Beiträge von Narrator Italiae

    Ennius Cerealis klappte seine Ledertasche auf und zog eine Wachstafel heraus, die er aufschlug. "Casa Furia, Casa Hirtuleia, Casa Ummidia, Casa Vargunteia, ...", ratterte er die Liste herunter, die dort verzeichnet war. "Mal schauen, wie viele wir heute schaffen." Er klappte die Tafel geräuschvoll zu und ließ sie wieder in der Tasche verschwinden, während sie weiter gingen. "Wenn man straßenweise geht, kann man recht gut abschätzen, wie lange man braucht. So ist es schwieriger."

    "Ja, wahrlich keine Paläste, aber immerhin haben sie fließend Wasser", bestätigte Ennius Cerealis lächelnd. "Alles mal gesehen zu haben ist sicher nicht falsch. Vielleicht möchtest du später ja doch einmal in eine andere Abteilung wechseln, wenn du erst einmal weißt, was dich dort erwartet."


    Sie verließen das Forum in Richtung Norden. "Heute steht übrigens der Quirinalis auf unserem Plan", erklärte Ennius Cerealis seinem Kollegen. "Nicht systematisch, nur ein paar ausgewählte Häuser."

    Der nette Mann vom Kundendienst schaute seinen Kollegen leicht schief an und grinste. "Na, die Aquädukte wirst du ja wohl auch so schon gesehen haben. Wer die übersieht, ist nicht in Rom gewesen", teilte er überzeugt mit und lenkte seine Schritte langsam aus der Basilica hinaus. "Die Brunnenstuben sind denkbar langweilig. Ich habe auch nicht viel mit ihnen zu tun zum Glück", führte er auf dem Weg weiter aus. Als Mitarbeiter der Abrechnungsabteilung hatte er mit den Wasserverteilern in der Tat auch nur selten zu tun. "Wir können mal in eine reinschauen, wenn wir auf unserem Weg dran vorbei kommen", bot er dennoch an.

    Der Curator hatte ebenfalls in die Runde der Männer gegrüßt und wartete ab, bis er die nötige Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte.


    "Ich darf euch Claudius Gallus vorstellen, der uns ab sofort als neuer Aquarius verstärken wird. Er wird dem Außendienst zugeteilt."


    Neugierige Blicke gingen durch den Raum, denn Ennius Cerealis, der sich üblicherweise um neue Außendienstler kümmerte, war nicht da und hatte ja ohnehin gerade erst mit Prudentius Spurinna einen neuen Partner bekommen. Aber der Curator Aquarum machte keine Anstalten, diese offene Frage zu beantworten. Stattdessen ging er einige Schritte durch den Raum bis zu einem Schreibpult.


    "Wenn du nicht draußen bist, wird das hier dein Arbeitsplatz sein. Du hast ihn nicht ganz für dich alleine, da wir nicht für jeden Außendienstler einen Tisch haben. Aber einer von denen hier wird wohl immer frei sein."

    Zitat

    Original von Cnaeus Prudentius Spurinna
    Salve, Ennius Cerealis! Gesund und tatendurstig trifft mein Befinden vorzüglicher als alle anderen Worte es könnten, des sei dir versichert!


    Ich nickte bestätigend. Ja, ich fühlte mich gut, und die Aussicht auf Arbeit – und wichtig, Karriere – ließ mich um 10 Jahre jünger fühlen.


    Ennius Cerealis lächelte herzlich. "Dann schreiten wir gleich zur Tat?" fragte er und blickte danach auch kurz fragend zum Curator Aquarum, ob dieser mit dem zurückgekehrten Aquarius schon fertig war. Dieser nickte nur, da es von seiner Seite nichts zu besprechen gab. Für Ennius Cerealis war dies das Zeichen, dass es losgehen konnte. "Ich hole schnell meine Tasche. Wir treffen uns draußen", schlug er vor und war schon unterwegs.

