
Es dauerte ein wenig, bis alle Rinder zur Schlachtung bereit waren, so dass auch den Senatoren etwas Zeit gegeben war, sich ein wenig zu erfrischen, bevor der Herold wie bereits zu Beginn des Tages - vielen schien dies bereits eine halbe, wenn nicht gar ganze Ewigkeit her - seine Stimme erhob und die Anwesenden aufforderte zu schweigen - ein wenig überflüssig war dies, denn ohnehin war kaum einem der Senatoren nach Gespräch zumute.
"Favete linguis!"
dröhnte darob seine Stimme über den weiten Platz, womöglich über den tarpeischen Felsen hinaus noch über das Forum hin.
Fabius Antistes, der Rex Sacrorum, hatte sich auf die Stufen des kapitolinischen Tempels begeben und überblickte die zehn aufgereihten Rinder. Als er seine rechte Hand hob, streuten an den aufgestellten Altären junge ministri Hände voller Räucherung über die Kohlebecken und eine dichte Nebelwand erhob sich kurz zwischen den Senatoren und dem Tempel, wurde jedoch vom stetig über den Hügel ziehenden Wind alsbald wieder mit hinfort genommen. Aus den Nebelfetzen heraus erhob sich die Stimme des Rex Sacrorum.
"Götter des Imperium Romanum! Unsterbliche Ewige, endlos umfassende di immortales, gewährt uns die Gunst Eurer Aufmerksamkeit! Di consentes, Schirmherren unseres Volkes, Wahrer unseres Lebens, Euch gebührt unsere Sühne, wie den allgegenwärtigen Göttern, Überirdischen und Unterirdischen und all jenen in allen Welten dazwischen. Seht herab auf unsere Demut, seht herab auf die Anstrengung, die zu Eurem Wohle unternommen wurde! Jene Männer, welche den Staat Rom und sein Volk vertreten, bitten für den Staat Rom und sein Volk um Eure Vergebeng! Gewährt diesem Staate und seinem Volk, gewährt uns, unsterbliche Ewige, Eure Gunst und Euer Wohlwollen, verzeiht den begangenen Frevel und nehmt unsere Sühne, nehmt unsere Gaben im Gegenzug an. Diese zehn Rinder in all euren Farben, unter Aufwendung aller Kraft getragen auf den Schultern derjenigen Männer, welche Rom repräsentieren, um den heiligen Bezirk, Euer divines Heim herum, für Euch, Göttliche, jeden einzelnen, gemeinsam."
Während er sprach, wurden die Rinder durch hochrangige Priester mit mola salsa den Göttern, jedem einzelnen und allen gemeinsam, geweiht, die auf ihren Rücken liegenden Wolldecken wurden mit der begleitenden Geste des Opfermessers, welches von Kopf bis zum Schwanzansatz über den Rücken wurde gezogen, entfernt und neben jedes Rind trat ein Victimarius mit einem Opferbeil in der Hand, zur anderen Seite ein Popa mit einem malleus, dem Opferhammer - gerade rechtzeitig, denn einer der weißen Ochsen begann langsam zu schwanken und den Anschein zu erwecken als würde all dies er nicht mehr sonderlich lange mitmachen.
"Age!"
donnerte die Aufforderung Fabius Antistes' über das Kapitol hinweg, und zehn Hämmer rauschten auf zehn Rinderschädel hinab, berührten zehn Rinderschädel und ließen in zehn Rinderschädeln mehr oder minder in gleichem Moment die Lichter ausgehen, während zehn Äxte von anderer Seite her nur Herzschläge später in zehn Rinderkehlen einschlugen, noch ehe die dazugehörigen zehn Rinder gänzlich zu Boden gesunken waren. Neun Rinder kippten zum Tempel hin, eines zu den Senatoren - es war dies einer der weißen Ochsen. Dickflüssig und rotfarben rann das Blut aus den großen Leibern über das Pflaster, während schon die Schlachter an den Rindern sich zu schaffen machten, um ihre Bäuche aufzuschlitzen und die vitalia daraus hervor zu holen. Obgleich bei ein oder zwei kleineren Makeln durchaus ein oder auch zwei Augen würden zugedrückt werden können, so hoffte Fabius Antistes, dass sich kein auffälliger Makel würde finden, denn eine schwarze Leber oder schlimmer noch ein schwarzes Herz - wobei Fabius bezweifelte, dass allzu viele Senatoren zu diesem Zeitpunkt auf die Entfernung noch den Unterschied zwischen einem frischen Herz und einer frischen Leber würden ausmachen können - würde kaum unbemerkt bleiben.

