Beiträge von Narrator Italiae

    Lucius Praetonius Chairedemos

    http://www.imperiumromanum.net…misc/ava_galerie/cato.jpg Zuletzt griff Chairedemos nach den Keksen und legte sie zu dem noch immer dampfenden Weihrauch.
    "Die Natur der Dinge bedarf der Speise, um den Schmerz fern zu halten und die Lust zu wahren. Wir ehren dich mit diesem Brot, das in seiner Einfachheit den Hunger stillt. Stille auch unseren Hunger nach Weisheit!"
    Diesmal wurde nichts weitergereicht. Stattdessen wartete der Philosoph eine Weile, bis die kleinen Kekse komplett schwarz waren und sich ein unangenehmer Geruch von Verbranntem unter den Weihrauchduft mischte. Dann drehte er sich nach rechts um und sah in die Augen seiner Jünger.
    "Als Zeichen der Hingabe an die Lehre unseres Meisters steht es nun jedem frei, eine kleine Opferspende vor ihn niederzulegen. Danach wollen wir unseren Hunger stillen - den nach Weisheit und den, der unsere Mägen knurren lässt!"
    Er lächelte kurz und machte dann Platz für seine Schüler.


    Rabirius war der erste, der vor die Büste trat und ein kleines, verschlossenes Säckchen an den Fuß des Sockels legte.
    "Ich war reich und glaubte, mir Sicherheit kaufen zu können. Du hast mich geheilt und mir die wahre Arznei gegen die Furcht geschenkt!"
    erklärte er und trat wieder auf seinen Platz zurück. Stattdessen kam Neratia in die Mitte, in den Händen eine Spindel, die sie auf den Altar legte. Die Wolle um das Holz begann recht schnell zu glühen und brannte schließlich, bis sie ihre Erklärung vollendet hatte:
    "Früher war ich gefangen im Schaffen des Alltags. Deine Weisheit hat mir gezeigt, hinter die Dinge zu blicken!"
    Nun war Batis an der Reihe, die wie immer etwas schüchtern wirkte, als sie vortrat und ein Spielzeugpferd auf den Altar legte.
    "Ich war ein Kind und hatte keine Ahnung von der Welt. Du hast mich zum verständigen Erwachsenen erzogen!"
    piepste sie und huschte wieder zurück an ihren Platz. Als nächstes war Pythokles an der Reihe, der etwas ratlos dreinblickte und einfach eine Münze zum Geldsack von Rabirius legte. Er schien auch keinen geistvollen Gedanken dazu zu haben, denn wortlos ging er beiseite, um Philodemos Platz zu machen. Der hob etwas in die Höhe, das aussah wie ein Haarbüschel. Als er ihn in die brennende Spindel rieseln ließ, verglühte er, bevor er die Flammen berührt hatte. Wer eine aufmerksame Nase hatte, würde erkennen, dass es tatsächlich verbranntes Haar war.
    "Früher glaubte ich, der Sinn meines Lebens wäre die kurze Lust bei einer Frau! Du hast mir gezeigt, was wahre Lust ist!"
    erklärte er geradezu stolz und warf einen unauffälligen, aber erwartungsvollen Blick auf Chairedemos, der ihn aber gar nicht wahrzunehmen schien. Dann war Raum für die neuen Schüler, eine kleine Gabe dazuzulegen - falls sie spontan etwas improvisieren konnten...

    Lucius Praetonius Chairedemos

    http://www.imperiumromanum.net…misc/ava_galerie/cato.jpg Damit begann der eine Sklave, die Flöte anzustimmen, während sein Kollege kurz darauf mit einem Tablett erschien, auf der er ein Schälchen Weihrauch, eine Weinkanne und ein Tellerchen mit Opferkeksen balancierte.
    Mit ernster Miene griff Chairedemos nach einem Häufchen bunter Weihrauchkörner und legte sie in die Mitte des Altars. Süßlicher Duft verbreitete sich und Rauch stieg an die Decke des Speisezimmers, während der Lehrer die Hände zum Gebet hob:
    "Großer Epikur, unser Erlöser!
    Die lebendige Kraft deines Verstandes überwand die flammenden Festungen der Welt,
    ging weit über sie hinaus und durchquerte in Sinn und Geist das grenzenlose Ganze!
    Deine Klugheit überwand die Irrtümer der Schwätzer, Deine Studien machten Dich weise und ruhig!
    Weisheit strömte aus deinem Mund, Freundschaft umhegte Deinen Garten!
    Dort schufst Du Weise wie Dich, deren Namen noch heute unter Deinen Jüngern erklingen:
    Meoikeus, Hermarchos, Polystratos, Dionysios und Basileides und viele weitere,
    die Deine Offenbarung, dieses Heilmittel der Seele, auf uns brachten!


    Du öffnest uns auch heute die Augen und heilst unsere Blindheit,
    aufdass wir die Welt schauen, wie sie in Wahrheit besteht!
    Deine Therapie nimmt uns die Furcht vor dem Schicksal, den Göttern, ja selbst dem Tode
    und schenkt uns Seelenruhe und Frieden, was immer geschieht!
    Dafür ehren wir Dich heute, da sich der Tag jährt, da Du in diese Welt getreten bist!
    Gemäß Deinem Vermächtnis versammeln wir uns, um für unsere Rettung zu danken!


    In der Schau Deiner erhabenen Weisheit sehen wir, wie ein Mensch den unsterblichen Göttern gleich wurde.
    Wie sie erreichtest Du die Ataraxie, unbewegt von Aufwallungen des Gemüts, von Trauer oder Freude, von Schmerz oder Krankheit.
    Um dir gleichzukommen, ehren wir dein Andenken und bringen deiner Erhabenheit Opfer dar!"

    Nun nahm er die Kanne und goss Wein in einen reich verzierten Becher, den er schließlich auf den Boden vor dem Altar leerte.
    "Dich ehren wir mit diesem Wein, dem Zeichen der Freude und Lust! Lass uns trinken aus dem Becher der Erkenntnis!"
    Noch einmal goss er den Becher voll und stellte ihn wieder auf das Tablett. Dann nahm er einen tiefen Schluck und reichte ihn an seinen Nebenmann weiter. Auch die Schüler tranken nacheinander und gaben ihn schließlich auch an die neuen weiter, die ebenfalls trinken durften.

    Lucius Praetonius Chairedemos

    http://www.imperiumromanum.net…misc/ava_galerie/cato.jpg Als sie sich diesmal in der Domus Amalfidii versammelten, war der Verlauf anders als sonst. Die Schüler wurden nicht in den Garten geführt, sondern in ein Triclinium, das reich geschmückt war. In der Mitte des Raumes stand auf einem Sockel eine vergoldete und umkränzte Büste Epikurs, rundherum waren Klinen verteilt. Zwei Sklaven standen bereit und reichten jedem der Eintretenden einen Kranz, wie ihn auch die schon anwesenden Schüler trugen.
    "Einen schönen Geburtstag des Epikur wünsche ich dir!"
    begrüßte Philodemos den ersten Gast.


    Kurz darauf erschien auch Chairedemos, der heute einen weißen Himation trug.
    "Chairete, meine lieben Freunde!"
    grüßte auch er die Ankommenden.
    "Heute ist ein besonderer Tag - ein Festtag, den die Schüler des Epikur schon feiern, seit er selbst seine Schule begründete! Deshalb wollen wir heute seinen Rat befolgen und uns heute ganz unbefangen der leiblichen Lust zuwenden und das anstrengende Studieren ein wenig hinten anstellen. Unsere großherzigen Gönner haben auch in diesem Jahr ein wenig Geld gespendet, um uns bei Wein und Speisen eine bescheidene Freude zu gewähren.


    Freude bereitet es aber auch, unserem Lehrer und Meister zu danken, denn ohne ihn würden wir nicht wissen, was Glück und Weisheit bedeuten. Von Beginn an feierten die Schüler des Epikur diesen Freudentag deshalb mit einem Opfer für ihren Retter und Seelenarzt. Deshalb wollen auch wir den großen Epikur ehren und ihm ein bescheidenes Opfer darbringen, um unserem Dank Ausdruck zu verleihen."
    Scheinbar kannten die eingesessenen Schüler dieses Ritual bereits, denn sie holten sofort kleine Opfergaben hervor und begannen sich in einem Halbkreis um die Büste aufzustellen. Auch bei den beiden Sklaven des Hauses brach hektische Betriebsamkeit aus: Einer stellte einen transportablen, bereits entzündeten Klapp-Altar vor der Büste auf, der andere holte eine Doppelflöte.
    Der greise Praetonier positionierte sich direkt gegenüber seines Idols, drehte sich dann aber noch einmal zu den "neuen" Schülern um.
    "Auf, auf, gesellt euch zu uns! Auch ihr seid eingeladen, unseren Meister zu ehren und ihm, wenn ihr wollt, eine bescheidene Gabe darzubringen!"

