Beiträge von Narrator Italiae

    An einer Straßenecke, dort wo der Weg von der Pons Probi her auf die Via Campana stieß, stand neben einem Schrein der Fortuna ein kleiner geschlossener Wagen, welcher in der Nacht noch, als Wägen durch die Stadt durften fahren, dorthin gebracht worden war. Vorn, den umringenden Zuschauern zugewandt, ragte ein gewaltiges Trinkhorn aus einer Halterung, die einer großen Hand nachempfunden am Wagen befestigt war, so dass das Ende des Hornes von jener Hand umschlossen nicht zu sehen war. Ein rundlicher Händler mit rotfarbenen Wangen, auf welchen schwarzfarbene Bartstoppeln sprossen, stand davor und pries seinen Wein an.


    "Kommt näher, werte Bürger, kommt näher! Kommt und trinkt einen Becher Wein aus dem einzig wahren Füllhorn! Seht her, der Wein geht nie zu Neige, gleich wie viel ihr trinkt! Danket der großzügigen, gütigen Fortuna! Nur ein As pro Becher und wer es schafft, das Horn zu leeren, bekommt sein Geld zurück!"
    Er nahm das Horn mit beiden Händen aus der Halterung vom Wagen, hob es vor sich und präsentierte es den Umstehenden, um anzuzeigen, dass kein Trick sie erwartete. Tatsächlich war das Horn äußerst gut präpariert, so dass der Übergang von Stopfen zu Horn nur bei sehr genauem Hinsehen aus der Nähe auffallen würde. Doch ehe es soweit konnte kommen, hängte der Händler das Horn zurück, so dass das präparierte Ende in der Hand und gleichsam im Wageninneren verschwand. Im Innere nun, ohne dass die Menge dies konnte wissen, zog ein junges Mädchen, die Tochter des Händlers, den Stopfen vom Hornende und stülpte eilig in geschickter Weise einen Schlauch aus Leder darüber, welcher nach oben hin verbunden war mit einer Schale. Solange die Schale mit Wein gefüllt war, so lange blieb ebenfalls der Pegel im Füllhorn konstant, so dass die junge Frau nur immer aus einem der zahlreichen Fässer im Wagen den Wein nachschütten musste.


    Draußen schöpfte der Händler eben einem Passanten für ein As Wein in einen Tonbecher. "Sieh her! Ein Becher und schon schenkt uns Fortuna noch mehr Wein! Wer schafft es das Füllhorn zu leeren? Kommt und tretet näher! Bestaunt das einzig wahre Füllhorn! Trinkt und sichert auch ihr euch Fortunens Glück!"

    Die Prozession setzte sich in Bewegung und brauchte nicht lange, bis sie das Ufer des Tibers erreicht hatte. Auch hier hatte man selbstverständlich bereits alles vorbereitet: Ein Altar war errichtet worden, eine Fläche für die Opferung der Kühe freigehalten worden. Am Ufer hatten bereits zahlreiche Kähne - teils zum Mieten, teils vom Cultus Deorum, wieder andere privater Besitzer - angelegt, um die versammelte Festgemeinde nach dem Opfer aufzunehmen.


    Doch vorher musste das Opfer über die Bühne gebracht werden: Die Prozession teilte sich, als der Opferplatz erreicht war: Die Weihrauchträger umringten die freie Fläche (auch Ticinius wurde hierbei von seinem "Vormacher" an den richtigen Platz gezogen), der Chor und das kleine Orchester der Tibicines baute sich etwas abseits auf.


    Die Pontifices, sowie die übrigen Collegiums-Mitglieder hingegen erhielten Plätze in der ersten Reihe. Nur die beiden geschmückten Kühe, die in die Mitte des Platzes geführt wurden, hatten wohl noch bessere Plätze, zusammen mit den Opferhelfern, die sich bereits postierten.


    Als alles postiert war, trat ein Herold hervor, während andere Bedienstete die versammelte Festgesellschaft rituell reinigte, indem sie mit Wasser besprengt wurden. Gerade in den ersten Reihen bekamen die Zuschauer einiges davon ab.


    "Favete Linguis!"


    hallte es endlich über den Platz, was allerdings manchen fliegenden Händler nicht daran hinderte, schweigend weiter mit allerlei Glücksbringern zu handeln.
    Dennoch trat ein alter Pontifex hervor und begann sein Gebet.


