Im Hintergrund der schönen Proserpina erloschen die Flammen der Fackeln, hinterließen nur Dunkelheit. Kurz darauf wurde das blaufarbene Tuch wieder empor gezogen, so dass das Bühnenbild erneut geschlossen war. Die Schöne indes stand vorn am Rande der Bühne, blickte zum römischen Himmel empor. "Ruhst du noch oben auf deinem goldenen Stuhle, zu dem du mich Kleine so oft mit Freundlichkeit aufhobst, in deinen Händen mich scherzend gegen den endlosen Himmel schwenktest, daß ich kindisch droben zu verschweben bebte? Bist du's noch, Vater? – nicht zu deinem Haupte in dem ewigen Blau des feuerdurchwebten Himmels, hier! Hier!– –"
"Ja, hier! Ich komme, Püppchen, ich komme!" Trunken vor Wein drängte Pintelus durch die Zuschauer, stieß ein um den anderen bei Seite, besessen vom Anblick der Schönen, welche so drängend nach ihm verlangte. Längst hatte er Ragettix abgehängt, welcher mit seinem schmächtigen Leib nur halb so überzeugend durch die Passanten schiffte.
"Leite sie her! Daß ich auf mit ihr aus diesem Kerker fahre! Daß mir Phöbus wieder seine lieben Strahlen bringe, Luna wieder aus den Silberlocken lächle! O, du hörst mich, freundlichlieber Vater, wirst mich wieder, wieder aufwärts heben; Daß, befreit von langer, schwerer Plage, ich an deinem Himmel wieder mich ergetze! Letze dich, verzagtes Herz! Ach! Hoffnung! Hoffnung gießt in Sturmnacht Morgenröte! Dieser Boden ist nicht Fels, nicht Moos mehr; Diese Berge nicht voll schwarzen Grauses! Ach, hier find ich wieder eine Blume!" Geschmeidig beugte Proserpina sich hinab und als sie sich wieder erhob hielt sie eine kleine Blume in Händen. Einige Zuschauer applaudierten ob des gelungenen kleinen Zaubers.
"Dieses welke Blatt, es lebt noch, harrt noch, daß ich seiner mich erfreue!" Sie drehte sich zum schemenhaften Baume hin und erstarrte. "Seltsam! Seltsam!" In einer fließenden Bewegung hob sich ihre Hand, streckte sich ihr Arm.
"Nein! Nicht! Verzweifel nicht!" Endlich war Pintelus am Rande der Bühne angelangt, erklomm eilig die nur wenige passus erhöhten Bretter. "Hier bin ich! Ich hab dich gefunden! Ich werd' dich retten, Püppchen! Komm zu mir, komm zu mir!" Er lachte rau und schien nicht im Mindesten sich bewusst, dass er das Stück ruinierte. Einige Zuschauer begannen zu lachen, andere feuerten Pintelus an.
"Was ist da vorne los, Kynastos?" flüsterte eine Stimme laut hörbar hinter dem Vorhang, merklich tiefer nun als noch zuvor der Ceres zugehörig, doch eindeutig die selbe.
Ungnädig blickte die schöne Proserpina dem kahlen Pintelus in die Augen und zischte boshaft. "Du ruinierst das Stück, Trunkelbold. Verzieh' dich!"
"Aber ich rette dich! Was jammerst du die ganze Zeit, wenn du nicht in meinem Bett landen willst, Püppchen?" Er kam bedrohlich näher, so dass einige ehrbare Bürger schon der schönen Proserpina zu Hilfe wollten eilen. Diese jedoch hob nur ihre Hand und winkte ihnen ab. Mit einem Satz war Pintelus bei ihr, atmete seine Alkoholfahne ihr ins Gesicht, so dass sie dieses zu einer leidenden Fratze verzog, legte einen Arm um ihren Rücken, mit der anderen Hand zog er den Saum ihrer Tunika ein wenig empor. Fröhlich johlten einige Männer im Hintergrund, denn ein zotiges Possenspiel war ihnen ohnehin viel angenehmer denn jene Darbietung der Göttergeschichten ohne Beischlaf und Gewalt. Stück um Stück wanderte Pintelus' Hand an der schönen Proserpinas Schenkel entlang, bis dort er angelangt war, wo zu enden er hoffte.
Pintelus' Gesicht erstarrte, hastig zog er seine Hände zurück, stolperte einige Schritte rückwärts. Jegliche Farbe verließ sein Antlitz, warf das maliziöse Lächeln der schönen Proserpina nur matt zurück. "Idiot", ließ jene mit dunkler Männerstimme vernehmen, holte aus und traf mit ihrer nun gar nicht mehr zierlich erscheinenden Faust präzise auf das Kinn des Pintelus'. Der Störenfried schwankte, dann fiel er wie ein gefällter Baum in die Menge der Zuschauer, wo lachend er wurde aufgefangen. Benommen blinzelte er in die Augen Ragettix', welcher noch immer nicht begriffen hatte, was geschehen war.
"Alles in Ordnung?" fragte ein nun am Rande der Bühne erscheinendes, kantiges Gesicht.
"Alles bestens" entgegnete die schöne Proserpina, nun wieder in wohl klingenden Mezzosopran gehüllt. "Wir können fortfahren. Oder möchte hier noch irgendwer sich von meiner Jungfräulichkeit überzeugen?" Sie blickte milde lächelnd zu den Zuschauern hin, welche vorwiegend mit Gelächter ihr antworteten.