    Sim-Off:

    Mit etwas Zeitverschiebung zu Alexandria, aber da der Gamelion ja dem Mondkalender folgt, müssen wir ja nicht so sklavisch am römischen Kalender kleben ;)

    Lucius Praetonius Chairedemos

    http://www.imperiumromanum.net…misc/ava_galerie/cato.jpg Chairedemos wartete eine ganze Weile auf eine Meldung - dann aber war es wieder der Tribun, der die Diskussion durch einen geistreichen Kommentar voranbrachte.
    "Nun, die Platoniker sind durchaus eine mögliche Stoßrichtung. Geradezu entgegengesetzt ist Epikurs Kanonik jedoch den Skeptikern, die der sinnlichen Wahrnehmung prinzipiell misstrauen."
    löste er dann auf, worauf er eigentlich hinausgewollt hatte.


    Um dies zu begründen, lieferte der Decimer aber direkt die Steilvorlage:
    "Tatsächlich streiten die Gelehrten darüber, woher genau die Prolepsis stammt. Manche - wer Ciceros De natura deorum gelesen hat und sich an Velleius erinnert, wird zu dem Schluss kommen, dass sie von den platonischen Ideen nicht so weit entfernt sind. Anders als diese späteren Jünger wollte Epikur die Prolepsis aber wohl eher in Analogie zur Sprache bilden: Die Bezeichnungen der Sprache liefern und Vorbegriffe, an denen wir unsere Wahrnehmungen messen. Insofern wir die Sprache von unseren Eltern erlernen, lehren sie uns also auch automatisch die Vorbegriffe. Aber es ist genauso möglich, aus einem Zusammenwirken von Pathe und Aisthesis eigene Begriffe zu bilden oder die Prolepsis zu modifizieren, wenn sie mit unserem Wahrnehmen und Fühlen übereinstimmen - so wie wir zu dem Schluss kommen können, dass das, was mein Vater unter Gerechtigkeit oder Tugend oder Schiff verstand, sich in meiner Erfahrung als falsch oder nutzlos erweist."
    Er dachte noch einmal kurz über den Einwand Serapios nach, der römischer wohl nicht sein konnte. Aber eben auch ein wenig philosophiefeindlich, denn wenn man einfach alles unbesehen übernahm, brauchte man ja keine Philosophie.
    "Insofern wird man ohne Reflexion vermutlich einfach das übernehmen, was man gelernt hat und nicht weiter darüber reflektieren. Jedoch besteht auch die Möglichkeit, selbst darauf zu kommen, wie du es nennst.


    Ich denke, das genügt als Einführung in die Kanonik Epikurs, denn wie schon gesagt, stellt sie nur eine Vorbedingung für die eigentliche Seelenarznei dar, der wir uns ja zuwenden wollen. Wer sich intensiver damit beschäftigen möchte, für den hat Epikur uns ein ganzes Buch mit dem Titel "Über die Maßstäbe" hinterlassen, das man in jeder guten philosophischen Bibliothek findet. Etwa in der Trajansbibliothek auf dem Forum Ulpium."
    Noch einmal sah der Praetonier in die Runde - gab es weitere Fragen?

    Lucius Praetonius Chairedemos

    http://www.imperiumromanum.net…misc/ava_galerie/cato.jpg "Eine sehr gute Analogie!"
    lobte der Meister seinen gelehrigen Schüler, der dazu sogar seine Referenzen angegeben hatte - wie es ein guter Epikureer machte!
    "Epikur nennt die Gewissheiten prolepsis - Vorbegriffe. Auch sie entstehen aber, wie du schon sagtest, durch Sinneseindrücke, die aisthesis, die sich in der Erfahrung verfestigt. Beispiel für so eine prolepsis sind etwa Begriffe, beispielsweise Turm, Haus, Wand, Statue. Ebenso gehören aber auch abstrakte Begriffe, beispielsweise "Gerechtigkeit" dazu. Solche abstrakten Begriffe entstehen durch die aisthesis, die wir mit weiteren Sinneseindrücken kombinieren.
    Neben diesen zwei Kategorien der Erkenntnis gibt es aber noch eine dritte, die uns besonders bei der Beurteilung von Wahrnehmungen hilft, die Empfindungen - pathe. Denn jede aisthesis ruft in uns Lust oder Unlust hervor - die Wahrnehmung einer schönen Frau oder einer guten Rede mag uns Lust bereiten, der Schmerz einer Wunde dagegen Unlust.


    Basiert alles auf Wahrnehmungen, kann es natürlich auch zu Irrtümern kommen - etwa, wenn wir uns falsche Vorbegriffe bilden. Um diesen Irrtum zu belegen, kann aber nur wieder aus unseren Sinnen fließen. Was dagegen nicht mit den Sinnen oder mit zwingenden Schlüssen aus unseren Eindrücken - der antimartyresis - belegbar ist, kann nicht als wahr angenommen werden. Im Zweifelsfall müssen dann eben unterschiedliche Erklärungsansätze nebeneinander stehen bleiben, bis eine der Hypothesen durch neue Sinneseindrücke widerlegt werden kann.


    Weiß jemand, gegen welche Schule sich diese Vorstellung von Wahrheitserkenntnis vor allem richtet?"
    Er sah erwartungsvoll in die Runde.

    Lucius Praetonius Chairedemos

    http://www.imperiumromanum.net…misc/ava_galerie/cato.jpg Am folgenden Nachmittag war es wieder so weit: Wieder versammelten sich die Schüler um Praetonius Chairedemos, der es sich wie beim letzten Mal auf seinem Stein saß und jeden mit einem freundlichen Lächeln begrüßte.
    "Avete, meine lieben. Heute beginnen wir endlich mit der eigentliche Lehre des Epikur. Ihre Grundlage ist die Grundlage jeden philosophischen Systems: Wie kann ich die Wahrheit erkennen? Denn nichts geringeres sucht die Philosophie als die letztgültige Wahrheit, die über jeden Zweifel erhaben ist! Nicht umsonst spricht der Meister so abfällig über leere Meinungen, die unsere Welt überall bevölkern!


    Anders als andere Philosophen, die das reine Denken als Quelle der Welterkenntnis sehen oder die Erkenntnis ganz allgemein für unmöglich erachten, setzt Epikur bei der Wahrnehmung an. Aber wer sagt uns, dass das, was wir wahrnehmen, wahr ist?"
    Er lächelte wissend in die Runde.
    "Für die, die die Lehrsätze des Meisters fleißig studiert haben, ergibt sich hier natürlich ein signifikanter Vorteil!"
    Fragend sah er von einem Gesicht zum anderen.

    Lucius Praetonius Chairedemos

    http://www.imperiumromanum.net…misc/ava_galerie/cato.jpg "Offensichtlich nicht."
    bemerkte der Lehrer, als keiner der neuen Studenten sich äußerte. Dann machte er eine wegwerfende Handbewegung.
    "Aber ihr seid ja auch hier, um etwas über ihn zu lernen, nicht weil ihr bereits alles wisst. Und grundsätzlich genügt das, was ich euch berichtet habe, bereits recht gut als Einführung in sein Leben. Kommen wir also zu seiner Lehre, die ja ohnehin das Wissenswerteste an seiner Person ist:


    Unser Meister Epikur hinterließ uns eine überaus schlüssige Lehre, die er auch in zahlreichen Schriften entwickelte - ein Beispiel wäre etwa De re natura, die sich mit seiner Physik beschäftigt. Von besonderer Bedeutung sind allerdings seine vierzig Lehrsätze, die jeder Schüler seiner Lehre tief verinnerlichen sollte."
    Mit einem Lächeln blickte er auf seine innerste Runde seiner langjährigen Schüler.
    "Womöglich sollten wir gleich einmal erproben, ob meine engsten Freunde hier diese Empfehlung verinnerlicht haben. Also bitte: Zuerst das vierfache Heilmittel, Batis."
    Das Mädchen errötete ein wenig, begann dann aber in ihrer piepsigen Stimme loszulegen:
    "1. Ein glückliches und unvergängliches Wesen hat weder selbst Schwierigkeiten noch bereitet es einem anderen Schwierigkeiten. Daher hat es weder mit Zornesausbrüchen noch mit Zuneigung zu tun; denn alle Gefühle dieser Art sind Zeichen von Schwäche.
    2. Der Tod hat keine Bedeutung für uns; denn was sich aufgelöst hat, empfindet nichts; was aber nichts empfindet, hat keine Bedeutung für uns.
    3. Die Größe der Lust hat ihre Grenze in der Beseitigung allen Schmerzenden. So lange aber Lust empfunden wird, gibt es dort, wo sie empfunden wird, nichts, was weh tut oder traurig macht oder beides zusammen.
    4. Was schmerzt, spürt man nicht ununterbrochen im Fleisch; vielmehr ist der größte Schmerz nur von kurzer Dauer; der Schmerz aber, der die Lust im Fleisch kaum übersteigt, dauert nicht viele Tage lang. Lange andauernde Krankheiten gewähren mehr Lust im Fleisch als Schmerz.*
    "