    "O Fors Fortuna, Mehrerin der Gunst unseres Volkes,


    Du hast Servius Tullius deine Gunst erwiesen und zum Lenker des Volkes der Quiriten gemacht, seit frühester Zeit gewährst du den Salzhändlern auf dem Tiber deine Gunst, bewahrst uns vor der Hand grausamer Feinde und schützt das Wohl des römischen Volkes der Quiriten.


    Darum opfern wir dir in jedem Jahr an deinem Fest. Nimm auch in diesem Jahr unsere bescheidene Gabe an, aufdass du auch im kommenden Jahr das Salz und alle Güter, die wir so dringend brauchen, stets sicher in unsere Stadt kommen und wir in Sicherheit und Ruhe leben können.


    Wir geloben, dir auch im nächsten und jedem folgenden Jahr dieses Opfer darzubringen, so du uns vor den Unglück bewahrst und unser Volk schützt."


    Nach dem Opfer folgte die rituelle Händewaschung des Pontifex, dann begann auch schon die eigentliche Opferung: Es ging rasch über die Bühne. Die Opferdiener stachen routiniert zu, das Blut floss reichlich. Während der Haruspex nun die Innereien untersuchte, hob sich der Geräuschpegel im Publikum wieder.


    Doch lange hatten die fliegenden Glücksbringer-Händler nicht Zeit, ihre Ware an den Mann zu bringen, denn bald schon wurde laut die Litatio verkündet und während die Opferdiener sich über das Fleisch hermachten, schob sich die gesamte Menge zum Tiber-Ufer. Jeder versuchte nun, einen möglichst günstigen Platz im Boot zu erhalten, um dort zusammen mit ein wenig Wein die Tour flussabwärts zu genießen.

    Während die Priester im Tempel ihr Voropfer vollzogen, begann sich draußen bereits die Prozession zu formieren. Bedienstete des Cultus Deorum trugen eine große Statue der Fortuna, angetan mit einer schimmernden Rüstung, den Caduceus in der Hand, an langen Stangen, ein Chor schien sich für den Anfang des Zuges zu formieren.


    Weitere Bedienstete waren mit Weihrauchfässern erschienen, um den Duft der Götter bis zu dem Opferplatz des blutigen Opfers zu tragen. Einer jedoch wirkte etwas blass um die Nasenspitze und noch ehe die Tore des Tempels sich wieder öffneten, verdrehte er die Augen und sackte in sich zusammen. Ein anderer Weihrauchträger blickte suchend in die Menge und sein Blick blieb an Ticinius haften. Den Burschen hatte er doch schon einmal im Tempel gesehen! Das war doch ein Discipulus!


    Inzwischen hatte sich eine kleine Menschentraube um den Ohnmächtigen gebildet, doch der andere Weihrauchträger packte nur das Weihrauchfässchen, das an drei Ketten, die am Griff endeten, hing und eilte auf den jungen Matinier zu.


    "Hier, trag du das! Tu' einfach, was ich tue!"


    Damit drückte er ihm das Weihrauchfass in die Hand.


    Kaum hatte er dies getan, öffnete sich das Tor des Tempels und die Priester traten hinaus und reihten sich hinter der Fortuna-Statue und den zwei reichlich geschmückten, weißen Kühen in die Prozession ein. Erst nach ihnen durfte das gemeine Volk, von Flötenspiel begleitet, zum Tiber hinabziehen.

    Während die halbe Stadt auf das freudige Fest zu Ehren der Fors Fortuna am Tiberufer wartete, waren die Organisatoren vom Cultus Deorum schon im Morgengrauen damit beschäftigt, die Prozession zum Tiber hinab, sowie das anschließende Opfer vorzubereiten.


