Beiträge von Narrator Italiae

    Ocella nickte, während er wieder das parfümierte Taschentuch vor seiner Nase hielt und den Praefectus Praetorio bei seinem Weg aus der Hinrichtungsstätte hinaus begleitete. "Dein Wort ins Iuppiters Gehörgang, Praefectus. Bezüglich der sterblichen Überreste der Delinquenten würde ich sagen, dass wir es so handhaben wie immer." Der letzte Satz war eigentlich unnötig, denn darauf hatte der Magistrat ohnehin kaum einen Einfluss. "Meine Arbeit hier in der Castra ist für heute getan, ich möchte dich nicht weiter von deiner Arbeit abhalten und ich habe selbst sonst noch etliche Pflichten zu erledigen. Mögen dich die Götter auf deinem weiteren Lebensweg begleiten, vale bene." Mit diesen Worten verabschiedete sich der Magistrat vom Praefectus Praetorio.

    Einer der Gerichtsschreiber, die auf Geheiß des Prätors jedes Wort im Verlauf eines Prozesses mitschreiben müssen (was dem Prätor eine Unsumme kostete, schon alleine der Schreibunterlagen wegen), fing schon zu stöhnen an, weil der Senator so lange und so viel sprach. Der Prätor hatte jedoch wenig Mitleid und gönnte dem Schreiber natürlich keine Pause.


    "Tribunus, was möchtest du darauf erwidern?"

    Der Prätor, der wie immer herumkritzelte, konnte eine runzelnde Stirn ob der Worte seines Senatskollegen nicht vermeiden.


    "Die Frage, ob das Gericht oder meine Wenigkeit rechtlich urteilen kann, solltest du dem Gericht selber überlassen, werter Kollege." Er legte seinen Griffel weg, lehnte sich zurück und sah die beiden illusionslos an. "Meine Herren, ihr wisst beide, dass jetzt nach einer gütlichen Einigung gesucht wird. Allerdings werde ich sicher nicht das Glück haben, jetzt eine solche zu sehen?"

    Opimius Naso, der Magister Septemvires höchstpersönlich, hatte an diesem Tag die zweifelhafte Ehre, die Probatio Rerum Sacrarum selbst abzunehmen. Alle anderen Septemvires hatten sich entschuldigen lassen oder irgendwelche Aufgaben vorgeschoben. Daher erschien er höchstselbst im Prüfungsraum der Schola Atheniensis, zusammen mit einer Mappe von Prüfungsbögen.




    Dies schien wohl nicht der Fall zu sein, also nickte der Tresvir seinem Sklaven zu, der wie vorher das Seidentuch um den Hals des Pompeius legte und sich gefühllos ans Werk machte. Für ihn, Endymion, war dieser hier genauso ein Delinquent wie jeder andere, er dachte zwar, dass es bei diesem hier etwas Besonderes sein müsste, da sein Herr in den letzten Tagen ständig davon geredet hatte, doch im Grunde war es genau gleich. Seine Muskeln spannten sich immer mehr an, als er die Schnur zuzog, und der kleine Schweißfilm, der noch vom letzten Mal auf der Haut des Sklaven lag, verdichtete sich nun zu kleinen, fast unmerklichen Bächen.


    Etliche Augenblicke später war auch dieses Urteil vollstreckt. Und wiederum beugte sich der Tresvir nach dem wortlosen Nicken des Sklaven über den Leichnam, wiederum darauf bedacht, den toten Körper nicht zu berühren, und kontrollierte, ob der Delinquent tatsächlich nicht mehr am Leben war. Doch Endymion hatte seine Arbeit gut verrichtet, es gab nichts zu beanstanden.


    "Auch der hier weilt nicht mehr unter den Lebenden, für ihn gilt das gleiche wie für den anderen." sagte er zum Praefectus Praetorio.

    Die Prätoren hatten noch einen kleinen Schwatz gehalten, bis der Gerichtssaal sich gefüllt hatte und dabei ihren Becher geleert, der von den Sklaven eiligst wieder gefüllt wurde. Dann aber nahm der Prätor Urbanus seine Wachstafel und seinen Stilus und machte dem Gerichtsscriba ein Zeichen, auf dass dieser zur Ruhe mahnte, was dieser auch sofort tat. Der Prätor wartete noch zwei, drei Augenblicke, dann erhob er mit einer gewissen professionellen Lässigkeit seine Stimme.


    "Welchen Fall haben wir da? Ahja, Tiberius Vitamalacus gegen den Praefectus Urbi. Na bitte, die Vertreter Parteien sind schon da und haben sich personell nicht verändert, dann können wir ja beginnen. Bitte schön, die klagende Partei hat das Wort."

    "Soweit mit bekannt ist, wurde keine Kontrolle durchgeführt. Allerdings wird dies auch nicht hier vermerkt und ich kann daher nur auf meine eigene Erinnerung zurückgreifen. Ob in Anwesenheit meiner Kollegen schon einmal die Zahlungen überprüft wurden, kann ich nicht sagen."

    Der Rex Sacrorum hatte gerade ein kleines Nickerchen gemacht, als sein Scriba eintrat und die frohe Kunde überbrachte. Er lächelte zufrieden und setzte sich auf.


    "Hmnein, ich muss dir noch einen Brief für den Pontifex Maximus diktieren."


    Er lehnte sich zurück, wartete bis Mercurinus an seinem Schreiberpult Platz genommen hatte und begann dann, seinem Disziplinarvorgesetzten einen längeren Brief zu schreiben...oder besser: Ihn zu diktieren.