    Zufrieden nickte Chairedemos und bemerkte
    "Fahren wir gleich fort, los, los. Philodemos? Pythokles?"
    Tatsächlich begannen die Schüler reihum die Lehrsätze weiter aufzusagen.
    "5. Es ist nicht möglich, lustvoll zu leben, ohne vernünftig, anständig und gerecht zu leben, und auch nicht vernünftig, anständig und gerecht, ohne lustvoll zu leben. Wem dies aber nicht möglich ist, der kann auch nicht lustvoll leben."
    "6. Damit man sicher sein konnte vor den Menschen, gab es das natürliche Gut der Herrschaft und des Königtums, mit dessen Hilfe man sich gegebenenfalls diese Sicherheit verschaffen konnte."
    "7. Berühmt und angesehen wollten manche Menschen werden, weil sie meinten, dass sie sich so die Sicherheit vor den Menschen verschaffen könnten. Wenn daher das Leben solcher Menschen sicher war, haben sie das natürliche Gut gewonnen. Wenn es aber nicht sicher war, besaßen sie nicht, wonach sie von Anfang an in Übereinstimmung mit ihrer eigenen Natur strebten."
    "8. Keine Lust ist an sich ein Übel. Aber alles, was bestimmte Lustempfindungen hervorruft, führt zu Störungen, die die Lustempfindungen um ein Vielfaches übersteigen."
    "9. Wenn alle Lust in Hinsicht auf Umfang und Dauer zusammengefasst werden könnte und dies im ganzen Organismus oder wenigstens in den wichtigsten Teilen des menschlichen Körpers möglich wäre, dann unterschieden sich die Lustempfindungen niemals von einander."
    "10. Wenn das, was die Lustempfindungen der Unersättlichen hervorruft, die Ängste des Nachdenkens über die Himmelserscheinungen, den Tod und die Schmerzen auflöste und außerdem die Grenze der Begierden und der Schmerzen zeigte, dann hätten wir überhaupt keinen Anlass, sie zu tadeln, wenn sie von überall her von Lustempfindungen erfüllt wären und von nirgendwo her Schmerzhaftes oder Leidbringendes erführen, was ja das Übel ist."
    "11. Wenn uns nicht die Vermutungen über die Himmelserscheinungen und die angstvollen Gedanken über den Tod, als ob er uns irgendetwas anginge, ferner die mangelnde Kenntnis der Grenzen von Schmerzen und Begierden belastete, brauchten wir keine Naturphilosophie."
    "12. Es wäre nicht möglich, die Angst in Zusammenhang mit den wichtigsten Dingen aufzulösen, wenn man nicht begriffen hätte, was die Natur des Ganzen ist, sondern in Angst vor allem lebte, was die Mythen erzählen; daher wäre es nicht möglich, ohne Naturphilosophie ungetrübte Freude zu genießen.
    Und Es nützte nichts, die Sicherheit - oh, das ist schon der dreizehnte Lehrsatz, aber egal - [/I]unter den Menschen herzustellen, während man noch Angst empfände vor den Vorgängen am Himmel und unter der Erde und überhaupt im unbegrenzten Universum.[/I]"

    Der Lehrer und die anderen Schüler lachten leise über den Übermut des Rabirius. Dann aber fuhren sie der Reihe nach weiter fort:
    "14. Wenn auch die Sicherheit vor den Menschen bis zu einem gewissen Grad... auf der Grundlage einer festgefügten Macht und auf der Grundlage guter wirtschaftlicher Verhältnisse gewährleistet ist, so erwächst doch die deutlichste Sicherheit aus der Ruhe und dem Rückzug vor den Leuten."
    "15. Der Reichtum unserer Natur ist begrenzt und leicht zu erwerben; aber der Reichtum an wertlosen Meinungen weitet sich aus ins Unendliche."
    "16. Nur in geringfügigen Angelegenheiten überfällt den Weisen ein Zufall; die wichtigsten und bedeutendsten Dinge hat die Vernunft geordnet, ordnet sie im Lauf des Lebens und wird sie ordnen."
    "17. Der Gerechte ist am wenigsten zu beunruhigen; der Ungerechte ist von größter Unruhe erfüllt."
    "18. Die Lust im Fleisch wird nicht mehr größer, wenn einmal der schmerzende Mangel beseitigt ist, sondern nur vielfältiger. Das Denken hat in Bezug auf die Lust seine Grenze erreicht, wenn man alles das genau klärt, was dem Denken die größten Ängste bereitete, und was verwandt damit ist."
    "19. Die unbegrenzte Zeit verschafft die gleiche Lust wie die begrenzte, wenn man die Grenzen der Lust mit der Vernunft abmisst."
    "20. Das Fleisch empfand die Grenzen der Lust als unbegrenzt; und nur die unbegrenzte Zeit konnte diese Lust erzeugen. Das Denken aber - nun, das Denken aber... - das den Einblick in das Ziel und die Grenze des Fleisches gewann"
    Batis errötete ein wenig, als sie einen Hänger hatte. Doch Chairedemos schien nicht beunruhigt, sondern ließ ihr einen Moment zum Nachdenken. Tatsächlich schien sie plötzlich eine Eingebung zu haben und fuhr mit leuchtenden Augen fort:
    "und die Ängste vor der Zukunft auflöste, begründete das vollkommene Leben, und wir brauchten die unbegrenzte Zeit nicht mehr; doch weder mied das Denken die Lust noch zog es sich zurück, sobald die Umstände den Abschied vom Leben erforderlich machten, als ob ihm etwas am besten Leben gefehlt hätte."
    "21. Wer die Grenzen des Lebens kennt, weiß, wie leicht das zu beschaffen ist, was den schmerzenden Mangel beseitigt und das ganze Leben vollkommen macht. Daher braucht er nichts von dem, was er nicht ohne Kampf bekommen kann."
    "22. Das tatsächlich existierende Ziel muss man ins Auge fassen und die ganze anschauliche Wirklichkeit, auf die wir unsere Meinungen beziehen; andernfalls wird alles voller Unsicherheit und Unruhe sein."
    "23. Wenn du gegen alle Wahrnehmungen kämpfst, wirst du keinen Maßstab haben, auf den du dich beziehen kannst, um jene Wahrnehmungen zu beurteilen, von denen du behauptest, dass sie falsch seien."
    "24. Wenn du irgendeine Wahrnehmung einfach verwirfst und nicht unterscheidest zwischen der Vermutung, die noch auf Bestätigung wartet, und dem, was bereits als Wahrnehmung und Empfindung und als ein umfassender, von einer Vorstellung geprägter Zugriff des Verstandes gegenwärtig ist, dann wirst du durch deine unbegründete Meinung auch die übrigen Wahrnehmungen durcheinander bringen und so jeden Beurteilungsmaßstab verlieren. Wenn du aber... aufgrund von Mutmaßungen sogar das, was noch auf Bestätigung wartet, und was nicht, insgesamt für gewiss erklärst, wirst du dich unweigerlich einer Täuschung aussetzen; denn du wirst jeden Zweifel bei jedem Urteil über richtig und nicht richtig zwangsläufig gelten lassen."
    "25. Wenn du nicht in jeder Situation all dein Handeln auf das Ziel beziehst, das dir die Natur vorgibt, sondern vorher abweichst, indem du Ablehnung und Zustimmung auf etwas anderes beziehst, werden bei dir die Taten nicht den Worten entsprechen."
    "26. Alle Begierden, die nicht zu einer Schmerzempfindung führen, wenn sie nicht befriedigt werden, sind nicht notwendig, sondern erzeugen ein Verlangen, das leicht zu vertreiben ist, wenn es sich erweist, dass sie auf schwer Beschaffbares oder gar Schädliches zielen."
    "27. Vor allem, was die Weisheit für die Glückseligkeit des ganzen Lebens bereitstellt, ist der Gewinn der Freundschaft das bei weitem Wichtigste."
    "28. Dieselbe Erkenntnis brachte uns die Gewissheit, dass nichts Furchtbares ewig oder lange Zeit dauert, und ließ uns erkennen, dass die Sicherheit gerade unter schwierigen Bedingungen vor allem durch Freundschaft gewährleistet ist."
    Es schien, als würde es ewig so weitergehen. Doch bisher hatten die Mitphilosophen offensichtlich kaum Mühen, die Worte des Epikur fehlerfrei vorzutragen:
    "29. Die Begierden sind teils natürlich und notwendig, teils natürlich und nicht notwendig, teils weder natürlich noch notwendig, sondern durch leere Meinung begründet."
    "30. Die natürlichen Begierden, die keine Schmerzen verursachen, wenn sie nicht befriedigt werden, obwohl das angespannte Bemühen um Befriedigung erhalten bleibt, entstehen aus einer leeren Meinung; und wenn sie nicht beseitigt werden können, dann liegt es nicht an ihrer eigenen Natur, sondern an der Neigung des Menschen zu leeren Meinungen."
    "31. Für alle Lebewesen, die nicht in der Lage waren, Verträge darüber abzuschließen, sich nicht gegenseitig zu schädigen oder schädigen zu lassen, gab es kein Recht und kein Unrecht. Das Gleiche gilt für die Völker, die nicht in der Lage waren oder nicht den Willen hatten, Verträge darüber abzuschließen, niemanden zu schädigen oder sich schädigen zu lassen."
    Plötzlich intervenierte der Praetonier und hob den Finger.
    "Na, das war doch der 32. Lehrsatz! Rabirius, den 31. bitte:"
    Brav begann der Eques herunterzuleiern:
    "31. Das der menschlichen Natur entsprechende Recht ist eine Vereinbarung über das Mittel, mit dem verhindert wird, dass sich Menschen gegenseitig schädigen oder schädigen lassen."
    Neratia nahm daraufhin sofort den Faden wieder auf:
    "33. Niemals gab es absolute Gerechtigkeit, sondern nur einen Vertrag, der jeweils im gegenseitigen Austausch an beliebigen Orten darüber abgeschlossen wurde, niemanden zu schädigen oder sich schädigen zu lassen."
    "34. Die Ungerechtigkeit ist kein Übel an sich, sondern nur aufgrund der misstrauischen Angst davor, dass sie von der Strafverfolgung nicht unentdeckt bleibt."
    "35. Es ist ausgeschlossen, dass derjenige, der heimlich gegen den Vertrag darüber, niemanden zu schädigen und sich nicht schädigen zu lassen, verstößt, darauf vertrauen kann, dass er immer unentdeckt bleiben wird, auch wenn er im Augenblick tausendmal unentdeckt bleibt. Denn bis zu seinem Tode ist es ungewiss, ob er auch unentdeckt bleiben wird."
    "36. Im Allgemeinen ist die Gerechtigkeit für alle dieselbe; denn sie ist ja etwas Nützliches im Umgang miteinander. Aber aus den Besonderheiten eines Landes und aus vielen anderen Gründen ergibt es sich, dass die Gerechtigkeit nicht für alle Menschen dieselbe ist."
    "37. Alles, was als gerecht gilt ... darf nur dann den Rang des Gerechten beanspruchen, wenn es nachweislich den Anforderungen des geregelten Umgangs miteinander entspricht, ob es nun für alle Menschen gleich oder nicht gleich ist. Wenn aber jemand ein Gesetz erlässt und es nicht der Regelung des Umgangs miteinander dienlich ist, dann hat es nicht mehr die natürliche Legitimation des Rechts. Und wenn sich der Nutzen, der vom Recht ausgeht, verändert, aber noch eine Zeit lang der ursprünglichen Vorstellung entspricht, dann war es nichtsdestoweniger zu jener Zeit gerecht für alle, die sich nicht durch leere Wort selbst verwirren, sondern einfach die Tatsachen im Auge behalten."
    "38. Wo das, was als gerecht galt, ohne Veränderung der äußeren Umstände in der Praxis offensichtlich nicht mehr zu der ursprünglichen Vorstellung passte... war es nicht wirklich gerecht. Wo aber nach Veränderung der äußeren Umstände dieselben rechtlichen Vereinbarungen nicht mehr nützlich waren, waren sie doch seinerzeit gerecht, als sie zur Regelung des Umgangs der Bürger miteinander nützlich waren. Später aber waren sie nicht mehr gerecht, als sie nicht mehr nützlich waren."
    "39. Wer seine Angelegenheiten am besten gegen die Bedrohungen von außen geordnet hat, machte sich mit allem, was er beeinflussen konnte, vertraut. Was er aber nicht beeinflussen konnte, blieb ihm wenigstens nicht fremd. Wo ihm aber auch dies unmöglich war, vermied er jeden Kontakt und bemühte sich darum, alles zu tun, was dazu nützlich war."
    Als letzter war schließlich Philodemos an der Reihe, der mit besonders getragener Stimme verkündete:
    "40. Diejenigen, die die Fähigkeit besaßen, vor allem gegenüber ihren Nachbarn Mut zu entwickeln, lebten auch auf diese Weise sehr angenehm miteinander, weil sie im Besitz des sichersten Pfandes waren, und nachdem sie ein Höchstmaß an Vertrautheit zueinander gewonnen hatten, klagten sie nicht, wenn jemand gestorben war, über seinen vorzeitigen Tod, als ob sie Mitleid erregen wollten."
    Der Praetonier klatschte zufrieden in die Hände.
    "Wie mir scheint, habt ihr doch einiges gelernt, meine Freunde. Nun liegt es nur noch daran, diese Sätze auswendig zu lernen und zu jeder Zeit zu beherzigen! Manche Bedeutung wird euch noch kryptisch erscheinen, aber ich bin sicher, dass wir diese Unklarheiten im Laufe unserer Reise durch die Philosophie des großen Epikur lichten werden.
    Ich erwarte euch und alle meine Schüler wieder morgen zur gleichen Zeit! Valete bene! Das heißt, sofern keine Fragen bestehen."