    Anders als bei den üblichen Feiertagen im Jahr konzentrierte sich diese Feier auf jenen eher neueren Teil der Stadt, der sich jenseits des Tibers befand. Hier stand bereits seit der Zeit des sagenhaften Servius Tullius ihr Heiligtum und hier nahm auch die Prozession ihren Ausgang. Doch vorher galt es, das Voropfer innerhalb des Tempels zu vollziehen. Aus diesem Grund hatten sich die Mitglieder der Collegien vor dem Tempeleingang versammelt, der zu seinem Feiertag prächtig mit Blumen-Girlanden, Fahnen und Bändern verziert war. Auf dem Tempelvorplatz hatte man Weihrauchbecken aufgestellt, um auch das Volk wenigstens zu Beginn des Feiertages in spirituelle Stimmung zu versetzen. Allerdings ging es dennoch eher wie auf dem Jahrmarkt zu: Die Bürger, die Peregrini, die Fortuna möglicherweise eher als Tyche verehrten, aber auch die Sklaven, denen es offiziell erlaubt war, an der Feier teilzunehmen, standen auf dem Platz herum und schwatzten in Vorfreude auf den feucht-fröhlichen Teil der Feier.

    "Ihr Römer groß, ihr Römer klein,
    herzlichst geladen sollt ihr sein
    zu feiern mit uns den beschwingten Tag,
    an dem Fortuna euch hold sein mag!


    So bringet denn Kuchen, Obst oder Keks
    seid fromm und genügsam
    und huldigt ihr stets.
    Nur so kann erwachsen der Fortuna Glück
    und ihr bekommt dies so vielfach zurück.


    Ein Kind, ein Haus oder auch ein Schwein,
    eure Wünsche an sie mögen vielfältig sein.
    Doch wünschen wir alle uns eines vereint:
    Dass Fortuna es ewig gut mit uns meint!



    Vielerorten waren die jungen Schülern des Kultes zu hören, die mit ihren strahlend weißen Roben deutlich hervorstachen aus dem bunten Treiben Roms, der weltgrößten Stadt. Jungen wie Mädchen trugen gleichsam diese Strophen vor, bekamen zur Feier des Tages Süßigkeiten zugesteckt und versprühten mit den kecken Versen gute Laune in allen Vierteln Roms. Doch riefen sie gleichsam dazu auf, der Göttin des Glücks zu huldigen, am großen öffentlichen Opfer teilzunehmen oder aber selbst einen Teil dazu beizusteuern.

    Pomponia Pia Virgo Vestalis Maxima Sergiae Calvinae s.p.d.


    Der Pontifex Maximus et Imperator Caesar Augustus L Ulpius Aelianus Valerianus hat beschlossen, dich für die Sacerdotes Vestales zu rauben und in seinem Patria Potestas zu überführen.


    Finde dich dazu ANTE DIEM VI KAL IUL DCCCLVIII A.U.C. (26.6.2008/105 n.Chr.) in der Regia auf dem Forum Romanum ein, nimm jedoch Abschied von den Deinen, denn danach wirst Du eine Amata Minor des Cultus Vestalis sein.


    Möge das Heil der Vesta mit Dir sein!


    Pomponia Pia

    Pomponia Pia Virgo Vestalis Maxima Decimae Pulchrae s.p.d.


    Der Pontifex Maximus et Imperator Caesar Augustus L Ulpius Aelianus Valerianus hat beschlossen, dich für die Sacerdotes Vestales zu rauben und in seinem Patria Potestas zu überführen.


    Finde dich dazu ANTE DIEM VI KAL IUL DCCCLVIII A.U.C. (26.6.2008/105 n.Chr.) in der Regia auf dem Forum Romanum ein, nimm jedoch Abschied von den Deinen, denn danach wirst Du eine Amata Minor des Cultus Vestalis sein.


    Möge das Heil der Vesta mit Dir sein!


    Pomponia Pia

    Tatsächlich erhielt Verginius Esquilinus die notwendigen Zeichen und wandte sich an Fabius Antistes. Dieser lächelte ein zufriedenes Augurenlächeln, obschon eigentlich Esquilinus hier der zuständige Augur war. Dann jedoch trat er erneut vor die Liktoren und breitete die Arme aus:


    "„Annuntio vobis gaudium magnum: habemus Pontificem Maximum. Eminentissimum ac reverendissimum dominum, Dominum Imperatorem Caesarem Augustum Lucium Ulpium Aelianum Valerianum, Filium Lucii Ulpii Iuliani!*"


    Dann ergriff er den Arm des Kaisers und schob ihn etwas vor, woraufhin der Liktoren Beifall klatschten. Die Erhebung war vollzogen! Antistes gratulierte seinem neuen Disziplinarvorgesetzten als erster


    "Willkommen im Collegium Pontificium, Pontifex Maximus! Wir haben viel zu tun."