    Wie angekündigt war Galeo Ennius Cerealis nur kurz zurück ins Büro geeilt, um seine Ledertasche mit den Unterlagen für den Außendienst zu holen, und stand wenig später schon wieder im Säulengang der Basilica, der sich zum Forum hin öffnete. "Waren wir vor deiner Krankheit eigentlich schon zusammen unterwegs gewesen oder nur im Büro?" fragte er Prudentius Spurinna, um das Gespräch wieder aufzunehmen.

    Zitat

    Original von Cnaeus Prudentius Spurinna
    Ja, das bin ich. Und es würde mich über alle Maße erfreuen, wieder mit dem vortrefflichen Ennius zusammenarbeiten zu können. Wie ich mich entsinne, hatte jener noch gar nicht die Möglichkeit, mir absolut alles zu zeigen. Informiert habe ich ihn noch nicht, dachte ich doch, zunächst sollte ich bei dir nachfragen, ob nicht in meiner Zwischenzeit die Sachverhältnisse in Rom so geändert, dass meine Person nicht mehr benötigt werden würde.


    "So schnell ändern sich die Dinge nicht. Das Wasser des Tiber fließt beständig, aber nicht so schnell, dass es alles mitreißt. Meistens zumindest nicht."


    Der Curator lächelte leicht und schickte seinen Schreiber los, besagten Ennius Cerealis aus dem Bür der Aquarii herüber zu holen, falls er denn anwesend sei. Tatsächlich kam der gerufene wenig später an der Seite des Schreibers zurück.


    "Prudentius Spurinna! Schön dich wieder zu sehen. Du bist wieder gesund und tatendurstig?", begrüßte dieser seinen Kollegen, mit dem er noch kaum Zeit hatte, zusammenzuarbeiten.

    Zitat

    Original von Galeo Claudius Gallus
    Pünktlich am Morgen des dritten Tages stand Galeo wieder vor dem Officium des Curator Aquarum. Heute sollte er eine Stelle als Aquarius zugeteilt und seine neuen Kollegen sowie die Aufgaben vorgestellt bekommen. Er klopfte an und wartete. Seine Erziehung verbot, dass er ohne Aufforderung eintrat.


    Der Curator Aquarum rief den Anklopfenden herein und erkannte wenig später den neuen Mitarbeiter.


    "Gute Morgen! Sehr pünktlich. Sehr schön. Lass' die Tür offen, wir gehen gleich herüber ins Büro der Aquarii. Da lernst du dann deine neuen Kollegen kennen."


    Der Curator erhob sich von seinem Platz und ging dem neuen Aquarius in Richtung Tür entgegen.

    Zitat

    Original von Cnaeus Prudentius Spurinna
    Salve, Curator. Ich hoffe, meiner bist du noch eingedenk. Prudentius Spurinna, ich sah mich gezwungen, vor einiger Zeit Rom aus gesundheitlichen Gründen zu verlassen, sintemal siech ich darnieder lag, doch bin ich wieder in der Stadt, bereit, hieramts meinem Beruf weiterhin nachgehen zu können.


    Mit Neugier war’s, das ich ihn anblickte. Er würde mich doch nicht hinauskomplimentieren mit der Behauptung, sie hatten keinen Platz mehr und ich musste meinen Posten mir höchstselbst an meinen ehrenwerten Hut stecken? Als ich wartete, stützte ich mich auf meinen Stock, der mich selbstredend von guten Diensten stets und jederzeit.


    "Salve, Prudentius Spurinna. Selbstverständlich habe ich dich nicht vergessen. Du bist wieder genesen? Nimm Platz."


    Der Curator Aquarum mochte auch nicht mehr der jüngste sein, aber so schnell vergaß er seine Mitarbeiter nun auch wieder nicht.


    "Du bist also wieder bereit, deine Tätigkeit wieder aufzunehmen? Soll ich schauen lassen, ob Ennius Cerealis zufällig im Büro ist oder hast du ihn vielleicht auch schon über deine Rückkehr informiert?"