    Chairedemos machte keine Anstalten aufzustehen. Vielmehr begann er sofort ein Gespräch mit Rabirius - nicht ohne allerdings jederzeit bereit zu sein, auf Fragen seiner Schüler zu antworten.


    Sim-Off:

    Zitate der Lehrsätze sind entnommen: Epikur: Kyriai Doxai [Maßgebende Sätze] nach Diogenes Laertius 10, 139-154, zit. n. Epikur: Wege zum Glück. Griechisch-lateinisch-deutsch, hrsg. u. übers. v. Rainer Nickel, Düsseldorf/Zürich 2003, S. 238-253.

    Lucius Praetonius Chairedemos

    http://www.imperiumromanum.net…misc/ava_galerie/cato.jpg Der Meister fixierte jeden der sich vorstellenden Gäste kurz, als wolle er sich Namen und Gesicht gut einprägen - natürlich auch von dem hinzugekommenen Senator, der nicht als solcher zu erkennen war (vor allem nicht für einen Epikureer, der sich ja naturgemäß eher periphär mit Politik befasste). Stattdessen bemerkte er auf die Erwartung des Tribuns:
    "Eine gute Frage, zu der wir kommen werden!"
    Er nickte und sog umständlich Luft ein.
    "Aber wir müssen vom Grundlegenden zum Besonderen kommen. Beginnen wir also mit der Frage: Wer ist dieser Epikur, auf den unser Kreis und so viele Schulen in der gesamten Welt sich berufen?
    Epikur wurde am 20. Gamelion - also nach unserem Kalender im Ianuarius - im dritten Jahr der 108. Olympiade, also 412 Jahre nach der Gründung Roms, geboren. Und zwar auf Samos als Sohn eines attischen Kolonisten und Bruder dreier Männer - Neokles, Chairedemos und Aristobulos. Früh widmete er sich der Philosophie, nicht erst in den Jahren seiner Ephebie, die er mit achtzehn Jahren als Bürger Athens in seiner Mutterstadt absolvierte. Vor allem studierte er Platon und Aristoteles, die großen Philosophen seiner Zeit.


    Hieraus entwickelte er seine eigene Philosophie, die er zu lehren begann: Zuerst in Mytilene auf Lesbos, später in Lampsakos in Mysien und schließlich in Athen, wo er jenes Haus mit Garten erwarb, das für seine Schule namensgebend sein sollte: Der Kepos des Epikur. Wie hier in Rom lehrte er dabei nicht nur mit Worten: Was er seinen Jüngern vorschrieb, das lebte er selbst, sodass er und sein Kreis zu einem Beispiel jener Lebensweise eines Weisen wurden, wie auch wir dies hier versuchen. Wie wir hier im Haus des Amafidius scharte auch er einen Schülerkreis um sich, mit dem gemeinsam er lebte und offen diskutierte - ohne Hierarchien und Denkverbote, sondern in Freiheit und Freundschaft. Dabei kann heute wie schon damals jeder teilhaben, der sich Epikurs Weg anschließen will, egal ob er Sklave oder Freier, Mann oder Frau, arm oder reich ist."
    Der Philosoph bedachte seinen Schülerkreis in der ersten Reihe mit einem Lächeln.
    "Mit ihnen und durch ständiges Philosophieren, Meditieren über die Zusammenhänge der Welt wurde er weiser und weiser und gelangte schließlich selbst zu jener Unerschütterlichkeit, die es ihm erlaubte, auch eine schwere Krankheit mit Leichtigkeit zu tragen, bis er ihr erlag und friedlich entschlief. Er hinterließ seinen Schülerkreis, dem er seinen ältesten Schüler, Hermachos, als Nachfolger vorsetzte. Hermachos folgte Polystratos, Polystratos folgte Dionysios von Laptrai, diesem Basileides von Tyrus, dann Apollodoros Kepotyrannos, Zenon von Sidon, schließlich Paidros und Patron und - mit einer gewissen Unterbrechungszeit von etwa einem Jahrhundert - eine direkte Linie bis in unsere Zeit."
    Er machte eine kleine Pause und sah dann herausfordernd in die Runde.
    "Gibt es etwas, das einer von euch ergänzen kann?"
    Sofort schnellte die Hand von Philodemos nach oben, doch Chairedemos winkte ab.
    "Fragen wir zuerst unsere Gäste: Was ist euch noch über das Leben dieses großen Philosophen bekannt, den zu studieren ihr hierher gekommen seid?"