    Der Fabier hatte wahrlich Recht: Vieles war liegengeblieben seit dem Tod des Iulianus und insbesondere bei den vestalischen Jungfrauen, die unter seiner Patria Potestas standen, gab es einiges zu erledigen!


    Sim-Off:

    * "Ich verkündige euch große Freude: Wir haben einen Pontifex Maximus! Den herausragendsten und hochwürdigsten Herrn Imperator Caesar Augustus Lucius Ulpius Aelianus Valerianus, Sohn des Lucius Ulpius Iulianus"




    | Verginius Esquilinus


    Verginius Esquilinus war ebenfalls etwas aufgeregt. Zwar hatte er schon einmal eine Inauguratio des Pontifex Maximus erlebt, jedoch nie selbst durchgeführt. So hörte er heute besonders aufmerksam zu, als Fabius Antistes seine Erklärung verkündete. Im Anschluss begann er, ein uraltes Gebet zu sprechen, das ihm ein Calator einsagte. Er bat Iuppiter Optimus Maximus, ihm ein Zeichen zu senden, ob es ihm gefalle, dass jener Lucius Ulpius Aelianus Valerianus zum Pontifex Maximus erhoben werde.


    Dann breitete er, den Augurenstab in der Hand, seine Arme aus und beobachtete den Himmel. Würde er ein eindeutiges Zeichen finden?




    Wie üblich bei der Inauguratio, war es zuerst Aufgabe des Rex Sacrorum, die formellen Feststellungen zu treffen. Zuvor begrüßte er Valerianus jedoch überschwänglich und stellte ihn nun den Auguren vor. Dann endlich war es so weit. Vor den Augen der 30 Liktoren erhob er die Stimme:


    "Im Namen des Senats und der Bürgerschaft der Quiriten erkläre ich hiermit auf Geheiß des Collegium Pontificium, dass der Quirite Lucius Ulpius Aelianus Valerianus, Sohn des Lucius Ulpius Iulianus, berufen werden möge zum Pontifex Maximus der Urbs Roma, aufdass er Aufsicht führe über den Cultus Deorum, zum Pater der Virgines Vestales werde und den Göttern diene."


    Er wandte sich an Verginius Esquilinus, der heute persönlich die Inauguratio vornehmen würde - so etwas ließ sich der Magister der Auguren natürlich nicht entgehen!




    | Verginius Esquilinus


    Das Collegium Augurum schien sich einen Augenblick zu beraten, als es den Adler erblickte. Dann trat Verginius Esquilinus, das Haupt des Collegium, zu den Consuln heran und erklärte


    "Das Collegium Augurum hat einstimmig festgestellt, dass eindeutige Zeichen vorliegen, dass der Genius des verstorbenen Lucius Ulpius Iulianus Divi Traiani filius von den Unsterblichen aufgenommen wurde und damit ebenfalls zum Gott geworden ist.


    Zum Wohle der Res Publica und zur Wahrung der Pax Deorum empfehlen wir eine kultische Verehrung des Divus Iulianus."


    Damit war die Consecratio perfekt und es erhob sich ein leichtes Gemurmel, als die Worte des Magister Augurum weitergetragen wurden bis in die letzten Reihen der Menge.




    Als der Kaiser die Fackel in den Scheiterhaufen stieß, taten es ihm die drei anderen Freigelassenen gleich. Das Feuer ergriff rasch Besitz von dem unteren Stockwerk. Schon standen die Purpurvorhänge in Brand, als man plötzlich etwas aus dem obersten Geschoss des Turmes hervorschießen sah: Ein prächtiger Adler breitete seine Schwingen aus und erhob sich in die Lüfte. Während alle Augen voller Erstaunen auf den Adler gerichtet waren, sprang der Freigelassene, der sich in dem oberen Stockwerk befunden hatte, hinab und stellte sich unauffällig neben einen der Freigelassenen, die das Feuer entzündet hatten.