    Zitat

    Original von Galeo Claudius Gallus
    "So in etwa hatte ich mir das vorgestellt. Für mich ist es eine schöne Kombination, auf der einen Seite die leblose Materie des Buchhalters zu haben und auf der anderen den lebendigen Kundenkontakt."


    Gallus malte sich bildlich aus, wie er im Austausch gegen das Wassergeld den Kunden wertvolle Ratschläge für die Schönheitspflege und Tipps für den besonnenen Umgang mit dem wertvollen Nass geben würde. Seine Vorfreude zeigte sich auf seinem Gesicht.


    Der Curator Aquarum begann mit einigen Notizen auf einer Tafel, die vor ihm lag und blickte den Bewerber dann wieder an.


    "Ich werde dir eine Stelle als Aquarius zuteilen. Melde dich in drei Tagen wieder hier bei mir im Büro, dann werde ich dich deinen neuen Kollegen und deinen Aufgaben vorstellen."

    Mit gespielt nachdenklichem Nicken verfolgte Tacitus die kleine Rede von Vala. “Starke Worte für jemanden, der sich wie ein Kätzchen hat fangen lassen. Vielleicht sollten wir dich wie eins behandeln und dich ersäufen...“ Er ging ein paar Schritte und legte überlegend seinen Zeigefinger ans Kinn. “Aber erst später. Lucius, würdest du?“ Er machte eine auffordernde Geste an den bulligsten der drei Brüder, der wieder einmal die Knöchel knacken ließ und einfach nur als Antwort grinste.


    Die nächste halbe Stunde wurde ausführlich dazu genutzt, Vala als lebendigen Sandsack zu missbrauchen. Wenn er drohte, ohnmächtig zu werden, machten sie eine Pause. Irgendwann hatte Taurus dann einen Schilfstock in der Hand, den er statt seiner Fäuste benutzte und Vala ein paar blutige Striemen am Rücken verpasste. Doch irgendwann brach das Ding. Und irgendwann wurden die Pausen länger als die Misshandlungen, und schließlich mussten sie ihn runterlassen, ehe er drohte, noch gänzlich ohnmächtig zu werden aufgrund des Drucks auf seiner Brust. Taurus schwitzte mittlerweile selber wie ein Stier, und Tacitus rieb sich immer wieder die Schläfen. Und auch Commodus schien zufriedengestellt, denn er kam näher und betrachtete den am Boden liegenden Gefangenen zufrieden. “Na, jetzt spuckst du nicht mehr so große Töne, Barbar.“


    Tacitus beriet sich kurz etwas mit Taurus. Viel machte der Duccier nicht mehr her. Allzu lange konnten sie es nicht mehr herauszögern, schon jetzt verlor er andauernd immer wieder das Bewusstsein und musste erst wieder wach gemacht werden. Und der Tag war schon weit vorangeschritten. Leise berieten sie sich, als es an der Tür klopfte. Tacitus sah kurz erschreckt auf und wandte sich an seine beiden Brüder. “Wenn es Ärger gibt, lasst ihn verschwinden.“
    Er ging zu der Tür und nur die Fetzen eines Gesprächs drangen zu ihnen herüber. Etwas von “Wir haben bis Sonnenuntergang bezahlt...“ und “Hab dich nicht so!“, immer wieder ein “Ja, wird nichts auf dich zurückfallen“ und von “Nein, du kannst nicht reinkommen!“ Die Worte wurden energischer, und die beiden hiergebliebenen Brüder unruhig. Etwas lief ein wenig nicht so, wie es gedacht war.
    “Quintus, die Klappe da hinten...“ Offensichtlich war die Situation hier für Taurus zu heiß, denn er kommandierte den Bruder zu einer Tür, die dieser auch gleich mit angespannten Bewegungen öffnete. Licht fiel herein und der nicht unbedingt appetitlichere Gestank des Tibers, der hier wohl entlang floss. Man hatte die Gerberei hier gebaut, um die gegerbten Felle dann auch gleich in den Fluss hängen und waschen zu können, ehe sie ausgereckt wurden. Auch hatte man so auch alles benötigte Wasser und Abwasser vor Ort.
    Der Lärm an der Tür wurde lauter. Vala wurde mit einem Messer von den Stricken losgesäbelt. Da er nach dem langen Hängen nicht aufstehen konnte, schnappte sich Taurus den einen Arm und Commodus den anderen, und sie schleiften ihn über den harten Steinboden zu der Tür. “Tja, fututor, hast es wohl doch geschafft, wir haben leider keine Zeit mehr.“
    “Das ist für Tertia“ zischte Commodus noch zwischen zusammengebissenen Zähnen und rammte Vala zum Abschied ein Messerchen in die Seite. Danach war es nur noch ein kleiner Schubs in die Fluten des Tibers.