    Ein Scriba des Gerichtes stellte sich in Positur und brüllte:


    Hiermit wird die Hauptverhandlung in der Sache "Quintus Tiberius Vitamalacus vs. Edictum Praefectus Urbi eröffnet.


    Das verhandelnde Iudicium Minor besteht aus den ehrenwerten Senatoren Praetor Urbanus Manius Ateius Crassus und Praetor Peregrinus Lucius Epidius Trabea.



    Quintus Tiberius Vitamalacus ficht folgendes Edict an, welches am ANTE DIEM XVI KAL SEP DCCCLVII A.U.C. (17.8.2007/104 n.Chr.) vom Praefectus Urbi Gaius Octavius Victor verhängt wurde.


    EDICTI PRAEFECTUS URBI
    ANTE DIEM XVI KAL SEP DCCCLVII A.U.C. (17.8.2007/104 n.Chr.)



    SANCTIO


    Gegen Quintus Tiberius Vitamalacus

    wird nach §3 Absatz 5 der Lex Mercatus eine Geldstrafe in Höhe von 2845.60 Sz verhängt. Des Weiteren wird o.g. Senator aufgefordert seinen Betrieb Lignarius Hispania Carthagae Nova Q.Tiberius Vitamalacus unverzüglich abzugeben, zu veräußern, oder aufzulösen.


    Zusatz: Da o.g. Senator sich zur Zeit im Felde befindet wird der Vollzug des Edictes bis zu seiner Rückkehr oder der Entsendung eines Bevollmächtigten aufgeschoben.




    Als der Scriba geendigt hatte, erschienen die beiden Prätoren, setzen sich auf ihre Stühle und ließen sich je einen Becher verdünnten Weines geben.

    Man hatte sich trotz einiger Widerstände für Manius Tiberius Durus entschieden. Obwohl der Flamen Quirinalis nicht sehr begeistert war, hatten andere Stimmen ihn ausgewählt.
    Bei Flavius Gracchus war die Wahl einfacher gefallen. Er stammte aus tadelloser Familie, war standesgemäß verheiratet - einzig der Senatssitz fehlte ihm, um ihn zum idealen Kandidaten zu machen.


    Da es jedoch sinnvoll war, nicht über die Köpfe genannter Herren hinweg zu entscheiden, beschloss man, den fleißigen Scriba loszuschicken. So ging Fabius Antistes nach der Sitzung direkt zu Mercurinus.


    "Valerius, du wirst beide Kandidaten besuchen. Entrichte ihnen unsere Grüße. Ich werde dir ein Schreiben mitgeben, das du ihnen überreichst. Aber du wirst auch gleich die Antwort mitnehmen."


    Immerhin war es eindrucksvoller, einen Brief vom Rex Sacrorum zu erhalten als einen geschwätzigen Scriba geschickt zu bekommen, der die Plätze mündlich anpries.

    Ein Bote von der Basilica Ulpia kam des Weges und gab einen Brief ab. Zu spät? Schon möglich.


    Anzeige


    Hiermit wird Anzeige gegen Medicus Germanicus Avarus gemäß Cod Iur § 24 Abs. 2 erstattet.


    Medicus Germanicus Avarus ist im Besitz einer Bäckerei sowie eines Architekturbüros, beides Betriebe, die er nach Lex Merc § 3 Abs. 5 nicht besitzen dürfte.


    Die Anzeige wird erstattet von Tiberius Caecilius Metellus.


    Der Prätor hat die Erste Anhörung auf ANTE DIEM XI KAL OCT DCCCLVII A.U.C. (21.9.2007/104 n.Chr.) festgesetzt.

    In der Zwischenzeit kontrollierte Ocella die Seidenschnur auf mögliche Risse, die eine ordnungsgemäße Handhabung erschweren oder gar unmöglich machten. Er fand jedoch kein solchen, also gab er die Seidenschnur dem Sklaven zurück und wartete auf den nächsten Delinquenten, der jedoch schon bald von zwei Prätorianern hergebracht und auf den Stuhl in der Mitte des Raumes gesetzt wurde. Mittlerweile war der Gestank sogar akzeptabel geworden, zumindest einigermaßen, die menschliche Nase gewöhnte sich tatsächlich an fast alles.


    Als der Delinquent auf dem Stuhl saß, wartete Ocella noch einen Moment, dann erhob er seine Stimme und hielt seine Ansprache, die er so oder so ähnlich bereits vor etlichen Augenblicken hielt. "Decimus Pompeius Strabo, du wurdest von einem ordentlichen Gericht wegen Hochverrats zum Tode durch Erdrosseln verurteilt, welches noch in dieser Stunde vollstreckt wird. Dein Henker hier wird dabei ein Seidentuch um deinen Hals legen und dich durch Zuziehung dessen vom Leben zu Tode befördern. Wehrst du dich nicht, dann wird - mit einigem Glück - dein Genick brechen und dein Leiden wird ein kurzes sein. Widersetzt du dich aber, so wirst du langsam und qualvoll ersticken. Es liegt also ganz bei dir. Du hast nun die Möglichkeit, ein letztes Gebet oder ein paar letzte Worte zu sprechen."


    Man könnte glauben, dass Ocella diesen Spruch einstudiert hatte. Allerdings hatte er schon so viele Hinrichtungen überwacht, dass er besagten Spruch vermutlich auch in der Nacht im Schlafe aufsagen konnte.