    Ja, ein schöner Tag. Aber ich verschwende ihn hier. Den da hinten, den wollte ich mir mal ansehen. Der Junge kommt aus Beneventum und Manculus hier, der hat mir gesagt, er kann was.“


    Samius Musa wies auf seinen Begleiter, den hässlichen Hünen. Der brummte nur.


    “Aber er kann nichts! Diese Samniten, als Gladiatoren vielleicht ganz brauchbar, aber auf dem Wagen eine Katastrophe! Der schafft es nie. Wenn du einen neuen Auriga suchst, dann nimm den nicht. Er sieht ganz hübsch aus, wenn er sich da vor dem Start in Pose wirft. Aber er hat kein Gefühl für die Pferde und er hat Angst vor der Wende. Will sich nicht die Knochen brechen, dass Bürschlein!
    Da war Manculus hier ganz anders. Der hat sich nie raus gehalten. Kannst du dich an ihn erinnern, an Manculus? War auf dem besten Weg ein ganz Großer zu werden, bis diese dumme Sache passiert ist.“


    Manculus, der also ein ehemaliger Wagenlenker war, verzog das Gesicht und hob die rechte Hand. Das heißt, dort, wo seine Hand hätte sein sollen, war nur ein narbiger und schrundiger Stumpf, dass Ergebnis einer wohl lange zurück liegenden Amputation.


    “Salve Titus Aurelius!“, erwiderte der stattliche Mann mit seiner vollen, sonoren Stimme und genau so jovial, wie ihn Aurelius bereits kennen gelernt hatte. Fast klang ihre Begrüßung schon so vertraut wie zwischen guten Freunden. Aber war ein Mann, der Geld ins Haus brachte, nicht auch fast so viel wert wie ein Freund?


    “Meiner Familie geht es gut, wenn es mir gut geht. Und du bringst mir heute hoffentlich etwas, dass mir Freude machen wird. Es gab doch hoffentlich keine Schwierigkeiten auf dem Weg hierher?“


    Anders als der Patrizier Aurelius Ursus scheute sich der Unternehmer Statilius Taurus ganz offensichtlich nicht, dass Gespräch ziemlich direkt auf das Geld zu lenken, auch wenn er es vermied ganz offen davon zu sprechen.

    Weil Aurelius Ursus sein Kommen angekündigt hatte und weil er etwas mit sich führte, was Titus Statilius Taurus, der Herr des Hauses, sehnsüchtig erwartete, wurde dem Sklaven bedeutet, Statilius Taurus würde Aurelius gerne im Atrium empfangen und am besten wäre es doch, er würde das, worum es ging, gleich mitbringen. Die Haussklaven würden helfen, um es herein zu schaffen.

    Es war ein angenehm warmer, frühlingshafter, wenngleich auch recht windiger Nachmittag im Maius. Die Ränge des gewaltigen Circus Maximus, die Hundertausende fassen konnten, lagen leer und verlassen da. Heute, ein Tag vor dem ersten Tag des Totenfestes Lemuria, waren keine Rennen angesetzt. Nur ein paar vereinzelte Gestalten standen ganz unten, nah der Rennbahn und beobachteten zwei Gespanne, die ein paar Übungsrunden drehten. Es waren bestenfalls zwei Duzend; Schaulustige, Rennsportenthusiasten, notorische Wetter und Leute, die irgendwie sonst mit dem Rennsport zu tun hatten, und deshalb nicht nur zu den Rennen hierher kamen.
    Mit erkennbar nur mäßigem Einsatz wendeten die Gespanne nacheinander an der nordwestlichen meta, wobei sie Staub aufwirbelten, der von einer Bö in Richtung des Palatins fort getragen wurde.




    Galeo Samius Musa beobachtete die Szene genau. Auf seinem vollen, stets gerötetem Gesicht zeigte sich Missfallen.
    “Hast du gesehen? Das waren mindestens zwei gradi! Zwei, mindestens!“, sagte er zu seinem Begleiter, der ihn um Haupteslänge überragte und der neben dem dicklichen Samius Musa wie ein schlankes und gefährliches Raubtier wirkte. Sein Gesicht war ausnehmend hässlich und von einer tiefen Narbe gezeichnet, die von der linken Braue über die Wange bis zum Ohrläppchen reichte.
    Was Musa gemeint hatte, dass war der Abstand des kurveninneren Wagenrades eines der beiden Gespanne zur Wendemarke.


    “Zwei gradi, und dabei soll es nur ein palmus sein! Wer das Training zu leicht nimmt, der versagt im Rennen. Der Bursche taugt nichts, ich verschwende hier nur meine Zeit.“


    Sein hässlicher Begleiter brummte zustimmend.

    Bis zu einem gewissen Zeitpunkt war diese Landvilla eine unter vielen in der Umgebung von Misenum gewesen. Ruhig gelegen, mit Blick über das Meer, mit frischer Seeluft, sonnig gelegen, aber nicht zu warm. Dann war ein Kaufauftrag aus Rom gekommen. Seitdem ist dies die kaiserliche Landvilla bei Misenum.


    Es dauerte dann noch einmal einige Monate, bis auf den benachbarten Höfen oder Bauernsiedlungen hier und dort unauffällige Prätorianer einzogen, die Hofeinfahrt ein neues Tor bekam und eifrige Handwerker die Innenräume dem Geschmack des Kaisers anpassten. Und dann kamen die Wagen aus Rom. Mobiliar, Haushaltsgegenstände aller Art, Kleidung, Bücher. Und Hausangestellte in größeren Mengen. Schließlich legte in Misenum ein Schiff an und die Frau des Kaisers und ihr Sohn betrat erstmals seit langer Zeit wieder italischen Boden.


    Einige Tage später ging dann die Nachricht ein, dass sich auch der Kaiser aus Rom auf den Weg hierher gemacht hätte.