    Kaum zehn Sekunden später kam auch schon ein wütender Plautius an Tacitus vorbeigedrängelt und sah sich wütend um.
    “Ich hab doch gesagt, kein Grund zur Panik. Hier ist alles in Ordnung. Siehst du.“
    Der Mann sah sich um und deutete auf das Blut auf dem Boden, das Joch und den zerbrochenen Schilfstock. “Und was ist damit?"
    Tacitus stellte sich dazwischen und hob beschwichtigend die Hände. “Nichts. Gib uns einfach noch eine Stunde, und alles wird in bester Ordnung sein. Ich versprech es dir. Bitte, Plautius.“
    Der Mann grunzte noch einmal unwillig, verließ aber tatsächlich die Räumlichkeiten. “Eine Stunde! Nicht einen Augenblick mehr!“
    Tacitus rieb sich wieder die Stirn, als sie unter sich waren und sah sich dann resigniert blickend die Brüder an. “Und, wo ist er?“
    “Wir haben ihn in den Fluss geworfen.“
    “Ihr habt WAS? Ich hoffe, er ist tot.“
    “Keine Sorge, ich hab ihm noch ein Messer in die Rippen gejagt!“ Commodus blickte reichlich stolz drein. Der erste Mann, den er wirklich getötet hatte.
    Dennoch erhielt er von seinem Bruder einen wenig freundlichen Schlag auf den Hinterkopf. “Die KEHLE, du Idiot! Man rammt es einem Mann in die Kehle, wenn man sicher sein will, dass er krepiert.“
    “Ach, reg dich nicht auf, Marcus. Der Kleine hat das schon gut gemacht fürs erste Mal. Außerdem ist der Barbar untergegangen wie ein Stein. Den fressen die Fische.“
    “Das will ich euch auch geraten haben!“
    Wütend wurde zusammengepackt, und nach einer Stunde erinnerte wirklich nichts mehr an das, was hier geschehen war.

    Ad Serv. Artorius Reatinus
    Leg I Trai P F
    Mantua


    L. Eggius Marullus s. d.


    Wie in meinem letzten Schreiben angekündigt melde ich mich nun wieder, da die von mir gesetzte Frist bis zum ANTE DIEM XII KAL OCT DCCCLX A.U.C. (20.9.2010/107 n.Chr.) zur Abgabe oder Schließung deiner überzähligen Betriebe abgelaufen ist, ohne dass ich von dir eine Benachrichtigung erhalten hätte.


    Ich gehe daher davon aus, dass bis zum heutigen Tag kein Betrieb verkauft wurde. Ich habe daher Anweisung gegeben, die folgenden Betriebe amtlich schließen zu lassen:
    - Marmora Artorius
    - Picturae Artorius Nero
    - Zur fröhlichen Kurtisane


    Über die Durchführung der Schließung erfolgt keine weitere Nachricht. Für Rückfragen stehe ich zur Verfügung.