    Die Hitze nahm stetig zu, sodass sich die Anzünder rasch zurückziehen mussten. Die Auguren blickten jedoch dem Adler nach, der immer mehr an Höhe gewann und schließlich den Blicken entschwand. Er trug die Seele des Iulianus nun zu den Göttern hinauf.


    Nun konnte man sich wieder auf den Scheiterhaufen konzentrieren: Der darin versteckte Weihrauch begann nun, jenen betörenden und zugleich wohlriechenden Duft über das Marsfeld zu verströmen, mischte sich jedoch mit dem Rauch, der bei der Verbrennung von so viel Reisig, Holz und Stroh entstand. Es dauerte nicht lange, bis der Turm in sich zusammenbrach und eine gewaltige Hitzewelle über den Platz fegen ließ. Es würde wohl keine leichte Aufgabe werden, die Überreste des Kaisers aus der Asche zu bergen.

    Jeder Pontifex, jeder Flamen und jeder der anwesenden Vestalinnen unterstützte den Antrag des Rex Sacrorum (wie erwartet). Nachdem jeder einzeln befragt worden war, schloss der Rex Sacrorum daher:


    "Ich stelle fest, dass die Cooptatio des Pontifex Maximus eindeutig ist. Der Zustimmung der Sterblichen ist klar, nun brauchen wir die der Götter. Aus diesem Grund setze ich eine Inauguratio vor den Comitia Calata für den morgigen Tag an."


    Damit war der Tagesordnungspunkt auch schon abgehakt. Fabius Antistes erhob sich und löste die Sitzung auf. Morgen würden alle wieder vor der Curia Calabra auf dem Capitolium zusammentreten und die Inauguratio verfolgen.


    Zu Gratulieren gab es noch nichts - erst die Inauguratio bestimmte die Zulassung zum Amt. Es war jedoch jedem klar, dass es eigentlich keine andere Möglichkeit gab, als dass Valerianus von Iuppiter akzeptiert werden würde...




    Auf dem Capitol stand seit Urzeiten die Curia Calabra. Hier hatte man sich bereits in Zeiten der Könige versammelt, um als Comitia Calata durch einen Pontifex allmonatlich die Termine für die Nonen zu erfahren. Doch nicht nur das: Auch die Inaugurationen des Collegium Pontificium fanden üblicherweise hier statt.


    So war es auch an diesem Tag, dem Tag des Amtsantritts des Lucius Ulpius Aelianus Valerianus. Er würde heute zum Pontifex Maximus inauguriert werden, sofern es der Wille der Götter war. Die Comitia hatten sich in Form von 30 Liktoren versammelt. Jeder von ihnen stand für eine der römischen Curiae, jene uralten Einteilungen des Volkes.


    Auf den Stufen der Curia Calabra hingegen stand Fabius Antistes, Rex Sacrorum und höchster Priester der Stadt Rom, umgeben von den Auguren und einigen Pontifices. Mit Spannung wurde das Erscheinen des Kaisers erwartet...

    Als die Freigelassenen die Bahre übernommen hatten, wurde der Pro-Leichnam tatsächlich in den Turm gestellt, wobei einer der Freigelassenen versehentlich gegen eine Tonkanne aus Gallien stieß, welche daraufhin aus dem Türchen hinaus auf den Boden hinabfiel. Wäre man näher gestanden, hätte man wohl das Erröten des Mannes gesehen, doch so schien nichts die würdevolle Stimmung zu trüben. Die Freigelassenen gingen hinab und entfernten die Leiter. Nur einer blieb oben (wobei das kaum auffiel).


    Nun waren die Kaiser- und Heldendarsteller an der Reihe. Zu der noch immer spielenden getragenen Musik begannen sie, den Scheiterturm zu umkreisen. In einer traurigen Melodie sang ein Chor ein Lied, das von den Großtaten dieser Römer und zuletzt von denen des Iulianus sang. Unterdessen hatte sich die gesamte Masse der Schaulustigen versammelt - natürlich stets von den Senatoren in der ersten Reihe abgeschirmt und in sicherer Entfernung.


    Dann endlich erschienen vier Freigelassene erneut. Jeder von ihnen trug eine Fackel in der Hand. Eine wurde an Valerianus gereicht. Die übrigen drei postierten sich an allen Ecken des Türmchens.


