Opferung, das ist sein Stichwort. Mit hoch erhobenem Haupt und empor gereckter Nase tritt der Sacerdos Sanquinius Sacrativir hinter den eigens im Atrium errichteten Altar und tunkt seine Hände in die Schüssel mit kaltem Wasser, um sie zu reinigen und bedeckt sein Haupt mit einem Zipfel seiner Toga. Dann nimmt er einen Pinsel aus Ochsenhaar, tunkt den ebenfalls ins Wasser und bespritzt damit zuerst das Brautpaar und dann auch die Gäste, um sie symbolisch zu reinigen.
Vor dem Opfer steht die Leberschau an. Aus der Küche bringt eine Sklavin mit ausladendem Hüftschwung eine silberne Schüssel, auf der die Leber eines am Morgen geschlachteten Schafs bereit liegt. Natürlich sieht sie von Außen unversehrt aus, denn wenn sie das nicht getan hätte, dann wäre eben ein anderes Schaf geschlachtet worden, so lange, bis eine makellose Leber zu Tage getreten wäre. Aber das ist gar nicht nötig gewesen. Sanquinius Sacrativir beugt sich über die Schale, dreht und wendet, beschaut und betastet die Leber und murmelt dabei unverständliches Zeug, bis er schließlich aufschaut und seine Hände in der Schüssel reinigt.
"Die Häuser sind rein, des Organ makellos von Kopf bis Gegenwart, kein Einspruch wird gegen eure Verbindung erhoben."
Nach dem Einholen der allgemeinen Zustimmung folgt nun das Opfer mit den konkreten Bitten. Nachdem der Sacerdos sich die Hände an einem hellen Tuch gereinigt hat, nimmt er von einer Sklavin die Schale mit Kohlen entgegen und platziert sie auf dem foculus vor den kleinen Statuen der Götter Iuno, Tellus, Ceres, Pilumnus und Picumnus. Sacrativir streut Weihrauch über die Kohlen und nachdem der helle Rauch sich im Raum verteilt hat, nimmt er den ersten Opferkuchen, um ihn Iuno zu offerieren.
"Mutter Iuno, ich bitte Dich, durch diesen Dir vorzusetzenden Kuchen, mit guten Bitten, dass Du wohlgesonnen, gnädig seist diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Du dieses Paar segnest und ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deinen Schutz gewährst."
Er legt den Kuchen auf dem foculus ab und nimmt den zweiten Opferkuchen auf.
"Mutter Tellus, ich bitte Dich, durch diesen Dir vorzusetzenden Opferkuchen, mit guten Bitten, dass Du wohlgesonnen, gnädig seist diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Du ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deine nährende Kraft und Fruchtbarkeit gewährst."
Auch dieser Kuchen findet seinen Platz auf dem foculus, ein weiterer folgt.
"Mutter Ceres, ich bitte Dich, durch diesen Dir vorzusetzenden Opferkuchen, mit guten Bitten, dass Du wohlgesonnen, gnädig seist diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Du ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deine reifende Kraft und Wachstum gewährst."
Nachdem der Ceres ihr Opferkuchen offeriert wurde, nimmt der Sacerdos zwei kleinere Kuchen in die Hand.
"Pilumnus und Picumnus, ich bitte Euch, durch diese Euch vorzusetzenden Opferkuchen, mit guten Bitten, dass Ihr wohlgesonnen, gnädig seid diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Ihr ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Eure nährende und schützende Kraft gewährt."
Sanquinius Sacrativir bringt die beiden Kuchen dar und wendet sich dann nach rechts zum Opferaltar.
Ein Sklave führt ein mit etwas Kalk nachgeweißtes Schwein heran. Um das Kopf des Tieres sind locker rote und weiße Binden gelegt, über den Rücken liegt ein breites Wollband.
"Mutter Iuno, ich bitte Dich, durch dieses Tier, mit guten Bitten, dass Du wohlgesonnen, gnädig seist diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Du dieses Paar segnest und ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deinen Schutz gewährst."
Nachdem noch einmal die rituelle Bitte an Iuno gesprochen ist, wird das Schwein von seinem Schmuck befreit und mit der mola salsa und etwas Wein der Göttin geweiht. Sacrativir zückt das Opfermesser, streicht mit der stumpfen Seite über den Rücken des Schweines. Anschließend gibt er es an einen jungen Mann weiter, den ihn begleitenden Popa, der nach der entsprechenden Aufforderung das Messer in einer raschen Bewegung in die Kehle des Tieres sticht. Eilig springt die bereitstehende Sklavin mit der Schüssel herbei muss, um das Blut aufzufangen. Bald ist die Opferschale gefüllt, das restliche Blut fließt reichlich über den Boden der Casa.
Als das Tier ausgeblutet ist, kniet sich der Popa daneben und zieht das Messer über den Bauch des Schweines. Sorgsam schneidet er die Eingeweide aus dem Tier und gibt sie in die patera, welche die Sklavin ihm anreicht und danach vor den Sacerdos Sanquinius Sacrativir auf den Altar stellt. Dieser beschaut sie sich sorgfältig, um zu Prüfen, ob Iuno dem Paar ihren Segen gibt.
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