    Während die älteren der beiden Brüder ihn nur schweigend und grimmig ansahen, hatten seine Worte beim Jüngsten der drei offenbar Wirkung. “Du verdammtes Schwein!“ rief Commodus, als er auf den Duccier losstürmte wie ein wild gewordener Eber und ihm in vollem Lauf die Faust ins Gesicht donnern ließ. “Tertia war die edelste“ Schlag. [/i]“liebste“[/i] Schlag. “frommste“ Ein Tritt mit voller Wucht in den Bauch des noch immer knienden Ducciers. “keuscheste“ Noch ein kräftiger Tritt, der dafür sorgte, dass Vala zur Seite kippte, gefolgt von einem Schlag gegen die Schläfe, damit er endgültig zu Boden ging. “und tugendhafteste Frau in ganz Rom.“ Wie besessen prügelte der Junge auf Vala ein.
    “Hehehehe, guck dir den Kleinen an, Marcus“, lachte Taurus und sah sich das Schauspiel einfach an. Nur Tacitus schien nicht so sehr davon angetan. Er lachte nicht und ließ das ganze einfach einen Moment lang geschehen, ohne irgendeine Regung zu zeigen. Als Commodus den Kopf seines Gegners schließlich mit beiden Händen packte und auf den Steinboden schmettern wollte, schritt er schließlich ein und hakte seinen Arm einfach unter den Ellbogen des Jüngeren, womit er ihn daran hinderte. “Das reicht jetzt.“
    Commodus machte sich frei, donnerte seine Faust noch einmal in Valas Leib und schien weitermachen zu wollen, wurde jetzt aber von seinen beiden Brüdern zurückgerissen, so dass er nach hinten stolperte und auf seinen Hintern fiel. Sofort rappelte er sich hoch und es schien nicht klar, ob er nun weiter auf Vala einprügeln wollte oder doch auf den ältesten Bruder.
    Taurus trat einfach nur stumm in seinen Weg, während Tacitus Vala auf den Rücken drehte und ansah. “Mach dir keine Hoffnungen. So schnell geht das nicht.“ Und wieder dieses gefühllose Lächeln, mit dem er ihn auch schon begrüßt hatte.


    “Aber hast du gehört, was er über Tertia gesagt hat!“ Im Hintergrund hob Commodus anklagend eine Hand und stand unruhig vor seinem Bruder, an dem er nicht vorbei kam.
    “Ja, hab ich.“
    “Und du willst gar nichts machen? Du kannst doch nicht zulassen, dass er über ihre Ehre so redet, als wäre sie eine Lupa!
    Tacitus drehte sich leicht um. “Doch, Taurus wird nichts machen, solange ich es ihm nicht sage. Und du hältst jetzt die Klappe und deine Füße still! Oder du verschwindest und kommst wieder, wenn du ein Mann geworden bist.“
    Commodus biss die Zähne zusammen, knurrte etwas, das sich wie “Ich bin ein Mann.“ anhörte, kickte einen imaginären Stein beiseite und lehnte sich wieder an eine Wand.


    Nachdem die Situation nun geklärt war, wandten die älteren beiden sich wieder dem aus einigen Platzwunden blutenden Gefangenen zu. “Mein kleiner Bruder war etwas voreilig. Du sollst doch noch etwas lernen. Vielleicht fehlt dir so ein bisschen der passende Überblick.“
    Er nickte seinem Bruder zu, und dieser verschwand kurz aus Valas Blickwinkel, nur um mit dem Haken eines Flaschenzuges zurückzukehren und diesen an dem Joch in seinem Nacken festzumachen. Es dauerte ein paar Momente, bis alles richtig saß, und schon wenige Augenblicke danach fand sich Vala hochgezogen an einem Balken hängend. Sein Gewicht wurde von seinen festgebundenen Handgelenken getragen, während sein Körper gestreckt auspendelte. Zur Sicherheit warf ihm Taurus noch einen dicken Strick um die Beine, der ihn zusätzlich etwas nach unten zog. Er hing gerade so hoch, dass seine Zehen nicht mehr den Boden berührten. “Na, bequem?“ spottete der älteste und grinste ihn an.
    Einzig Commodus stand noch immer mit wütend versteinertem Gesicht an der Wand, die Arme verschränkt und keinen Ton von sich gebend. Vermutlich hätte er Vala schon längst getötet, die älteren beiden aber schienen ihm die Reise nicht so leicht machen zu wollen und ließen ihn erst einmal eine ganze Weile einfach so hängen. “Ich hatte ja überlegt, ein hübsches Feuerchen unter dir anzuzünden, nur leider sind offene Feuer in der Stadt nicht so gern gesehen. Und immerhin sind wir ehrliche Leute, die sich an Vertragsabsprachen halten. Wir wollen ja nicht, dass der gute Plautius Ärger wegen Abschaum wie dir bekommt. Von daher müssen wir wohl ein wenig improvisieren.“