    Ein wenig weiter entfernt hingegen trat das Collegium Augurum geschlossen vor. Sie alle hatten ihre Litui gezückt und die Häupter bedeckt. Heute würde es offensichtlich noch eine kultische Angelegenheit zu beobachten geben...

    Fabius Antistes redete gerade mit dem Flamen Dialis (das bedeutete, dass er auf ihn einredete, denn dem Flamen bereitete es Anstrengung, länger zu antworten), als der Augustus eintrat. Sofort kam der Rex Sacrorum ihm entgegen und begrüßte ihn überschwänglich. Er geleitete ihn daraufhin auf seiner Runde und stellte jeden Pontifex, jede Sacerdos Vestalis und jeden Flamen mit Namen vor. Dann wies er ihm seinen Platz und begab sich selbst auf den seinen. Er begann:


    "Hiermit eröffne ich die Contio Decima Tertia diesen Jahres."


    Er sah hinüber zu Valerius Mercurinus, seinem Schreiber, der in einer Ecke saß und alles protokollieren durfte. Die Anwesenheit wurde kontrolliert, wobei es augenscheinlich war, dass niemand fehlte (mit Ausnahme derjenigen, die außerhalb Roms in Staatsdiensten unterwegs waren).


    Endlich konnten die Anfangs-Zeremonien, die für eine solche Contio vonnöten waren, vollzogen werden. Schließlich kam man zum ersten und einzigen Tagesordnungspunkt der Sitzung:


    "Heute haben wir, das Collegium Pontificium, erneut die staatstragende Aufgabe, die wohl zu den nobelsten unserer Vereinigung gehört: Die Bestimmung unseres Oberhauptes, des Wahrers des Pax Deorum und Vorgesetzten aller Priester des Imperium Romanum.


    Seitdem unsere Ahnen Rom gründeten, war es stets nur den angesehensten Männern mit größter Auctoritas beschieden, dies heilige Amt zu bekleiden. Ich brauche euch keine Namen aufzählen - jeder von uns kennt sie! Zuletzt hat der ehrenwerte Imperator Caesar Augustus Lucius Ulpius Iulianus dieses Amt voller Würde bekleidet.


    Der hier anwesende Caius Ulpius Aelianus Valerianus hat sich aus diesem Grund um dieses Amt beworben. Ich selbst muss seine Kandidatur unterstützen, denn wer überragt ihn an Auctoritas? Wer ist besser geeignet als der Enkel eines Gottes, sich um den Frieden zwischen Menschen und Göttern zu kümmern?"


    Antistes blickte in die Runde. Niemand schien etwas einwenden zu wollen, was wohl in Anwesenheit des Kaisers auch eine kluge Entscheidung war.


    "Obschon ich es mir nicht vorzustellen vermag, stelle ich die Frage dennoch: Hat irgendjemand von einer weiteren Kandidatur gehört?"


    Selbstverständlich meldete sich auch hier niemand zu Wort und der Fabier ließ sowieso nur wenige Sekunden Zeit. Stattdessen fuhr er rasch fort (ob er heute noch eine Verabredung hatte?).


    "Keine? Gut. Dann können wir ja direkt zur Abstimmung treten. Möge jeder seine Sententia abgeben!"


    Damit blickte er neben sich zum Flamen Dialis, der in seinen Stuhl zusammengesunken dasaß und etwas verwirrt aufblickte, als ihn alle ansahen. Mit schwacher Stimme meinte er dann


    "Ich unterstütze den Antrag."


    Als nächstes wurde der Flamen Quirinalis gefragt, dann der Flamen Martialis. Es folgten die Vestalinnen, angefangen bei der Virgo Vestalis Maxima, und dann erst die Pontifices. Als die beiden Dienstjüngsten kamen Tiberius Durus und Flavius Gracchus ziemlich am Ende.


    "Manius Tiberius Durus?"


    Nach der Antwort des Tiberiers war der Flavier an der Reihe.


    "Manius Flavius Gracchus?"


    Schlussendlich waren noch die Pontifices Minores zu befragen, dann würde das Ergebnis feststehen...




    Cn. Fabius Antistes Rex Sacrorum L. Claudio Bruto s.p.d.