    Lucius Praetonius Chairedemos

    http://www.imperiumromanum.net…misc/ava_galerie/cato.jpg Als sich alle versammelt hatten, kam der hagere Chairedemos aus dem Haus. Die Gespräche verstummten, während der Alte von Gast zu Gast ging, um ihn zu begrüßen.
    "Salve, junge Dame!"
    begann er mit Chrysogona, blieb aber nicht für eine Plauderei stehen, sondern nickte auch dem jungen Helvetier zu.
    "Ave!"
    Dann erblickte er den Prätorianertribun, der ihm natürlich bekannt war. Jeder kannte ja die Praefecti Praetorio, selbst wenn sie den politischen Umwälzungen zum Opfer gefallen waren.
    "Tribun Decimus, sei uns willkommen! Dein Besuch ehrt unseren bescheidenen Garten!"
    Ebenso viel Respekt schien er aber auch dem Freigelassenen neben dem Tribun zu zollen, denn auch er erhielt ein freundliches Lächeln und einen Gruß:
    "Du bist natürlich ganz genauso willkommen, junger Mann!"
    Es folgten die "Stammgäste" des Gartens, die ebenfalls vertraulich begrüßt wurden. Am Ende stand er mitten in der versammelten "Jüngerschar" und sah noch einmal zufrieden in die Runde.
    "Salvete, verehrte Freunde der Philosophie. Ich bin Lucius Praetonius Chairedemos, aber ihr dürft mich gern Chairedemos nennen, wie es meine Freunde auch tun.
    Ich will euch in den folgenden Tagen eine Einführung in die Lehre des weisen Epikur geben, dessen Lehre zur Inspiration für so viele Menschen in dieser Welt wurde. Wir hier im Garten des Amafidius haben von dieser Lehre erfahren und sie für unser Leben angenommen und leben sie in aller Konsequenz, die uns möglich ist."

    Er setzte sich auf einen Stein hinter ihm und bedeutete den Schülern, zu seinen Füßen Platz zu nehmen, sodass er nur ein klein wenig sie hinausragte.
    "Wir sind hier gemäß der Lehre des Meisters eine Gemeinschaft von Gleichen, egal ob Sklave oder Freier, Mann oder Frau, Eques oder Bauernsohn, langjähriger Philosoph oder neuer Jünger. Jeder hier darf seine Gedanken äußern, jedes Wort zählt gleich und keiner braucht zu fürchten, dass sein Wort innerhalb oder sogar außerhalb dieses Gartens gegen ihn verwendet wird.
    Aus diesem Grund muss ich es zur Voraussetzung für die Teilnahme an dieser Einführung machen, dass die Worte der übrigen Schüler diese Mauern nicht verlassen und ihr jeden anderen hier mit dem gleichen Respekt und Freundlichkeit behandelt, wie ihr es einem wahren Freund entgegenbringen würdet. Und wer weiß? Vielleicht werdet ihr ja sogar Gefallen daran finden und uns in Zukunft häufiger mit eurer Anwesenheit beehren."

    Der Praetonier lächelte hintersinnig und blickte in die Augen der Interessenten.
    "Beginnen wir also mit einer kurzen Runde der Vorstellung, damit wir wissen, wer sich mit uns der Therapie der Seele unterzieht, die Epikur uns anbietet."
    Sofort begann ein junger Grieche, der sich kurz erhob und in die Runde verneigte wie ein Schauspieler:
    "Philodemos von Kos, sehr erfreut."
    Gleich darauf folgte ein weiterer junger Mann:
    "Pythokles. Ich lebe seit zwei Jahren im Garten."
    Dann stand, ein wenig behäbiger, ein Italiker auf, der eine Tunica Angusticlavia trug:
    "Rabirius, sehr erfreut."
    Als nächstes war eine Römerin an der Reihe, die sitzen blieb, während sie sagte:
    "Neratia, ich lebe hier seit dem Tod meines Gatten."
    Und zuletzt ein junges Mädchen mit einer leicht piepsigen Stimme:
    "Ich bin Batis."
    Damit war der innerste Kreis um Chairedemos abgehandelt. Nun waren die Gäste an der Reihe...


    Unweit der Horti Sallustiani lebt ein epikureischer Philosophenzirkel in einem Haus, das nach einem der ersten Epikureer Roms, Caius Amafidius benannt ist. Hier leben einige Jünger Epikurs als Freundeskreis gemeinsam, andere kommen regelmäßig zu Besuch. Anders als bei vielen anderen epikureischen Kreisen ist es hier jedoch auch möglich, gegen eine bescheidene Spende nur einige Male vorbeizukommen, um die Lehre Epikurs kennen zu lernen und dann zu entscheiden, ob diese Lehre, die nach ihrer jüngsten Blüte vor einigen Jahrzehnten wieder gegenüber den gestrengen Stoikern ins Hintertreffen geraten ist, nicht sinnstiftend für das eigene Leben werden könnte.


    Das Haupt dieser Gemeinschaft ist der greise Lucius Praetonius Chairedemus, der hier Junge und Alte um sich schart und mit ihnen gemeinsam philosophiert. Derzeit leben hier Philodemos von Kos und Pythokles, zwei jüngere Griechen, der alte Eques Lucius Rabirius, ein Mann in den besten Jahren namens Quintus Catius, die Witwe Neratia und die junge Batis.


    Das Haus ist die Erbschaft eines kinderlos verstorbenen Senators, der ebenfalls der Lehre Epikurs zugeneigt gewesen war und es seiner Gemeinschaft testamentarisch zugesprochen hatte. Inzwischen ist es jedoch ein wenig heruntergekommen, versprüht jedoch noch immer den Charme der Gelehrsamkeit - insbesondere im Garten, wo die Jünger sich regelmäßig um die Büste ihres Meisters versammeln, um neue Erkenntnis zu gewinnen und so die Angst vor dem Unbekannten wieder ein wenig mehr zu besiegen...


    Bild: 354px-Epicurus_bust2 by franzconde, auf Flickr

    Sim-Off:

    Hier kann ein Kurs zur epikureischen Philosophie abgelegt werden. Anmeldungen dazu bitte per PN an Lucius Petronius Crispus, der den Kurs via NSC abhält!
    Als Kursgebühr sind die Teilnehmer angehalten, einen angemessenen Beitrag an das Konto von Lucius Petronius Crispus (5383) zu überweisen. Als Maßstab kann die Kursgebühr der früheren Cursi Continui (500 Sz.) gelten. Geld soll aber kein Grund sein, an diesem Kurs nicht teilzunehmen ;)
    Die Prüfung erfolgt nach Beendigung der Vorlesungen per PN und wird rechtzeitig angekündigt.

    Caius war überrascht, wie stark der Germanicer zunächst zurückruderte. Doch letztlich schien man wohl dennoch auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. "Das hört sich doch nach einem guten Kompromiss an, wenn du nur hin und wieder einmal die eine oder andere Stadt Italias bereist, dich in erster Linie jedoch der hier anfallenden Arbeit widmest." Damit konnte der Curator Rei Publicae in der Tat gut leben. "Dann gib mir einfach nur immer ein bisschen im Voraus bekannt, wann du wie lange welche Stadt besuchen willst. Und solange ich dann keine Wochen und Monate hier auf dich verzichten muss, wird das dann in der Regel in Ordnung sein für mich." Der Senator nickte bekräftigend. "Vielleicht ein kleiner Bericht nach jeder Reise über die Lage in den Städten, ganz allgemein und auch speziell die städtischen Finanzen betreffend, das wäre mitunter noch gut.", fügte er zuletzt noch hinzu. Das würde seinen Stellvertreter hoffentlich einmal mehr davon abhalten, allzu umfängliche Reisen von allzu langer Dauer zu bestreiten. Denn jede Stadt wäre dann ja mit einem zusätzlichen Bericht über die allgemeine und die finanzielle Lage verbunden.


    Atrius Cerrinius machte eine kleine Kunstpause. "Ja, damit habe ich nun eigentlich alles gesagt, was ich loswerden wollte." Von der allgemeinen Einführung, über die Angelegenheiten des aktuellen Tagesgeschäfts bis hin zu den Fragen des Germanicers hatte er für den Augenblick alles abgedeckt. Also wartete er nun, ob sein neuer Stellvertreter noch weitere Fragen hatte oder bereits eine erste Reise beim Senator anmelden wollte oder aber dieses Gespräch nun beendete, um in sein neues Officium aufzubrechen.



    Caius nickte zögerlich. "Du willst die die Städte Italias bereisen... hm.", überlegte er. "Eine wie große Reise hast du dir denn da vorgestellt? Welche Städte willst du alles besuchen auf deiner Reise?", wollte er natürlich wissen. "Denn selbstverständlich halte ich das für eine gute Idee, dich in Italia als meinen neuen Stellvertreter bekanntzumachen. Andererseits aber bist du natürlich jeden Tag, den du auf Reisen bist, nicht in Roma, um mich hier zu entlasten.", zeigte er dem Germanicer seinen inneren Konflikt auf und wiegte anschließend nachdenklich seinen Kopf. "Vielleicht also können wir uns darauf verständigen, dass du auf einer solchen Reise nicht alle Städte von Genua bis Aquilea und Rhegium bis Mediolanum bereist, sondern das ganze von vornherein etwas beschränkst?", bemühte sich der Senator um einen für beide Seiten tragbaren Kompromiss.