    Zwei Köpfe ruckten zu dem Jüngsten, als dieser erkannt wurde, und der hob kurz leicht abwehrend die Hände. “Guckt mich nicht so an. Ich konnt' sie ja nicht allein zu dem Fest gehen lassen...“
    Taurus schüttelte leicht den Kopf, nur Tacitus sah ein wenig länger zu dem jüngsten hin.
    Als Vala dann auf die Schwester zu sprechen kam, kam Bewegung in die Truppe. Eine Rückhand klatschte brennend in sein Gesicht, als Tacitus ihm abfällig eine scheuerte wie einem kleinen Kind. “Ihr Name war Tertia. Muntia Tertia. Merk ihn dir, Barbar. Den Rest deiner kümmerlichen Existenz wirst du diesen Namen schreien.“ Und damit war wohl auch klar, wohin die Reise ging.


    Tacitus sah abfällig auf die nackte Gestalt vor sich und machte keinen Hehl aus der Abscheu, die er empfand, während er sich wieder gerade hinstellte und ein paar Schritte zurück ging, um seinem bulligen Bruder Platz zu machen. Commodus hingegen sah sich die ganze Szenerie aus der sicheren Entfernung mehrerer Schritte an und bemühte sich, möglichst männlich dabei zu wirken.
    “Und entweder, sie war dir so unwichtig, dass du dir diesen noch nicht einmal merken wolltest, oder wir tun der römischen Gesellschaft einen größeren Gefallen, als angenommen.“ Während Tacitus ruhig dozierte, ließ Taurus bereits seine Finger leicht knacken und sah Vala mit kaltem Blick an. Offenbar wartete er nur noch auf das Kommando des Ältesten. Dieser aber war in einen lehrerhaften Ton verfallen und redete ungerührt weiter, während er ein wenig durch den Raum flanierte. “Vielleicht ist es ja bei euch Barbaren so, dass ihr eure Frauen einfach schändet und dann zurücklasst. Hier aber ist Rom. Wir sind keine unzivilisierten, ehrlosen Wilden. Und wenn du dich an unseren Frauen vergreifst, müssen wir dir wohl ein wenig die römischen Sitten näherbringen.“
    Und just zum letzten Wort versinnbildlichte Taurus das etwas deutlicher für den Duccier, indem er ihm seine geballte Faust in die Magengrube rammte. Als Vala sich naturgemäß nach vorne beugte, bekam er dann auch gleich ein muntisches Knie gegen den Kiefer, so dass sein Kopf wieder zurückgeworfen wurde.
    “Das hier beispielsweise stellt sicher, dass wir deine volle Aufmerksamkeit haben und du noch einmal deinen Fehler bereuen kannst. Du hättest auch einfach irgendeine Lupa nehmen können, oder eine Peregrine. Aber nein, an einer anständigen, unschuldigen Römerin musstest du dich vergreifen. Und das können wir nunmal nicht zulassen.“

    <Nemesis, fem., Tochter der Nyx und des Okeanos. Ausgleichende Gerechtigkeit in Form von blutiger Rache, unbarmherzig ausgeführt, bestraft vor allen Dingen Selbstüberschätzung, Hochmut und Herzlosigkeit.>