    Deinem Wunsche wird stattzugeben. Du wirst in die Provinz Hispania entsendet. Der Tempel des Mercurius wird vorerst dein Haupteinsatzgebiet sein, doch scheue nicht davor zurück, Claudius, auch in anderen Tempeln auszuhelfen, so dies erforderlich sein wird. Das Provinzkollegium wird dich entsprechend zuteilen und leiten.
    Eine baldestmögliche Abreise deinerseits ist gewünscht.



    Mögen die Unsterblichen dich behüten

    ANTE DIEM VI ID IUN DCCCLVIII A.U.C. (8.6.2008/105 n.Chr.)

    Dem Rex Sacrorum kam es zwar etwas seltsam vor, dass der Kaiser über die Gebräuche in Rom so schlecht informiert war, aber andererseits war er nun Ewigkeiten in der Provinz gewesen, wo er selbst die Riten bestimmen konnte, wie sie ihm passten.


    Mit einem Lächeln auf den Lippen meinte er


    "Du kannst dich auf uns verlassen!"


    Es folgte ein kürzeres Gespräch über Religion im Allgemeinen und kultischen Pflichten des Pontifex Maximus im Besonderen, damit Valerianus auch wusste, auf was er sich da einließ...




    Nach der Laudatio Funebris, die den Kaiser offensichtlich ziemlich anstrengte, erklang der Chor aus Knaben und Frauen erneut, während die Senatoren wieder an das Leichenbett gebeten wurden. Während die Kaiser-Darsteller wieder ihre Pferde und Wägen bestiegen, wurde das Bett auf die Schultern gehoben.


    Der Zug setzte sich in gewohnter Ordnung in Richtung Via Flaminia fort. Der Klang der Klageweiber, begleitet von den dumpfen Tönen der Hörner, hallte von den hohen Mauern links und rechts der breiten Straße wider, bis man das Pomerium verließ. Endlich schwenkte der Zug auf das Marsfeld hinüber. Als der Zug aus den Häusern auf den freien Platz des Campus Martius hinaustrat, staunten viele erneut nicht schlecht:


    Zwischen den Thermen des Nero und dem Stagnum Agrippa hatte man ein gewaltiges Holzgerüst errichtet. Ein Turm ragte in die Höhe, unten mit Reisig gefüllt, darüber eine kleine Kammer mit Öffnungen nach allen Seiten. Ganz oben befand sich noch einmal eine kleine Kammer, sodass das ganze Gebilde wie der Leuchtturm von Pharos wirkte. Die untere Abteilung war mit purpur- und golddurchwirkten Decken behängt, in der mittleren Kammer hatte man den Boden bereits mit Weihrauch ausgelegt. Außerdem waren Gaben aus allen Provinzen des Reiches hineingelegt worden: Pelze aus Germanien, Geschirr aus Gallien, Wein aus Hispania, Gold aus Thracia, Getreide aus Aegyptus und vieles mehr. Jeder Statthalter hatte etwas als Abschiedsgeschenk für den Kaiser geschickt. In diese Kammer würde allerdings auch das Bett des Kaisers hineingestellt werden, um dann das ganze Gebilde zu entzünden.


    Um den Kaiser dorthin zu bringen, hatte man eine Art steile Treppe errichtet. Da dort jedoch kaum die ganze Senatorenschar hinauf konnte, standen bereits kräftige kaiserliche Freigelassene bereit, um das Bett in die Höhe zu bringen.


    Kaum hatte die Prozession den Platz erreicht, begannen die Kaiser- und Heldendarsteller, sich rund um den Scheiterturm (einen Haufen konnte man das kaum nennen) zu verteilen. Auch viele Schaulustige waren erschienen, um zu sehen, ob der Geist des Kaisers tatsächlich in Form eines Adlers in den Himmel aufsteigen würde...

    Cn. Fabius Antistes Rex Sacrorum M' Flavio Graccho Pontifici s.p.d.


    Das Collegium Pontificium tritt am Tage vor dem Beginn der Vestalia (6.6.2008/105 n. Chr.) in der Regia zusammen. Ich erwarte Dein Erscheinen, um über die Cooptatio des neuen Pontifex Maximus zu sprechen.



    Mögen die Unsterblichen Dich behüten

    PRIDIE NON IUN DCCCLVIII A.U.C. (4.6.2008/105 n.Chr.)