    Atrius Cerrinius lächelte anschließend milde, als sich der Germanicer vom ihm entgegengebrachten Vertrauen geehrt zeigte. Und er hielt das Lächeln auch noch aufrecht, als seine neue rechte Hand meinte, doch lieber die linke sein zu wollen. "Nunja.", kommentierte er diese Bemerkung dann auch nur kurz, da er sie nicht ganz verstand. Denn er selbst war Rechtshänder, sodass es folglich die rechte Hand seines Körpers war, die ihm die meisten Lasten abnahm. Und in diesem Sinne erhoffte er sich auch von seinem Stellvertreter eigentlich, dass der sich eher als rechte denn nur als linke Hand erweisen würde. Doch man würde wohl sehen.


    Atrius Cerrinius ließ einen kurzen Moment der peinlichen Stille folgen, bevor er sodann wieder das Wort ergriff. "Das war zunächst die allgemeine Einführung.", deutete der Curator nun einen kleinen Themenwechsel an. "Daneben gibt es natürlich noch das laufende Geschäft. Da ist mir zum Beispiel vor kurzem ein Inspektionsbericht der stadtrömischen Cura Aquarum eingegangen.", begann er zu erzählen und suchte nebenher ein Exemplar dieses Berichts hervor, um es dem Germanicer zu überreichen. "Du hattest anfangs schon erwähnt, dass ein Curator Kalendarii auch einiges mit Finanzen zu tun hat. Hier haben wir nun gleich ein Beispiel dafür. Denn während sich die Cura Aquarum freundlicherweise darum gekümmert hat, die beiden im zweiten Teil beschriebenen Delinquenten anzuschreiben, auf dass sie die von ihnen verursachten Schäden auf ihre Kosten schleunigst wieder beheben mögen, gibt es im ersten Teil auch einige Abnutzungsschäden, die wir auf eigene Kosten ausbessern müssen." Da hatte sich die Cura Aquarum im ersten Teil, der Germanicer konnte es selbst lesen, fein rausgenommen. "Du wirst also wohl oder übel mit einem der beiden beteiligten Aquarii sprechen müssen, um zu klären, mit welchen Kosten wir hier zu rechnen haben - vom Material über die Arbeiter bis hin zu etwaigen Ausfallkosten, falls wir die Wasserleitung im Rahmen der Wartungsarbeiten zeitweise stilllegen müssen. Nicht zuletzt weiß jedermann, Zeit ist Geld. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch die zu erwartende Wartungsdauer in Erfahrung bringen." Das war allerhand, wie dem Senator durchaus bewusst war. "Bevor du jetzt aber Sorge hast, dass du das alles nicht genau einzuschätzen vermagst. Das musst du so im Detail auch gar nicht. Dafür haben wir schließlich die Aquarii, die sich mit sowas auskennen. Du musst dich nur darauf konzentrieren, alle wichtigen Fakten zu Zeit und Kosten aus ihnen herauszukitzeln. Das ist deine Aufgabe." Der Curator blickte seinen Gegenüber fragend an. "Meinst du, du kriegst das hin? Ich meine, neben deiner kleinen Reise in die eine oder andere italische Landstadt?"



    Sim-Off:

    Entschuldige bitte, das ist mir etwas untergegangen.


    Caius folgte den Ausführungen seines Gegenübers aufmerksam. Da die Mitgliedschaft in dem einen oder anderen Verein oder Kultverein jedoch nicht ganz so entscheidend für dieses Amt war, kommentierte er die diesbezüglichen Ergänzungen des Germanicers nicht weiter. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Rest. "Sehr richtig. Du bist ab sofort mein Stellvertreter und meine rechte Hand, was jedoch nicht heißt, dass du nicht in einem gewissen Rahmen auch selbstständig arbeiten darfst, wenn du das möchtest. Immerhin bist du ein Eques, der nicht mehr auf der ersten Stufe seiner Ritterlaufbahn steht." Wie erwähnt, lag mit dem Posten des Procurator Annonae die erste Stufe ja bereits hinter dem Germanicer.


    Atrius Cerrinius nickte bekräftigend. "Aus diesem Grund möchte ich dir als erstes auch die Kompetenz übertragen, künftig auch Einstellungen in meinem Namen vornehmen zu können.", verkündete der Senator. "Das betrifft natürlich nur solche Stellen in Italia, die auch in meinen Zuständigkeitsbereich fallen - also Architecti, Aquarii und Agrimensores. Oder kurz gesagt betrifft es alle italischen Verwaltungsposten, die mit 'A' beginnen.", machte der Curator eine kleine lustige Bemerkung und schmunzelte sogleich über seinen Witz. Dann wurde er wieder ernst. "Wichtig ist hierbei vor allem, dass du die Standesvoraussetzungen bei etwaigen Einstellungen beachtest und die Kandidaten für ein Amt vorher einmal gründlich in einem persönlichen Gespräch unter die Lupe nimmst. Unsere Verwaltung kann schließlich nur dann funktionieren, wenn auch gearbeitet wird für das wöchentliche Gehalt." Kurz ging er in sich, dann fügte der Senator dem noch eine Sache hinzu. "Wer zu Einstellungen befugt ist, der kann im Umkehrschluss natürlich Entlassungen vornehmen. Bevor du aber jemanden entlässt, erwarte ich eine kurze Rücksprache mit mir, in der du mir eine solche Entscheidung begründest." Nicht dass der Germanicer vor lauter Tatendrang ausgerechnet einen Günstling des Curators aus der italischen Verwaltung warf!


    Sim-Off:

    Der Thread für Ernennungen, Entlassungen und Bekanntmachungen aller Art: Link.


    Atrius Cerrinius ließ diese Worte kurz wirken, bevor er zum nächsten Punkt kam. "Bevor ich es vergesse, steht dir in den Sedes administrationis Italiae natürlich auch ein eigenes Officium zur Verfügung. Es ist etwas kleiner als meins." Natürlich. "Aber es eignet sich trotzdem hervorragend, um darin zu arbeiten, Einstellungsgespräche zu führen und sonstiges. Und gerade wenn ich vielleicht einmal wieder meinen Amtspflichten nachkomme und einige Landstädte Italias bereise und deshalb nicht in Rom bin, dann erwarte ich natürlich, dass du deiner Stellvertreterfunktion nachkommst und etwaige Gäste vor meiner Bürotür abfängst und zu dir geleitest, dir anhörst, was sie auf dem Herzen haben, und so weiter.", winkte der Senator am Ende seiner eigenen Worte ab. Der Germanicer würde schon wissen, was er zu tun hätte. Immerhin war er kein kleiner Schreiberling, sondern der Curator Kalendarii. "Und zuletzt solltest du auch unsere Poststube regelmäßig im Auge behalten. Denn ich habe selbst immer jede Menge zu tun und kann mich nicht um jede Kleinigkeit kümmern. Du kannst also getrost auch etwaig an mich gerichtete Briefe öffnen und lesen. Wenn es sich dann nur um eine Kleinigkeit handelt, dann sei mein Stellvertreter und regle das in meinem Namen. Wenn es etwas Wichtiges es, dann komm in mein Büro und besprich es vorher mit mir." Die wichtigen von den unwichtigen Briefe zu trennen, das traute der eine Curator dem anderen natürlich zu.


    Atrius Cerrinius atmete einmal tief durch. "Das war es erstmal mit der allgemeinen Einführung. Hast du bis hierher schon irgendwelche Fragen?", erkundigte sich der Senator dann erstmal, bevor er fortfuhr.



    Caius nickte verstehend, als der Eintretende sich als neuer Curator Kalendarii vorstellte. "Salve, Germanicus.", grüßte er den Mann sodann, während er ihn mit einer zeigenden Geste einlud, sich auf einen der beiden Plätze vor dem Schreibtisch zu setzen. Anschließend ließ der eine Curator den anderen erst einmal ausreden, bevor er mehr sagte.


    Atrius Cerrinius erwiederte das kurze Lächeln. "Das ist es, was man sich sagt, ja.", kommentierte er zunächst die Volksweisheit. "Aber auch sonst ist es sicherlich nicht verkehrt, wenn man sich bei Antritt seines Amtes erstmal all seinen neuen Kollegen vorstellt." Insbesondere auch dem neuen Vorgesetzten, der diesen Punkt jedoch ganz bewusst vorerst nicht ansprach. Der Senator ließ seinen Worten einen kleine Pause folgen, um einmal kurz durchzuatmen. "Der Palatin hat mir bereits angekündigt, dass mir ein neuer Curator Kalendarii zur Unterstützung beigestellt wird. Du warst" Er warf einen flüchtigen Blick auf eine bereitliegende Tabula. "erst Praefectus Vehiculorum in Italia, anschließend Procurator Annonae - ebenfalls hier in Italia. Dazu, steht hier, besitzt du Sitz und Stimme im Ordo Decurionum der Colonia Ostia. Sind diese Angaben soweit richtig?", erkundigte sich der Senator vergewissernd bei seinem Gegenüber. "Das sind insgesamt gute Voraussetzungen, die du hier mitbringst für deine neue Aufgabe."