    Es hatte eine Weile gedauert, bis sie ihn ausgekundschaftet hatten. Der Mann war vorsichtig, oder hatte verteufelt viel Glück. Sie konnten ihn ja nicht einfach auf offener Straße abstechen vor hunderten Zeugen. Er war Magistrat. Treffender Weise mit Erbschaften betraut, was der ganzen Sache einen Hauch von Ironie gab. Und er wohnte bei einem Prätorianer, so dass die Möglichkeit, in sein Haus einzusteigen und ihn dort zu erledigen, auch weg fiel.
    Aber dort konnte er ja nicht ewig sein. Und sie hatten geschworen, alle drei, den Tod ihrer Schwester zu rächen. Ersäuft hatte sie sich, die arme Tertia. Einen Brief an die Mutter hatte sie hinterlassen und von ihrer Entehrung gebeichtet. Davon, sich in diesem Mann verliebt zu haben, ihm verfallen zu sein, sich ihm hingegeben zu haben mit Herz, Leib und Seele. Ich will ohne ihn nicht sein. Das hatte sie geschrieben. Nun, wenn das ihr Wunsch war, sollte sie im Elysium die Gesellschaft dieses Barbaren haben.


    Sie waren ihm gefolgt, schon zwei Tage, immer in sicherem Abstand. Der Mistkerl war vorsichtig, ging nie abseits der Straßen, hielt sich meist in den nobleren Gegenden auf. Doch heute, da hatten sie Glück. Heute musste er durch die Subura. Heute würden sie ihn nicht wie gestern und den Tag davor entwischen lassen.
    Sie folgten ihm. Der älteste der drei, Marcus Mutius Tacitus, schickte den Jüngsten, Quintus Mutius Commodus, durch eine Seitengasse voraus. Hier war ihr Spielfeld, hier kannten sie sich aus. Mit seinem Bruder Lucius Mutius Taurus folgten sie ihm weiter, den Abstand beständig verkürzend. Ob er sie bemerkte, war nun schon egal. Er bog ab, sie hinterher. Hoffentlich war Commodus in Stellung. Die Gasse war abgesehen von etwas zwielichtigem Gesindel leer, und die, die da waren, gingen aus dem Weg und sahen auffällig zu Boden, rochen bereits das Blut, dass sie vermuteten.
    Commodus stand am Ende der Gasse, so unauffällig wie jeder andere Fünfzehnjährige. “Hey, du!“ rief Tacitus ihr Ziel an. Als dieser sich leicht herumdrehte, zog Commodus einen Totschläger und briet ihm eins über. Mit schnellen Schritten waren sie bei dem Bruder, der einen aufgeregten Schritt zurückgesprungen war, und beständig “Ich hab ihn erwischt, ich hab ihn erwischt“ jubelte. Taurus ließ seine Faust noch einmal sicherheitshalber in das Gesicht des Mannes krachen und brummte nur abfällig.
    “Halt die Klappe, Qintus, und pack mit an“ kommandierte der Älteste. Ein Sack wurde dem Bewusstlosen über den Kopf gestülpt, ein paar Münzen in die Gasse geworfen für die Bettler, die noch immer da saßen, damit diese woanders hingingen, sollte jemand die Cohorten gerufen haben, und zu dritt schleiften sie ihr Opfer davon.