    Atrius Cerrinius ging kurz in sich. "Und da sind wir dann eigentlich auch schon beim Thema, nicht wahr?" Kurz lächelte er schmal. "Erzähl mir, hast du bereits eine ungefähre Vorstellung davon, welche Aufgaben dich als mein Stellvertreter hier erwarten werden?" Forschend beobachtete der Senator seinen Gegenüber. Denn er selbst hatte eben gezeigt, dass er sich durchaus schon ganz grob über den Germanicer informiert hatte. Die Frage war nun, ob und wie gut auch seine neue rechte Hand sich vorab bereits Informationen verschaffte.



    Caius saß hinter seinem Schreibtisch und blickte auf, als es klopfte. "Die Tür ist offen.", war er von innen dem Anklopfenden auf der anderen Seite entgegen, während er einen Stilus aus den Händen legte. Anschließend lehnte er sich ein wenig nach vorne, stellte seine Ellenbogen auf die Tischplatte und verschränkte die Finger seiner Hände ineinander. Dabei fixierte er aus schmalen Augen gebannt die Tür und denjenigen, der da nun wohl eintreten würde.



    Sein fetter Zeigefinger spielte beiläufig ein bisschen mit dem Stilus und drehte ihn in seiner Hand, während der Curator sich aufmerksam auf die Worte des Schreibers konzentrierte. "Gut.", befand er anschließend in der kleinen Pause, bevor auch der Helvetier sich mit dem Inhalt des Schriftstücks zufrieden gab und den Curator mit dem Vorlegen der Tabula nun indirekt zu deren Unterzeichnung aufforderte. Kurz darauf berührte der Stilus bereits das Tafelwachs, da hielt der Senator noch einmal für einen kleinen Augenblick inne. "Ich hoffe, du bist dir darüber bewusst, dass ich nach der Unterzeichnung dieser Empfehlung natürlich davon ausgehe, von meinem Aquarius später keine Klagen über dich zu vernehmen, Helvetius.", mahnte er mit ernsten Worten. "Bedenke, man sieht sich stets zweimal im Leben." Der Senator nickte einmal bedeutungsschwer, während er hoffte, den städtischen Schreiber damit auch für dessen Aufgabe beim Sergius noch einmal ausreichend motiviert zu haben. Dann unterzeichnete und siegelte er nach dem Schreiben für den Patron seines Aquarius nun auch die Tabula für den helvetischen Scriba.


    LITTERAE COMMENDATICIAE A. RACILII CRASSI


    Als Senator der Stadt Roma sowie amtierender Curator Aquarum möchte ich den Bürger


    Marcus Helvetius Severus


    durch dieses Schriftstück mit Nachdruck loben für seinen spontanen, schnellen und hilfreichen Einsatz als städtischer Schreiber und empfehle ihn darüber hinaus für weitere Tätigkeiten und höhere Aufgaben auf diesem Gebiet.



    A. Racilius Crassus



    "Bittesehr.", schob der Curator Aquarum hernach die Tabula dem Helvetier ein Stück entgegen und verzichtete darauf, dem Mann im Folgenden noch viel Erfolg oder ähnliches zu wünschen. Sattdessen schenkte er dem Schreiber nur ein schmales und etwas eigenwilliges Lächeln, bevor er sich demonstrativ die Akte eines anderen Aquarius griff und sich sogleich in selbige einzulesen begann.



    Sein fetter Zeigefinger wanderte ans Kinn des Curators und strich einige Male nachdenklich über seliges. "Du willst eine Empfehlung von mir. Hm...", fasste er überlegend zusammen und betrachtete sich den Helvetier noch einmal etwas eingehender von oben bis unten und unten bis oben. "Nun gut. Dann schreibe.", rang sich der Senator zu einer indirekten Zusage durch, bevor er noch einmal einige Augenblicke in sich ging. "Mittig und in großen Lettern und ruhig auch ein bisschen kräftiger... Litterae commendaticiae A Punkt Racilii Crassi." Der Curator nickte bekräftigend.


    Anschließend zupfte er sich kurz am Ohrläppchen, bevor er fortfuhr. "Darunter dann: Als Senator der Stadt Roma sowie amtierender Curator Aquarum möchte ich den Bürger..." Hatte der Helvetier zuvor auch sein Praenomen genannt oder hatte der Senator dieses mittlerweile einfach nur wieder vergessen? "Da fügst du dann deinen Namen ein. Am besten, wie in der Überschrift, benutzt du einen stärkeren Strich, damit auch jeder Leser deinen Namen gleich findet." Es sollte ja Leute geben, die bei einem Referenzschreiben einzig darauf schauten, von wem und für wen es war. "Wo waren wir?", erkundigte sich der Curator dann, bevor er selbst in Gedanken noch einmal ungefähr den begonnenen Satz rekapitulierte. "...möchte ich den Bürger Helvetius und-so-weiter durch dieses Schriftstück mit Nachdruck loben", sprach er alles andere als nachdrücklich weiter, "für seinen... Was sagte ich gleich? ...spontanen, schnellen und hilfreichen Einsatz als städtischer Schreiber und... äh..mpfehle ihn darüber hinaus für weitere Tätigkeiten... und höhere Aufgaben auf diesem Gebiet. Punkt." Für einen kurzem Augenblick zog der Curator nachdenklich seine Augenbrauen zusammen. "Wie hört sich das jetzt alles zusammen an? Lies bitte mal vor und dann sag mir, ob das soweit passt für dich.", wies er den helvetischen Schreiber anschließend an, während seine rechte Hand bereits neuerlich nach dem Stilus griff, mit welchem er am Ende letztlich zu unterzeichnen gedachte.



    Sein fetter Zeigefinger kratzte ihn kurz hinter dem rechten Ohr, bevor der Curator die veränderte Tabula mit einem Nicken wortlos entgegennahm. Er überflog die Zeilen nur noch einmal grob, indem er stets drei Zeilen auf einmal querlas. Dann setzte er seine krakelige Unterschrift unter die deutlich schönere Schrift des Schrebers und siegelte das Ganze am Ende noch mit seinem Amtssiegel. "Hier, Sergius. Das ist für deinen Patron." Er schob seinem Aquarius die nun vor ihm auf dem Tisch liegende Wachstafel entgegen.


    Curator A. Racilius Crassus Praetori K. Annnaeo Modesto s. d.


    Mit diesem Schreiben teile ich dir mit, dass ich selbstverständlich kein Problem damit habe, dass dein Klient, mein Aquarius Sergius, dich außerhalb seiner Dienstzeit bei der Cura Aquarum unterstützt und dir zur Hand geht.


    Zudem möchte ich betonen, dass sich dein Klient während seiner Arbeit in der Cura Aquarum mit vorbildlicher Tüchtigkeit ausgezeichnet hat.


    So verabschiede ich mich, bis wir uns vielleicht bei der nächsten Senatssitzung treffen.


    Vale,


    A. Racilius Crassus



    Anschließend kündigte der Sergier an, sich erst einmal ohne den Schreiber zurückziehen zu wollen, damit er selbst sich zunächst inhaltliche Gedanken machen könnte, während der Senator Zeit hätte für seine Unterhaltung mit dem Schreiber. "Gut. Wie du meinst.", stimmte der Curator diesem Plan zu, obgleich er ursprünglich dem Schreiber erst hatte danken wollen, wenn der auch all seine Arbeit hier - insbesondere auch jene mit dem Aquarius - zufriedenstellend erledigt hätte. Doch andererseits, wenn der Sergius jetzt eh nicht gleich losdiktieren würde, dann könnte der Senator das Gespräch mit dem Schreiber natürlich auch vorziehen. Man musste die Zeit dieses Mannes ja auch nicht unnötig verschwenden. "Wir sehen uns. Vale.", verabschiedete er seinen Aquarius letztlich freundlich.


    "So.", leitete der Curator Aquarum hernach wenig eloquent über. "Du warst der Schreiber... äh...?" Er warf dem Mann einen auffordernden Blick zu, ihm hier noch einmal auszuhelfen. Denn nur ein einziges Mal gefallene Namen konnte er sich fast nie auf Anhieb merken, egal ob der Name da Annaeus lautete, so wie im Gespräch zuvor, oder irgendwie anders. Mindestens zwei- oder dreimal musste er einen Namen schon hören, bevor er sich ihn merkte. "Jedenfalls wollte ich dir noch einmal danken für deinen spontanen, schnellen und hilfreichen Einsatz - gerade eben, genauso wie hoffentlich auch gleich bei meinem Aquarius.", setzte der Senator nach kurzer Pause fort und überließ es anschließend dem städtischen Scriba, ob der noch etwas dazu sagen wollte und ob er sich insbesondere bereits mit diesen paar warmen Worten zufrieden gäbe oder aber mitunter noch etwas mehr als nur das wollte...


    Sim-Off:

    Randnotiz: Ihr müsst euch von diesem Gespräch hier nicht aufhalten lassen, sondern könnt, so ihr wollt, parallel ruhig bereits in Plautus Officium weitermachen.


    Sein fetter Zeigefinger kratzte seinen nicht weniger voluminösen Daumen der selben Hand, während der Curator Aquarum zunächst an den Scriba gewandt verneinte, "Nein, nichts Spezielles. So gut kenne ich den Annaeus letztlich auch nicht." Immerhin konnte ein Senator wohl auch kaum jeden einzelnen seiner Senatorenkollegen so persönlich kennen, dass ihm spontan zu jedem noch irgendein persönlicher Satz über die Frau, etwaige Kinder, irgendwelche Neffen oder sonstigen Verwandte in den Sinn käme. Die übliche Anrede sowie ein einfaches Vale zum Schluss genügtem dem Senator hier entsprechend vollkommen.


    Anschließend, während der Schreiber schrieb und nachdem der Curator gelesen hatte, beantwortete der Aquarius die ihm gestellten Fragen. "Sehr gut!", freute sich der Senator dabei zunächst, während sich sein rechter Mundwinkel leicht erhob und so ein zufriedenes Lächeln andeutete. "Dann hoffe ich, dass ich von dem Helvetius bald auch noch die Bestätigung bekomme und dann können sich die italischen Beamten um diese ganzen Kleinigkeiten kümmern." Er nickte einmal bekräftigend, bevor er sodann auf den Punkt den unerwähnten Verbleib der Grenzsteinen betreffend zu sprechen kam. "Das ist schon in Ordnung, Sergius.", winkte er in diesem Zusammenhang beruhgend ab, bevor er sogar lobend meinte, "Der Bericht, so wie er ist, ist gut."
    Damit letztlich blieb also nurmehr die Frage offen, wie der Curator in den beiden Fällen Alfenius und Egilius schlussendlich vorzugehen gedachte. Bevor er jedoch darauf zu sprechen kam, widmete er sich zunächst noch einmal dem Scriba und der Nachricht für den Senator Annaeus. "Hmhm, ja, schon nicht schlecht. Der erste Satz geht vielleicht noch etwas besser und die Verabschiedung kann mit einer Leerzeile vielleicht noch etwas mehr vom Rest getrennt werden.", zeigte sich der Curator nicht unzufrieden. Kurz überlegte er anschließend selbst nach einer alternativen Formulierung für den ersten Teil. "Mit diesem Schreiben teile ich dir mit, dass ich selbstverständlich kein Problem damit habe, dass dein Klient, mein Aquarius Sergius, dich außerhalb seiner Dienstzeit bei der Cura Aquarum unterstützt und dir zur Hand geht." War das gut? Ein wenig fragend blickte er den städtischen Schreiber an.


    Kurz darauf dann kam er zu dem Schluss, "Und wenn du mit dieser kleinen Nachricht soweit fertig bist, dann kannst du dich eigentlich auch gleich dem Sergius bei den beiden Briefen an die Herren Alfenius und Egilius etwas zur Hand gehen." Der Curator sah zu seinem Aquarius und versuchte zu erkennen, ob der die Hilfe überhaupt wollte oder doch lieber allein den Stilus schwang. "Die beiden Herren sollen unmissverständlich wissen, dass der Curator Aquarum über ihre Taten informiert ist und sie auffordert, alle verursachten Schäden und Beeinträchtigungen zu beheben - auf eigene Kosten. Setz ihnen eine machbare, aber keinesfalls zu großzügige Frist und kündige zu deren Ablauf bereits einen Kontrollbesuch meinerseits an." Ob sich der Curator letztlich wirklich persönlich involvieren würde, wusste er zwar noch nicht. Doch sein persönliches Erscheinen ankündigen konnte man ja dennoch... vorsorglich. "Ferner sollen die beiden wissen, dass wir darüber hinaus ermitteln werden, wie groß der bisher für Roma entstandene Schaden durch die von ihnen verursachten Beeinträchtigungen ist - und dass sie sich sich darauf einstellen können, dass da unabhängig von allem anderen wohl sicher nochmal etwas auf sie zukommen wird." Der Senator unterstrich seine Worte, indem er seine zur Faust geballte rechte Hand entschlossen in seine linke Handfläche schlug.


    Sim-Off:

    Ups.


    "Ach", hätte der Curator überdies beinahe vergessen, "und bei Gelegenheit würde ich dich dann auch gerne nochmal sprechen.", sprach er an den Helvetius gewandt. Den Namen des Schreibers hatte der Senator zwar zwischenzeitlich wieder vergessen, doch wie er die gute Arbeit seines Aquarius dessen Patron gegenüber nicht zu verheimlichen beabsichtigte und dem Sergius heute sogar noch einen für sein Empfinden nicht unwichtigen Rat für die Zukunft mit auf den Weg gegeben hatte, wollte er auch den spontanen Einsatz des Stadtschreibers noch einmal würdigen.



    Sein fetter Zeigefinger machte sich im Zusammenspiel mit seinem nicht minder großen Mittelfinger daran, den soeben eingetretenen Scriba ein Stück näher heranzubitten. Unterdessen dankte der Sergier dem Curator für den Versuch des Aufhaltens, der aus Sicht des Senators indes eher ein Versuch des Verstehens war. Denn die Frage, der sich der damalige Aquarius stellen musste, und die Frage, mit der sich auch der heutige Aquarius unter Umständen konfrontiert sehen könnte, lief ja genau in diese Richtung. Der Cursus Honorum bestand aus lauter unbezahlten Ehrenämtern. Wenn man sich deren Ausübung von Hause aus leisten konnte, weshalb dann ging man zunächst einer bezahlten Tätigkeit zum Beispiel als Aquarius nach? Und wenn man sich deren Ausübung von Hause aus nicht leisten konnte, was änderten dann ein paar Monate oder auch ein paar Jahre als Aquarius so grundlegend an dieser Situation? Diese Frage, davon war der Curator überzeugt, sollte den Sergier keineswegs von seinem offensichtlich fest eingeschlagenen Weg abbringen. Einzig eine überzeugende Antwort darauf sollte er sich wohl bis zu seiner ersten Rede vor dem Senat überlegen.


    Zu den langweiligen Reden und den Sergiern sagte der Senator unterdessen ebenfalls nichts weiter. Denn die gesamte Schnittmenge des Curators mit den Sergiern stand hier in diesem Raum gerade vor ihm, wie man betrefflich der Reden wohl jeden seiner Senatorenkollegen befragen könnte. Die wenigsten wahrscheinlich würden sich an irgendeinen spannenden Wortbeitrag des Raciliers erinnern. "Du bist Scriba?", versicherte er sich unterdessen also bei dem näher gebetenen Mann. "Ich brauche ein kleines Schriftstück für den Patron meines Aquarius hier." Kurz sah er zum Sergius zurück. "Anaeus Modestus war das, richtig?" Der Curator wartete eine Reaktion des Angesprochenen ab, bevor er fortfuhr. "Er soll wissen, dass es für mich selbstverständlich", betonte er, "gar kein Problem ist, wenn ihm sein Klient, der Aquarius Sergius", deutete er mit flacher Hand auf selbigen, "an dessen freien Tagen etwas unterstützt und zur Hand geht." Das war wohl im Wesentlichen der notwendige Inhalt. "Dazu lobst du am besten noch in einem Satz die vorbildliche Tüchtigkeit des Sergius und endest dann ganz unverbindlich, dass man sich sicherlich bei einer der nächsten Senatssitzungen sehen wird.", zuckte der Curator kurz mit den Schultern. "Hast du Fragen dazu? Ansonsten kannst du mit dem Schreiben beginnen, während ich mich diesem Bericht hier widme." Einen Moment lang sah er den Schreiber mit offenem Blick an und würde dessen etwaige Fragen beantworten.


    Hernach also las der Senator den vorgelegten Bericht des Aquarius und hatte anschließend selbstredend auch ein paar kleine Fragen dazu. "Verstehe ich das richtig, Sergius, dass wir alle im ersten Abschnit genannten Beeinträchtigungen auf die Administratio Italiae abwälzen können? Und damit im Zusammenhang stehend, hat der Aquarius... äh... der Aquarius Helvetius auch schon diesen Bericht zum unterzeichnen?", erkundigte er sich interessiert. Denn es hatte doch noch eine ganz andere Qualität, wenn auch ein Aquarius aus deren eigener Verwaltung bestätigte, dass die im ersten Teil genannten Punkte komplett in den - auch finanziellen - Zuständigkeitsbereich der Wasserverwaltung Italias fielen.
    Kurz holte er Luft, dann kam er bereits zum zweiten Punkt. "Bezüglich des Badehauses dieses Alfenius wüsste ich gerne noch deine persönliche Einschätzung. Macht es da Sinn, den anzuschreiben und aufzufordern binnen irgendeiner Frist sein Badehaus selbst abzureißen, bevor sich die Wasserverwaltungen um den Rest kümmern? Oder meinst du, dass der eh keinen Finger krümmen wird und wir auch sofort selbst anrücken können und ihm dann eben auch noch diesen Abriss in Rechnung stellen?", erkundigte sich der Curator Aquarum. Oder gäbe es gar einen Mittelweg, der die Vorteile beider Varianten vereinte?
    Einer kurzen Atempause folgte sodann auch der dritte Punkt. "Und dieser Egilius, waren bei dem unsere Grenzsteine noch irgendwo aufzufinden? Oder müssen wir da völlig neue anfertigen lassen? War rauszukriegen, was mit denen passiert ist?"