    Der Sack war entfernt worden, dafür waren die Arme über ein großes Joch gebunden, wie man es für Ochsen verwendete. Die Seile an den Händen waren so stramm gezogen, dass sie ins Fleisch schnitten, und man hatte ihn seiner Kleider entledigt. Und offensichtlich gehörte dieser Raum zu einer Gerberei oder lag in der Nähe einer Gerberei, denn der Gestank verriet dies überdeutlich.
    “Ich bin immernoch dafür, wir werfen ihn einfach gefesselt in die Jauchegrube und lassen ihn ersaufen. Soll Plautius sich darum kümmern, wir haben ihm doch genug gezahlt.“
    “Halt jetzt einfach die Klappe, du Weichei! In Scheiße zu ersaufen ist für den noch zu gut.“
    Zeitgleich noch von Taurus: “Schnauze, Bruder. Wenn du das nicht kannst, geh eben heim!“
    Commodus trat etwas zurück. “Ja, ich dachte ja nur. Ist ja gut. Ich will ja auch, dass er für Tertia leidet.“
    “Hör auf zu denken, bevor du dir noch weh tust.“
    “He, Marcus, ich glaub, er ist wieder wach...“
    “Ah, gut. Er soll es ja miterleben.“
    Schritte auf dem Steinboden, dann ein paar kräftiger Hände, das ihn auf die Knie zog. Ein hartes, grobschlächtiges Gesicht, das ihn angrinste. “Weißt du schon, warum du hier bist?“ Er sollte wissen, weswegen er leiden würde. Und er würde.

    Ein Charakteristikum einer wütenden Menge war, dass sie sich elend langsam fortbewegte. MORD!!!! Da sich immer mehr Menschen anschlossen, und von neugierigen Unbeteiligten zu wütenden Randalierern oder angsterfüllten Gottesfürchtigen mutierten, wuchs die Menge mit jedem Meter den sie zurücklegte. FREVEL!!! Dass es dabei nicht friedlich zuging versteht die Sache eines wütenden Mobs von sich selbst: immer wieder kam es zu Randalen. Zwar waren es vornehmlich kleinere Rangeleien, aber es wurden mehr. Zwielichte, weniger gottesfürchtige Gestalten versuchten die anonyme Menge für ihre Zwecke auszunutzen, aber Überreaktionen verängstiger Menschen nahmen zu. UNGLÜCK!!! Vor allem Frauen, die aus mehr oder viel mehr unsinnigen Gründen mit der Täterin im Hain der Diana identifiziert wurden, hatten zu leiden: man beschimpfte sie, bewarf sie mit allen unmöglichen Gegenständen oder verfolgte sie wütend durch die Gassen Roms bis die Menge sich verlor. VERDAMMUNG!!!
    Auf halber Strecke zum Tempel der Diana erreichten immer mehr aufgeregte und panische Menschen die Menge, die von den weiteren Ereignissen im Hain erzählten. Von vielen Toten war die Rede, von der sofortigen Rache der Götter und von dem Untergang der Welt! Eine riesige Herde von wütenden Geistern sei auf dem Weg direkt nach Rom! STRAFE!!!


    Die Situation eskalierte.


    Von Angst und Wut angestachelt brach eine kollektive Panik aus, die sich manigfaltig auswirkte: die Menge beschleunigte, einige begannen zu rennen, stießen gegen andere und sorgten für Gerangel und Gedränge. ANGST!!!
    Im Rausch der Panik wurden einige immer gewalttätiger, und einige wenige Arme wurden durch ihren reinen Namen Opfer des Mobs. Immer öfter spielten sich Jagdszenen in den Gassen neben der strömenden Menge ab, immer öfter gab es statt Beschimpfungen brutale Gewalt, immer öfter floss Blut. Die Angst schlug immer mehr in schiere Wut um, und sie machte vor niemandem halt. "RACHE!!!!"

    "In der Tat, das sind sie", bestätigte der Curator Aquarum und war ganz froh, dass dieser Mann im offensichtlich nicht mehr ganz jugendlichen Alter keine allzu sportlichen Vorstellungen mit der Arbeit in der Wasserbehörde verband. Da hatte er schon ganz andere Vorstellungen gehört.


    "Das heißt also, wenn ich dich der rechnungstechnischen Abteilung zuteilen würde, die das Wassergeld eintreibt und die entsprechenden Abrechnungen erstellt, würde das deiner Vorstellung entsprechen und du würdest Freude daran haben, von haus zu Haus zu gehen und mit den Abnehmern zu sprechen?" fasst er zusammen, was auf den neuen Aquarius zukommen würde, wenn er ihn den nehmen würde.